Der "kleine" Kongress 2022 - Stärke deinen Glauben (Part I)Also die Zeugen selbst nennen die Kongresse umgangssprachlich auch mal "kleiner" und "großer" Kongress. Aber man unterscheidet nicht so. Es gibt die eintägigen und die dreitägigen. Die eintägigen sind die umgangssprachlich kleinen, vermutlich eher als Kreiskongress bekannt. Passt ja, aber trotzdem sind es 6-8 Stunden "geistige Speise". Zum Verdauen bleibt da keine Zeit.
Diese Betrachtung wird aber deutlich kürzer als die des letzten Kongresses. Das war der letzte Kongress, den ich mitverfolgt habe und seitdem habe ich wieder deutlich mehr Freizeit. Meinem Spiel ist das bisher leider zu wenig zu Gute gekommen. Sorry.
Unterteilt ist dieses geballte Valium wieder in verschiedene Vorträge und Vortragsreihen. Man soll als gelehriger Novize wieder zahlreiche Notizen machen, um zu Hause die Sachen mit seinen Angehörigen noch einmal zu erörtern. Davon war ich noch nie ein Fan. Denn im Grunde bekommt man den Kongress in den nächsten Wochen und Monaten in Häppchen in den Sonntagspredigten nochmal vorgekaut. Logisch, denn schon vor dem Kongress hat man das gleiche Zeug gehört. Es gibt da in aller Regel nix neues. Es wird nur anders formuliert.
Der erste Vortrag lautet "Warum ist ein starker Glaube gerade jetzt wichtig?".
Eine halbe Stunde lamentiert der Sprecher hier rum, dessen Name ich mir nicht notiert habe, weil es völlig egal ist. Sie lesen einen vorgefertigten Text vor. Es ändert sich nur der Stil, in dem dies geschiet. Durch unterschiedliche Betonung, künstliche Pausen, Mimik und Gestik und so. Und dann, so im 3. Drittel kommt der Satz, auf den man bis dahin gewartet hat, weil er im Grunde das einzige ist, was einer Antwort auf die Frage des Vortrags am Ehesten ähnelt: Je näher wir dem Ende kommen, desto mehr Anstrengungen unternimmt der Teufel, uns vom rechten Pfad abzubringen.
Der programmierte Zeuge sieht in den ihn umgebenen Umständen immer wieder einen Beweis dafür. Meine Ex hat mich gefragt, warum ich nicht (mehr) dran glaube. Man könne doch an der Situation in der Ukraine klar und deutlich sehen, dass das Ende naht. Immerhin soll es ja von Kriegen und Kriegsberichten in den letzten Tagen nur so voll sein. Ich fragte: "Wann war es je anders?" Verstummt ist sie.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine passt aber auch auf andere Art in das zurechtgebastelte Konzept der Zeugen: Russland hat die Versammlungen und die Literatur der Zeugen nach knapp 20 Jahren freier Religionsausübung wieder verbieten lassen. Die Sowjetunion und ihr großer Nachfolgestaat wurden ja schon vor Jahrzehnten als der in Daniel prophezeite König des Nordens auserkoren, immerhin geht dieser gegen "Gottes gerechte Schafe" vor. Nur gibt es diese Unterdrückung in immer weniger Staaten. Viele Länder haben Religionsfreiheit in ihre Konstitutionen und Verfassungen geschrieben und immer mehr Menschen ist es völlig schnuppe, was der andere glaubt, solange er einen nicht ständig damit zutextet. Im globalen Maßstab ist also kein Rückgang an Religionsfreiheit zu verzeichnen.
