Rezension: ERWACHET! Nr. 3 2021 | Gibt es einen Schöpfer? Urteile selbst. (Teil 1: Intro und Inhaltsverzeichnis)
Urteile selbst? Urteile selbst?
Ich weiß gar nicht, wo ich ansetzen soll.
Was passiert, wenn mein Urteil positiv ausfällt? Existiert er dann plötzlich?
Was passiert, wenn mein Urteil negativ ausfällt? Existiert er dann nicht mehr?
Warum "Selbst urteilen" ein wenig an der Realität vorbeigeht, habe ich hier ausführlich beschrieben:
https://almafan.iphpbb3.com/forum/38899908nx49134/der-offene-brief-f43/laut-gedacht-t352.html#p4288
Aber ich will es hier noch einmal zusammenfassen:
Ähnlich, wie beim "selber denken", erliegt man beim "selber urteilen" den gleichen Fehlern. Man überschätzt massiv das, was man als einzelner Mensch auch im Denkvermögen zu leisten im Stande ist. Und man zeigt damit offen ein riesiges Missverständnis darüber, dass man keinen Plan hat, wie Wissenschaft funktioniert. Und das nach knapp 400 Jahren systematischer Wissenschaft. Niemand kann durch "selber urteilen" die Wissenschaft aushebeln. Übersehen wird dabei, dass Wissenschaft nicht bloß die Meinung einer Person ist. Sie ist entstanden durch unzählige Menschen, die über Jahrzehnte oder Jahrhunderte ihre guten Ideen zu etwas zusammengefügt haben, was stabiler und komplexer ist als jede Theorie, die im Kopf einer einzelnen Person Platz hat.
Wenn ich also den wissenschaftlichen Konsens auf diesen Seiten hier verteidige, handel ich nicht arrogant. Es geht nicht darum meine Meinung als wertvoller einzustufen. Es geht ja nicht einmal um meine Meinung. Es geht um wissenschaftliche Gedankengebäude, die von zig Leuten mit Sachverstand aufgebaut wurden. Dadurch entsteht erst Zuverlässigkeit. Ob sich jemand innerhalb der Wissenschaft geirrt hat, entscheiden nicht Außenstehende, obschon ihre Fragen Anstoß zu neuen Ideen und Umwälzungen geben können, sondern Wissenschaftler, die mit sauberen Argumenten und Belegketten, neue Erkenntnisse hervorbringen. Deshalb sind das die Experten und ich bin es nicht.
Man sollte die Gesellschaft deutlich stärker darüber aufklären, dass Wissenschaft kein Einzelunternehmen ist, sondern ein weltweites Gemeinschaftsprojekt. Damit sollte deutlich klarer werden, dass "Selber denken" und "Selber urteilen" nicht in der selben Liga spielen kann, wie ernsthaft betriebene Wissenschaft.
BILD EINFÜGEN MIT "WAS WISSENSCHAFT WIDERLEGT, WAS WISSENSCHAFT NICHT WIDERLEGT"
Wir haben also wieder eine Rezension über ein kreationistisches Machwerk aus dem Hause der Wachtturm-Gesellschaft vor uns. Sicher gibt es da draußen auch noch andere Kreationisten, aber hier in Deutschland sind das vermutlich die Präsentesten. Immerhin klingeln sie an euren Haustüren oder schreiben euch Briefe, wie während dieser Pandemie vermehrt. Also seit 1. September dürfen sie wieder an den Türen klingeln. Dürfen im Sinne von, die Obrigkeit der Zeugen hat den Missionsdienst in seiner alten Form wieder offiziell erlaubt. Nicht im Sinne von, ihr freut euch schon über ungebetenen Besuch.
Schnallt euch schon mal an. Ich will es nicht beschreien, aber vermutlich wird es eine längere Rezensionsreihe. Immerhin handelt es sich nicht um einen Artikel, sondern um ein ganzes Heft. Denn der Erwachet Nr. 3 aus dem Jahr 2021 beschäftigt sich von vorn bis hinten mit diesem Thema. Es werden die altbekannten Dopplungen auftauchen. Ich kann euch aber noch nicht allzuviel verraten, weil es im Gegensatz zu manch anderen Rezensionen auch meine "First Reaction" sein wird. Ich habe das Heft noch nicht gelesen, aber ich erwarte einiges an Material auf den immerhin 16 Seiten, die das Heft stark ist. Ich muss aber zugeben, dass ich es bereits überflogen habe, daher ist "First Reaction" auch in Anführungszeichen geschrieben. Ich hatte sicherlich Spaß an einigen Stellen, die absolut ernst gemeint waren. Ja, sogar einen Lachflash. Also seit gespannt.
