Evolution oder Schöpfung




Religion, Esoterik, Verschörungstheorien und andere Dinge.

Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Sa 3. Dez 2022, 16:49

Luca

Schaut man sich unser Genom an, also sämtliche vererbbare Information in unseren Körpern, lässt sich feststellen, dass wir viele Gene mit anderen Lebewesen teilen. Da liegt es nahe, anzunehmen, dass wir auch alle einen gemeinsamen Vorfahren haben, von dem wir abstammen. Dieser Vorfahre wird allgemein LUCA genannt, kurz für "Last universal common ancestor." Dieser muss so weit zurück liegen, dass sich aus ihm die drei großen Gruppen (Domänen) von Lebewesen entwickelt haben, die es heute auf der Erde gibt: Eukaryoten (das sind wir und alle anderen Lebewesen mit einem Zellkern), Bakterien und Archaea. Wie auch Bakterien besitzen Archaeen keinen Zellkern, unterscheidet sich aber zusätzlich durch ein paar andere Merkmale, besonders in der ribosomalen RNA. Hier sind alle drei Gruppen einmal schematisch nebeneinander aufgezeigt:

Bild

Uns findet man oben rechts. LUCA ist auf dieser Abbildung auch schon zu finden, und zwar in der Mitte unten, wo sich die schwarzen, blauen und roten Linien treffen. DAS ist unser letzter gemeinsamer Vorfahre mit Pflanzen, Pilzen, Protozoen, Bakterien und Archaeen.

Hypothetisch existierte unser letzter gemeinsamer Vorfahre ungefähr solange wie die Menschen wussten, dass wir mit anderen Lebewesen der Erde verwandt sind. Es ist aber schwieriger, direkt Hinweise darauf zu finden, wie LUCA ausgesehen hat. Es ist schon schwierig, einen Eindruck davon zu bekommen wie unsere Vorfahren vor ein paar Tausend Jahren aussahen, da ist es quasi unmöglich sich vorzustellen, wie Leben vor ungefähr 3,5 Milliarden Jahren aussah.
Bisher wurde angenommen, dass diese Kreatur, wenn ich sie mal so nennen darf, unheimlich simpel strukturiert sein musste. Ein bisschen RNA, vielleicht zusammengehalten durch etwas Zytoplasma und bestenfalls eine dünne Membran. In einer neuen Studie in dem (mir bislang völlig unbekannten) Journal "Biology Direct" wird jetzt darüber diskutiert, ob LUCA vielleicht schon komplexer war, als man bisher annahm.

Forscher fanden nämlich Hinweise auf ein "Körnchen" in Archaeen, von dem bisher angenommen wurde, dass es nur in Bakterien und Eukaryoten existierte. Diese Körnchen mit dem komplizierten Namen Acidocalcisome sind Zellinterne Speicher für Phosphor und Metallionen. Sie finden sich in fast allen größeren Gruppen von Lebewesen, in Bakterien, Schleimpilzen, Amöben, Algen, den berüchtigten Malariaerregern und auch in menschlichen Thrombozyten, unseren Blutplättchen. Sie sind also bislang in zwei von den drei Domänen bekannt gewesen. Nun scheint es, als gäbe es sie auch in Archaeen.
Das Interessante an diesem Fund ist, dass es sich bei den im Englischen als "volutin granules" bezeichneten Körnchen um Organellen handelt, die eine Membran besitzen. Eukaryoten wurden traditionell von den Prokaryoten unterschieden eben weil Bakterien und Archaeen keine Organellen mit Membranen im Zellinnern besaßen. Nun kennen wir aber mindestens zwei Bakterien, bei denen das der Fall ist, und seit dieser Studie anscheinend auch einen Vertreter der Archaea (Methanosarcina acetivorans).

Bild
TEM-Aufnahme von Methanosarcina acetivorans. Die Pfeile zeigen auf leere, leicht gefüllte und komplett gefüllte “Körnchen.” (Quelle: Biology Direct 2011, 6:50)

Dieses Organell, dieses "Körnchen", ist damit das einzige, welches in allen drei Domänen des Lebens vorkommt. Es liegt nahe, zu vermuten, dass es daher auch in LUCA vorkam. LUCA wäre dadurch schon wesentlich komplexer als bisher angenommen. Doch nicht nur das, dieser Vorfahre wäre auch komplexer als viele seiner Nachfahren, denn in einem Großteil von Archaeen und Bakterien findet sich so ein membranöses Organell nicht mehr.
Das führt uns zu einer schon lange geführten, recht komplizierten Diskussion darüber, wie Bakterien eigentlich ihre Gene bekamen: Durch "vertikale" Vererbung von ihren Vorfahren, oder durch "horizontale" Weitergabe an andere Organismen? Aber eines nach dem anderen …

Wie vergleicht man eigentlich zwei Lebewesen?
Alle Lebewesen haben eine Menge Gene gemeinsam, es gibt also viele identische Sequenzen von Basenpaaren in den verschiedenen Genomen. Allerdings gibt es auch einzigartige Gene, die uns voneinander unterscheiden und uns z.B. erlauben, dass wir Autos bauen und fahren können, während die Schimpansen zu Fuß gehen müssen. Man kann also nicht einfach sagen, dass Menschen und Menschenaffen sich zu so-und-so-viel Prozent gleichen; stattdessen schaut man sich an, wie ähnlich sich vergleichbare Gene sind. Bei Homo sapiens und Pan troglodytes, dem Schimpansen, ähneln sich diese Gene zu 98,7%. Vergleichen wir die Maus Mus musculus mit uns, ähneln sich die Gene im Durchschnitt zu 85%, was aber von Gen zu Gen sehr stark schwankt.
Maus und Mensch haben auch ungefähr gleich viele Basenpaare, ca. 3 Milliarden, doch bei anderen Lebewesen ist so ein Vergleich komplizierter. Viele Insekten haben nur einige 100 Millionen Basenpaare, und das Bakterium E. coli hat gerade mal 4,5 Millionen. Archaeen wiederum haben nur etwa 1-3 Millionen Basenpaare. Um diese Lebewesen miteinander vergleichen zu können, müssen wir bei der Untersuchung der Genome die Gene nehmen, die in beiden zu vergleichenden Gruppen vorhanden sind.
Etwa die Hälfte der Gene von Archaea ist für sie einzigartig. Das heißt, dass zum Teil nur eine halbe Million Basenpaare mit denen eines Menschen vergleichbar sind und die können immer noch so verschieden sein, dass ein Vergleich völlig sinnlos wäre. Es gibt sie aber, die vergleichbaren Gene. Aber es sind wenige und die Ähnlichkeit mit denen von Vertebraten schwanken verständlicherweise noch mehr als die zwischen Maus und Mensch. Gene für ganz bestimmte Enzyme finden sich z.B. in Archaeen, Bakterien, Küchenschaben und Menschen. Einige hundert Gene von Eukaryoten scheinen ihren Ursprung in den Archaeen zu haben. Und dann haben wir z.B. auch an die 40 Gene, die, soweit wir bisher wissen, nur bei Menschen und Bakterien auftauchen.
Der Grund dafür kann aber nicht nur die gemeinsame Abstammung sein, sondern ein (horizontaler) Gentransfer von den Bakterien zu uns. Horizontaler Gentransfer ist ein Problem in der Systematik, da die Gene, die wir zur Bestimmung der Verwandtschaft benutzen, sich in gewisser Weise erst später in das Genom eingeschlichen haben. Dieses Problem besteht in erster Linie bei den Prokaryoten und macht es den Forschern, die daran arbeiten, alles andere als leicht, eine Art Stammbaum aufzustellen. Prof. William Martin von der Universität Düsseldorf hat das Problem sehr schön illustriert:

Bild
Vorschlag für einen Stammbaum des Lebens. Verschiedene Gruppen von Prokaryoten sind hier farblich unterschiedlich dargestellt. Die Abbildung soll das Problem des horizontalen Gentransfers in den Eubakterien beschreiben (verdeutlicht in der Vergrößerung unten links). (Quelle: verändert nach BioEssays 1999, 21:99-104 – Datei als PDF)

LUCA selbst könnte demnach sehr primitiv und frei von Organellen gewesen sein. Die Gene für die Speicher-Körnchen wären dann erst viel später durch Transfer in den drei Domänen verteilt worden.

Die Forscher der University of Illinois, die 2011 ihren Fund publizieren, widersprechen dieser Hypothese jedoch. Sie haben nämlich ein Enzym (eine Phosphatase) verfolgt, das in Bakterien, Archaeen und Eukaryoten vorkommt und eine wichtige Rolle bei Acidocalcisomen spielt, eben diesen in Archaea neu entdeckten Körnchen. Dort fördern diese Phosphatasen den Ionentransport in das Organell hinein. Ein Stammbaum aus beinahe 280 Organismen, basierend alleine auf diesem Enzym, ist fast identisch mit einem Stammbaum des Lebens, der auf hunderten von verschiedenen Genen basiert. Das würde bedeuten, dass die untersuchten Phosphate – und somit auch die Acidocalcisomen – sehr, sehr alt sind. Etwa so alt wie LUCA.

Die Anwesenheit dieses Organells in Archaea und Bakterien und Eukaryoten lässt sich auf vielen Wege erklären, doch laut den Autoren ist die Erklärung, dass es in LUCA vorkam und nachträglich verloren ging, die statistisch wahrscheinlichste. Stammbäume werden auf dem Prinzip der Parsimonie aufgebaut, und danach ist die einfachste Form für einen Stammbaum auch die realistischste. Ihr Stammbaum zeigt, dass die Enzyme aus Acidocalcisomen zu Beginn da waren.

James Whitfield, einer der Autoren dieses Papers (und nebenbei bemerkt ein großartiger Banjo-Spieler) sagt dazu folgendes:
Man kann nicht annehmen, dass die Geschichte des Lebens nur aus Aufbauen und Ansammeln bestand. Der Grund dafür, dass Bakterien so simpel sind, könnte der sein, dass sie in einem extremen Lebensraum vorkommen und sich sehr schnell fortpflanzen müssen. Sie sind deshalb vielleicht tatsächlich reduzierte Versionen davon, was vor ihnen da war.


Quellen:

Seufferheld, M., Kim, K., Whitfield, J., Valerio, A., & Caetano-Anolles, G. (2011). Evolution of vacuolar proton pyrophosphatase domains and volutin granules: clues into the early evolutionary origin of the acidocalcisome Biology Direct, 6 (1) DOI: 10.1186/1745-6150-6-50
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Do 8. Dez 2022, 09:39

Rezension: Jw.org - Gibt es Gott?

Bevor ich mich um den Erwachet Nr.03 / 2021 kümmere, habe ich noch einen Artikel in der Warteliste, den ich nun vorziehe. Er kann als eine Art Vorgeschmack für die Rezension auf den Erwachet gelten, denn das Thema ist grundsätzlich das gleiche. Es ist wieder ein Artikel von der Webseite, der sich zwischen all den anderen Notizen bei mir versteckt hatte.

Wie immer der Link zum rezensierten Artikel, damit ihr nachvollziehen könnt, ob das wirklich dort steht:
https://www.jw.org/de/biblische-lehren/fragen/gibt-es-gott/

Dieser Artikel ist relativ kurz und packt im Grunde alles zusammen, was es über kreationistische Lektüre zu wissen gibt. Wo finden wir eine objekte Antwort auf die im Titel gestellte Frage? Die Zeugen Jehovas haben die Quelle für die Antwort schon ausgemacht. Welche Quelle das ist, erfahren wir bereits im ersten Absatz:

Die Antwort der Bibel

Ja. Die Bibel liefert triftige Gründe dafür, warum es einen Gott geben muss. Aber sie hält jeden dazu an, seinen Glauben nicht einfach nur auf irgendwelche Behauptungen zu stützen, sondern mit „Vernunft“ und „verstandesmäßig“ an diese Thematik heranzugehen (Römer 12:1; 1. Johannes 5:20). Welche Argumente liefert die Bibel für die Existenz Gottes?

Da haben wirs: In der Bibel, einem Buch, dass Gott preist, geschrieben von Leuten, die als Lehrer Autorität von Gott erhalten, steht drin, dass Gott wahr ist. Ein absolut objektives Argument. Immerhin steht in der Bibel, dass sie wahr ist. Denn die Bibel ist von Gott und der kann nicht lügen. Wo das steht? In der Bibel, dem Wort Gottes. Ein weiteres völlig objektives Argument. Case closed!

..

Naja, ganz so einfach ist es nicht. Weder die eine noch die andere Ansicht. Die Spiderman Comics sind Fiction und jeder weiß das. Der Comic macht keine Anstalten, sich als reale Geschichte darzustellen und denkt man dabei an Deadpool, der zwar seinen ersten Auftriff in NewMutants #98 (1991) hatte, aber sehr oft in den Spiderman Comics vorkommt, der die überzeichneten Figuren immer wieder dem Leser / Zuschauer kommentiert (4. Wand durchbrechen), dann weiß man, dass die Comics "wissen", dass sie Comics sind. Wäre Spiderman jedoch bereits vor 3000 Jahren geschrieben worden, könnte es sein, dass es heute eine Spiderman Religion gäbe. Bedenkt man, dass Spiderman in aller Regel keine unschuldigen töten und schon gar nicht in Massen und besonders dann nicht, weil sie ihm nicht huldigen, wäre das vermutlich die bessere Alternative. Ob Dr. Strange eine mögliche Zukunft gesehen hat, wo das passiert oder America Chavez eine Welt gesehen hat, in der irgendeine Comic-Figur Gott ist? Aber mal ernst: Die Comics beweisen nicht, dass die Figuren darin wahr sind, egal wie heldenhaft ihre Geschichten sind und wie viel sie in deren Welt geleistet haben. Und die Bibel beweist nicht, dass es Gott gibt. Sie beweist nicht einmal, dass sie von ihm geschrieben wurde. Zu groß sind die Fehler. Aber dazu kommen wir sicher noch.
Außerdem, dass gibt das zweite Bild gut wieder, gibt es zahlreiche Übersetzungen in einer Sprache, die an manchen Stellen andere Wörter verwenden, die dann eine unterschiedliche Deutung zulassen. Es passt nicht so recht in die Geschichte eines universellen Gottes, dass es diese Deutungsmöglichkeiten und diese unterschiedlichen Auslegungen und diese unterschiedlichen Übersetzungen überhaupt gibt. Ein Beispiel? Allein der Bibelserver hat 14 deutsche Übersetzungen.

Die Bibel hält auch nicht dazu an, ihre Aussagen objektiv zu prüfen. Besonders das alte Testament ist voll von Ereignissen, wo Menschen, die die Religion in Frage stellen, nicht wirklich gut davon kamen. Man denke an Korah, der Moses gottgewollte Führerschaft anzweifelt. Sein Lohn: Mitsamt der Familie in einem Erdrutsch sterben, übernatürlich ausgelöst (4. Mose Kapitel 16). Auf die Autorität der Bibel zu hören, hat wenig mit "Vernunft" oder "verstandesmäßig" denken zu tun.

Es ist Vernunft, davon auszugehen, dass genetische Verwandtschaft reale Verwandtschaft bedeutet, wenn wir das gleiche bei Vaterschaftstest ja ebenso vorraussetzen. Einfach, weil es sich bewährt hat.
Es ist Vernunft, bei einem schichtweisen Aufbau der Erdkruste davon auszugehen, dass diese Schichten sich zu unterschiedlichen Zeiten und durch unterschiedliche Ereignisse übereinander gelegt haben und die Dinge, die wir weiter unten finden, älter sind, als die, die oben sind.
Es ist Vernunft, davon auszugehen, dass bei einer fehlenden massiven Schicht abermilliarden von Lebewesen vor 4000 Jahren, die Geschichte einer globalen Sintflut nicht haltbar ist.
Es ist verstandesgemäß, bei einem identischen Genfehler im Vitamin-C-Enzym, der dieses dysfunktional macht, und in Menschen, Schimpansen, Gorillas, Orang-Utans und Bonobos vorhanden ist, davon auszugehen, dass dies belegt, dass diese Arten miteinander verwandt sind.
Es ist verstandesgemäß, der Bibel zu misstrauen, wenn Gott es nicht einmal geschafft hat, dass wichtigste, seinen Namen, davor zu schützen, dass er aus der Bibel verschwindet. Wenn Gott nicht einmal das geschafft hat, warum sollte ich dann irgendeinem anderen Teil der Bibel vertrauen?
Es ist verstandesgemäß, einer Organisation zu misstrauen, die sich für Gottes auserwählte Schafe halten, aber ebenso Kindersmissbrauch vertuschen, wie die Amtskirchen, die sie genau dafür ankreiden und als "falsche Religion" bezeichnen.

Wenn wir also Vernunft nutzen und verstandesmäßig über die Bibel nachdenken, kommen wir nicht automatisch zu dem Punkt, dass sie von Gott stammt und im Umkehrschluss diesen beweist.
Aber der Artikel geht ja noch weiter. Der nächste Absatz bemüht wieder die Uhrmacher-Analogie. Sie ist bereits mehrfach als logischer Fehler erkannt worden. Nur weil etwas heute so ist, heißt das nicht, dass es immer so war. Und nur weil etwas zusammenpasst, heißt das nicht, dass jemand mit einem Ziel dahintersteht. Wenn man betrachtet, wie viele andere Spezies außerhalb der Erde entdeckt wurden (aktuell Null), kann man nicht wirklich davon sprechen, dass die Parameter des Universums offenbar so gut zum Leben passen. Es wäre dann sicher nicht so rar. Spezifische Bedingungen müssen vorherrschen, damit Leben, so wie wir es auf der Erde kennen, existieren kann. Aber es gibt keine verlässliche Aussage darüber, ob das die einzig mögliche Konfiguration ist, ob andere Konfigurationen zu gleichen, ähnlichen oder unterschiedlichen Ausgängen, aber mit Leben, führen. Man weiß es schlicht nicht. Und von Feinabstimmung und diesem Unfug zu labern, erweckt den Eindruck, als würde derjenige alle Dinge wissen und deswegen alles andere, außer das, was gerade ist, kategorisch ausschließen können. Und das kann einfach niemand. Auch kann man sich ja mal gerne betrachten, wie sich Leben in den letzten Jahrmillionen durchgeschlagen hat, um herauszufinden, dass "Liebevoller Gott" eine eher unbefriedigende Antwort ist. Kampf und Untergang sind ständiger Begleiter des Lebens, nicht erst seit dem Sündenfall. Leben musste sich immer durchsetzen, oft gegen anderes Leben. Unsere Welt könnte eine Welt ohne ungebundenen Sauerstoff sein, aber vor 2 Milliarden Jahren haben die Vorläufer der Cyanobakterien entschieden, dass ihre Photosynthese einfach besser klappt, als die der anderen und damit so viel Sauerstoff produziert, dass über 90 % der Lebewesen, die es damals gab, einfach ausgestorben sind, weil sie nicht an eine sauerstoffreiche Umgebung angepasst waren. Man kann dieses und andere Events nachweisen.
Wenn man also darauf verweist das "viele hochgebildete Leute" die oft zitierte Erklärung aus Hebräer 3:4 als bestechend logisch empfinden, warum wird der Kreationismus dann nicht einfach nachgewiesen. Viele hochgebildete Leute nehmen auch Globuli, obwohl deren Wirkung ebenfalls in wissenschaftlichen Tests nie auch nur einmal nachgewiesen wurde. Diese Taktik verfängt beim "einfachen Volk". Wenn schlaue Leute, das gut finden, muss ja was dran sein. Nein! Auch Genies irren sich. Genau dafür gibt es die Wissenschaft. Sie schafft Theorien, die viel größer sind, als die Ideen einzelner Menschen. Und sie ist das einzige Instrument gegen Irrtum.
Das große Problem bei der Sache ist, dass irgendein Intellektueller oder Forscher zitiert wird. Man ziert sich mit einer "Autorität", die irgendetwas gesagt hat (oder gesagt haben soll) und nimmt auch dies als Beweis. Man zitiert aber nicht dessen Arbeiten, dessen wissenschaftliche Ausarbeitungen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass da in keinem Dokument Gott, sehr wohl aber viele Formeln, Mathematik und gut begründete Vorannahmen und Prämissen stehen. Ich achte Harald Lesch ebenfalls als guten Wissenschaftserklärer, besonders im Bereich der Physik und Astronomie. Aber sein evangelisches Glaubensbekenntnis hat nichts mit seinem Wissen zu tun und was er über Gott zu sagen hat, nichts über die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die er in den zahlreichen Sendungen vermittelt. Strom ist Strom, ob es Gott gibt oder nicht. Schwerkraft ist Schwerkraft, ob es Gott gibt oder nicht. Atome sind Atome, ob es Gott gibt oder nicht.

Die nächste Checkbox, die abgehakt werden muss, ist der Sinn des Lebens. Kein kreationistisches Machwerk kommt ohne die Frage nach diesem aus.

Menschen haben den innigen Wunsch, den Sinn des Lebens zu verstehen. Dieses Bedürfnis bleibt, selbst wenn alle anderen Grundbedürfnisse gestillt sind. Die Bibel nennt das „geistige Bedürfnisse“. Dazu gehört, dass wir Gott und seine Persönlichkeit kennenlernen und zu ihm beten wollen (Matthäus 5:3; Offenbarung 4:11). Das alles spricht nicht nur für die Existenz eines Schöpfers, sondern auch für seine liebevolle Persönlichkeit, denn er möchte, dass wir dieses grundlegende Bedürfnis stillen (Matthäus 4:4).

Nicht jeder Mensch sucht den Sinn des Lebens. Das ist lediglich eine Behauptung. Und Menschen können sehr wohl leben, ohne dieses "Bedürfnis" jemals zu stillen. Ohne Essen und Trinken macht es der Mensch nicht lange. Aber ob es Gott gibt oder nicht, macht für sein Dasein physisch keinen Unterschied. Und nicht jeder, der den Sinn des Lebens sucht, landet bei seiner, für ihn zufrieden stellenden Antwort, bei Gott. Sind das dann "falsche geistige Bedürfnisse"?
Und selbst, wenn alle Menschen ihren Sinn im Spirituellen suchen würden, was nicht der Fall ist, beweist das nicht, dass Gott exisitiert. Es beweist lediglich, dass Menschen ihren Sinnstifter über sich sehen oder einen Hang zur Spiritualität haben, nicht jedoch, dass es diesen Sinnstifter oder diese spirituellen Sphären gibt. Denn wenn man so argumentiert, was ist dann falsch an all den anderen Religionen? Die Gläubigen sehen den Sinn des Lebens darin, ihren Göttern nachzufolgen und diese anzubeten. Wenn das eine also wahr sein soll, warum ist das andere falsch?
Und es beweist nicht nur nicht, die Existenz Gottes. Es beweist noch weniger, dass er der Schöpfer ist und es beweist noch weniger, dass er eine Persönlichkeit hat, die wir als liebevoll bezeichnen können.