Aber was ist mit den in den sozialen und klassischen Medien propagierten, liberalen Bild der Liebe für alle? Könnte das nicht dazu führen, dass Menschen sich bevormundet sehen? Wie soll ein religiös empfindlicher Mensch reagieren, wenn zwei Männer im Fernsehen sich küssen. Ist das schon LGBT+-Propaganda oder lange überfälliges Überbordwerfen althergebrachter "Ideale"? Wenn Männer oder Frauen oder Transgender sich küssen oder eine Beziehung haben, dann sollten Zuschauer genauso reagieren, wie Homo- oder Anderssexuelle bei heterosexuellen Paaren im TV oder auf der großen Kinoleinwand reagieren. Wer nicht auf Schmuseszenen steht, bringt das zum Ausdruck. Wer drauf steht, der auch. Propaganda wäre es, wenn man die Informationsfülle einschränkt und nur eine oder zwei Sachen zulässt. Nicht jedoch, wenn man entgegen der bisherigen Ansicht, mehr zulässt. Wer denkt, dass er schwul wird, weil er zwei küssende Männer sieht, ist vermutlich einfach schon schwul und belügt sich selbst.
Freiheiten, die Stück für Stück, auch gegen den Willen oder die Doktrin irgendwelcher religiöser Institutionen erstritten wurden und werden, wurden und werden ebenso als Angriff auf die Religion wahrgenommen. Gegen religiöse Ansichten wurde aber auch erstritten, dass Sklaverei doof ist und Frauen keine Menschen zweiter Klasse. Und das finden dann alle plötzlich ganz super. Auch in Verkennung der religiösen Schriften, die sowas ja noch nie und nimmer postuliert hätten. "Also unsere Religion war schon immer gegen Sklaverei." Als Zeuge kann man das leicht sagen. Nicht nur weil die eigene Vergangenheit nur durch einen Kanal beleuchtet wird, nämlich jenem, dem es lieber wäre, man würde keine Fragen stellen, sondern auch, weil die Russeliten (wie sie früher von Außenstehenden auch genannt wurden) erst nach Abschaffung der Sklaverei in den USA auftauchten.
Aber so ist das bei den Zeugen Jehovas, aber auch bei den Mormonen oder Scientology. Alles was von der eigenen Doktrin abweicht, ist böse. Also muss man sich dagegen wappnen.
Der nächste Vortrag heißt: "Sehen wir den "Unsichtbaren"?"
Intersant fand ich ein Short-Video von "The Truth hurts" auf YouTube. Gott wird stückweise weggeschoben. In Genesis wandelt er im Garten Eden. In Exodus ruht Gott auf einem Berg und sprichtvon diesem aus mit donnernder Stimme. Bei Hiob thront er auf den Wolken. In Offenbarung zieht sich Gott in den sichtbaren Sternenhimmel zurück. Nach dem Verständnis moderner Gläubiger und Apologeten existiert Gott außerhalb von Raum, Zeit und Materie. Also außerhalb des Universums. Wie praktisch ist das denn bitte, dass Gott immer dort wohnt, wo man ihn nicht falsifizieren und widerlegen kann? Was passiert wohl, wenn wir irgendwann herausfinden, dass das Universum nur ein Teil eines größeren Ganzen ist, zum Beispiel unser Universum ein Teil eines Multiversums (so ein richtiges, nicht nur so Doctor-Strange-mäßig). Ich schätze mal, Gott müsste erneut seine Sachen packen und neues Zuhause suchen.
Mit "sehen" ist aber nicht die optische Wahrnehmung gemeint, sondern das "Sehen vor dem geistigen Auge". Also seinen Einfluss auf die Gesinnung von Menschen oder seine Hand in den Weltgeschehnissen und so weiter. Also im Grunde "confirm bias" und Mustererkennung. Zwei hervorragende Dinge, um etwas nicht "Bauchgefühl" nennen zu müssen, aber nichts statistisch Verwertbares. Laut Hebräer Kapitel 11, Vers 27 hatte Mose einen so starken Glauben, als "sehe er den Unsichtbaren". Gott stellt sich selbst vor, so steht es in 2. Mose Kapitel 3. Also einem der beiden Kapitel, wo ein alter Mann in der prallen Wüstensonne einen brennenden Dornbusch sieht, der mit ihm spricht. Was sollte daran schon verwunderlich sein? In Kapitel 34 stellt er sich in den Versen 6 und 7 auch nochmal vor. Er vergibt, aber er wird Schuldige bis zur dritten und vierten Generation für die Taten ihrer Väter büßen lassen. Wie liebevoll.