Vielleicht habt ihr euch ja auch schon gefragt, warum die Zeugen Jehovas mit 2 Zeitschriften hausieren gehen. Nun der Erwachet ist so eine Art Einstiegsblatt für Laien und Interessierte. Darin werden Alltagsprobleme und -fragen gestellt, die dann wie in einem Ratgeber beantwortet werden. Dabei verweist man mehr nebenher auf den Ursprung des Rates. In etwa so: "Wussten Sie, dass so etwas schon in der Bibel steht?" Er soll das Interesse an Gottes Wort wecken, daher wohl auch der Titel. Etwas zielgerichtetere Kost bietet der Wachtturm, die bekanntere Zeitschrift. Sie richtet sich an jene, die schon glauben, aber halt falsch. Wie auch immer man das feststellt. Egal. Darin werden Fragen, die Menschen zur Bibel oder zu Gott haben, mit der aktuellen Doktrin erklärt. Die Artikel sind dann auch so verfasst, dass klar erkenntlich ist, wie Gottes Standpunkt zu irgendwelchen Sachverhalten ist. Wie steht er zu Sex vor der Ehe? Wie steht er zu Pornografie? Wie steht er zu Drogen, wie zu Alkohol, wie zum Rauchen? Welches Beispiel gibt uns diese oder jene Bibelfigur? Vom Wachtturm gibt es obendrein noch eine Studienvariante. Die ist lediglich für den Gebrauch in der Zusammenkunft gedacht, kann aber auch von jedermann online heruntergeladen werden. Sie richtet sich an Mitglieder oder werdende Mitglieder, die sich am Sonntag an der Betrachtung des jeweiligen Artikels beteiligen wollen.
Aufgebaut sind Wachtturm und Studien-Wachtturm in Antwort und Frage. Ein oder zwei Absätze schwadronieren "Beweise" herbei und die darauffolgende Frage (je nach Layout steht sie auch über dem Absatz) wird passend kredenzt. So prägt sich das gerade gelesene zwar besser ein. Aber richtiger wird es dadurch auch nicht. Der Erwachet macht das nicht so. Dort wird straight einfach Absatz an Absatz gehangen. Die Fragen finden sich jedoch hier in den Absätzen. Auch so wird eine Glaubwürdigkeit stärker suggeriert, als wenn lediglich "Fakten" aneinandergereiht werden. Das macht auch der Wachtturm, also zusätzlich zu den Fragen, die separiert vom Absatz, aber zu diesem, gestellt werden.
Und leider sind es nicht gerade wenige dieser Heftchen, die weltweit in irgendwelche Haushalte gelangen. Der Wachtturm wird in über 400 Sprachen übersetzt und hat eine weltweite Gesamtauflage von über 90.000.000 und der Erwachet schafft es immerhin auf 200 Sprachen bei einer weltweiten Gesamtauflage von fast 80.000.000 (#1). Die beiden Zeitschriften führen mit weitem Abstand die Hitliste der auflagenstärksten Zeitschriften an. AARP The Magazine (persönlich zuvor nie gesehen und bislang nie gelesen), Platz 3, kommt in nur einer Sprache daher und hat eine Gesamtauflage von 23.000.000 (#1). Man steckt also auf jedenfall sehr viel Anstrengungen in Verbreitung "der guten Botschaft". Also in die Botschaft, dass, wenn man nicht schleunigst zum Zeugen Jehovas konvertiert, Gott einen in seiner großen Liebe und Güte mit all den anderen Satansjüngern ausradieren wird. Kurzum, der Absatz obendrüber ist für all jene, die bisher keines der Heftchen gesehen haben. Aber bei der Auflage ist das besonders im deutschsprachigem Raum eher unwahrscheinlich.
Meine Konfrontation, die ich hier aufbaue, ist demnach für die Rekrutierungsquote der Zeugen vermutlich völlig unerheblich. Ich denke, nur die Apothekenumschau hat in Deutschland eine größere Verbreitung. In diesem Forum schauen täglich zwischen 15 und 60 Leute vorbei. Die Hälfte vermutlich Bots auf der Suche nach Futter für ihre Algorithmen. Seit Bestehen im Jahr 2012 dieses Threads hier sind nicht einmal 15.000 Klicks hierdrauf gemacht worden (also im Schnitt je Jahr ca. 1.500). Im Jahr 2021 wurden im Schnitt monatlich fast 6.000.000 Bibelstudien von Zeugen Jehovas durchgeführt und über 170.000 Taufen veranstaltet (#2). Ich habe ja leider auch dazu breitquatschen lassen. Aber ihr seht allein an den Zahlen, dass es sich hier um einen Kampf gegen Windmühlen handelt und ich habe als Don Quijote weder meinen getreuen Sancho Panza bei mir, noch mein Pferd Rosinante. Noch dazu, wird Zeugen eingeprägt, möglichst keine Literatur von außerhalb der eigenen Publikationen zu lesen, wenn man über Glaubensinhalte etwas wissen möchte. Von daher werden noch weniger Zeugen mein Forum kennen oder sich mit tatsächlichen wissenschaftlichen Artikeln zum Thema Evolution beschäftigen.
Die neue Rezension also beschäftigt sich mit einem ganzen Erwachet. Diese 16 Seiten sind ein schöner Vorgeschmack auf weitere Buchstudien, die noch folgen werden. Dann natürlich aber auch gern wieder chronologisch. Und es folgt ja in einiger Zeit auch eine Aufstellung zum Mammutprojekt, also einer Auflistung aller Texte, die ich irgendwann noch rezensieren möchte (außer beim genaueren Lesen ergibt sich, dass es zu wenig Material ist, um sich damit zu beschäftigen).
ERWACHET! Nr. 3 2021 | Gibt es einen Schöpfer? Urteile selbst.
https://www.jw.org/de/bibliothek/zeitschriften/erwachet-nr3-2021-nov-dez/
Wie immer, ihr seht es bereits, stelle ich die Quelle ungeschönt zur Verfügung, damit ihr abermals prüfen könnt, ob ich mir die Position des Argumentationsgegners ausdenke oder das Kritisierte wirklich da steht. Denn im Gegensatz zu den Zeugen Jehovas, die gerne von "in einem Buch über ... steht" oder "ein befragter Wissenschaftler sagte" als Quelle verwenden, möchte ich meine Quellen tatsächlich nennen. Ich finde, das gehört zu einer ehrlichen Aufarbeitung dazu. Besonders, wenn man über Dinge schreibt, die den gesamten späteren Lebensweg entscheiden können, wie die kleine, unbedeutende Winzigkeit, ob es da draußen einen Schöpfer gibt, der angebetet werden möchte und dem man sein ganzes Leben widmet oder nicht.
Es wird bereits von vornherein daraufhin gearbeitet, ein uneiniges Bild in der Wissenschaft zu zeichnen, bei der es offenbar eher um Meinungen, als um Daten geht. Ja, in der Wissenschaft wird darüber debattiert, welche Mechanismen in der Entstehung des Universums und der Entwicklung des Lebens in welcher Gewichtung federführend waren und welche eher "nebensächlich". Aber auf naturwissenschaftlichem Boden. Und da hätten wir bereits eine fehlerhafte Grundprämisse. Denn, dass das Universum einen Anfang zu haben scheint, ist allen sachverständigen Beteiligten klar. Eine sehr wahrscheinliche und durch Beobachtungen und Experimente immer weiter verfeinerte Geschichte des Universums kann recht genau rekonstruiert werden. Und auch wenn Wissenschaftler in sehr vielen Bereichen im Dunkeln tappen, sind andere Dinge bereits sehr klar gezeichnet. Es ist eine große mathematische und naturwissenschaftlich-philosophische Aufgabe, noch genauer hinzuschauen. Aber grob gesagt, man streitet sich eher um Nachkommastellen, als um das große Ganze.
Und ein kaum anderes Bild zeichnet sich in der durch die Vererbungslehre, Molekularbiologie und Epigenetik erweiterte Evolutionsforschung. Kontroversen, in dem suggerierten Ausmaß, gibt es nur zwischen Unverständigen, die lieber ihren Gott als Urquell von allem haben wollen und denen, die durch jahrelanges Studium selbst zum Verbessern unseres Verständnisses dieses hochkomplexen Prozesses Evolution beigetragen haben. Läuft die Evolution sprunghaft an und deshalb gibt es Lücken im Fossilbericht oder bestätigt sich dadurch der gut dokumentierte Vorgang der Fossilation, der damit auch aussagt, dass der Fossilbericht nie vollständig sein kann, da Fossilation selbst ein komplizierter Vorgang mit bestimmten Vorbedingungen ist und deshalb nicht immer gelingt? Welchen Einfluss haben die Gene, welche die Kultur? Wie mächtig sind Phänotypen? Welche Gewichtung haben Mutation, Selektion, Adaption, Variation und genetischer Drift? Welchen Einfluss hat die Umwelt? Wie finden Wechselwirkungen statt? Das und noch mehr sind die Fragen, vor denen die Wissenschaftler stehen und nicht, ob es eine Evolution überhaupt gibt. Obschon mit jedem Experiment und mit jeder Beobachtung auch immer das Ganze auf dem Prüfstand steht. Und upps. Es hält offenbar.
Deswegen bin ich bereits gespannt, welche "verblüffende[n] Fakten" wir hier "unter die Lupe" nehmen und wie jemand in einem voreingenommenen, zielgerichteten Heft ohne tiefere Vorkenntnisse zu einer "eigene[n] Schlussfolgerung" kommen soll. Ich habe aufgrund früherer Rezensionen schon so eine Ahnung, wo das hingehen wird. Aber ich finde es immer wieder spannend, wie man mit den im Grunde immer gleichen Bausteinen so kreativ immer wieder neue Seiten füllen kann. Man kann von Gott ja halten was man will, aber mich erfüllt es mit Demut, zu wissen, dass ich ein Glücksfall bin und kein Gott gewolltes Wesen. Es ist für mich kaum an Arroganz zu übertreffen, auch im 21. Jahrhundert zu behaupten, Gott, das mächtigste Wesen überhaupt, habe das Universum und die Erde darin nur geschaffen, damit er uns Menschen, denen er gerne vergibt und die er bedingungslos liebt (unter bestimmten Bedingungen versteht sich) eine schöne Heimat bieten kann. Das Dinge gut aussehen (Sonnenaufgang (... oder Frauen)) und gut schmecken (reife Früchte (... oder Frauen)), damit wir uns daran erfreuen können. Das hat mit Demut nichts zu tun. Aber genau dahin wird die Reise führen. Das spüre ich, ohne die letzten Seiten gelesen zu haben. Wir können am Ende ja überprüfen, ob ich recht hatte.
Das Inhaltsverzeichnis sieht dann auch wie folgt aus:
Diese Artikel werden mich nun eine Zeit lang begleiten und euch, liebe Leser, natürlich auch, sobald ich sie veröffentlich habe. Ich hoffe, dem Stoff irgendwie gerecht werden zu können. Ich bin ja kein gelernter Biologie oder dergleichen. Aber ich werde, wie immer, meine Möglichkeiten ausschöpfen, euch bei all der Kritik an diesem Erwachet, auch ein bisschen echte Wissenschaft näher zu bringen.
Okay, wir müssen gar nicht bis zum Ende der Rezension warten. Wir haben hier bereits den Fahrplan vorgezeichnet. Wie vorhersehbar.
#1 - Liste auflagenstärkster Zeitschriften:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_auflagenst%C3%A4rkster_Zeitschriften
#2 - Bericht über das Dienstjahr 2021 der Zeugen Jehovas in der ganzen Welt:
https://www.jw.org/de/bibliothek/buecher/bericht-dienstjahr-2021/gesamtzahlen-2021/
Urteile selbst? Urteile selbst?
Ich weiß gar nicht, wo ich ansetzen soll.
Was passiert, wenn mein Urteil positiv ausfällt? Existiert er dann plötzlich?
Was passiert, wenn mein Urteil negativ ausfällt? Existiert er dann nicht mehr?
