Grundsatzartikel: Meine MotivationIch mag das Wort Agnostiker nicht.
Entweder man glaubt an Gott oder nicht. So ein bisschen Gott, ist wie der Versuch halbe Löcher zu schaufeln.
Agnostiker gibt es in zwei Grundtypen: 1. Gott gibt es wohl, aber er greift seit der Schöpfung nicht mehr ein. 2. Man kann seine Eingriffe und ihn selbst nicht empirisch erfahren. Beide Sichtweisen zeichnen einen bedeutungslosen Gott. Und sollte Gott tatsächlich nicht empirisch (von griechisch
empeiria "Erfahrung, Erfahrungswissen") wahrnehmbar sein, wie kommt man dann zu der Behauptung, er existiere? Denn dafür müsste man nichts weniger überwinden, als den menschlichen Verstand.
Man kann Gott wissenschaftlich nicht beweisen und seine Nichtexistenz sowieso nicht. Will man also wissenschaftlich korrekt handeln, muss man anerkennen, dass sich die Frage nach Gott nicht beantworten lässt. Also sollte ein jeder Agnostiker sein.
Wirklich?
Die Argumentation klingt erstmal ganz logisch und vernünftig. Die Nichtexistenz von Etwas lässt sich per se nicht beweisen und die Nichtexistenz von Beweisen ist nicht automatisch auch der Beweis für die Nichtexistenz. Als Wissenschaftler oder interessierter Fachlaie sollte man daher kein Problem haben, einfach zu sagen: "Ich weiß es nicht!" Das ist in jedem Falle korrekt. Aber:
Aus Unwissen ergibt sich nicht automatisch Gott.(Übersetzung: Meine Familie glaubt nicht an die Evolution.) Ich bin Atheist. Es steht natürlich außer Frage, dass auch ich glauben muss. Ich kann nicht mal die Stromrechnung eines Teilchenbeschleunigers bezahlen. Und Mangels Platz und technischen Know-How kann ich auch keinen im Keller installieren. Ich kann auch keine ausgedehnten Ausgrabungen in Israel oder Langzeitexperimente mit Bakterien unternehmen. Mein Alt-Latein und meine Hieroglyphen-Kenntnisse sind misserabel. Auch habe ich kein Spektrometer zur Hand. Ich muss mich also bei meinem Weltbild weitgehend auf die Daten anderer verlassen. Ich bin nicht im Stande, alles selbst zu erforschen oder zu wissen. Aus der Tatsache aber, dass ich nicht alles beweisen oder widerlegen kann, schon gar nicht aus erster Hand, ergibt sich nicht, dass alles möglich wäre. Es bedeutet auch nicht, dass ich dennoch annehmen oder glauben muss. Es bedeutet ja nicht einmal, dass ich die Möglichkeit in Betracht ziehen muss, dass es so sein könnte.
Aber wir sind ja auch furchtbare Leute, diese Wissenschaftsgläubigen. Hängen an den Lippen der Professoren, glauben dem, was in
Science,
Nature oder
Spektrum der Wissenschaft steht. Halten sich für oberschlau und unterstellen anderen Dummheit. Ein wenig Bescheidenheit käme da mal recht. Sollen uns doch mal offen zeigen, für neue, für alternative Ideen, die nicht in irgendeinem oberschlauen Schulbuch stehen.
Wer reine Naturwissenschaft propagiert und sich damit als Skeptiker outet, der Übernatürliches und unbewiesene Absurditäten ablehnt, macht sich bei vielen Leuten unbeliebt. Ich meine hier nicht speziell die Wünschenrutengänger, Geist-, Wunder- und Quantenheiler, Gurus, Priester, Energetisierer, Wahrsager, Erleuchtete und andere Esoteriker, aber auch strenggläubige Theisten. Ich meine ganz "normale" Menschen. Sätze wie "Ich bin da ja offen." oder "Man kann nie wissen." oder "Wer weiß, ob was dran ist." sind allseits bekannt. Wie können diese Naturforscher auch so unverschämt sicher sein? Das sind doch Besserwisser. Und Besserwisser nerven.
Da ist ja auch was dran. In der Naturwissenschaft lernt man, zu eindeutigen Ergebnissen zu kommen. Aber nicht jeder Naturwissenschaftler bringt bei der Verteidigung seiner Theorie die soziale Kompetenz auf, die man für eine sinnvolle Diskussion braucht. Man kann gern sein ganzes Vermögen, seinen linken Arm und seine zwei Kinder darauf verwetten, dass die Argumente des Gegenübers nur muffige geistige Abgase sind, aber man sollte es ihm nicht in Gesicht sagen. Sicherlich: Auch Wissenschaftler, die sich ihrer Sache sicher waren, haben falsch gelegen. Zurückhaltung und Bescheidenheit täten sicher auch Forschern gut.
"Nett sein" heißt aber nicht "Klappe halten" und unwidersprochen jeden Wust über sich ergehen zu lassen. Und ganz sicher heißt es nicht, dass zwei gegensätzliche Meinungen intellektuell auf Augenhöhe stehen müssen, wie bei Modetrends oder Rezeptideen. Es gibt nun mal so etwas wie beobachtbare, reproduzierbare wissenschaftliche Fakten. Theorien, die dazu passen, sind gut. Theorien, die nicht passen, sind schlecht. Daran wird kein abstruser Wissenschaftsrelativismus etwas ändern.
Wer also der Wissenschaft nicht mehr als ein Bauchgefühl entgegensetzen kann, verschwendet seine Zeit und die Zeit des Wissenschaftlers, mit dem man zu diskutieren versucht.
Dennoch: Als Wissenschaftler sollte man auch den haarsträubensten Unfug immer wieder mit ehrlichen, sauberen Argumenten widerlegen und dabei freundlich bleiben. Aber wenn man ein überwältigendes Arsenal wissenschaftlich solider Fakten aus seiner Seite hat, darf man durchaus etwas Selbstbewusstsein zeigen.
Offenbar gibt es aber nichts, dass nicht so absurd wäre, dass es nicht irgendwelche Anhänger findet. Lohnt sich auch da eine wissenschaftliche Aufarbeitung?
"Das stört doch keinen.", gefolgt von "Soll doch jeder glauben, was er will." oder "Na, wenn es ihm hilft ..."
(Übersetzung: Die Sterne und Planeten haben keinen irgendwie gearteten Effekt auf dein Leben.) Wer seine Pflanzen nach dem Mondkalender aussähen will, soll dies gern tun. Wer gern Zuckerkügelchen schlucken will, in denen garantiert kein Wirkstoff enthalten ist, soll dies gern tun. Muss man immer gegen alles sein, was nicht ins eigene "Weltbild" passt?
Unbedingt! Nicht so sehr, wegen irgendwelcher Ideologien, sondern eher, da man früher oder später selbst mit diesem Hokus Pokus konfrontiert wird. Und dann sollte man Stellung beziehen. Der Grundgedanke der Aufklärung war ja, nicht mehr alles zu glauben, was einem vorgesetzt wird, sondern zu prüfen. Auch damals schon kam man oft zu überraschenden Ergebnissen bei Althergebrachtem: Der Aderlass entschlackt und entgiftet nicht, er tötet. Entladungen in Gewitterwolken sind elektromagnetische Gesetzmäßigkeiten und nicht das Machwerk irgendeines auf der Wolke sitzenden Gottes. Die Erde steht nicht im Zentrum des Universums, sondern an dritter Stelle eines recht bedeutungslosen Sonnensystems, am Rande der Milchstraße einer kleinen Galaxie, in einem unscheinbaren Winkel des kaum begreifbaren Weltalls.
Ein Jogurt, von dem behauptet wird, er sei ein Cholesterinsenker, muss nachweisbar Cholesterin senken. Sonst ist es Betrug. Bei Homöopathie, Reiki und Akupunktur trifft das zum Beispiel nicht zu. Da gilt ein Binnenkonsens. Hier darf man fabulieren, was man will. Und auch im Kreationismus muss im Grunde nichts erklärbar sein, da etwaige Wissenslücken einfach mit Gott gefüllt werden.
Natürlich stelle ich nicht in Abrede, dass die große Mehrheit der Leute, die das glauben, davon tatsächlich überzeugt sind und nicht einfach jemanden reinlegen oder übervorteilen wollen. Wer seine Blumen nach dem Mondkalender gießen will, bringt schlimmstenfalls ein paar Betunien um. Wer aber eine Operation von der Fülle des Mondes abhängig macht, spielt wohlmöglich mit seinem Leben. Der Kreationismus spielt dabei keine Ausnahme. Wer in die Natur Muster hineinliest, wo keine sind, findet sie auch irgendwann sonst in seinem Leben. Bestenfalls wird er ein "gottgefälliges" Leben führen, wozu die meisten moralischen Grundsätze gehören und demzufolge einen guten Menschen ausmachen können. Schlimmstenfalls aber wird er bestimmten Organisationen hörig, die auch ganz andere Ziele mit ihren Schafen verfolgen könnten. Die Vereinheitlichung von Denkmustern hat in der Vergangenheit nicht zwingend die positivsten Blüten getragen. Wer seinem Guru, Heiler, Rutengänger, Astrologen oder Kartenleger kritikfrei traut, ist ebenso wenig vor anderen Manipulationen gefeit, wie ein Gläubiger.
Sollte man aber der Wissenschaft nicht auch vorbehaltlos vertrauen?
1.:
Natürlich soll man der Wissenschaft nicht blind glauben. Das liegt nicht im Interesse von Wissenschaftlern. Wissenschaftler selbst sind von der Skepsis und der Neugier getrieben.
2.:
Selbst wenn die Wissenschaft falsch liegen sollte, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Gegenseite recht hätte. Denn die Richtigkeit einer These hängt ja nicht davon ab, ob der andere Unrecht hat. Sondern davon, ob der jenige, der behauptet, recht hat.
3.: Wenn ich die Wahl hätte, einerseits einer jahrhundertelang erprobten Methode des Wissensgewinns zu vertrauen, die ständiger Prüfung und Kontrolle unterworfen ist oder andererseits einer Anektdotensammlung, für die es keine Grundlage in der Realität gibt, dann entscheide ich mich sofort für ersteres!
Ein Beispiel: Die beiden "Mondkalender-Experten" Paungger und Poppe hatten auf ihrer Webseite zur Frage dem Feedback aus der Wissenschaft auf ihre Bücher folgendes veröffentlicht:
"Nur Gutes, großes Interesse und viel Enthusiasmus. Wir arbeiten mit vielen echten Ärzten und echten Wissenschaftlern zusammen. Das sind Menschen, die niemals etwas ablehnen oder abwerten, nur weil sie sich damit noch nicht vertraut gemacht haben. Das sind Menschen, für die Beweis genug ist, wenn etwas seit Jahrtausenden gut funktioniert. Sie verlangen nicht unbedingt Antwort auf die Frage, warum etwas funktioniert, bevor sie es mit Freuden anwenden. Sogenannten "Wissenschaftlern" sind wir allerdings auch schon hier und da begegnet. Menschen, für die nicht existiert, was nicht in ihre starren Denkschablonen paßt. Wir kümmern uns nicht um sie und versuchen auch nicht, sie zu überzeugen. Unsere Zeit ist uns dafür zu wertvoll."
Obacht: Sollten sie eine Person finden "für die Beweis genug ist, wenn etwas seit Jahrtausenden gut funktioniert" und die "nicht unbedingt eine Antwort auf die Frage, warum etwas funktioniert," haben wollen, dann handelt es sich ganz sicher nicht um einen Wissenschaftler. Danach zu fragen, wie und warum etwas funktioniert, ist die grundlegende Eigenschaft eines Wissenschaftlers. Es ist das Wesen der Wissenschaft. Man lehnt nicht ab, was nicht in die "starren Denkschablonen passt", sondern, wofür es keinerlei Belege in der Realität gibt, auch weil es den Naturgesetzen oder den Beobachtungen widerspricht.
(Übersetzung: Astrologie, weil du und 570 Millionen andere Menschen, die im gleichen Monat geboren wurden, heute exakt die gleichen Dinge tun werden.) Ich will nicht unkritisch und vorbehaltlos einfach glauben, was man mir vorsetzt. Da kann ich mir das Leben gleich diktieren lassen. Und genau darum, werde ich mich skeptisch diesem Thema annehmen.
Gott wirkt eben wie ein Aufsatz, um Sinn zu stiften, wo vermutlich keiner ist, ein Ankerpunkt für Moral, wo keiner nötig sein sollte. Aber wenn er tatsächlich in mein "Herz" schaut, so sieht er keinen Hass auf ihn, sondern lediglich die fehlende Überzeugung, dass es ihn gibt. Ich wüsste kein natürliches Phänomen, von dem aus sich zwingend Gott ableiten lässt. Aber vermutlich kommen andere zu anderen Schlussfolgerungen.
Um den Bogen wieder zum Agnostizismus zu spannen und auch zur Biologie zurückzukehren, die ja Grund für dieses Thema ist, sei festzuhalten, dass es auch agnostische Annahmen gibt, die durchaus angebracht sind: (Astro-)Biologen haben eine relativ klare, wenn auch nicht unumstrittene Definition, was Leben ist und versuchen dies bei der Suche nach außerirdischem Leben zu berücksichtigen. Da uns allerdings noch viel zu wenige Daten fremder Welten vorliegen, lautet die Antwort auf "Gibt es außerirdisches Leben?" einfach "Wir wissen es nicht!". Sozusagen Alien-Agnostizismus.
Auf Gott trifft dieses Prinzip nicht zu: Die verschiedenen Glaubensgemeinschaften sind sich nicht einig, was Gott ist, wieviele es gibt, wie er/sie wirkt/wirken oder was dessen/deren Motivation ist. Es gibt keine klare Definition. Und obwohl es nicht wirklich griffig ist, kann man einige Glaubensvorstellungen bereits jetzt klar widerlegen. Ein Gott, der die Welt vor 6.000 Jahren geschaffen haben soll, ist nachweislich Unsinn, da die Datenlage für ein 13,8 Milliarden Jahre altes Universum, eine 4,7 Milliarden Jahre alte Erde und mindestens 200.000 Jahre Menschheitsgeschichte spricht.
Agnostizismus ist also nicht zwingend die korrekte wissenschaftliche Folgerung aus der Nicht-Widerlegbarkeit Gottes. Die Ursache des Urknalls könnte genauso gut ein oszillierendes Universum (#1) sein. Wir wissen es nicht und es wäre von allen Seiten vermessen, zu behaupten, es zu wissen.
(Übersetzung: "Ich bin so traurig, dass Saturn nun das Sternbild Skorpion verlassen hat.", hat nie jemand gesagt.) Streng nach Ockams Sparsamkeitsprinzip (der übrigens Mönch im 14. Jahrhundert war), ziehe ich einfach die Theorie vor, die möglichst sparsam im Umgang ihrer theoretischen Annahmen ist. Die Anzahl der zugrundeliegenden Annahmen sagt natürlich erst einmal nichts über die Qualität der Theorie aus. Wenige Annahmen machen eine Theorie aber prinzipiell einer Überprüfung leichter zugänglich.
Also:
Egal welcher Vergleiche, Analogien und Metaphern ich mich bediene, es gibt in der Natur keine planende oder federführende Intelligenz oder zielgerichtete Absicht.
Die Evolutionstheorie und die Schöpfungslehre sind unvereinbar. Kreationisten argumentierten in letzter Instanz immer mit unbeweisbaren Behauptungen. Denn:
Gott hat in der Naturwissenschaft nichts verloren, selbst wenn er existieren würde, da sich die Naturwissenschaften mit Natürlichem und nicht mit Übernatürlichem befassen. Auch löst Gott als Theorie kein einziges wissenschaftliches Problem.
Die Religionen legen einen ungeheuren Machthunger und Kontrollwillen an den Tag, um die ihnen anvertrauten Schafe nicht wie Hirten zu pflegen und zu nähren, sondern sich selbst zu feiern. Also sollten sie nirgens eine Moral- oder Ordnungsintanz sein. Denn wer sich erst auf einen Gott oder eine göttliche Strafe berufen muss, um Gutes zu tun, kann so viel besser nicht sein, als einer der Gott oder diese Strafaussicht dafür nicht benötigt.
Religion sollte Privatsache sein und Religionskritik ist wichtig. Religiöse Gefühle sind absolut gleich zu setzen mit anderen Gefühlen und gehören durch nichts besonders geschützt. Religionskritik ist grundsätzlich nicht anders zu bewerten, wie jede andere Kritik.
Deshalb sollte man immer gewahr sein, dass meine Religionskritik eben Religionskritik ist, nicht mehr und nicht weniger.
#1 Die Theorie eines oszillierendes Universum geht davon aus, dass das Universum nach einiger Zeit der Ausdehnung wieder in sich zusammenfällt und danach wieder ausdehnt. Also möglicherweise auch ohne Anfang und Ende ist.