Wieso überliest man das in den Versammlungen? Ein rachsüchtiger Gott, der Urenkel für die Taten ihrer Urgroßväter bestraft, obwohl sie vielleicht noch nicht einmal geboren sind und wenn sie dann leben, vielleicht ein demütiges Dasein in frommer Gottesfurcht halten.
In Psalm Kapitel 77, Vers 11 und 15 gibt uns eine Sehhilfe an die Hand. Denn wir sollen auf Gottes Taten schauen, um ihn wahrzunehmen. Vermutlich ist jetzt nicht unbedingt der Genozid bei der Sintflut gemeint oder bei Sodom und Gomorra oder bei der "Landnahme" im gelobten Land oder der Raub der Jungfrauen für den Stamm Benjamin (Richter Kapitel 21), weil sich die ach so geeinten Stämme Israels selber fast ausgelöscht hatten. Bin mir nicht sicher, ob ich das gut finden muss.
Ich kann mich aber auch an seinen realen Werken ergötzen (blöde Wortwahl). Immerhin hat er alles so schön gemacht. Hm ... Da bin ich anderer Meinung und diese stütze ich auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Das in dem Vortrag genannte Schöpfungsbuch werden wir später noch betrachten. Das Gott irgendwas geschaffen hat, lässt sich prinzipiell nicht beweisen und mein Evo-Thread ist nicht deswegen so lang, weil da so viele Werke Gottes drin beschrieben werden, sondern weil man auch ohne Gott so viele Dinge in der Biologie und den anderen Themen beschreiben kann.
Es folgt der Vortrag "Der Glaube folgt ... auf das Gehörte."
Das mag ja stimmen, aber vom Hören ergeben sich keine Beweise. Man kann viel hören. Zum Beispiel, dass Homöopathie heilt oder Rutengänger erfolgreich im Suchen von Wasseradern sind. Die eigenen Sinne sind für das tägliche Leben ganz brauchbar. "Kann man das noch essen?", "Was das ein Tiger da hinten im Gebüsch?", "Was riecht hier so eklig?", "Wow, sieht das Mädel heiß aus." Sinneswahrnehmungen sind wichtig, um den Alltag zu sortieren und Vorentscheidungen zu treffen, viele davon unbewusst. Wenn mir kalt ist, ziehe ich mich wärmer an, wenn mir warm ist, ziehe ich was aus oder drehe die Heizung runter. Wenn ich das Mädel heiß finde (und Konsens herrscht), dann ziehe ich sie aus.
Unsere Sinne helfen uns leider nur nicht weiter, wenn es ums große Ganze geht. Wir können Elektrizität nicht sehen, aber physikalisch so gut beschreiben, dass wir trotzdem Maschinen bauen können, die es produzieren und welche, die es verbrauchen. Den Anfang des Universums hat niemand gesehen, aber gemeinsamer Hirnschmalz hat dazu geführt, dass wir uns vorstellen können, wie es so ziemlich am Anfang ausgesehen haben muss. Niemand weiß, wie ein Dinosaurier wirklich aussieht, aber zusammengetragene Daten haben bei einigen Urzeitechsen zu einem recht stimmigen Bild geführt. Natürlich wurden alle diese Entdeckungen mit den Sinnen wahrgenommen. Knochen wurden gefunden, weil wir sie sehen können. Die Ausdehnung des Universums lässt sich beobachten, wenn auch mit ganz viel Hilfe. Strom können wir in Form von Licht "sehen", in Form eines Backofens "spüren". In Form von Blitzen übrigens auch. Was wir aber sehen, sind bei Elektrizität im Grunde nur die Ergebnisse, zu denen Elektrizität führen kann oder genauer gesagt, die elektromagnetische Kraft. Sie sorgt auch dafür, dass wir nicht durch den Boden fallen, obwohl uns die Gravitation zum Schweremittelpunkt der Erde drückt. Die Gravitation zum Beispiel können wir nicht sehen, hören, fühlen, schmecken oder riechen. Die elektromagnetische Kraft dagegen sozusagen schon.
Photonen prallen an den rasend schnellen Elektronen ab, die um die Atomkerne wuseln, aus denen alle Objekte bestehen. Diese zurückgeworfenen Photonen treffen auf unser Auge und wir können das Objekt sehen, von denen sie abgeprallt sind. Moleküle lagern sich auf der Nasenschleimhaut oder der Zunge ab und deren Elektronen interagieren mit den Elektronen der Zunge und erzeugen so den Geruch und den Geschmack. Schallwellen sind nichts weiter als vibrierende Luft, die unser Ohr erreicht und dabei eine feine "Mechanik" in Gang setzt. Allein dadurch, dass die Elektronen der Luft in leicht unterschiedlicher Geschwindigkeit in unterschiedlichem Gemenge auf unser Trommelfell treffen. Sobald wir etwas berühren, sei es die Tastatur, der Apfel, der Tisch oder der Partner spüren wir die Abstoßungskraft unserer Elektronen und die des "Dings" das wir berühren. Dabei berühren wir sie wirklich etwas, weil wir nicht stark genug sind, die gleichen Ladungen (negativ - negativ) tatsächlich zusammen zubringen. Wir bleiben immer ein paar Nanometer vorher "hängen". Im Grunde schweben wir sogar über den Boden. Was herunterfällt erzeugt nur deshalb ein Geräusch weil in kurzer Zeit sehr viele Elektronen auf sehr viele Elektronen treffen. Dabei aber nie wirklich zusammenstoßen. Ein bisschen so, als würde man die gleichgeladenen Enden zweier Kühlschrankmagneten aneinander drücken wollen.
Was ich damit eigentlich sagen will: Stille Post ist ein blödes System um Glauben aufzubauen. Sinnvoller wäre nach Evidenz zu suchen, möglichst vorurteilsfrei. "Möglichst" deshalb, weil es vorurteilsfreie Menschen nicht gibt.
Das Jehova immer recht hat und seine Prophezeiungen immer eintreffen, wird zum Beispiel damit "bewiesen", dass Jesaja ca. 200 Jahre vor dem Niedergang Babylons dessen Eroberer nennt. In Kapitel 14, Vers 23 wird geschrieben, dass die Stadt Babylon vernichtet und nie wieder aufgebaut wird. Jetzt kann man natürlich sagen, dass sei Prophetie oder man nimmt die naturalistische Antwort: Das ganze Buch, mindestens aber die entsprechenden Teile wurden im Nachexil hinzugefügt und in der Endredaktion irgendwann um 500 v. u. Z. eingebunden.
Eine weitere Prophetie, die man sich gerne zur Brust nimmt, ist jene, die auf das Jahr 1914, als das Jahr von Jesu Wiederkunft, deutet. In Daniel Kapitel 4 wird ein riesiger Baum beschrieben, der gefällt wird und für 7 Zeiten nicht wächst, denn aber wieder. Diese Prophezeiung soll sich an Nebukadnezar, dem Daniel seinen Traum erklärte, direkt erfüllen und laut Bibel ist es dann auch so geschehen. Jetzt wird es ein bisschen so, als hätte man ein Mathematikbuch mit Sachaufgaben. In der Offenbarung Kapitel 12, Vers 6 und 14 finden wir die Angabe, über 1260 Tage (Vers 6), sowie über 3 1/2 Zeiten (Vers 14), ohne jedoch eine Info zubekommen, warum "Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit" 3 1/2 sein sollen, wo doch der Passus "Zeiten" unbestimmt ist. 1260 Tage entsprechen also 3 1/2 Zeiten, laut dem Verständnis der Zeugen Jehovas. Daniel spricht aber von 7 Zeiten, also doppelt so viel. Das müssen dann wohl 2520 Tage sein. Für den Unglauben beim Auskunftschaften des gelobten Landes wurde das Volk mit 40 Jahren Wanderung bestraft, denn die Kundschafter haben 40 Tage ausgekundschaftet. In Hesekiel Kapitel 4, Vers 6 finden wir den Ausspruch "einen Tag für ein Jahr" nochmals. Bämm, dann sind wir bei 2520 Jahren. Die "sieben Zeiten" sollen mit der Zerstörzung des Tempels in Jerusalem 607 v. u. Z. begonnen haben. Die absolute Majorität der geschichtlich bewanderten Personen nimmt zwar das Jahr 587 v. u. Z. als dieses Jahr dieses Ereignisses, aber was stört den Gläubigen schon die Wissenschaft. Aus diesem ganzen Wust an verschiedenen Bibelstellen, die nichts miteinander zu tun haben, zaubert sich mit dem Anfangsjahr 607 v. u. Z. (das Jahr Null gibt es nicht) das Jahr der Wiederkunft: 1914.
Ursprünglich dachte man, dass wäre das Ende, aber das war nur der Anfang der "letzten Tage", wie man im Nachgang "erkannte". Und so schiebt sich auch dieses Ende nun schon über 100 Jahre vor sich her und will so gar nicht eintreffen. Aber was sind schon 100 Jahre im großen Plan Gottes, der schon immer existierte? Und so gibt es immer wieder neue Ausreden, warum noch nichts passiert ist oder das dieses oder jenes Zeichen, dass gerade geschiet, ganz wunderbar zu dem Zeichen des Endes passt. Wir müssen dabei natürlich ignorieren, dass die Historiker nicht auf das Jahr 607 v. u. Z. verweisen und auch, dass Daniel die Prophezeiung über Nebukadnezar mit keiner Silbe in irgendeinen größeren Zusammenhang fasste, sondern sehr explizit sagte, dass sich die Deutung des Traums an eben jenem König erfüllen wird.
Ich meine, die Bibel ist ein wirklich dickes Buch, mit vielen, vielen Seiten und echt vielen Buchstaben. Da lassen sich ganz sicher noch andere mathematische Formeln finden. Man muss nur suchen.
Prophezeiungen der Bibel "erfüllen" sich also nicht nur, wenn sie sich "erfüllen", sondern bei ausreichend selektiver Betrachtungsweise sogar dann, wenn sie sich nicht erfüllen.
Man muss sich also selbst überreden, dass zu glauben, auch schon deswegen, weil so manche Prophezeiung in Wundertaten ihre Erfüllung fand, wie die Vorhersage der Sintflut, die ja durch Gottes Macht ausgelöst wurde, nicht durch natürliche Prozesse. Aber leider hat sie keine Spuren hinterlassen. Also müssen wir glauben, weil es uns gesagt wurde, und wir hören.
Und im Vortrag wird noch schwadroniert, dass der erste Weltkrieg nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Verflechtungen der verschiedenen Länder und Herrschaftsgebiete war da, ebenso das Pulverfass im Balkan. Es hätte im Grunde auch ein anderes Event sein können, als die Ermordung des Kronprinzen, der in einer Ereigniskette den großen Krieg hervorbrachte. Natürlich hat man mehrfach versucht es abzuwenden, aber es wäre vermutlich so oder so ziemlich dicke gekommen. Wer weiß? Ein paar Wochen, Monate oder Jahre früher oder später. Die Weichen waren vielerorts schon gestellt, die Flotten bereit, die Nationen gerüstet.
Der Alltime-Favorite, dass in den letzten Tagen die Menschen Gotteslästerer sind, allezeit böse und die "gute Botschaft" (also der künftige Genozid durch das Engelsherr mit Jesus an der Spitze) auf der ganzen Erde gepredigt wird, kommt auch noch zum Schluss des Vortrags.
Das nächste Thema war "Die Frucht, die der Geist hervorbringt, ist Glaube"
Die Frucht, die Wissenschaft hervorbringt, ist Wissen. Zumindest mit einer gewissen Sicherheit. Glaube wiederum unterscheidet sich nicht von Wunschdenken. Wobei Wunschdenken meist einen selber betrifft, Glaube aber ist als Religion meist eine Massenveranstaltung. Also gibt es schon Unterschiede. Zitiert wird Hebräer Kapitel 11, Vers 1: "Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht." (Ich hab es jetzt mal aus der Lutherbibel 2017 genommen.) Vielen Menschen zu vielen Zeiten waren viele Dinge gewiss, auch wenn sie nie war wurden. Das Ende der Welt 2012, weil uns ein Planet rammen wird oder Außerirdische uns versklaven oder wir einen, wie auch immer gearteten Bewusstseinssprung in "höhere Dimensionen" machen. Das ist jetzt nur ein Beispiel. Für Esoteriker ist es eine Gewissheit, dass bestimmte Steine, wie Bergkristall oder Amethyst irgendwelche Superkräfte haben, dass eine Aussaat nach dem Mond zu besseren Ergebnissen führt, dass sie mit Engeln reden können, Lichtheiler sind, Sternzeichen Menschen charakterisieren, Homöopathie auch entgegen aller Evidenz wirkt, und das man das Quantenfeld mit positiven Gedanken beeinflussen kann. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt an unglaublich vielseitigen "Gewissheiten", die schon deshalb wahr sind, weil die betreffenden Personen nicht nur überzeugt sind, dass es so ist und es wirkt und das alles, sondern weil sie "es am eigenen Leib schon erfahren haben". Meist wird dabei Kausalität (etwas löst etwas aus) mit Korrelation (zwei Dinge passieren nacheinander, müssen aber nicht unbedingt miteinander zu tun haben) verwechselt. Und das ist bei den Glaubenssachen und Gott nicht anders. Das Gott, der Erschaffer des Universums, die Regeln eben jenes außer Kraft setzt und selbst eingreift, damit eins unserer Gebete erhört wird, hat recht wenig mit Demut, aber sehr wohl mit Wunschdenken zu tun.
Ich habe in einem Podcast von der Webseite der Zeugen mal ein Beispiel für Gottes Segen gehört. Irgendein Königreichssaal sollte auf eine entfernte Insel gesetzt werden. Erst gab es kein Grundstück, dann wurde dass aber erreicht. Logisch, Gottes Segen. Es war nicht die Anstrengung der Brüder und Schwestern vor Ort, sondern Gott. Das unterhöhlt die Opfer- und Arbeitsbereitschaft von Menschen. Wenn ihre Bemühungen nicht gesegnet worden wären, wer wäre dann verantwortlich? Würde man Gott dafür beschimpfen, dass er trotz Anstrengungen der Leute vor Ort, den Saalbau nicht möglich gemacht hätte? Und wenn nicht, warum nicht?
Egal. Jetzt brauchte man noch Sand für die Zementherstellung, aber niemand wollte den Zeugen Sand verkaufen. Gleichzeitig gab es eine Taifunwarnung und dieser Sturm steuerte genau auf die Insel zu, wo das Bauvorhaben war. Doch im letzten Moment dreht der Taifun ab und trifft die Insel nicht. Eine weitere gute Nachricht: Plötzlich gab es herbei geschütteten Sand ohne Ende, mehr als für das Bauvorhaben notwendig war. Der Videoausschnitt, in dem das beschrieben wird, stammt aus dem Januar 2016. Der genannte Taifun ist der Maysak (in den Philippinen Typhoon Chedeng) und war der vierte benannte Taifun der Saison, der der stärkste aufgezeichnete Taifun in der Zeit vor April wurde. Er formte sich am 26. März 2015 östlich von Mikronesien und wanderte in nordwestlicher Richtung auf die Philippinen zu. Dort traf er Anfang April auf die nördliche Hauptinsel Luzon.

Die Landwirtschaft wurde extrem getroffen. 90 % der Bananen-, Brotfruchtplantagen und Getreidefelder waren zerstört auf Chuuk und Yap. Der Sturm zerstörte mindestens 830 Häuser und Wohnungen und 37 Geschäfte, machte damit 6.000 Menschen obdachlos. Die Stromversorgung brach zusammen und die Kommunikation wurde stark eingeschränkt. Laut dem Bericht der United States Agency for International Development (USAID) waren bis zu 29.000 Menschen direkt durch den Taifun betroffen und er verursachte auf diesen beiden Inseln einen Schaden von ca. 8,5 Millionen US-Dollar. Schätzungen des Roten Kreuzes zufolge gab es 5.000 Menschen, die dringend Nahrung, Wasser und Unterkunft benötigten und Nothilfe benötigten. Wasser wurde untrinkbar. Mindestens 11 Boote und Schiffe sanken oder wurden beschädigt. Und mindestens 4 Menschen starben. Ein Mann wurde von einem umstürzenden Baum getötet, ein Kind von umherfliegenden Trümmerteilen, eine andere Person wurde in Erdrutschen verschüttet, ein Neugeborenes starb, da man wegen umgestürzter Bäume nicht mehr rechtzeitig zum Krankenhaus kam.
Zwei Tage später erreichte der Taifun über dem Ulithi Atoll seine größte Kraft. Alle Anbaufelder waren zerstört, obwohl das Atoll nicht direkt getroffen wurde. Das Wasser wurde kontaminiert und Fruchtbäume knickten um. 18 Fischer strandeten auf den Inseln Pikolot und West Fayew, konnte aber nach dem Sturm wieder zurück.
Auf den Philippinen wurden vorsorglich 24.000 Menschen evakuiert. Viele Radiostationen, die während Ostern Urlaub machen, blieben auf Sendung, um die Bevölkerung über den Verlauf des Sturm zu unterrichten. Das Militär war in Bereitschaft, offizielle Warnungen gegeben. Strände waren gesperrt, Boote und Schiffe in die Häfen gerufen, 10 Flüge abgesagt. Laut dem Department of Social Welfare and Development wurden 300 Millionen philippinische Dollar (ca. 6,8 Millionen US-Dollar) zurückgelegt, um eventuelle Schäden auszugleichen. Ungefähr 28.000 Family Food Packs waren vorsorglich quer über Luzon in Warenhäusern eingelagert worden.
Der Taifun wurde merklich schwächer, während der die Philippinen traf, so dass das Land minimale Schäden zu verzeichnen hatte. Hohe Wellen und leichter Regenfall waren die Auswirkungen. Keine Großschäden und keine Toten waren gemeldet worden, vier Personen wurden aber verletzt. Die in der Aurora-Provinz gekenterte Fähre (5 Tote), ist laut philippinischer Küstenwache aber wohl wegen Überfüllung und unsachgemäßer Handhabung gekentert. Die See war ruhig, als das Unglück passierte.
Das alles für den Bau eines Gotteshauses.
Gott nimmt also das Leben von potentiell mehreren tausend Menschen in Kauf für einen Königsreichssaal?
Warum soll ich den nochmal anbeten?
Wie wäre es, wenn wir einfach sagen, Gott hat weder an den guten, noch an den schlechten Dingen einen Anteil hat und das alles ist leider, leider ein Unglück, wie bei dem Turm von Siloam, auf den Jesus verweist (Lukasevangelium Kapitel 13, Verse 1-5).
Wenn sowas also Gottes Segen sein soll, was kann man da alles noch reinzählen und was lieber nicht?
Da ich sehr viel über den Sturm geschrieben habe, muss ich den Beitrag doch splitten.