Warum "Selbst urteilen" ein wenig an der Realität vorbeigeht, habe ich hier ausführlich beschrieben:
https://almafan.iphpbb3.com/forum/38899908nx49134/der-offene-brief-f43/laut-gedacht-t352.html#p4288
Aber ich will es hier noch einmal zusammenfassen:
Ähnlich, wie beim "selber denken", erliegt man beim "selber urteilen" den gleichen Fehlern. Man überschätzt massiv das, was man als einzelner Mensch auch im Denkvermögen zu leisten im Stande ist. Und man zeigt damit offen ein riesiges Missverständnis darüber, dass man keinen Plan hat, wie Wissenschaft funktioniert. Und das nach knapp 400 Jahren systematischer Wissenschaft. Niemand kann durch "selber urteilen" die Wissenschaft aushebeln. Übersehen wird dabei, dass Wissenschaft nicht bloß die Meinung einer Person ist. Sie ist entstanden durch unzählige Menschen, die über Jahrzehnte oder Jahrhunderte ihre guten Ideen zu etwas zusammengefügt haben, was stabiler und komplexer ist als jede Theorie, die im Kopf einer einzelnen Person Platz hat.
Wenn ich also den wissenschaftlichen Konsens auf diesen Seiten hier verteidige, handel ich nicht arrogant. Es geht nicht darum meine Meinung als wertvoller einzustufen. Es geht ja nicht einmal um meine Meinung. Es geht um wissenschaftliche Gedankengebäude, die von zig Leuten mit Sachverstand aufgebaut wurden. Dadurch entsteht erst Zuverlässigkeit. Ob sich jemand innerhalb der Wissenschaft geirrt hat, entscheiden nicht Außenstehende, obschon ihre Fragen Anstoß zu neuen Ideen und Umwälzungen geben können, sondern Wissenschaftler, die mit sauberen Argumenten und Belegketten, neue Erkenntnisse hervorbringen. Deshalb sind das die Experten und ich bin es nicht.
Man sollte die Gesellschaft deutlich stärker darüber aufklären, dass Wissenschaft kein Einzelunternehmen ist, sondern ein weltweites Gemeinschaftsprojekt. Damit sollte deutlich klarer werden, dass "Selber denken" und "Selber urteilen" nicht in der selben Liga spielen kann, wie ernsthaft betriebene Wissenschaft.
BILD EINFÜGEN MIT "WAS WISSENSCHAFT WIDERLEGT, WAS WISSENSCHAFT NICHT WIDERLEGT"
Wir haben also wieder eine Rezension über ein kreationistisches Machwerk aus dem Hause der Wachtturm-Gesellschaft vor uns. Sicher gibt es da draußen auch noch andere Kreationisten, aber hier in Deutschland sind das vermutlich die Präsentesten. Immerhin klingeln sie an euren Haustüren oder schreiben euch Briefe, wie während dieser Pandemie vermehrt. Also seit 1. September dürfen sie wieder an den Türen klingeln. Dürfen im Sinne von, die Obrigkeit der Zeugen hat den Missionsdienst in seiner alten Form wieder offiziell erlaubt. Nicht im Sinne von, ihr freut euch schon über ungebetenen Besuch.
Schnallt euch schon mal an. Ich will es nicht beschreien, aber vermutlich wird es eine längere Rezensionsreihe. Immerhin handelt es sich nicht um einen Artikel, sondern um ein ganzes Heft. Denn der Erwachet Nr. 3 aus dem Jahr 2021 beschäftigt sich von vorn bis hinten mit diesem Thema. Es werden die altbekannten Dopplungen auftauchen. Ich kann euch aber noch nicht allzuviel verraten, weil es im Gegensatz zu manch anderen Rezensionen auch meine "First Reaction" sein wird. Ich habe das Heft noch nicht gelesen, aber ich erwarte einiges an Material auf den immerhin 16 Seiten, die das Heft stark ist. Ich muss aber zugeben, dass ich es bereits überflogen habe, daher ist "First Reaction" auch in Anführungszeichen geschrieben. Ich hatte sicherlich Spaß an einigen Stellen, die absolut ernst gemeint waren. Ja, sogar einen Lachflash. Also seit gespannt.
Vielleicht habt ihr euch ja auch schon gefragt, warum die Zeugen Jehovas mit 2 Zeitschriften hausieren gehen. Nun der Erwachet ist so eine Art Einstiegsblatt für Laien und Interessierte. Darin werden Alltagsprobleme und -fragen gestellt, die dann wie in einem Ratgeber beantwortet werden. Dabei verweist man mehr nebenher auf den Ursprung des Rates. In etwa so: "Wussten Sie, dass so etwas schon in der Bibel steht?" Er soll das Interesse an Gottes Wort wecken, daher wohl auch der Titel. Etwas zielgerichtetere Kost bietet der Wachtturm, die bekanntere Zeitschrift. Sie richtet sich an jene, die schon glauben, aber halt falsch. Wie auch immer man das feststellt. Egal. Darin werden Fragen, die Menschen zur Bibel oder zu Gott haben, mit der aktuellen Doktrin erklärt. Die Artikel sind dann auch so verfasst, dass klar erkenntlich ist, wie Gottes Standpunkt zu irgendwelchen Sachverhalten ist. Wie steht er zu Sex vor der Ehe? Wie steht er zu Pornografie? Wie steht er zu Drogen, wie zu Alkohol, wie zum Rauchen? Welches Beispiel gibt uns diese oder jene Bibelfigur? Vom Wachtturm gibt es obendrein noch eine Studienvariante. Die ist lediglich für den Gebrauch in der Zusammenkunft gedacht, kann aber auch von jedermann online heruntergeladen werden. Sie richtet sich an Mitglieder oder werdende Mitglieder, die sich am Sonntag an der Betrachtung des jeweiligen Artikels beteiligen wollen.
Aufgebaut sind Wachtturm und Studien-Wachtturm in Antwort und Frage. Ein oder zwei Absätze schwadronieren "Beweise" herbei und die darauffolgende Frage (je nach Layout steht sie auch über dem Absatz) wird passend kredenzt. So prägt sich das gerade gelesene zwar besser ein. Aber richtiger wird es dadurch auch nicht. Der Erwachet macht das nicht so. Dort wird straight einfach Absatz an Absatz gehangen. Die Fragen finden sich jedoch hier in den Absätzen. Auch so wird eine Glaubwürdigkeit stärker suggeriert, als wenn lediglich "Fakten" aneinandergereiht werden. Das macht auch der Wachtturm, also zusätzlich zu den Fragen, die separiert vom Absatz, aber zu diesem, gestellt werden.
Und leider sind es nicht gerade wenige dieser Heftchen, die weltweit in irgendwelche Haushalte gelangen. Der Wachtturm wird in über 400 Sprachen übersetzt und hat eine weltweite Gesamtauflage von über 90.000.000 und der Erwachet schafft es immerhin auf 200 Sprachen bei einer weltweiten Gesamtauflage von fast 80.000.000 (#1). Die beiden Zeitschriften führen mit weitem Abstand die Hitliste der auflagenstärksten Zeitschriften an. AARP The Magazine (persönlich zuvor nie gesehen und bislang nie gelesen), Platz 3, kommt in nur einer Sprache daher und hat eine Gesamtauflage von 23.000.000 (#1). Man steckt also auf jedenfall sehr viel Anstrengungen in Verbreitung "der guten Botschaft". Also in die Botschaft, dass, wenn man nicht schleunigst zum Zeugen Jehovas konvertiert, Gott einen in seiner großen Liebe und Güte mit all den anderen Satansjüngern ausradieren wird. Kurzum, der Absatz obendrüber ist für all jene, die bisher keines der Heftchen gesehen haben. Aber bei der Auflage ist das besonders im deutschsprachigem Raum eher unwahrscheinlich.
Meine Konfrontation, die ich hier aufbaue, ist demnach für die Rekrutierungsquote der Zeugen vermutlich völlig unerheblich. Ich denke, nur die Apothekenumschau hat in Deutschland eine größere Verbreitung. In diesem Forum schauen täglich zwischen 15 und 60 Leute vorbei. Die Hälfte vermutlich Bots auf der Suche nach Futter für ihre Algorithmen. Seit Bestehen im Jahr 2012 dieses Threads hier sind nicht einmal 15.000 Klicks hierdrauf gemacht worden (also im Schnitt je Jahr ca. 1.500). Im Jahr 2021 wurden im Schnitt monatlich fast 6.000.000 Bibelstudien von Zeugen Jehovas durchgeführt und über 170.000 Taufen veranstaltet (#2). Ich habe ja leider auch dazu breitquatschen lassen. Aber ihr seht allein an den Zahlen, dass es sich hier um einen Kampf gegen Windmühlen handelt und ich habe als Don Quijote weder meinen getreuen Sancho Panza bei mir, noch mein Pferd Rosinante. Noch dazu, wird Zeugen eingeprägt, möglichst keine Literatur von außerhalb der eigenen Publikationen zu lesen, wenn man über Glaubensinhalte etwas wissen möchte. Von daher werden noch weniger Zeugen mein Forum kennen oder sich mit tatsächlichen wissenschaftlichen Artikeln zum Thema Evolution beschäftigen.
Die neue Rezension also beschäftigt sich mit einem ganzen Erwachet. Diese 16 Seiten sind ein schöner Vorgeschmack auf weitere Buchstudien, die noch folgen werden. Dann natürlich aber auch gern wieder chronologisch. Und es folgt ja in einiger Zeit auch eine Aufstellung zum Mammutprojekt, also einer Auflistung aller Texte, die ich irgendwann noch rezensieren möchte (außer beim genaueren Lesen ergibt sich, dass es zu wenig Material ist, um sich damit zu beschäftigen).
ERWACHET! Nr. 3 2021 | Gibt es einen Schöpfer? Urteile selbst.
https://www.jw.org/de/bibliothek/zeitschriften/erwachet-nr3-2021-nov-dez/
Wie immer, ihr seht es bereits, stelle ich die Quelle ungeschönt zur Verfügung, damit ihr abermals prüfen könnt, ob ich mir die Position des Argumentationsgegners ausdenke oder das Kritisierte wirklich da steht. Denn im Gegensatz zu den Zeugen Jehovas, die gerne von "in einem Buch über ... steht" oder "ein befragter Wissenschaftler sagte" als Quelle verwenden, möchte ich meine Quellen tatsächlich nennen. Ich finde, das gehört zu einer ehrlichen Aufarbeitung dazu. Besonders, wenn man über Dinge schreibt, die den gesamten späteren Lebensweg entscheiden können, wie die kleine, unbedeutende Winzigkeit, ob es da draußen einen Schöpfer gibt, der angebetet werden möchte und dem man sein ganzes Leben widmet oder nicht.
Die Frage nach der Entstehung des Universums und des Lebens auf der Erde wird kontrovers diskutiert. Diese Ausgabe von Erwachet! lädt dazu ein, einige verblüffende Fakten unter die Lupe zu nehmen und eine eigene Schlussfolgerung zu ziehen. Ist das Universum durch einen zufälligen Prozess entstanden oder steckt ein Schöpfer dahinter? Die Antwort mag unser Leben stärker berühren, als wir denken.
Es wird bereits von vornherein daraufhin gearbeitet, ein uneiniges Bild in der Wissenschaft zu zeichnen, bei der es offenbar eher um Meinungen, als um Daten geht. Ja, in der Wissenschaft wird darüber debattiert, welche Mechanismen in der Entstehung des Universums und der Entwicklung des Lebens in welcher Gewichtung federführend waren und welche eher "nebensächlich". Aber auf naturwissenschaftlichem Boden. Und da hätten wir bereits eine fehlerhafte Grundprämisse. Denn, dass das Universum einen Anfang zu haben scheint, ist allen sachverständigen Beteiligten klar. Eine sehr wahrscheinliche und durch Beobachtungen und Experimente immer weiter verfeinerte Geschichte des Universums kann recht genau rekonstruiert werden. Und auch wenn Wissenschaftler in sehr vielen Bereichen im Dunkeln tappen, sind andere Dinge bereits sehr klar gezeichnet. Es ist eine große mathematische und naturwissenschaftlich-philosophische Aufgabe, noch genauer hinzuschauen. Aber grob gesagt, man streitet sich eher um Nachkommastellen, als um das große Ganze.
Und ein kaum anderes Bild zeichnet sich in der durch die Vererbungslehre, Molekularbiologie und Epigenetik erweiterte Evolutionsforschung. Kontroversen, in dem suggerierten Ausmaß, gibt es nur zwischen Unverständigen, die lieber ihren Gott als Urquell von allem haben wollen und denen, die durch jahrelanges Studium selbst zum Verbessern unseres Verständnisses dieses hochkomplexen Prozesses Evolution beigetragen haben. Läuft die Evolution sprunghaft an und deshalb gibt es Lücken im Fossilbericht oder bestätigt sich dadurch der gut dokumentierte Vorgang der Fossilation, der damit auch aussagt, dass der Fossilbericht nie vollständig sein kann, da Fossilation selbst ein komplizierter Vorgang mit bestimmten Vorbedingungen ist und deshalb nicht immer gelingt? Welchen Einfluss haben die Gene, welche die Kultur? Wie mächtig sind Phänotypen? Welche Gewichtung haben Mutation, Selektion, Adaption, Variation und genetischer Drift? Welchen Einfluss hat die Umwelt? Wie finden Wechselwirkungen statt? Das und noch mehr sind die Fragen, vor denen die Wissenschaftler stehen und nicht, ob es eine Evolution überhaupt gibt. Obschon mit jedem Experiment und mit jeder Beobachtung auch immer das Ganze auf dem Prüfstand steht. Und upps. Es hält offenbar.
Deswegen bin ich bereits gespannt, welche "verblüffende[n] Fakten" wir hier "unter die Lupe" nehmen und wie jemand in einem voreingenommenen, zielgerichteten Heft ohne tiefere Vorkenntnisse zu einer "eigene[n] Schlussfolgerung" kommen soll. Ich habe aufgrund früherer Rezensionen schon so eine Ahnung, wo das hingehen wird. Aber ich finde es immer wieder spannend, wie man mit den im Grunde immer gleichen Bausteinen so kreativ immer wieder neue Seiten füllen kann. Man kann von Gott ja halten was man will, aber mich erfüllt es mit Demut, zu wissen, dass ich ein Glücksfall bin und kein Gott gewolltes Wesen. Es ist für mich kaum an Arroganz zu übertreffen, auch im 21. Jahrhundert zu behaupten, Gott, das mächtigste Wesen überhaupt, habe das Universum und die Erde darin nur geschaffen, damit er uns Menschen, denen er gerne vergibt und die er bedingungslos liebt (unter bestimmten Bedingungen versteht sich) eine schöne Heimat bieten kann. Das Dinge gut aussehen (Sonnenaufgang (... oder Frauen)) und gut schmecken (reife Früchte (... oder Frauen)), damit wir uns daran erfreuen können. Das hat mit Demut nichts zu tun. Aber genau dahin wird die Reise führen. Das spüre ich, ohne die letzten Seiten gelesen zu haben. Wir können am Ende ja überprüfen, ob ich recht hatte.
Das Inhaltsverzeichnis sieht dann auch wie folgt aus:
Selbst urteilen – aber wie?
Die Frage nach dem Ursprung des Universums und des Lebens beschäftigt viele.
Was uns das Universum verrät
Das Universum und die Erde scheinen auf das Leben ausgelegt zu sein. Ist das ein Beweis für einen Schöpfer?
Was uns das Leben verrät
Lebewesen verleihen unserem Planeten eine einzigartige Schönheit. Was verrät uns das Leben über seinen Ursprung?
Was uns die Wissenschaft nicht verraten kann
Kann die Wissenschaft den Ursprung des Universums und des Lebens schlüssig erklären?
Was uns die Bibel verrät
Stimmt der Bibelbericht mit wissenschaftlichen Erkenntnissen überein?
Warum es einen Unterschied macht
Die Überzeugung, dass es einen allmächtigen Gott gibt, wird dein Leben enorm bereichern.
Geh der Sache auf den Grund
Finde selbst heraus, ob der Glaube an einen Schöpfer eine Grundlage hat.
Diese Artikel werden mich nun eine Zeit lang begleiten und euch, liebe Leser, natürlich auch, sobald ich sie veröffentlich habe. Ich hoffe, dem Stoff irgendwie gerecht werden zu können. Ich bin ja kein gelernter Biologie oder dergleichen. Aber ich werde, wie immer, meine Möglichkeiten ausschöpfen, euch bei all der Kritik an diesem Erwachet, auch ein bisschen echte Wissenschaft näher zu bringen.
Okay, wir müssen gar nicht bis zum Ende der Rezension warten. Wir haben hier bereits den Fahrplan vorgezeichnet. Wie vorhersehbar.
Einzelne, die den überlieferten Anschauungen entgegentraten, sind die Quelle aller moralischen und geistigen Fortschritte gewesen.- Bertrand Russell, englischer Philosoph (1872-1970)
#1 - Liste auflagenstärkster Zeitschriften:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_auflagenst%C3%A4rkster_Zeitschriften
#2 - Bericht über das Dienstjahr 2021 der Zeugen Jehovas in der ganzen Welt:
https://www.jw.org/de/bibliothek/buecher/bericht-dienstjahr-2021/gesamtzahlen-2021/