Zu den Prophezeiungen ist zu sagen, dass die allermeisten Bibelgelehrten davon ausgehen, dass diese im Nachhinein verfasst oder angepasst wurden.
So war es, zum Beispiel, für die Schreiber der Evangelien ein leichtes, Jesus all die Wundermerkmale des kommenden Messias auf den Leib zu schreiben. Sie kannten ja das alte Testament. Von dieser naturalistischen Erklärung gehen wir, wie selbstverständlich aus, wenn es um alles andere geht. Aber wenn es um die Bibel geht, verteidigt man den göttlichen Anstrich, indem man Prophetie beschwört, wo nachweislich keine ist oder sein muss.

“When you hear hooves, think horse, not zebra.”
- Dr. Theodore Englar Woodward (1914-2005, US-amerikanischer Medizinwissenschaftler, Nobelnominierter für seine Rolle in der Suche nach Heilung für Typhus)

Das heißt nicht, dass man Wunder kategorisch ausschließen sollte. Aber da wir in einer natürlichen und nicht in einer übernatürlichen Welt leben, sollte man erst alle naturalistischen Mittel ausschöpfen, bevor man sich dem Übernatürlichen hingibt. Insbesondere dann, wenn man bedenkt, wie oft bereits Wunder und Hexenwerk entzaubert wurden, einfach weil man sie plötzlich wissenschaftlich erklären konnte. Blitz und Donner sind keine Sturmgewalten irgendwelcher erzürnten Götter und Knoblauch ist lecker, aber wenig hilfreich gegen Vampire, weil es diese eben nicht gibt. Und wenn diese vor dem Kreuz zurückweichen und vor irgendwelchen gelesenen Messen, dann vermutlich nur, weil sie gegen Bullshit allergisch sind. Und da Mondlicht nur reflektiertes Sonnenlicht ist, könnten sie nur in wolkenverhangenen Nächten raus.
Das liest sich jetzt vielleicht, wie blanker Hohn. Aber auch das waren mal Realitäten für Menschen vergangener Zeiten. Und das haben Menschen von ganzem Herzen geglaubt.

Die Schreiber der Bibel hatten ein Verständnis von wissenschaftlichen Zusammenhängen, das ihrer Zeit weit voraus war. Zum Beispiel glaubte man früher, die Erde werde von Elefanten, Schildkröten oder anderen Tieren getragen. Die Bibel sagt dagegen von Gott, er „hängt die Erde auf an nichts“ (Hiob 26:7). Oder ein anderes Beispiel: Die Form der Erde. Die Bibel beschreibt sie korrekterweise als „Erdenrund“ oder „Erdkugel“ (Jesaja 40:22, Douay Version beziehungsweise Pattloch-Bibel). Viele sind überzeugt: Ein solches Verständnis kann nur von Gott kommen.

Wow. Diese zwei Bibelstellen scheinen alles zu sein, was es in diesem 1400 Seiten dicken Werk gibt, was man immer wieder für exakt diese Aussage heranziehen kann. Die Bibel ist wissenschaftlich korrekt, weil es diese beiden Stellen gibt.

Aber gehen wir in Hiob 26 doch einfach 2 Verse weiter und dann nochmal 2:
Hiob 26:9 - "Er verhüllt seinen Thron und breitet seine Wolken davor."
Hiob 26:11 - "Die Säulen des Himmels zittern und entsetzen sich vor seinem Schelten."
(Beides Lutherbibel 2017)
Gott wohnt also direkt hinter den Wolken und der Himmel ruht auf Säulen. Gleiche wörtliche Rede des Hiob an Gott. Okay. Nur so, falls das einer als literarische Ausformung oder so verstanden haben will, das andere aber als wissenschaftlichen Fakt.
Oder prüfen wir Jesaja 40:22. Die beiden Bibelübersetzungen wären die ersten beiden, die mir unterkommen, die von einer Kugel sprechen. Das Wort das Jesaja dort verwendet (sofern er überhaupt der Schreiber war) wird in den allermeisten Bibelübersetzungen als "Kreis" übersetzt. Die Douay Version ist erstmals 1582 erschienen und über die Kugelform der Erde wusste man unter Gelehrten schon seit mehr als 1500 Jahren. Warum also sollte eine solche Bibel der Beleg dafür sein, dass jemand 2000 Jahre vorher eine Kugel gemeint hat? Auch die Pattloch-Bibel, die ich jetzt im Netz (von 1979) gefunden habe, spricht an dieser Stelle von "Erdenrund". Nur sind halt auch alle Flacherdler von einer runden Scheibe überzeugt und nicht von einem quadratischen Schachbrett. Auf eine münzartige Erde würde der Begriff also auch passen.
Zumal die 3-tägige Finsternis bei den 10 Plagen (Im ebenfalls zu dieser Zeit bereits verschriftlichen China hätte es 3 Tage hell sein müssen. Just Saying) und der stillstehenden Sonne zu Gibeon jetzt nicht wirklich wissenschaftlich haltbar sind, weil sie eine geozentrische Ordnung suggerieren, was ja nicht der Fall ist. Wie passt das in den Mythos einer wissenschaftlich korrekten Bibel? Oder gilt hier wieder die Standardausrede "Wunder"?

Die Bibel hat die Antwort auf schwierige Fragen im Leben. Fragen wie zum Beispiel: Wenn Gott doch so liebevoll und außerdem noch allmächtig ist, warum ist dann schon so viel Schlimmes in der Geschichte passiert? Und warum wirkt sich der Einfluss der Religionen oft eher schlecht aus als gut? (Titus 1:16). Viele Menschen können sich diese Fragen nicht beantworten und glauben deshalb nicht an Gott. Doch die Bibel hat zufriedenstellende Antworten.

Die erste Frage ist leicht zu beantworten: Gott wartet ab. Worauf er wartet? Keine Ahnung. Aber einige Ideen dazu habe ich bereits in dem bald erscheinenden Artikel "Rezension: ERWACHET! Nr. 3 2021 | Gibt es einen Schöpfer? Urteile selbst. (Teil 2: Der erste Artikel)" niedergeschrieben und will hier noch nicht vorgreifen. Aber auch hier, wäre eine naturalistische Erklärung aufgrund der Tatsache, dass es schon immer so war und sich das auch in allen möglichen Gesteinsschichten nachweisen lässt, vorzuziehen.

Warum der Einfluss von Religion oft eher schlecht wirkt? Das muss vermutlich an den Schriften liegen, auf denen diese beruhen.

Die biblischen Gesetze zum Thema Vergewaltigung unterstreichen ein verachtendes Frauenbild.
Wird eine Jungfrau von einem Mann innerhalb einer Stadt vergewaltigt, sollen beide sterben, auch die unschuldige Frau (5. Mose 22:24), "weil sie nicht geschrien hat." Dass die Frau geschockt, dass sie mit einem Messer bedroht gewesen sein oder man ihr der Mund zugehalten haben könnte, bedenkt die Bibel mit keinem Wort. Der Grund für das Todesurteil der Frau ist einzig der Umstand, dass kein gläubiger Mann jener Zeit eine entjungferte Frau bei sich aufnehmen würde. Ist eine Frau nicht verlobt und nicht mehr jungfräulich, darf sie straffrei vergewaltigt werden. Kein Bibelwort verbietet dies. Geschützt wird mit diesen Vergewaltigungsgesetzen übrigens niemals die Frau, sondern nur der Bräutigam, dem das Besitzrecht der eigenen Frau oder das Recht zur ersten Nacht genommen wird. Wird ein nicht verlobtes Mädchen auf offenem Feld vergewaltigt, muss der Täter dem Vater des Mädchens (5. Mose 22:29) "fünfzig Silberstücke" bezahlen und sie heiraten. Er darf sie niemals entlassen. Über die Gefühle der Frau wird wieder mit keinem Wort nachgedacht.
Man ist sogar recht stolz darauf, die Frauen eroberter Gebiete als Eigentum behalten zu dürfen. Man kann es kaum glauben, wenn man liest, dass Gott sein Volk mehr als einmal dazu aufgerufen hat, Jungfrauen zu versklaven, also auch sexuell zu nötigen (4. Mose 31:15-18): "Warum habt ihr alle Frauen leben lassen? (...) So tötet nun alles, was männlich ist unter den Kindern, und alle Frauen, die nicht mehr Jungfrauen sind; aber alle Mädchen, die unberührt sind, die lasst für euch leben." Die Bibel vermittelt unverhohlen die Ansicht, dass Vergewaltigung nichts schlimmes sei. In einer von zwei (dem Leser zur Belehrung verfassten) Geschichten beschreiben die Autoren, wie Väter ihre Töchter anderen Männern ohne den geringsten Skrupel zur Vergwaltigung preisgeben: In Gibea randalierte eine Horde Männer vor einem Haus. Um die Meute zu besänftigen bot ihnen der Hausherr seine jungfräuliche Tochter und die Nebenfrau des Gastes zur Vergewaltigung an (Richter 19:24): "Die könnt ihr schänden und mit ihnen tun, was euch gefällt". Und so tat es auch Lot, der seine jungfräulichen Töchter dem Pöbel von Sodom anbot, als diese die Herausgabe der Engel forderte, die Lot in sein Haus aufgenommen hat. Das biblische Frauenbild lässt sich mit einem passenden Bibelvers zusammenfassen (Sprüche 11:22): "Ein schönes Weib ohne Zucht ist wie eine Sau mit einem goldenen Ring durch die Nase."

Die Kirche preist die Zehn Gebote gern als erste Ausdrucksform von Nächstenliebe und Menschlichkeit, verschweigt aber das gesamte inhaltliche Umfeld. Zum Beispiel schließen sich an die Gebote unmittelbar die Regeln zum Halten von Sklaven an (2. Mose 21:2): "Rechte hebräischer Sklaven".
Man hielt sich damals nicht nur feindliche Sklaven wie fast alle Völker zu jener Zeit, es war sogar üblich, Sklaven aus dem eigenen Volk zu besitzen. Es war auch nichts Verwerfliches daran, die eigene Tochter zu verhökern (2. Mose 21:7): "Verkauft jemand seine Tochter als Sklavin, so darf sie nicht freigelassen werden." Sogar Priester dürfen mit Sklaven handeln (3. Mose 22,11): "Wenn aber der Priester einen Sklaven für Geld kauft, so darf der davon (von den Opfergaben) essen."
Die Regeln für den Umgang mit Menschen zweiter Klasse sind immer wieder detailliert festgeschrieben (2. Mose 21:20-21): "Wer seinen Sklaven oder seine Sklavin schlägt mit einem Stock, dass sie unter seinen Händen sterben, der soll dafür bestraft werden. Bleiben sie aber einen oder zwei Tage am Leben, so soll er nicht dafür bestraft werden; denn es ist sein Geld." Erkennen ihr die juristische Spitzfindigkeit in diesem Gebot? Wer kann einem Sklavenhalter schon nachweisen, ob der verprügelte Sklave noch einen Tag am Leben geblieben war oder nicht? Der unauffällige Nachsatz "... denn es ist sein Geld" zeigt zudem, welche Wertschätzung die Bibel einem Sklaven zumisst.
Die Bibel duldet den Umgang mit Sklaven nicht nur, sie ermuntert sogar unverhohlen dazu auf (3. Mose 25:44): "Willst du aber Sklaven und Sklavinnen haben, so sollst du sie kaufen von den Völkern, die um euch her sind."
Lächerlich gering sind auch die biblischen Strafen zur Sklavenhaltung, selbst für schlimmste Verfehlungen (3. Mose 19:20): "Wenn ein Mann bei einer Frau liegt, die eine leibeigne Magd ist und einem Mann zur Ehe bestimmt, doch nicht losgekauft oder freigelassen ist, so soll das bestraft werden. Aber sie sollen nicht sterben, denn sie ist nicht frei gewesen." Wer also seine versklavte Magd sexuell bedrängt, also "bei ihr liegt", und dann keine Lust mehr hat, sie dem versprochenen Mann auszuliefern, handelt vor Gott falsch. Das versteht man gut. Weniger aber die Strafe. Die sieht für diese Vergewaltigung einer abhängigen Frau ein Opfertier vor, das man vor die Tür der Stiftshütte zu legen hat. Dagegen wird ein Mann, der sein Dankesopfer anstatt am ersten Tag erst verspätet am dritten Tag isst, (3. Mose 19:7) mit dem Tod bestraft.

Dann noch zig Bibelstellen, die Mord und Totschlag (z.B. gegen Andersgläubige, Ehebrecher oder Menschen, die einvernehmlich andere Menschen des gleichen Geschlechts lieben), sogar Genozide gutheißen. Hm ... woher stammt also der böse Einfluss der Religionen?
Und zur Verteidigung der Bibel: Das gleiche Zeug findet ihr in der Thora, dem Talmut und dem Koran. Und sicher haben auch andere, nicht-abrahamitische Religionen reihenweise Textstellen in ihren heiligen Büchern, die dem hier gezeigten in nichts nachstehen.

So mancher Mensch glaubt also nicht an Gott, weil er die Antworten auf die Fragen nach Leid und Religion nicht beantworten kann. Sondern, weil er es leider kann.
Die Bibel ist kein guter Ratgeber. Gleichwohl enthält sie hier und da guten Rat. Aber das trifft auf alle Ratgeber zu.
Die Bibel ist kein historisch oder wissenschaftliches korrektes Werk. Gleichwohl enthält sie aber hier und da tatsächliche Begebenheiten, wenn auch stark typisiert (z.B. die jüdische Gefangenschaft in Babylon).
Die Bibel ist kein guter moralischer Kompass. Gleichwohl enthält sie auch Dinge, die man bei gutem Willen moralisch unbeschwerter auslegen kann ("Liebe deine Feinde" zum Beispiel).
Warum finden sich Gesetze gegen Homosexualität, aber nicht gegen Kindesmissbrauch in der Bibel?

Ich muss daher dem letzten Satz widersprechen: Die Bibel hat keine zufriedenstellenden Antworten auf die Fragen des Lebens parat. Zumindest dann nicht, wenn man alles betrachtet und nicht nur die Stellen, die einem zusagen.
Und im Fazit muss ich die Frage auch anders beantworten, als es der Artikel tut: Nein, offenbar gibt es Gott nicht. Oder es ist ihm scheißegal, was hier abgeht und wer mit welcher Religion wem was einbläuen will.
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Fr 16. Dez 2022, 16:59

How We Domesticated Cats (Twice) (8:12 min, engl.)


https://m.youtube.com/watch?v=CYPJzQppANo
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mo 19. Dez 2022, 14:49

All Tomorrows: the future of humanity? (40:22 min, engl.)

Eine künstlerische, dyspotische und nicht ganz ernst zu nehmende "Dokumentation" oder eher Novelle einer möglichen Zukunft in naher und besonders in ferner Zukunft.


https://m.youtube.com/watch?v=imNtSPM3-r4
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"If the biggest problem that you're having in the twenty-first century involves
what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
priorities." - Forrest Valkai


("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
Erwachsener mit deren Einverständnis machen, musst du möglicherweise deine
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Fr 23. Dez 2022, 02:12

This Is the Worst Anti-Evolution Argument a Creationist Has Ever Made | Friendly Atheist (10:05 min, engl.)


https://www.youtube.com/watch?v=2XS3D8IgYIQ
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mo 26. Dez 2022, 01:31

This Is the Second Worst Anti-Evolution Argument a Creationist Has Ever Made | Friendly Atheist (11:04 min, engl.)


https://www.youtube.com/watch?v=xuxKGMtxfS8
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Do 29. Dez 2022, 18:51

This Guy Thinks His Christian Song Debunks Evolution (A Response) | Genetically Modified Skeptic (13:34 min, engl.)


https://www.youtube.com/watch?v=tngWQSXEVsM
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Di 3. Jan 2023, 13:20

Rezension: Whatsapp 29. Mai 2021 - Kameras und Augen (Teil 1 - Die Mär vom Vergleich)

Mal etwas erfrischender habe ich heute eine Rezension, die nicht einen Wachtturm-Artikel oder Erwachet zerlegt. Diesmal haben wir etwas unmittelbareres. Irgendjemand wabert in seinen Whatsapp-Status irgendeinen Wulst und ich schau mir die Sache an. Das habe ich bereits zwei Mal gemacht. Einmal mit einer bunten Homöopathie-Blase und einmal beim Wiederkäuer zu den Schrecken von Halloween.

Anekdoten sind keine Daten
https://almafan.iphpbb3.com/forum/38899908nx49134/der-kritiker-f23/alternative-medizin-t184-s30.html#p3743

Zeugen Jehovas und der Quatsch mit dem teuflischen Halloween
https://almafan.iphpbb3.com/forum/38899908nx49134/der-kritiker-f23/traditionen-t249.html#p4685

Jetzt habe ich etwas neues für euch. Neu ist vielleicht nicht der beste Begriff, aber ihr wisst ja, dass ich bei der Aufarbeitung immer etwas hinterher hänge. Das folgende Bild entstand aus zwei aufeinanderfolgenden Statusmeldungen in Whatsapp. Insgesamt waren es drei Bilder, aber auf dem letzten wurde nur auf die Kreationistenseite der Zeugen Jehovas verwiesen. Deswegen habe ich diesen Part weggelassen. Wie ihr im Titel bereits seht, ist auch diese Bilderfolge über 1 1/2 Jahre alt.


Auf der linken Seite sehen wir den Vergleich von Kamera und Auge und rechts ein Haus und die Erde.
Weil jemand etwas "nachbaut" muss das Orginal auch "gebaut" worden sein. Aber von wem?

Da haben wir das erste Problem.
Kreationisten behaupten, eine Antwort zu haben. Aber welcher Gott war es denn?
Selbst wenn wir nicht alle 7.000 Götter zählen, sondern nur diejenigen, denen die Schöpfung zugeschrieben wird, haben wir immernoch ein gewaltiges Zuständigkeitsproblem. Also halbwegs realistisch gesehen. Da in unseren Breitengraden im Grunde nur der christliche Schöpfungsmythos hochgehalten wird, weil diese Religion die anderen überlebt hat, bleibt nur der abrahamitische Gott, El, Elohim, Jahwe, Jehova, Adonai bzw. Allah. Gott eben.

Ich würde gern mit euch die Punkte, die ich unten im Bild angehangen habe, durchgehen. Denn diese Missverständnisse machen Kreationisten beim Vergleich mit technischen Geräten oder anderen künstlichen Gebilden immer wieder.

1. technische Geräte haben keine Vorgeschichte
2. biologische Gebilde haben keine Vorgeschichte
3. biologische Gebilde sind perfekt designed
4. biologische Gebilde haben keine Alternativen

Wir gehen das jetzt Punkt für Punkt durch.
Und ich muss dem Ersteller dieses Whatsapp-Nonsens vermutlich sogar danken. Irgendwie.
Ich habe mich für die Recherche zu diesem Artikel, in die Geschichte des Auges und in die Geschichte der Fotografie eingearbeitet und zeitweise 4 Stunden an diesem Text geschrieben und musste dann entscheiden, was relevant genug ist, drin zu bleiben. Ich will mich jetzt nicht als Experten bezeichnen, aber ich habe wirklich viel dazugelernt. Nur leider komme ich halt nicht zu dem gleichen Ergebnis, wie der Kreationist, der das reingestellt hat.

1. technische Geräte haben keine Vorgeschichte

Noch nie hat der Mensch irgendeine Innovation aus dem Nichts geschaffen. Immer hat er die Vorarbeiten anderer benötigt. Nehmen wir doch gleich mal die Kamera als Beispiel.

Eine Kamera ist eine fototechnische Apparatur (daher unter anderem auch Fotoapparat genannt), die statische oder bewegte Bilder auf einem fotografischen Film oder elektronisch auf ein magnetisches Videoband oder digitales Speichermedium aufzeichnen oder über eine Schnittstelle übermitteln kann. Der Begriff "Kamera" leitet sich von lateinisch Camera obscura ("dunkle Kammer"), der Lochkamera, ab.

Bild.Bild.Bild
1. Bild:Kastenförmige Camera obscura
2. Bild: Zeltförmige Camera obscura
3. Bild: Hüttenförmige Camera obscura

Damit dürften die wenigsten von euch Bekanntschaft gemacht haben und ich denke, die Zahl derer, die täglich damit arbeiten, dürfte sich gen Null belaufen, wenn ihr nicht gerade zufällig in einem Museum arbeitet. Deswegen kurz zur Funktionsweise:

Eine Camera obscura besteht aus einem lichtdichten Kasten oder Raum, in den durch ein schmales Loch das Licht einer beleuchteten Szene auf die gegenüberliegende Rückwand trifft. Auf der Rückwand entsteht dabei ein auf dem Kopf stehendes und seitenverkehrtes Bild dieser Szene. Das Bild ist lichtschwach und nur bei ausreichender Abdunklung gut zu sehen. Bei transparenter Rückwand kann man das Bild auch von außen betrachten, wenn man für ausreichende Abdunklung sorgt, indem man beispielsweise ein lichtundurchlässiges Tuch verwendet, das die Rückseite der Rückwand und den Kopf des Betrachters bedeckt.

Das Prinzip erkannte bereits Aristoteles (384–322 v. Chr.) im 4. Jahrhundert v. Chr. In der apokryphen Schrift Problemata physica wurde zum ersten Mal die Erzeugung eines auf dem Kopf stehenden Bildes beschrieben, wenn das Licht durch ein kleines Loch in einen dunklen Raum fällt.
Erste Versuche mit einer Lochkamera hat der Araber Alhazen bereits um 980 angestellt. Er hatte bereits den optischen Effekt und eine modern anmutende Theorie der Lichtbrechung entwickelt, war aber nicht an der Produktion von Bildern von Individuen interessiert. Er lebte zudem in einer Gesellschaft, die durch das Bilderverbot im Islam, der Bilderproduktion feindlich gegenübergestellt war. Europäische Künstler und Philosophen begannen, die technischen Erkenntnisse Alhazens in neuen Rahmenwerken mit deutlich mehr Relevanz zu nutzen.
Vom Ende des 13. Jahrhunderts an wurde die Camera obscura von Astronomen zur Beobachtung von Sonnenflecken und Sonnenfinsternissen benutzt, um nicht mit bloßem Auge in das helle Licht der Sonne blicken zu müssen. Roger Bacon (1214–1292 oder 1294) baute für Sonnenbeobachtungen die ersten Apparate in Form einer Camera obscura. Ähnliche Versuche hat wahrscheinlich Filippo Brunelleschi (1377–1446) bei seiner Anwendung der Zentralperspektive angestellt. Leonardo da Vinci (1452–1519) untersuchte den Strahlengang und stellte fest, dass dieses Prinzip in der Natur beim Auge wiederzufinden ist.

Jetzt kam ein ganz entscheidender Punkt, damit wir heute nicht riesige Kästen und ein Zirkuszelt mit uns herumschleppen müssen, wenn wir irgendwas fotografieren wollen.
Denn nachdem es im Mittelalter gelang, Linsen zu schleifen, ersetzte man das kleine Loch durch eine größere Linse. Diese verbesserte Kamera beschrieb 1569 der Venezianer Daniele Barbaro in seinem Werk La pratica della perspettiva und Giambattista della Porta (1563–1615) in seiner Magia Naturalis. Ein solches Gerät scheint auch Johannes Kepler (1571–1630) bekannt gewesen zu sein.
Bereits die 1929 erschienene Encyclopedia Britannica enthielt einen großen Artikel über die Camera obscura und zitierte Leon Battista Alberti als ersten schriftlich nachgewiesenen Nutzer 1437.

Erst mit der Linse konnte die Verkleinerung dieses Apparates stattfinden.
Und obacht: Geschliffene Linsen (davor nutze man konkave oder konvexe Glassteine) sind ursprünglich als Lupen entwickelt worden, um sehschwachen Menschen zu helfen, Schriften zu lesen oder Bilder anzuschauen. Der Einsatz als Brennlinse für eine Kamera ist also ein tolles Beispiel für eine Funktionsumformung bzw. eine Mehrfunktionalität. So wie viele andere Bauteile, insbesondere einer modernen Kamera.

Bild.Bild

Bild 1: Diese Bauform der Camera obscura wurde im 18. Jahrhundert als Skizzierinstrument genutzt. Mit einem Blatt Papier auf der Glasscheibe konnte das betrachtete Objekt direkt kopiert werden.
Bild 2: Goethes tragbare Camera obscura, um 1800


Doch ohne Johann Zahn hätte Goethe seinen Kasten gar nicht gehabt.
Denn der konstruierte im Jahre 1686 die vermeintlich erste transportable Camera obscura. Ein Spiegel, der im Winkel von 45 Grad zur optischen Achse der Linse im Inneren der Kamera angebracht war, reflektierte das Bild nach oben auf eine Mattscheibe, die beim Transport durch einen aufklappbaren Deckel geschützt werden konnte. Von der Mattscheibe konnte das Bild bequem abgezeichnet werden. Das Bild konnte durch einen rechteckigen Auszug scharf gestellt werden. Die Camera Obscura wurde von Malern vor der Fotografie gern als Zeichenhilfe genutzt. Man konnte in ihr die Landschaft auf Papier abmalen und dabei alle Proportionen richtig wiedergeben. Bekanntestes Beispiel ist der Maler Canaletto mit seinen berühmten Gemälden von Dresden und Warschau.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Camera lucida immer beliebter und löste die Camera obscura als Zeichenhilfe weitgehend ab.

Die Obscura ist ja noch bekannt und sicherlich auch einigen da draußen ein Begriff, aber was ist eine Camera lucida?
Das Patent meldete der britische Chemiker und Physiker William Hyde Wollaston 1806 für sein Zeicheninstrument an. Das Prinzip scheint aber schon bekannt gewesen zu sein, denn vielleicht hat Johannes Kepler es bei seinen Beobachtungen schon verwendet. Es wurde zum Abzeichnen von Landschaften oder Porträts verwendet. In der biologischen Forschung wurden Camera-lucida-Projektionen mikroskopischer Präparate als Zeichenvorlage benutzt.

William Henry Fox Talbot (1800–1877), der mit seiner zeichnerischen Begabung unzufrieden war, hatte nach einem Hilfsmittel gesucht, um 1833 Skizzen am Comer See anzufertigen und daher die auf der Camera obscura basierenden Projektionsvorrichtungen weiterentwickelt.
Bei der Camera lucida blickt man durch ein Guckloch direkt über die Kante des Prismas, das die Umrisse des Motivs auf das Zeichenpapier wirft. Der Benutzer kann dadurch gleichzeitig die Umrisse des Motivs und das Papier sehen und kann das Objekt dann einfach abzeichnen. Mit der Camera lucida wird also vor allem das Anfertigen von relativ naturgetreuen Bildern vereinfacht.
Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Camera lucida zu einem wichtigen Hilfsmittel in der Entomologie zum genauen Zeichnen des Flügelgeäders von Insekten.

Abbildungen zu projezieren gelang also schon und das schon seit einiger Zeit. Bis hierhin musste der Fotograf aber die Bilder noch von Hand abzeichnen. Dazu kam jetzt die Entwicklung, Sonnenlicht für die Färbung von chemischen Substanzen zu nutzen. Daran forschte man ebenfalls seit einiger Zeit, doch nicht primär für die Entwicklung der Fotografie.
Bereits dem Physiker Johann Heinrich Schulze (1687–1744) war ein solches Verfahren bekannt. Er vermischte dabei im Jahre 1717 Kreide mit einer Silberlösung und bemerkte mit der Salpetersäure die lichteinwirkende Veränderung. Jetzt kommt der Clou. Bilder durch Licht und Linsen projezieren gelang. Die "Speicherung" auf Medien steckte in den Kinderschuhen. Aber es war ein ganz anderes Genre, dass die Verbindung sah:
In seinem Roman Giphantie beschrieb Charles-François Tiphaigne de la Roche griff 1760/61 die Möglichkeit, die Fotografie durch den chemischen Prozess auf einem Medium zu speichern.
Der aus Stralsund stammende Chemiker Carl Wilhelm Scheele (1742–1786) experimentierte mit Silbersalzen, bei denen er entdeckte, dass die Schwärzung durch metallisches Silber verursacht wurde. Die ersten nachweisbaren Experimente zum Fixieren des fotografischen Bildes stammen aus den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts von Claude Niépce und Joseph Nicéphore Niépce (um 1798) und Thomas Wedgwood (1799).

Bild

1824 gelang es Niépce dann erstmals, einen Kupferstich des Kardinals Georges d’Amboise nicht nur zu kopieren, sondern auch zu fixieren. Dieses Bild gilt jedoch nicht als erstes Foto, da es nicht mit einer Camera obscura aufgenommen wurde. Aber der gleiche Joseph Nicéphore Niépce erzeugte 1826 mit einer Camera obscura im Heliografie-Verfahren die erste bekannte und bis heute erhaltene Fotografie La cour du domaine du Gras.

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Das ist es. Die älteste erhaltene, echte Fotografie.
Wir schauen wir aus dem Fenster des Arbeitszimmer von Niépces Gutshof Le Gras. Von der linken Seite her sieht ein Betrachter zunächst den Rahmen des Fensterflügels, das turmartige Taubenhaus des Gutshofs, weiter entfernt einen Baum, ein kleines Gebäude mit Pultdach und schließlich einen turmförmigen Kamin, wahrscheinlich vom Backhaus.
Das hier ist aber die bereits retuschierte Fassung des Bildes. Die Orginal-Fotoplatte sieht so aus:

Bild

Nicht unbedingt die Qualität, die man von seinem iPhone, Huawai oder Samsung gewohnt ist, oder?

Die Linse wurde auf eine polierte, mit in Lavendelöl gelöstem Naturasphalt bestrichene Zinnplatte von 21 cm × 16 cm fokusiert. Die Asphaltmischung härtete je nach Belichtungsgrad heller oder dunkler aus. Nach acht Stunden Belichtungszeit konnte die Platte mittels einer Mischung aus Lavendelöl und Petroleum ausgewaschen und das Foto dadurch fixiert werden. Ein optischer Effekt der langen Belichtungszeit ergab sich darin, dass die Gebäude auf dem Bild beidseitig keinen Schattenwurf erzeugten.
Das eigentliche Ziel von Niépce war, diese Platten dann zu ätzen, um davon per Druckvorgang Abzüge zu erhalten, was ihm allerdings nur bei Kontaktkopien von Strichvorlagen (Kupferstiche, Radierungen) gelungen ist.

Das Foto war natürlich nur der erste geglückte Versuch einer ganzen Reihe von Erprobungen:
Niépce, von 1789 bis 1811 Offizier in der französischen Armee, verwaltete zwischen 1795 und 1801 den Distrikt Nizza, widmete sich dann mit seinem älteren Bruder Claude Niépce in seiner Vaterstadt mechanischen und chemischen Arbeiten und ab 1815 der Lithografie. Ein Lithograf ist jemand, der die Steinzeichnung – also die zu druckenden Texte und Bilder – auf einem Lithografiestein manuell oder mit Unterstützung durch mechanische Übertragungsverfahren, seitenverkehrt anfertigt. Es gehörte im 19. Jahrhundert zu den am meisten angewendeten Drucktechniken für farbige Drucksachen, es wird auch als Reaktionsdruckverfahren bezeichnet. Ebenfalls übrigens ein Verfahren, das nicht einfach so aus dem Nichts entstand.
Niépces fotografischen Bemühungen begannen im Jahr 1816, in dem es ihm erstmals gelang, auf Chlorsilberpapier Bilder einer Camera obscura kurzzeitig festzuhalten, die er jedoch noch nicht fixieren konnte.
1824 gelang es Niépce dann erstmals, einen Kupferstich des Kardinals Georges d’Amboise nicht nur zu kopieren, sondern auch zu fixieren. Dieses Bild gilt jedoch nicht als erstes Foto, da es nicht mit einer Camera obscura aufgenommen wurde.

Niépce versuchte ab 1826 für die von ihm Heliographie benannte Methode das öffentliche Interesse zu gewinnen und reiste nach London, um sein Foto der Royal Society vorzustellen. Dies misslang, und Niépce übergab das Bild dem britischen Botaniker Francis Bauer und starb 1833. Später ging es in den Besitz von Henry Baden Pritchard über. Letztmals wurde das Werk 1898 öffentlich ausgestellt und geriet danach in Vergessenheit. 1952 erwarb Helmut Gernsheim das Foto, und mit Hilfe von Spezialisten von Kodak wurde erstmals eine Kopie hergestellt. 1963 schließlich erwarb die University of Texas die Platte von Helmut Gernsheim. Seither wird sie in Austin im Harry Ransom Humanities Research Center der Universität ausgestellt.

Beinahe wäre dieses geschichtsträchtige Werk einfach verschwunden.
Niépce verwendete auch Lithografiesteine, Glasplatten, Zinn-, Zink-, Kupfer- und versilberte Platten. Bei späteren Experimenten bedampfte er die entwickelten Platten mit Jod, um die Schattenpartien zu schwärzen, löste dann die verbliebene Asphaltschicht mit Alkohol auf und erhielt so kontrastreichere Direktpositive.
Die Heliografie gelangte zwar zu Lebzeiten von Niépce nicht zur Anwendungsreife, wurde aber später von seinem Neffen Claude Félix Abel Niépce de Saint-Victor weiterentwickelt. Ihm gelang es 1855 mit Hilfe des Kupferstechers Lemaître, die Heliografien zu ätzen und davon Drucke herzustellen, was den Grundstein für die späteren Heliogravüre-Verfahren legte.

Dieser Pionier schloss sich 1829, wohl aus Geldmangel, brieflich mit Louis Daguerre zusammen, um die Erfindung weiterzuentwickeln. Niépce starb vier Jahre später, und Daguerre gelang es nach Niépces Tod erst 1837, eine belichtete, mit Silberiodid beschichtete Silberplatte in Quecksilberdämpfen zu entwickeln und anschließend in warmer Kochsalzlösung zu fixieren. Er verbesserte das Verfahren noch bis 1839 und François Arago, Leiter des Pariser Observatoriums, stellte es schließlich am 19. August 1839 der Pariser Akademie der Wissenschaften und damit der Öffentlichkeit als Daguerreotypie vor.
Daguerres Verfahren erforderte nur noch eine Belichtungszeit von einem Bruchteil einer Stunde, schuf aber lediglich ein Unikat. Die immer noch verhältnismäßig lange Belichtungszeit konnte aber bereits Anfang 1840 ganz erheblich von 15 Minuten unter günstigen Lichtverhältnissen auf 45 Sekunden gesenkt werden, als die aufgrund ihrer Operngläser bekannte und seit 1756 bestehende Wiener Firma Voigtländer das erste analytisch berechnete Objektiv, das Petzvalobjektiv, vorstellte.
Seit 1834 arbeitete auch William Henry Fox Talbot, den wir weiter oben schon hatten, an einem fotografischen Verfahren mit lichtempfindlichem Papier. Er bezeichnete es als photogenische Zeichnung. 1840 stellte er das erste Negativ-Verfahren vor, das er als Kalotypie (auch Talbotypie, Talbototypie oder Chartotypie genannt) bezeichnete. Auch Talbots Verfahren benötigte noch lange Belichtungszeiten, sein Papiernegativ ließ sich jedoch beliebig oft reproduzieren. Der Beginn des Abzugs.

Alles eine Entwicklung.
In dieser Zeit waren aber auch andere, konkurrierende fotografische Verfahren bekannt. So hatte beispielsweise Hippolyte Bayard wohl ebenfalls ein Direktpositiv-Verfahren entwickelt. Aber mit der inszenierten Fotografie seines angeblichen Selbstmords ging er auch als erster "Fotofälscher" in die Geschichte der Fotografie ein.

Bild

Im Unterschied zu Daguerre, der ausschließlich mit lichtempfindlich gemachten Metallplatten experimentierte, fand Bayard eine Methode, bei der er gewöhnliches Schreibpapier mit Silberchlorid überzog und es dann vom Sonnenlicht schwärzen ließ. Anschließend tauchte er das geschwärzte Papier in eine Iod-Kaliumiodid-Lösung (die sogenannte Lugolsche Lösung), positionierte es in einer Kamera und belichtete es wiederum. Das Papier bleichte aus, wobei das Iod aus der Kaliumiodid-Lösung ausgeschieden und an das geschwärzte Silber gebunden wurde, sodass er ein positives Bild erhielt. Das entwickelte Bild wurde dann in einer Kaliumbromid-Lösung oder in Natriumthiosulfat-Lösung (Fixiernatron) fixiert und gewässert. Damit hatte Bayard das erste Direktpositiv-Verfahren entwickelt. Ein Nachteil des Verfahrens ist das fehlende Negativ, sodass eine direkte Vervielfältigung nicht möglich ist. Dies war ein Grund, warum Bayards Methode nicht weiter angewendet wurde.
Jetzt haben wir sogar Konkurrenz und Selektion. Klinkt gar nicht mehr so sehr nach Schöpfung, mehr nach einem evoluten Prozess. Hm... Wo das wohl hinführt?

Bild.Bild.Bild
1. Bild: Hippolyte Bayard: Montmartre, Paris, ca. 1842
2. Bild: Hippolyte Bayard: Windmühlen, Montmartre, Paris, ca. 1842
3. Bild: Hippolyte Bayard: La Madeleine, Paris, ca. 1845

Seht ihr die Weiterentwicklung in der Qualität? Und das alles in nicht einmal 20 Jahren.

Nach 1839 arbeiteten zahllose Forscher an der Verbesserung der fotografischen Verfahren. Weitere lichtempfindliche Silbersalze wurden entdeckt, die Linsen für die Camera obscura wurden verbessert, erste lichtstarke Objektive wurden gebaut.
  • Josef Maximilian Petzval, ungarndeutscher Mathematiker, dessen bekannteste Leistung, das Porträtobjektiv von Petzval, nach 150 Jahren immer noch eine gewisse Bedeutung hat, leistete grundlegende Arbeiten zur Theorie der Abbildungsfehler optischer Systeme. Einige zentrale Begriffe dieses Felds sind später nach ihm benannt worden:
    • Die Petzval-Fläche ist die im Allgemeinen gekrümmte Bildfläche eines unkorrigierten optischen Systems, ein Rotationsparaboloid.
    • Bei Einhaltung der Petzval-Bedingung ist die Petzval-Fläche eben.
    Auf die Entwicklungen Petzvals geht auch das lichtstarke Landschaftsobjektiv Orthoskop zurück.
    Aufgrund dieser und ähnlicher Verbesserungen konnten die Belichtungszeiten verkürzt werden.
  • Claude Félix Abel Niépce de Saint-Victor, französischer Chemiker, Erfinder und Fotograf, Neffe des oben erwähnten Joseph Nicéphore Niépce, verfolgte eifrig die Arbeiten seines Onkels, besonders diejenigen, welche sich auf die Heliographie bezogen, und betrieb ein chemisches Labor in Saint Martin, einem Vorort von Paris. Er erfand 1847 ein Verfahren zur Erstellung von Fotografien auf Glas im Albuminverfahren und war damit einer der ersten, welche die Fotografie auf Glas versuchten. Für das Albuminverfahren verwendet man zu Schaum aufgeschlagenes Eiweß mit einer Ammoniumchlorid-Lösung („Chlorammoniumlösung“) und lässt das Medium auf der klaren Flüssigkeit, die sich aus dem Schaum abscheidet, eine Minute schwimmen. Er eröffnete dadurch der Fotografie eine neue Ära und bereitete den Weg zur Anwendung des Kollodiums vor, eine zähflüssige Lösung aus Kollodiumwolle (eine Form der nitrierten Cellulose, die man z. B. durch Einwirkung von Salpeter- und Schwefelsäure auf Baumwolle erhält) in einer Mischung aus Ether und Alkohol (1:2).
    Niepce de Saint-Victor stellte zusammen mit Alexandre Becquerel eine der ersten Farbfotografien her, die er jedoch noch nicht dauerhaft und zuverlässig fixieren konnte.
  • Louis Désiré Blanquart-Evrard, französischer Tuchhändler, versierter Chemiker und begeisterter Hobbyfotograf, erkannte er die Nachteile der Kalotypie (auch Talbotypie, von William Henry Fox Talbot): die Notwendigkeit zeitaufwändiger Manipulationen und die Ungleichmäßigkeit der Abzüge. Er verbesserte das Verfahren in der Form, dass er die lichtempfindlichen Chemikalien nicht mehr auf die Papiere aufstrich, sondern sie auf der Lösung schwimmen ließ. Dadurch erhielt er eine wesentlich homogenere Oberfläche, eine verbesserte Lichtempfindlichkeit und eine feinere Wiedergabe der Tonwerte. 1850 entwickelte er den Druck auf Albuminpapier aufgrund des Verfahrens wie beim Albuminglas.
    Mit seinem Hintergrundwissen aus der Stoffindustrie erkannte Blanquart-Evrard schon bald die Möglichkeiten der Massenproduktion für die Fotografie. Im Jahr 1851 eröffnete er mit Hippolyte Fockedey die Imprimerie Photographique Blanquart-Evrard. In dieser Kopierwerkstatt betrieb er mit ungefähr 40 weiblichen Mitarbeitern die Herstellung von Positivabzügen nach Papiernegativen. Das Unternehmen war in vielen Aspekten richtungsweisend. Man entwickelte industrielle Produktionsverfahren, mit denen bis zu 300 Kopien pro Tag und pro Negativ erstellt werden konnten. Diese Kopien wurden dann in gedruckte Bücher eingeklebt.
  • Gustave Le Gray, Sohn eines Kurzwarenhändlers, erfand 1850 zusammen mit Frederick Scott Archer das Negativ-Verfahren mit der Kollodium-Nassplatte.
    Le Gray erfand die Methode des Sandwich-Negativs, bei der ein Positiv (Fotografie) durch zwei Negative belichtet wird. Als Fotograf des französischen Hofes sollte er Aufnahmen der Flotte fertigen. Beim damaligen Stand der Fotochemie dauerte es sehr lange, Aufnahmen von Wolkenformationen zu machen. Andererseits erforderte die Ablichtung der Wellen und der Brandung eine sehr kurze Belichtungszeit. Mit Hilfe der Kombination zweier Negative, die mit unterschiedlicher Belichtungszeit aufgenommen waren, gelangen Le Gray dramatische Fotografien, die an die maritime Malerei der Seestücke erinnert.
  • Frederick Scott Archer, britischer Bildhauer und Fotopionier, entwickelte 1851 die Kollodium-Nassplatte für fotografische Aufnahmen, die als Ambrotypie oder durch ein Negativ-Verfahren eine Fotografie erzeugt. Das dazugehörige Verfahren wird als nasses Kollodiumverfahren oder Kollodium-Nassplatten-Verfahren bezeichnet und setzt eine zur Anfertigung der Fotografie möglichst rasche Verarbeitung voraus. So musste etwa ein mobil arbeitender Reisefotograf in der Frühzeit der Fotografie immer ein Dunkelkammerzelt mit sich führen.
    Zur Herstellung einer Kollodium-Nassplatte putzt man die Glasplatten sehr sorgfältig und übergießt sie mit einer Lösung von Kollodiumwolle und Iod- und Bromsalzen in Ethanol und Ether. Der Überzug trocknet zu einer gallertartigen Masse ein und wird sofort im Dunkeln in eine Lösung von Silbernitrat gebracht. Hier wandeln sich die Iodsalze in Silberiodid und Silberbromid um, und diese bleiben in der Kollodiumschicht fein verteilt.
    Die so präparierte Platte wird aus dem Silberbad herausgenommen und noch feucht von anhängender Silberlösung in einem lichtdicht schließenden Kästchen (Kassette) in die Kamera gebracht, hier der Lichtwirkung ausgesetzt und dann in der Dunkelkammer mit einer Eisensulfatlösung übergossen. Diese schlägt aus der an der Platte hängenden Silbernitratlösung sofort metallisches Silber als dunkles Pulver nieder, und dieses hängt sich an die belichteten Stellen der Platte umso stärker, je intensiver das Licht gewirkt hat. Das Bild wird nach dieser Hervorrufung noch verstärkt, indem man durch Aufgießen einer Mischung von Eisensulfat und zitronensaurer Silberlösung noch einen zweiten Niederschlag von Silberpartikeln veranlasst, die sich zu den erstniedergeschlagenen lagern, so dass das Bild nun in den dichtesten Stellen hinreichend undurchsichtig ist, um den Durchgang des Lichts beim Kopierprozess zu verhindern.
    Das Negativ wird nun fixiert, das heißt, das noch enthaltene Silberiodid Silberbromid wird durch eine Lösung von Natriumthiosulfat herausgelöst, schließlich gewaschen und mit Alkoholfirnis überzogen. In dem so erhaltenen Glasnegativ erscheinen die hellen Teile des Originals dunkel und die dunklen Teile des Originals hell (in der Durchsicht). Vor einem dunklen Hintergrund erscheint es als positives Bild, indem an den durchsichtigen Stellen der schwarze Hintergrund sichtbar wird und gegen diesen das graue Silberpulver, welches auf den dichten Stellen des Negativs liegt, wie weiß erscheint (Ambrotypie).
    Dieser positive Effekt trat am schönsten hervor, wenn die Aufnahme etwas unterbelichtet war. So fertigte man Positive, indem das Kollodium auf dunklem Leder oder schwarzer Wachsleinwand aufgetragen wurde (Pannotypen) auf schwarz lackiertem Eisenblech (Ferrotypen) als Trägermaterial.
    Eine Weiterentwicklung der Kollodium-Nassplatte ist die Kollodium-Trockenplatte (1855, J. M. Taupenot (1824–1856)) und später das Gelatineverfahren, das mit der Gelatine-Trockenplatte arbeitet und 1871 von Richard Leach Maddox (1816–1902) entwickelt wurde. Dieses die Fotografie sehr vereinfachende Verfahren löste die Kollodiumverfahren um 1880 ab und ist das bis heute noch benutzte Schwarz-Weiß-Verfahren. Weitere wichtige Verbesserungen waren die optische Sensibilisierung des Aufnahmematerials ab 1873 durch Hermann Wilhelm Vogel sowie das Ersetzen der Glasplatte durch Zelluloid als Schichtträger (Planfilm, ab 1869 durch die Brüder Hyatt).
  • Jacob Wothly, deutscher Fotograf, entwickelte die Wothlytypie (auch Uran-Kollodium genannt) als Resultat seiner seit 1857 unternommenen Anstrengungen zur Verbesserung der fotografischen Verfahrenstechnik. Sie ist ein Verfahren zur Herstellung von positiven Bildern unter Verwendung eines Uransalzes, des radioaktiven Uranylnitrat als lichtempfindlichem Material und eines mit einer Kollodiumlösung beschichteten Papiers als Träger. Die Wothltypie wurde in der Fachwelt unterschiedlich beurteilt und konnte sich letztendlich nicht dauerhaft durchsetzen.
    Jacob Wothly erfand um 1860 eine Solarkamera. Mit dieser Kamera, die das Konstruktionsprinzip eines Heliostaten aufwies, konnte Wothly bis zu 2 × 1,5 m große Fotografien herstellen. Er stellte das Verfahren erstmal in der französischen Akademie der Wissenschaften vor. Der von ihm konstruierte Apparat war "ein Vergrößerungsgerät für Sonnenlicht mit selbst hergestellten Linsen von großer Brennweite."
Die Belichtungszeiten konnten bereits beim Albuminverfahren auf etwa 20 Sekunden reduziert werden. Im Besonderen bei den ab 1860 sich großer Beliebtheit erfeuenden Carte-de-visite (Visitformat, 6 x 9 cm) wurden Albumin-Fotopapiere eingesetzt. Die Kollodium-Nassplatte verkürzte die Belichtungszeit weiter auf wenige Sekunden.

Bild.Bild.Bild
1. Bild: Beispiel für eine Kalotypie: Foto „Schreiner in Lacock“ von 1842/43, Fotograf: William Henry Fox Talbot
2. Bild: Porträt von Buffalo Bill Cody, Albumindruck, ca. 1875
3. Bild: Die Französisch-Britische Flotte vor Cherbourg für den Besuch von Emperor Napoleon III und Queen Victoria 1858.


Bild.Bild.Bild
1. Bild: Collodionglas negativ. Valladolid gegen 1865. J. Laurent, Fotograf.
2. Bild: Der Heliostat (von altgriechisch helios "Sonne" und statós "stehend, eingestellt") ist ein Apparat mit einem Spiegel, der das Sonnenlicht unabhängig von der Änderung der Sonnenposition am Himmel immer auf den gleichen, ortsfesten Punkt reflektiert.
3. Bild: eingescanntes Glasnegativ der "Library of Congress Prints and Photographs Division Washington", Titel: "Red Cloud and Indians" entstanden 1865–1880


Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden auch diese Probleme sukzessive gelöst, so durch Louis-Alphonse Poitevin, der 1855 den Gummidruck und den Pigmentdruck erfand. Man entwickelte verschiedene Trockenplatten (englisch dry plates), die mit Tanninen, Albumin oder Gelatine beschichtet waren (ab 1856), insbesondere die Gelatine-Trockenplatte (Richard Leach Maddox, 1871). Die industrielle Fertigung begann 1879.

Erste Untersuchungen über ein farbfotografisches Verfahren veröffentlichte Louis Ducos du Hauron 1862. Im Jahr 1868 präsentierte er erste farbige Pigmentdrucke und patentierte verschiedene Farbverfahren. Doch erst Gabriel Lippmann, luxemburgisch-jüdischer Abstammung, entwickelte unter anderem das auf der Interferenz beruhende und nach ihm benannte Lippmannverfahren der Farbfotografie, das er 1891 der Akademie der Naturwissenschaften vorstellte und für das er 1908 den Nobelpreis für Physik erhielt, deren Farben dauerhaft erhalten blieben.

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Frühe Farbfotografie von Gabriel Lippmann


Im Jahr 1869 erfand Edward Muybridge einen der ersten Verschlüsse. Das ermöglichte einige Jahre später die ersten Reihenaufnahmen von bewegten Motiven. Er setzte dafür bis zu 30 Kameras ein.

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360°-Panorama von San Francisco aus dem Jahr 1878, zusammengesetzt aus 13 Albumindrucken. Auseinandergefaltet ist das Panorama rund 61 cm hoch und 528 cm lang.

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The Horse in Motion, mit dem Pferd Sallie Gardner von Leland Stanford. Aufnahme vom 19. Juni 1878.

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Tafel 187 aus Muybridges Werk Animal Locomotion (in der Ausgabe von 1887)

Der Einfluss von Animal Locomotion mit seinen mehr als 20.000 Einzelbildern auf 781 Tafeln war immens und reicht bis in die heutige Zeit. Der französisch-amerikanische Maler Marcel Duchamp wurde zu seinem Werk Akt, eine Treppe herabsteigend Nr. 2 ebenso von Muybridges Pionierarbeit auf dem Gebiet der Reihenfotografie angeregt wie der britische Maler Francis Bacon oder der Spezialeffektkünstler Tim MacMillan, der Muybridges Werk explizit als Inspiration für die im Film Matrix eingesetzte Bullet-Time-Technik nannte.

Étienne-Jules Marey konstruierte 1883 das fotografische Gewehr, mit dem er eine ganze Serie von Belichtungen auf einer Platte festhalten konnte. Der Chronofotograf mit fester Platte und rotierendem Schlitzverschluss konnte – abhängig von der Belichtungszeit – bis zu hundert Bilder pro Sekunde anfertigen.

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Zeitgenössische Gravur des fotografische Gewehrs.


Ottomar Anschütz konstruierte 1888 eine Kamera mit Schlitzverschluss für extrem kurze Belichtungszeiten.

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Durch den zeitlichen Abstand zwischen 1. und 2. Verschlussvorhang kann der Schlitzverschluss einen weiten Bereich von Belichtungszeiten abdecken.


Mitte der 1860er Jahre wurde begonnen, fotografische Objektive weiterzuentwickeln und zu optimieren. C. A. Steinheil & Söhne erfanden den Aplanaten (optisches System, bei dem die Abbildungsfehler sphärische Aberration und Koma korrigiert sind) und John Henry Dallmeyer das Rapid Rectlinear, die aufgrund ihrer symmetrischen Bauweise mit vier Linsen praktisch keine Verzeichnung aufweisen.
Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren die Voraussetzungen für die panchromatische Tonwertwiedergabe und die Farbfotografie geschaffen. Der Begriff der panchromatischen Sensibilisierung bezog sich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch ausschließlich auf schwarzweiße Halbtonvorlagen. Panchromatische Platten waren ab 1906 verfügbar; bei ihnen sind die Fotomaterialien für alle Farben des Lichtspektrums sensibilisiert, was die Voraussetzung für eine tonwertrichtige Wiedergabe in Grauwerten und die Farbfotografie ist. Durch die Trockenverfahren und die Verkleinerung der Amateurkameras am Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Fotografie mobil. Außerdem wurde eine industrielle Fertigung des fotografischen Aufnahmematerials möglich, da nun die Fotoplatten auch gelagert werden konnten.

Die Porträtfotografie trug zu Beginn stark zur schnellen Verbreitung bei. Sie fand in der Regel in Räumlichkeiten statt, die bestimmte Voraussetzungen boten. Zu Beginn wurde das Tageslicht genutzt, weshalb viele Ateliers über lichtdurchlässige Glasdächer verfügten. Unterschiedliche Hintergründe, die gemalt worden waren, Tische, Stühle, Balustraden, Vorhänge und Podeste gehörten zum Inventar und wurden zur Bildgestaltung eingesetzt. Die Einführung künstlichen Lichts ermöglichte es, das Fotografieren unabhängig von Tageszeit und -licht durchzuführen.

Mit all diesen Voraussetzungen konnte die Massenfertigung beginnen.
Mit der Erfindung des Stripping-Films auf Papierbasis (1884) wurden fotografische Platten ersetzbar. Das ermöglichte den Bau von Rollfilmkameras, wie sie noch bis vor 30 Jahren üblich waren.

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Bilora Bella 44 mit eingelegtem 127er Rollfilm.

Getreu dem Motto "You press the button, we do the rest" musste der Fotograf bei diesem Konzept nichts weiter tun als Motive zu suchen, auf den Auslöser zu drücken und später dann die fertigen Papierbilder zu betrachten: Eastman bot in den USA einen Entwicklungsdienst für 10 Dollar, bei dem man die Kamera samt abgeknipstem Film einschickte; nach Verarbeitung im Labor erhielt man nach etwa einem Monat dann die Kamera mit entwickelten Papierabzügen zurück, in die Kamera war dann bereits vom Labor ein neuer Film eingelegt worden. Die Papierbilder wurden nicht vergrößert, sondern entsprachen in ihren Abmessungen der Negativgröße. Lokale Fotohändler lieferten in Europa einen vergleichbaren oder sogar besseren Service, bei dem die Verarbeitung auch deutlich schneller und teilweise auch preiswerter erfolgte.

Mit dem Ersetzen des Papiers durch Zelluloid als Trägermaterial (American Film) wurde ab 1889 die Verarbeitung von Film vereinfacht. Die Einkapselung des Rollfilms (1891) ermöglichte es, den Entwicklungsdienst durch die Möglichkeit des Filmwechsels bei Tageslicht zu umgehen. Verbesserungen der Schärfe und Verringerung der Körnigkeit der fotografischen Emulsionen ermöglichten die Verkleinerung des Filmformates. Thomas Alva Edison führte um 1891 die Perforation von 35-mm-Film ein, der fortan als Kinofilm und Kleinbild-Film (135er) in der Fotografie genutzt wird.

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Infacolor Kleinbild-Farbnegativfilm, 12 Bilder


Dann ging es ganz rasch:
  • Bereits in den 1930er Jahren wurde vereinzelt eine Belichtungsmessung in die Kameras integriert.
  • Die Exakta B war 1935 die erste Kamera mit eingebauter Blitzsynchronisation (für Osram Vacublitz Blitzbirnen).
  • Kodak brachte 1938 in den USA mit der Super Kodak Six-20 die erste Kamera mit Belichtungsautomatik auf den Markt.
  • Nikon lieferte für das Modell Nikon SP den ersten serienmäßig ansetzbaren Elektromotor (Motorantrieb) S-36 mit Batteriebetrieb.
  • Ab Mitte der 1960er Jahre tauchten die ersten Kameras mit einer Belichtungsmessung durch das Objektiv (Through-the-lens, TTL) wie beispielsweise die Canon FX auf.
  • Die ersten Kameras mit elektronisch gesteuertem Zentralverschluss erschienen (beispielsweise Minolta Electro-Shot, 1965).
  • Die erste Spiegelreflex-Systemkamera mit Mehrfachbelichtungsautomatik stellte Minolta 1978 mit der XD-7 vor.
  • 1971 zeigte Nikon den Prototyp eines Wechselobjektivs mit Autofokus.
  • 1977 präsentierte Konica mit der C35-AF die erste Kleinbild-Sucherkamera mit passivem Autofokus.
  • Das erste aktive Autofokus-System auf der Basis einer Infrarot-Entfernungsmessung vermarktete Canon ab 1979 mit der AF35M, die auch als Autoboy bekannt ist.
  • 1990 entwickelte Kodak mit der Kodak DCS – einer erweiterten Nikon F3 – das erste vollständig digitale Kamerasystem, bei dem die analoge Bildinformation vom CCD-Sensor sofort einem Analog-Digital-Wandler zugeführt, in digitaler Form gespeichert und nun anschließend auch mittels EBV weiter verarbeitet werden konnte (drehen, spiegeln, skalieren, verfremden etc.).
Bis zu unseren Handykameras, die nun live Filter drauf setzen können oder sogar Filme aufnehmen und zusammen mit dem Ton live um die halbe Welt übertragen, war es da nicht mehr ewig weit.

Ich fand die Reise bis hierhin richtig spannend und ich habe wieder viel gelernt.

Diese ganze Historie könnte man jetzt beim Haus wiederholen.
Einige schauen sich diesen Text auf einem Computer an, der sicherlich in einem beheizten Heim steht, in dem es fließendes Wasser und offenbar auch Strom gibt. Das sah bei vielen vor 100 oder 150 Jahren noch anders aus. Und so könnte man die Geschichte des Hauses auch rückwärts erzählen, bis hin zu den ersten einfachen Behausungen oder Höhlen, in denen vor tausenden Jahren unsere Vorfahren lebten. Also auch das wäre eine Entwicklung. Aber wir haben mit dem Text um die Kamera, bereits genug geschrieben.

"Natürlich macht Gott keine Missgeschicke", kann man jetzt wohl argumentieren: "Denn Gott ist perfekt und muss nicht probieren. Bei ihm klappt alles auf Anhieb." Wenn dem aber so ist, kann man technische Geräte, die ständig weiterentwickelt werden und oft aus einer zufälligen Entdeckung heraus entstehen, nicht als Beweis für göttliche Schöpfung nehmen.
Also entweder ist es auf diese Art falsch oder auf die andere Art falsch.

Im nächsten Part geht es um das Auge und zum Schluss wohl auch ein wenig um unseren Heimatplaneten.
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"If the biggest problem that you're having in the twenty-first century involves
what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
priorities." - Forrest Valkai


("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
Erwachsener mit deren Einverständnis machen, musst du möglicherweise deine
Prioritäten neu bewerten.")

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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Fr 27. Jan 2023, 01:23

Rezension: Whatsapp 29. Mai 2021 - Kameras und Augen (Teil 2 - Faszinierende Fakten rund ums Auge)

Ich habe im letzten Artikel einen kurzen Abriss über die Geschichte der Fotografie und einiger ihrer Erfinder geschrieben und dachte mir: "Ach, da kannst'e doch eine schicke Grafik dazu basteln, damit man den "evoluten" Prozess der Kamera bildlich begreifen kann." Ich Vollpfosten! Diese Grafik hat mich seit dem 3. Januar beschäftigt. Könnt ja mal auf das Veröffentlichungsdatum schauen. Denn in der Grafik sind mehr Forscher, Erfinder, Bastler und Wissenschaftler verschiedener Professuren enthalten, als in meinem Abriss zur Geschichte. Mehr als 50 Leute.


Ich bin mir sicher, ziemlich sicher, dass meine Grafik trotz dieses Umfangs immer noch unvollständig ist. Ich habe nicht zu allen Entdeckern, Bastlern, Ingenieuren und Forschern ein Bild gefunden, bei manchen auch gar nicht gesucht und sie daher aus der Grafik weggelassen. Ebenso bei den Zwischenschritten der Apparate und der dokumentierten Fotos.
Trotzdem ist ein Prozess zu erkennen. Die Kamera ist nicht aufgeblobbt. Sie wurde entwickelt. Die Fotografie hat eine direkte Geschichte, die ziemlich weit zurück reicht. Das älteste erhaltene Foto von Joseph Nicéphore Niépce wird in 3 Jahren 200 Jahre alt. Bezieht man die Vorüberlegungen von Mathematikern, Optikern, Physikern und Philosophen mit ein, so ist die Idee, wie Kameras gebaut werden könnten mininum 400, eher 1000 Jahre alt. Aristoteles kannte das Prinzip schon vor 2400 Jahren.

Wir können uns darauf einigen, dass die Kamera gebaut wurde und das ein Plan dahinter stand.
Aber es war nicht eine Person, sondern dutzende, ach hunderte. Und es war nicht von heute auf morgen, sondern über einen ziemlich langen Zeitraum, mit Zwischen- und Entwicklungsschritten. Jede Person hatte eine andere Idee, den Prozess zu verbessern und hat dafür in der Regel Dinge genommen, die bereits bekannt waren und hat sie neu angeordnet oder etwas einfach etwas anders gemacht, als der letzte vor ihm. Kein einziger Schritt führt zu unfertigen Zwischenstufen. Jede Entwicklung steht auch für sich und ist auf der jeweiligen Höhe der Zeit. Da gibt es nichts Unvollständiges, wie es Kreationisten zum Beispiel bei "Bindegliedern" bei der "Verwandlung" von einer Spezies in eine andere annehmen. Ein Konzept, dass kein seriöser Wissenschaftler so postulieren würde, allenfalls für die Vereinfachung von Fachauskünften an fachfremde, wie zum Beispiel Journalisten oder Museumsbesucher oder so.
Was soll uns die eindeutige Entwicklungsgeschichte über das Auge sagen, wenn der Vergleich laut Kreationisten doch so offensichtlich sein sollte?

In der Tat, gibt es viele spannende Dinge zu entdecken und wir werden diesen nachgehen, aber zuvor würde ich gern noch ein paar spannende Fakten zum Auge loswerden. Der folgende Beitrag war so ähnlich schonmal eigenständig in dem kleinen Skriptorium veröffentlicht. Er passt aber wunderbar hier rein und ist deshalb in diesen Beitrag verschoben worden.

56 spannende Fakten über unsere Augen

  1. Neugeborene Babys sehen noch unscharf und erkennen alles nur in Hell-Dunkel-Kontrasten.
  2. Vor allem aber kommen fast alle hellhäutigen Babys mit blauen Augen zur Welt. Schuld daran ist der Farbstoff Melanin. Der ist bei der Geburt kaum vorhanden. Zwischen dem sechsten und dem zwölften Lebensmonat verändert sich dann mit der steigenden Melaninproduktion die Augenfarbe und das Melanin färbt die Pigmente in der Iris.
  3. Ein einjähriges Kind besitzt erst etwa 50 % der Sehschärfe eines Erwachsenen. Es kann bis zum 12. Lebensjahr dauern, bis die Sehfähigkeit vollkommen ausgereift ist.
  4. Hören, Schmecken, Riechen, Tasten und Sehen sind unsere Sinnesorgane. Doch Sehen scheint das wichtigste zu sein, denn 70 % unserer Sinneszellen befinden sich in der Augennetzhaut!
  5. Das Gewicht eines menschlichen Augapfels entspricht etwa dem von fünf 50-Cent-Stücken, das sind ca. 7, 5 Gramm.
  6. Menschen blinzeln durchschnittlich 10.000 Mal am Tag, ein Blinzeln dauert ca. 2/5 einer Sekunde.
  7. Frauen können Farben besser unterscheiden, Männer sehen Kontraste und schnelle Bewegungen dafür besser.
  8. Unser Sehnerv ist mit rund einer Million Nervenfasern ausgestattet. Er leitet die Bildinformationen, also das, was wir sehen, ins Gehirn. Der Strang ist ca. einen Millimeter dick und  4,5 Zentimeter lang.
  9. Übrigens, es hat einen Grund, dass unsere Augen, anders als bei vielen Tieren, stark nach vorne ausgerichtet sind. Das ermöglicht uns das dreidimensionale Sehen.
  10. Für die Beweglichkeit des Augessorgen sechs Muskeln: vier gerade und zwei schräge Muskelstränge. Die äußeren Augenmuskeln sind die aktivsten Muskeln im menschlichen Körper!
  11. Die Pupille deines Auges erweitert sich um 45% wenn du jemanden anschaust den du liebst.
  12. Die menschliche Hornhaut ist ähnlich wie die Hornhaut des Haies, deshalb wird sie als Ersatz in der menschlichen Augenchirurgie verwendet.
  13. Jedes Auge enthält 107 Millionen Zellen und alle von ihnen sind lichtempfindlich.
  14. Einer von 12 Männern ist farbenblind.
  15. Das menschliche Auge sieht nur drei Farben: rot, blau und grün. Alle anderen Farben sind Kombinationen von diesen.
  16. Nur ein Sechstel des menschlichen Augapfels ist freiliegend.
  17. In einer durchschnittlichen Lebensdauer sehen die Augen etwa 24 Millionen verschiedene Bilder.
  18. Während ein Fingerabdruck 40 einzigartige Eigenschaften hat, hat eine Iris 256. Aus diesem Grund werden Netzhaut-Aufnahmen zunehmend für Sicherheitszwecke verwendet.
  19. Die Augen können etwa 36.000 Bits an Informationen pro Stunde verarbeiten.
  20. Braune Augen sind unter dem braunen Pigment tatsächlich blau und es gibt ein Laser-Verfahren, dass braune Augen permanent blau macht.
  21. Das Auge wird sich pro Sekunde auf etwa 50 Dinge konzentrieren.
  22. Die Bilder die unsere Augen zu unserem Gehirn senden werden auf dem Kopf gestellt gesendet.
  23. Jede Wimper hat eine Lebensdauer von ca. 5 Monaten.
  24. Die Mayas glaubten, dass schielende Augen attraktiver sind und unternahmen Anstrengungen, dass ihre Kinder auch schielende Augen bekamen.
  25. Wenn in einem Foto mit Blitz, sich nur ein Auge rot zeigt ist es wahrscheinlich, dass du Augenkrebs hast (wenn du direkt in die Linse schaust). Glücklicherweise ist es in 95% der Fälle möglich zu überleben.
  26. