Rezension: Whatsapp 29. Mai 2021 - Kameras und Augen (Teil 1 - Die Mär vom Vergleich)Mal etwas erfrischender habe ich heute eine Rezension, die nicht einen Wachtturm-Artikel oder Erwachet zerlegt. Diesmal haben wir etwas unmittelbareres. Irgendjemand wabert in seinen Whatsapp-Status irgendeinen Wulst und ich schau mir die Sache an. Das habe ich bereits zwei Mal gemacht. Einmal mit einer bunten Homöopathie-Blase und einmal beim Wiederkäuer zu den Schrecken von Halloween.
Anekdoten sind keine Datenhttps://almafan.iphpbb3.com/forum/38899908nx49134/der-kritiker-f23/alternative-medizin-t184-s30.html#p3743Zeugen Jehovas und der Quatsch mit dem teuflischen Halloweenhttps://almafan.iphpbb3.com/forum/38899908nx49134/der-kritiker-f23/traditionen-t249.html#p4685Jetzt habe ich etwas neues für euch. Neu ist vielleicht nicht der beste Begriff, aber ihr wisst ja, dass ich bei der Aufarbeitung immer etwas hinterher hänge. Das folgende Bild entstand aus zwei aufeinanderfolgenden Statusmeldungen in Whatsapp. Insgesamt waren es drei Bilder, aber auf dem letzten wurde nur auf die Kreationistenseite der Zeugen Jehovas verwiesen. Deswegen habe ich diesen Part weggelassen. Wie ihr im Titel bereits seht, ist auch diese Bilderfolge über 1 1/2 Jahre alt.
Auf der linken Seite sehen wir den Vergleich von Kamera und Auge und rechts ein Haus und die Erde.
Weil jemand etwas "nachbaut" muss das Orginal auch "gebaut" worden sein. Aber von wem?
Da haben wir das erste Problem.
Kreationisten behaupten, eine Antwort zu haben. Aber welcher Gott war es denn?
Selbst wenn wir nicht alle 7.000 Götter zählen, sondern nur diejenigen, denen die Schöpfung zugeschrieben wird, haben wir immernoch ein gewaltiges Zuständigkeitsproblem. Also halbwegs realistisch gesehen. Da in unseren Breitengraden im Grunde nur der christliche Schöpfungsmythos hochgehalten wird, weil diese Religion die anderen überlebt hat, bleibt nur der abrahamitische Gott, El, Elohim, Jahwe, Jehova, Adonai bzw. Allah. Gott eben.
Ich würde gern mit euch die Punkte, die ich unten im Bild angehangen habe, durchgehen. Denn diese Missverständnisse machen Kreationisten beim Vergleich mit technischen Geräten oder anderen künstlichen Gebilden immer wieder.
1. technische Geräte haben keine Vorgeschichte
2. biologische Gebilde haben keine Vorgeschichte
3. biologische Gebilde sind perfekt designed
4. biologische Gebilde haben keine Alternativen
Wir gehen das jetzt Punkt für Punkt durch.
Und ich muss dem Ersteller dieses Whatsapp-Nonsens vermutlich sogar danken. Irgendwie.
Ich habe mich für die Recherche zu diesem Artikel, in die Geschichte des Auges und in die Geschichte der Fotografie eingearbeitet und zeitweise 4 Stunden an diesem Text geschrieben und musste dann entscheiden, was relevant genug ist, drin zu bleiben. Ich will mich jetzt nicht als Experten bezeichnen, aber ich habe wirklich viel dazugelernt. Nur leider komme ich halt nicht zu dem gleichen Ergebnis, wie der Kreationist, der das reingestellt hat.
1. technische Geräte haben keine VorgeschichteNoch nie hat der Mensch irgendeine Innovation aus dem Nichts geschaffen. Immer hat er die Vorarbeiten anderer benötigt. Nehmen wir doch gleich mal die Kamera als Beispiel.
Eine Kamera ist eine fototechnische Apparatur (daher unter anderem auch Fotoapparat genannt), die statische oder bewegte Bilder auf einem fotografischen Film oder elektronisch auf ein magnetisches Videoband oder digitales Speichermedium aufzeichnen oder über eine Schnittstelle übermitteln kann. Der Begriff "Kamera" leitet sich von lateinisch
Camera obscura ("dunkle Kammer"), der Lochkamera, ab.

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1. Bild:Kastenförmige Camera obscura
2. Bild: Zeltförmige Camera obscura
3. Bild: Hüttenförmige Camera obscuraDamit dürften die wenigsten von euch Bekanntschaft gemacht haben und ich denke, die Zahl derer, die täglich damit arbeiten, dürfte sich gen Null belaufen, wenn ihr nicht gerade zufällig in einem Museum arbeitet. Deswegen kurz zur Funktionsweise:
Eine Camera obscura besteht aus einem lichtdichten Kasten oder Raum, in den durch ein schmales Loch das Licht einer beleuchteten Szene auf die gegenüberliegende Rückwand trifft. Auf der Rückwand entsteht dabei ein auf dem Kopf stehendes und seitenverkehrtes Bild dieser Szene. Das Bild ist lichtschwach und nur bei ausreichender Abdunklung gut zu sehen. Bei transparenter Rückwand kann man das Bild auch von außen betrachten, wenn man für ausreichende Abdunklung sorgt, indem man beispielsweise ein lichtundurchlässiges Tuch verwendet, das die Rückseite der Rückwand und den Kopf des Betrachters bedeckt.
Das Prinzip erkannte bereits Aristoteles (384–322 v. Chr.) im 4. Jahrhundert v. Chr. In der apokryphen Schrift
Problemata physica wurde zum ersten Mal die Erzeugung eines auf dem Kopf stehenden Bildes beschrieben, wenn das Licht durch ein kleines Loch in einen dunklen Raum fällt.
Erste Versuche mit einer Lochkamera hat der Araber Alhazen bereits um 980 angestellt. Er hatte bereits den optischen Effekt und eine modern anmutende Theorie der Lichtbrechung entwickelt, war aber nicht an der Produktion von Bildern von Individuen interessiert. Er lebte zudem in einer Gesellschaft, die durch das Bilderverbot im Islam, der Bilderproduktion feindlich gegenübergestellt war. Europäische Künstler und Philosophen begannen, die technischen Erkenntnisse Alhazens in neuen Rahmenwerken mit deutlich mehr Relevanz zu nutzen.
Vom Ende des 13. Jahrhunderts an wurde die Camera obscura von Astronomen zur Beobachtung von Sonnenflecken und Sonnenfinsternissen benutzt, um nicht mit bloßem Auge in das helle Licht der Sonne blicken zu müssen. Roger Bacon (1214–1292 oder 1294) baute für Sonnenbeobachtungen die ersten Apparate in Form einer Camera obscura. Ähnliche Versuche hat wahrscheinlich Filippo Brunelleschi (1377–1446) bei seiner Anwendung der Zentralperspektive angestellt. Leonardo da Vinci (1452–1519) untersuchte den Strahlengang und stellte fest, dass dieses Prinzip in der Natur beim Auge wiederzufinden ist.
Jetzt kam ein ganz entscheidender Punkt, damit wir heute nicht riesige Kästen und ein Zirkuszelt mit uns herumschleppen müssen, wenn wir irgendwas fotografieren wollen.
Denn nachdem es im Mittelalter gelang, Linsen zu schleifen, ersetzte man das kleine Loch durch eine größere Linse. Diese verbesserte Kamera beschrieb 1569 der Venezianer Daniele Barbaro in seinem Werk
La pratica della perspettiva und Giambattista della Porta (1563–1615) in seiner
Magia Naturalis. Ein solches Gerät scheint auch Johannes Kepler (1571–1630) bekannt gewesen zu sein.
Bereits die 1929 erschienene Encyclopedia Britannica enthielt einen großen Artikel über die Camera obscura und zitierte Leon Battista Alberti als ersten schriftlich nachgewiesenen Nutzer 1437.
Erst mit der Linse konnte die Verkleinerung dieses Apparates stattfinden.
Und obacht: Geschliffene Linsen (davor nutze man konkave oder konvexe Glassteine) sind ursprünglich als Lupen entwickelt worden, um sehschwachen Menschen zu helfen, Schriften zu lesen oder Bilder anzuschauen. Der Einsatz als Brennlinse für eine Kamera ist also ein tolles Beispiel für eine Funktionsumformung bzw. eine Mehrfunktionalität. So wie viele andere Bauteile, insbesondere einer modernen Kamera.

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Bild 1: Diese Bauform der Camera obscura wurde im 18. Jahrhundert als Skizzierinstrument genutzt. Mit einem Blatt Papier auf der Glasscheibe konnte das betrachtete Objekt direkt kopiert werden.
Bild 2: Goethes tragbare Camera obscura, um 1800Doch ohne Johann Zahn hätte Goethe seinen Kasten gar nicht gehabt.
Denn der konstruierte im Jahre 1686 die vermeintlich erste transportable Camera obscura. Ein Spiegel, der im Winkel von 45 Grad zur optischen Achse der Linse im Inneren der Kamera angebracht war, reflektierte das Bild nach oben auf eine Mattscheibe, die beim Transport durch einen aufklappbaren Deckel geschützt werden konnte. Von der Mattscheibe konnte das Bild bequem abgezeichnet werden. Das Bild konnte durch einen rechteckigen Auszug scharf gestellt werden. Die Camera Obscura wurde von Malern vor der Fotografie gern als Zeichenhilfe genutzt. Man konnte in ihr die Landschaft auf Papier abmalen und dabei alle Proportionen richtig wiedergeben. Bekanntestes Beispiel ist der Maler Canaletto mit seinen berühmten Gemälden von Dresden und Warschau.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die
Camera lucida immer beliebter und löste die Camera obscura als Zeichenhilfe weitgehend ab.
Die Obscura ist ja noch bekannt und sicherlich auch einigen da draußen ein Begriff, aber was ist eine Camera lucida?
Das Patent meldete der britische Chemiker und Physiker William Hyde Wollaston 1806 für sein Zeicheninstrument an. Das Prinzip scheint aber schon bekannt gewesen zu sein, denn vielleicht hat Johannes Kepler es bei seinen Beobachtungen schon verwendet. Es wurde zum Abzeichnen von Landschaften oder Porträts verwendet. In der biologischen Forschung wurden Camera-lucida-Projektionen mikroskopischer Präparate als Zeichenvorlage benutzt.
William Henry Fox Talbot (1800–1877), der mit seiner zeichnerischen Begabung unzufrieden war, hatte nach einem Hilfsmittel gesucht, um 1833 Skizzen am Comer See anzufertigen und daher die auf der Camera obscura basierenden Projektionsvorrichtungen weiterentwickelt.
Bei der Camera lucida blickt man durch ein Guckloch direkt über die Kante des Prismas, das die Umrisse des Motivs auf das Zeichenpapier wirft. Der Benutzer kann dadurch gleichzeitig die Umrisse des Motivs und das Papier sehen und kann das Objekt dann einfach abzeichnen. Mit der Camera lucida wird also vor allem das Anfertigen von relativ naturgetreuen Bildern vereinfacht.
Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Camera lucida zu einem wichtigen Hilfsmittel in der Entomologie zum genauen Zeichnen des Flügelgeäders von Insekten.
Abbildungen zu projezieren gelang also schon und das schon seit einiger Zeit. Bis hierhin musste der Fotograf aber die Bilder noch von Hand abzeichnen. Dazu kam jetzt die Entwicklung, Sonnenlicht für die Färbung von chemischen Substanzen zu nutzen. Daran forschte man ebenfalls seit einiger Zeit, doch nicht primär für die Entwicklung der Fotografie.
Bereits dem Physiker Johann Heinrich Schulze (1687–1744) war ein solches Verfahren bekannt. Er vermischte dabei im Jahre 1717 Kreide mit einer Silberlösung und bemerkte mit der Salpetersäure die lichteinwirkende Veränderung. Jetzt kommt der Clou. Bilder durch Licht und Linsen projezieren gelang. Die "Speicherung" auf Medien steckte in den Kinderschuhen. Aber es war ein ganz anderes Genre, dass die Verbindung sah:
In seinem Roman
Giphantie beschrieb Charles-François Tiphaigne de la Roche griff 1760/61 die Möglichkeit, die Fotografie durch den chemischen Prozess auf einem Medium zu speichern.
Der aus Stralsund stammende Chemiker Carl Wilhelm Scheele (1742–1786) experimentierte mit Silbersalzen, bei denen er entdeckte, dass die Schwärzung durch metallisches Silber verursacht wurde. Die ersten nachweisbaren Experimente zum Fixieren des fotografischen Bildes stammen aus den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts von Claude Niépce und Joseph Nicéphore Niépce (um 1798) und Thomas Wedgwood (1799).
1824 gelang es Niépce dann erstmals, einen Kupferstich des Kardinals Georges d’Amboise nicht nur zu kopieren, sondern auch zu fixieren. Dieses Bild gilt jedoch nicht als erstes Foto, da es nicht mit einer Camera obscura aufgenommen wurde. Aber der gleiche Joseph Nicéphore Niépce erzeugte 1826 mit einer Camera obscura im Heliografie-Verfahren die erste bekannte und bis heute erhaltene Fotografie
La cour du domaine du Gras.
Das ist es. Die älteste erhaltene, echte Fotografie.
Wir schauen wir aus dem Fenster des Arbeitszimmer von Niépces Gutshof Le Gras. Von der linken Seite her sieht ein Betrachter zunächst den Rahmen des Fensterflügels, das turmartige Taubenhaus des Gutshofs, weiter entfernt einen Baum, ein kleines Gebäude mit Pultdach und schließlich einen turmförmigen Kamin, wahrscheinlich vom Backhaus.
Das hier ist aber die bereits retuschierte Fassung des Bildes. Die Orginal-Fotoplatte sieht so aus:
Nicht unbedingt die Qualität, die man von seinem iPhone, Huawai oder Samsung gewohnt ist, oder?
Die Linse wurde auf eine polierte, mit in Lavendelöl gelöstem Naturasphalt bestrichene Zinnplatte von 21 cm × 16 cm fokusiert. Die Asphaltmischung härtete je nach Belichtungsgrad heller oder dunkler aus. Nach acht Stunden Belichtungszeit konnte die Platte mittels einer Mischung aus Lavendelöl und Petroleum ausgewaschen und das Foto dadurch fixiert werden. Ein optischer Effekt der langen Belichtungszeit ergab sich darin, dass die Gebäude auf dem Bild beidseitig keinen Schattenwurf erzeugten.
Das eigentliche Ziel von Niépce war, diese Platten dann zu ätzen, um davon per Druckvorgang Abzüge zu erhalten, was ihm allerdings nur bei Kontaktkopien von Strichvorlagen (Kupferstiche, Radierungen) gelungen ist.
Das Foto war natürlich nur der erste geglückte Versuch einer ganzen Reihe von Erprobungen:
Niépce, von 1789 bis 1811 Offizier in der französischen Armee, verwaltete zwischen 1795 und 1801 den Distrikt Nizza, widmete sich dann mit seinem älteren Bruder Claude Niépce in seiner Vaterstadt mechanischen und chemischen Arbeiten und ab 1815 der Lithografie. Ein Lithograf ist jemand, der die Steinzeichnung – also die zu druckenden Texte und Bilder – auf einem Lithografiestein manuell oder mit Unterstützung durch mechanische Übertragungsverfahren, seitenverkehrt anfertigt. Es gehörte im 19. Jahrhundert zu den am meisten angewendeten Drucktechniken für farbige Drucksachen, es wird auch als Reaktionsdruckverfahren bezeichnet. Ebenfalls übrigens ein Verfahren, das nicht einfach so aus dem Nichts entstand.
Niépces fotografischen Bemühungen begannen im Jahr 1816, in dem es ihm erstmals gelang, auf Chlorsilberpapier Bilder einer Camera obscura kurzzeitig festzuhalten, die er jedoch noch nicht fixieren konnte.
1824 gelang es Niépce dann erstmals, einen Kupferstich des Kardinals Georges d’Amboise nicht nur zu kopieren, sondern auch zu fixieren. Dieses Bild gilt jedoch nicht als erstes Foto, da es nicht mit einer Camera obscura aufgenommen wurde.
Niépce versuchte ab 1826 für die von ihm Heliographie benannte Methode das öffentliche Interesse zu gewinnen und reiste nach London, um sein Foto der Royal Society vorzustellen. Dies misslang, und Niépce übergab das Bild dem britischen Botaniker Francis Bauer und starb 1833. Später ging es in den Besitz von Henry Baden Pritchard über. Letztmals wurde das Werk 1898 öffentlich ausgestellt und geriet danach in Vergessenheit. 1952 erwarb Helmut Gernsheim das Foto, und mit Hilfe von Spezialisten von Kodak wurde erstmals eine Kopie hergestellt. 1963 schließlich erwarb die University of Texas die Platte von Helmut Gernsheim. Seither wird sie in Austin im Harry Ransom Humanities Research Center der Universität ausgestellt.
Beinahe wäre dieses geschichtsträchtige Werk einfach verschwunden.
Niépce verwendete auch Lithografiesteine, Glasplatten, Zinn-, Zink-, Kupfer- und versilberte Platten. Bei späteren Experimenten bedampfte er die entwickelten Platten mit Jod, um die Schattenpartien zu schwärzen, löste dann die verbliebene Asphaltschicht mit Alkohol auf und erhielt so kontrastreichere Direktpositive.
Die Heliografie gelangte zwar zu Lebzeiten von Niépce nicht zur Anwendungsreife, wurde aber später von seinem Neffen Claude Félix Abel Niépce de Saint-Victor weiterentwickelt. Ihm gelang es 1855 mit Hilfe des Kupferstechers Lemaître, die Heliografien zu ätzen und davon Drucke herzustellen, was den Grundstein für die späteren Heliogravüre-Verfahren legte.
Dieser Pionier schloss sich 1829, wohl aus Geldmangel, brieflich mit Louis Daguerre zusammen, um die Erfindung weiterzuentwickeln. Niépce starb vier Jahre später, und Daguerre gelang es nach Niépces Tod erst 1837, eine belichtete, mit Silberiodid beschichtete Silberplatte in Quecksilberdämpfen zu entwickeln und anschließend in warmer Kochsalzlösung zu fixieren. Er verbesserte das Verfahren noch bis 1839 und François Arago, Leiter des Pariser Observatoriums, stellte es schließlich am 19. August 1839 der Pariser Akademie der Wissenschaften und damit der Öffentlichkeit als Daguerreotypie vor.
Daguerres Verfahren erforderte nur noch eine Belichtungszeit von einem Bruchteil einer Stunde, schuf aber lediglich ein Unikat. Die immer noch verhältnismäßig lange Belichtungszeit konnte aber bereits Anfang 1840 ganz erheblich von 15 Minuten unter günstigen Lichtverhältnissen auf 45 Sekunden gesenkt werden, als die aufgrund ihrer Operngläser bekannte und seit 1756 bestehende Wiener Firma Voigtländer das erste analytisch berechnete Objektiv, das Petzvalobjektiv, vorstellte.
Seit 1834 arbeitete auch William Henry Fox Talbot, den wir weiter oben schon hatten, an einem fotografischen Verfahren mit lichtempfindlichem Papier. Er bezeichnete es als photogenische Zeichnung. 1840 stellte er das erste Negativ-Verfahren vor, das er als Kalotypie (auch Talbotypie, Talbototypie oder Chartotypie genannt) bezeichnete. Auch Talbots Verfahren benötigte noch lange Belichtungszeiten, sein Papiernegativ ließ sich jedoch beliebig oft reproduzieren. Der Beginn des Abzugs.
Alles eine Entwicklung.
In dieser Zeit waren aber auch andere, konkurrierende fotografische Verfahren bekannt. So hatte beispielsweise Hippolyte Bayard wohl ebenfalls ein Direktpositiv-Verfahren entwickelt. Aber mit der inszenierten Fotografie seines angeblichen Selbstmords ging er auch als erster "Fotofälscher" in die Geschichte der Fotografie ein.

Im Unterschied zu Daguerre, der ausschließlich mit lichtempfindlich gemachten Metallplatten experimentierte, fand Bayard eine Methode, bei der er gewöhnliches Schreibpapier mit Silberchlorid überzog und es dann vom Sonnenlicht schwärzen ließ. Anschließend tauchte er das geschwärzte Papier in eine Iod-Kaliumiodid-Lösung (die sogenannte Lugolsche Lösung), positionierte es in einer Kamera und belichtete es wiederum. Das Papier bleichte aus, wobei das Iod aus der Kaliumiodid-Lösung ausgeschieden und an das geschwärzte Silber gebunden wurde, sodass er ein positives Bild erhielt. Das entwickelte Bild wurde dann in einer Kaliumbromid-Lösung oder in Natriumthiosulfat-Lösung (Fixiernatron) fixiert und gewässert. Damit hatte Bayard das erste Direktpositiv-Verfahren entwickelt. Ein Nachteil des Verfahrens ist das fehlende Negativ, sodass eine direkte Vervielfältigung nicht möglich ist. Dies war ein Grund, warum Bayards Methode nicht weiter angewendet wurde.
Jetzt haben wir sogar Konkurrenz und Selektion. Klinkt gar nicht mehr so sehr nach Schöpfung, mehr nach einem evoluten Prozess. Hm... Wo das wohl hinführt?

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1. Bild: Hippolyte Bayard: Montmartre, Paris, ca. 1842
2. Bild: Hippolyte Bayard: Windmühlen, Montmartre, Paris, ca. 1842
3. Bild: Hippolyte Bayard: La Madeleine, Paris, ca. 1845Seht ihr die Weiterentwicklung in der Qualität? Und das alles in nicht einmal 20 Jahren.
Nach 1839 arbeiteten zahllose Forscher an der Verbesserung der fotografischen Verfahren. Weitere lichtempfindliche Silbersalze wurden entdeckt, die Linsen für die Camera obscura wurden verbessert, erste lichtstarke Objektive wurden gebaut.
- Josef Maximilian Petzval, ungarndeutscher Mathematiker, dessen bekannteste Leistung, das Porträtobjektiv von Petzval, nach 150 Jahren immer noch eine gewisse Bedeutung hat, leistete grundlegende Arbeiten zur Theorie der Abbildungsfehler optischer Systeme. Einige zentrale Begriffe dieses Felds sind später nach ihm benannt worden:
- Die Petzval-Fläche ist die im Allgemeinen gekrümmte Bildfläche eines unkorrigierten optischen Systems, ein Rotationsparaboloid.
- Bei Einhaltung der Petzval-Bedingung ist die Petzval-Fläche eben.
Auf die Entwicklungen Petzvals geht auch das lichtstarke Landschaftsobjektiv Orthoskop zurück.
Aufgrund dieser und ähnlicher Verbesserungen konnten die Belichtungszeiten verkürzt werden. - Claude Félix Abel Niépce de Saint-Victor, französischer Chemiker, Erfinder und Fotograf, Neffe des oben erwähnten Joseph Nicéphore Niépce, verfolgte eifrig die Arbeiten seines Onkels, besonders diejenigen, welche sich auf die Heliographie bezogen, und betrieb ein chemisches Labor in Saint Martin, einem Vorort von Paris. Er erfand 1847 ein Verfahren zur Erstellung von Fotografien auf Glas im Albuminverfahren und war damit einer der ersten, welche die Fotografie auf Glas versuchten. Für das Albuminverfahren verwendet man zu Schaum aufgeschlagenes Eiweß mit einer Ammoniumchlorid-Lösung („Chlorammoniumlösung“) und lässt das Medium auf der klaren Flüssigkeit, die sich aus dem Schaum abscheidet, eine Minute schwimmen. Er eröffnete dadurch der Fotografie eine neue Ära und bereitete den Weg zur Anwendung des Kollodiums vor, eine zähflüssige Lösung aus Kollodiumwolle (eine Form der nitrierten Cellulose, die man z. B. durch Einwirkung von Salpeter- und Schwefelsäure auf Baumwolle erhält) in einer Mischung aus Ether und Alkohol (1:2).
Niepce de Saint-Victor stellte zusammen mit Alexandre Becquerel eine der ersten Farbfotografien her, die er jedoch noch nicht dauerhaft und zuverlässig fixieren konnte. - Louis Désiré Blanquart-Evrard, französischer Tuchhändler, versierter Chemiker und begeisterter Hobbyfotograf, erkannte er die Nachteile der Kalotypie (auch Talbotypie, von William Henry Fox Talbot): die Notwendigkeit zeitaufwändiger Manipulationen und die Ungleichmäßigkeit der Abzüge. Er verbesserte das Verfahren in der Form, dass er die lichtempfindlichen Chemikalien nicht mehr auf die Papiere aufstrich, sondern sie auf der Lösung schwimmen ließ. Dadurch erhielt er eine wesentlich homogenere Oberfläche, eine verbesserte Lichtempfindlichkeit und eine feinere Wiedergabe der Tonwerte. 1850 entwickelte er den Druck auf Albuminpapier aufgrund des Verfahrens wie beim Albuminglas.
Mit seinem Hintergrundwissen aus der Stoffindustrie erkannte Blanquart-Evrard schon bald die Möglichkeiten der Massenproduktion für die Fotografie. Im Jahr 1851 eröffnete er mit Hippolyte Fockedey die Imprimerie Photographique Blanquart-Evrard. In dieser Kopierwerkstatt betrieb er mit ungefähr 40 weiblichen Mitarbeitern die Herstellung von Positivabzügen nach Papiernegativen. Das Unternehmen war in vielen Aspekten richtungsweisend. Man entwickelte industrielle Produktionsverfahren, mit denen bis zu 300 Kopien pro Tag und pro Negativ erstellt werden konnten. Diese Kopien wurden dann in gedruckte Bücher eingeklebt. - Gustave Le Gray, Sohn eines Kurzwarenhändlers, erfand 1850 zusammen mit Frederick Scott Archer das Negativ-Verfahren mit der Kollodium-Nassplatte.
Le Gray erfand die Methode des Sandwich-Negativs, bei der ein Positiv (Fotografie) durch zwei Negative belichtet wird. Als Fotograf des französischen Hofes sollte er Aufnahmen der Flotte fertigen. Beim damaligen Stand der Fotochemie dauerte es sehr lange, Aufnahmen von Wolkenformationen zu machen. Andererseits erforderte die Ablichtung der Wellen und der Brandung eine sehr kurze Belichtungszeit. Mit Hilfe der Kombination zweier Negative, die mit unterschiedlicher Belichtungszeit aufgenommen waren, gelangen Le Gray dramatische Fotografien, die an die maritime Malerei der Seestücke erinnert. - Frederick Scott Archer, britischer Bildhauer und Fotopionier, entwickelte 1851 die Kollodium-Nassplatte für fotografische Aufnahmen, die als Ambrotypie oder durch ein Negativ-Verfahren eine Fotografie erzeugt. Das dazugehörige Verfahren wird als nasses Kollodiumverfahren oder Kollodium-Nassplatten-Verfahren bezeichnet und setzt eine zur Anfertigung der Fotografie möglichst rasche Verarbeitung voraus. So musste etwa ein mobil arbeitender Reisefotograf in der Frühzeit der Fotografie immer ein Dunkelkammerzelt mit sich führen.
Zur Herstellung einer Kollodium-Nassplatte putzt man die Glasplatten sehr sorgfältig und übergießt sie mit einer Lösung von Kollodiumwolle und Iod- und Bromsalzen in Ethanol und Ether. Der Überzug trocknet zu einer gallertartigen Masse ein und wird sofort im Dunkeln in eine Lösung von Silbernitrat gebracht. Hier wandeln sich die Iodsalze in Silberiodid und Silberbromid um, und diese bleiben in der Kollodiumschicht fein verteilt.
Die so präparierte Platte wird aus dem Silberbad herausgenommen und noch feucht von anhängender Silberlösung in einem lichtdicht schließenden Kästchen (Kassette) in die Kamera gebracht, hier der Lichtwirkung ausgesetzt und dann in der Dunkelkammer mit einer Eisensulfatlösung übergossen. Diese schlägt aus der an der Platte hängenden Silbernitratlösung sofort metallisches Silber als dunkles Pulver nieder, und dieses hängt sich an die belichteten Stellen der Platte umso stärker, je intensiver das Licht gewirkt hat. Das Bild wird nach dieser Hervorrufung noch verstärkt, indem man durch Aufgießen einer Mischung von Eisensulfat und zitronensaurer Silberlösung noch einen zweiten Niederschlag von Silberpartikeln veranlasst, die sich zu den erstniedergeschlagenen lagern, so dass das Bild nun in den dichtesten Stellen hinreichend undurchsichtig ist, um den Durchgang des Lichts beim Kopierprozess zu verhindern.
Das Negativ wird nun fixiert, das heißt, das noch enthaltene Silberiodid Silberbromid wird durch eine Lösung von Natriumthiosulfat herausgelöst, schließlich gewaschen und mit Alkoholfirnis überzogen. In dem so erhaltenen Glasnegativ erscheinen die hellen Teile des Originals dunkel und die dunklen Teile des Originals hell (in der Durchsicht). Vor einem dunklen Hintergrund erscheint es als positives Bild, indem an den durchsichtigen Stellen der schwarze Hintergrund sichtbar wird und gegen diesen das graue Silberpulver, welches auf den dichten Stellen des Negativs liegt, wie weiß erscheint (Ambrotypie).
Dieser positive Effekt trat am schönsten hervor, wenn die Aufnahme etwas unterbelichtet war. So fertigte man Positive, indem das Kollodium auf dunklem Leder oder schwarzer Wachsleinwand aufgetragen wurde (Pannotypen) auf schwarz lackiertem Eisenblech (Ferrotypen) als Trägermaterial.
Eine Weiterentwicklung der Kollodium-Nassplatte ist die Kollodium-Trockenplatte (1855, J. M. Taupenot (1824–1856)) und später das Gelatineverfahren, das mit der Gelatine-Trockenplatte arbeitet und 1871 von Richard Leach Maddox (1816–1902) entwickelt wurde. Dieses die Fotografie sehr vereinfachende Verfahren löste die Kollodiumverfahren um 1880 ab und ist das bis heute noch benutzte Schwarz-Weiß-Verfahren. Weitere wichtige Verbesserungen waren die optische Sensibilisierung des Aufnahmematerials ab 1873 durch Hermann Wilhelm Vogel sowie das Ersetzen der Glasplatte durch Zelluloid als Schichtträger (Planfilm, ab 1869 durch die Brüder Hyatt). - Jacob Wothly, deutscher Fotograf, entwickelte die Wothlytypie (auch Uran-Kollodium genannt) als Resultat seiner seit 1857 unternommenen Anstrengungen zur Verbesserung der fotografischen Verfahrenstechnik. Sie ist ein Verfahren zur Herstellung von positiven Bildern unter Verwendung eines Uransalzes, des radioaktiven Uranylnitrat als lichtempfindlichem Material und eines mit einer Kollodiumlösung beschichteten Papiers als Träger. Die Wothltypie wurde in der Fachwelt unterschiedlich beurteilt und konnte sich letztendlich nicht dauerhaft durchsetzen.
Jacob Wothly erfand um 1860 eine Solarkamera. Mit dieser Kamera, die das Konstruktionsprinzip eines Heliostaten aufwies, konnte Wothly bis zu 2 × 1,5 m große Fotografien herstellen. Er stellte das Verfahren erstmal in der französischen Akademie der Wissenschaften vor. Der von ihm konstruierte Apparat war "ein Vergrößerungsgerät für Sonnenlicht mit selbst hergestellten Linsen von großer Brennweite."
Die Belichtungszeiten konnten bereits beim Albuminverfahren auf etwa 20 Sekunden reduziert werden. Im Besonderen bei den ab 1860 sich großer Beliebtheit erfeuenden Carte-de-visite (Visitformat, 6 x 9 cm) wurden Albumin-Fotopapiere eingesetzt. Die Kollodium-Nassplatte verkürzte die Belichtungszeit weiter auf wenige Sekunden.

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1. Bild: Beispiel für eine Kalotypie: Foto „Schreiner in Lacock“ von 1842/43, Fotograf: William Henry Fox Talbot
2. Bild: Porträt von Buffalo Bill Cody, Albumindruck, ca. 1875
3. Bild: Die Französisch-Britische Flotte vor Cherbourg für den Besuch von Emperor Napoleon III und Queen Victoria 1858.
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1. Bild: Collodionglas negativ. Valladolid gegen 1865. J. Laurent, Fotograf.
2. Bild: Der Heliostat (von altgriechisch helios "Sonne" und statós "stehend, eingestellt") ist ein Apparat mit einem Spiegel, der das Sonnenlicht unabhängig von der Änderung der Sonnenposition am Himmel immer auf den gleichen, ortsfesten Punkt reflektiert.
3. Bild: eingescanntes Glasnegativ der "Library of Congress Prints and Photographs Division Washington", Titel: "Red Cloud and Indians" entstanden 1865–1880Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden auch diese Probleme sukzessive gelöst, so durch Louis-Alphonse Poitevin, der 1855 den Gummidruck und den Pigmentdruck erfand. Man entwickelte verschiedene Trockenplatten (englisch
dry plates), die mit Tanninen, Albumin oder Gelatine beschichtet waren (ab 1856), insbesondere die Gelatine-Trockenplatte (Richard Leach Maddox, 1871). Die industrielle Fertigung begann 1879.
Erste Untersuchungen über ein farbfotografisches Verfahren veröffentlichte Louis Ducos du Hauron 1862. Im Jahr 1868 präsentierte er erste farbige Pigmentdrucke und patentierte verschiedene Farbverfahren. Doch erst Gabriel Lippmann, luxemburgisch-jüdischer Abstammung, entwickelte unter anderem das auf der Interferenz beruhende und nach ihm benannte Lippmannverfahren der Farbfotografie, das er 1891 der Akademie der Naturwissenschaften vorstellte und für das er 1908 den Nobelpreis für Physik erhielt, deren Farben dauerhaft erhalten blieben.
Frühe Farbfotografie von Gabriel LippmannIm Jahr 1869 erfand Edward Muybridge einen der ersten Verschlüsse. Das ermöglichte einige Jahre später die ersten Reihenaufnahmen von bewegten Motiven. Er setzte dafür bis zu 30 Kameras ein.
360°-Panorama von San Francisco aus dem Jahr 1878, zusammengesetzt aus 13 Albumindrucken. Auseinandergefaltet ist das Panorama rund 61 cm hoch und 528 cm lang.
The Horse in Motion, mit dem Pferd Sallie Gardner von Leland Stanford. Aufnahme vom 19. Juni 1878.
Tafel 187 aus Muybridges Werk Animal Locomotion (in der Ausgabe von 1887)Der Einfluss von Animal Locomotion mit seinen mehr als 20.000 Einzelbildern auf 781 Tafeln war immens und reicht bis in die heutige Zeit. Der französisch-amerikanische Maler Marcel Duchamp wurde zu seinem Werk Akt, eine Treppe herabsteigend Nr. 2 ebenso von Muybridges Pionierarbeit auf dem Gebiet der Reihenfotografie angeregt wie der britische Maler Francis Bacon oder der Spezialeffektkünstler Tim MacMillan, der Muybridges Werk explizit als Inspiration für die im Film Matrix eingesetzte Bullet-Time-Technik nannte.
Étienne-Jules Marey konstruierte 1883 das fotografische Gewehr, mit dem er eine ganze Serie von Belichtungen auf einer Platte festhalten konnte. Der Chronofotograf mit fester Platte und rotierendem Schlitzverschluss konnte – abhängig von der Belichtungszeit – bis zu hundert Bilder pro Sekunde anfertigen.
Zeitgenössische Gravur des fotografische Gewehrs.Ottomar Anschütz konstruierte 1888 eine Kamera mit Schlitzverschluss für extrem kurze Belichtungszeiten.
Durch den zeitlichen Abstand zwischen 1. und 2. Verschlussvorhang kann der Schlitzverschluss einen weiten Bereich von Belichtungszeiten abdecken.Mitte der 1860er Jahre wurde begonnen, fotografische Objektive weiterzuentwickeln und zu optimieren. C. A. Steinheil & Söhne erfanden den Aplanaten (optisches System, bei dem die Abbildungsfehler sphärische Aberration und Koma korrigiert sind) und John Henry Dallmeyer das Rapid Rectlinear, die aufgrund ihrer symmetrischen Bauweise mit vier Linsen praktisch keine Verzeichnung aufweisen.
Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren die Voraussetzungen für die panchromatische Tonwertwiedergabe und die Farbfotografie geschaffen. Der Begriff der panchromatischen Sensibilisierung bezog sich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch ausschließlich auf schwarzweiße Halbtonvorlagen. Panchromatische Platten waren ab 1906 verfügbar; bei ihnen sind die Fotomaterialien für alle Farben des Lichtspektrums sensibilisiert, was die Voraussetzung für eine tonwertrichtige Wiedergabe in Grauwerten und die Farbfotografie ist. Durch die Trockenverfahren und die Verkleinerung der Amateurkameras am Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Fotografie mobil. Außerdem wurde eine industrielle Fertigung des fotografischen Aufnahmematerials möglich, da nun die Fotoplatten auch gelagert werden konnten.
Die Porträtfotografie trug zu Beginn stark zur schnellen Verbreitung bei. Sie fand in der Regel in Räumlichkeiten statt, die bestimmte Voraussetzungen boten. Zu Beginn wurde das Tageslicht genutzt, weshalb viele Ateliers über lichtdurchlässige Glasdächer verfügten. Unterschiedliche Hintergründe, die gemalt worden waren, Tische, Stühle, Balustraden, Vorhänge und Podeste gehörten zum Inventar und wurden zur Bildgestaltung eingesetzt. Die Einführung künstlichen Lichts ermöglichte es, das Fotografieren unabhängig von Tageszeit und -licht durchzuführen.
Mit all diesen Voraussetzungen konnte die Massenfertigung beginnen.
Mit der Erfindung des Stripping-Films auf Papierbasis (1884) wurden fotografische Platten ersetzbar. Das ermöglichte den Bau von Rollfilmkameras, wie sie noch bis vor 30 Jahren üblich waren.
Bilora Bella 44 mit eingelegtem 127er Rollfilm.Getreu dem Motto "You press the button, we do the rest" musste der Fotograf bei diesem Konzept nichts weiter tun als Motive zu suchen, auf den Auslöser zu drücken und später dann die fertigen Papierbilder zu betrachten: Eastman bot in den USA einen Entwicklungsdienst für 10 Dollar, bei dem man die Kamera samt abgeknipstem Film einschickte; nach Verarbeitung im Labor erhielt man nach etwa einem Monat dann die Kamera mit entwickelten Papierabzügen zurück, in die Kamera war dann bereits vom Labor ein neuer Film eingelegt worden. Die Papierbilder wurden nicht vergrößert, sondern entsprachen in ihren Abmessungen der Negativgröße. Lokale Fotohändler lieferten in Europa einen vergleichbaren oder sogar besseren Service, bei dem die Verarbeitung auch deutlich schneller und teilweise auch preiswerter erfolgte.
Mit dem Ersetzen des Papiers durch Zelluloid als Trägermaterial (American Film) wurde ab 1889 die Verarbeitung von Film vereinfacht. Die Einkapselung des Rollfilms (1891) ermöglichte es, den Entwicklungsdienst durch die Möglichkeit des Filmwechsels bei Tageslicht zu umgehen. Verbesserungen der Schärfe und Verringerung der Körnigkeit der fotografischen Emulsionen ermöglichten die Verkleinerung des Filmformates. Thomas Alva Edison führte um 1891 die Perforation von 35-mm-Film ein, der fortan als Kinofilm und Kleinbild-Film (135er) in der Fotografie genutzt wird.
Infacolor Kleinbild-Farbnegativfilm, 12 BilderDann ging es ganz rasch:
- Bereits in den 1930er Jahren wurde vereinzelt eine Belichtungsmessung in die Kameras integriert.
- Die Exakta B war 1935 die erste Kamera mit eingebauter Blitzsynchronisation (für Osram Vacublitz Blitzbirnen).
- Kodak brachte 1938 in den USA mit der Super Kodak Six-20 die erste Kamera mit Belichtungsautomatik auf den Markt.
- Nikon lieferte für das Modell Nikon SP den ersten serienmäßig ansetzbaren Elektromotor (Motorantrieb) S-36 mit Batteriebetrieb.
- Ab Mitte der 1960er Jahre tauchten die ersten Kameras mit einer Belichtungsmessung durch das Objektiv (Through-the-lens, TTL) wie beispielsweise die Canon FX auf.
- Die ersten Kameras mit elektronisch gesteuertem Zentralverschluss erschienen (beispielsweise Minolta Electro-Shot, 1965).
- Die erste Spiegelreflex-Systemkamera mit Mehrfachbelichtungsautomatik stellte Minolta 1978 mit der XD-7 vor.
- 1971 zeigte Nikon den Prototyp eines Wechselobjektivs mit Autofokus.
- 1977 präsentierte Konica mit der C35-AF die erste Kleinbild-Sucherkamera mit passivem Autofokus.
- Das erste aktive Autofokus-System auf der Basis einer Infrarot-Entfernungsmessung vermarktete Canon ab 1979 mit der AF35M, die auch als Autoboy bekannt ist.
- 1990 entwickelte Kodak mit der Kodak DCS – einer erweiterten Nikon F3 – das erste vollständig digitale Kamerasystem, bei dem die analoge Bildinformation vom CCD-Sensor sofort einem Analog-Digital-Wandler zugeführt, in digitaler Form gespeichert und nun anschließend auch mittels EBV weiter verarbeitet werden konnte (drehen, spiegeln, skalieren, verfremden etc.).
Bis zu unseren Handykameras, die nun live Filter drauf setzen können oder sogar Filme aufnehmen und zusammen mit dem Ton live um die halbe Welt übertragen, war es da nicht mehr ewig weit.
Ich fand die Reise bis hierhin richtig spannend und ich habe wieder viel gelernt.
Diese ganze Historie könnte man jetzt beim Haus wiederholen.
Einige schauen sich diesen Text auf einem Computer an, der sicherlich in einem beheizten Heim steht, in dem es fließendes Wasser und offenbar auch Strom gibt. Das sah bei vielen vor 100 oder 150 Jahren noch anders aus. Und so könnte man die Geschichte des Hauses auch rückwärts erzählen, bis hin zu den ersten einfachen Behausungen oder Höhlen, in denen vor tausenden Jahren unsere Vorfahren lebten. Also auch das wäre eine Entwicklung. Aber wir haben mit dem Text um die Kamera, bereits genug geschrieben.
"Natürlich macht Gott keine Missgeschicke", kann man jetzt wohl argumentieren: "Denn Gott ist perfekt und muss nicht probieren. Bei ihm klappt alles auf Anhieb." Wenn dem aber so ist, kann man technische Geräte, die ständig weiterentwickelt werden und oft aus einer zufälligen Entdeckung heraus entstehen, nicht als Beweis für göttliche Schöpfung nehmen.
Also entweder ist es auf diese Art falsch oder auf die andere Art falsch.
Im nächsten Part geht es um das Auge und zum Schluss wohl auch ein wenig um unseren Heimatplaneten.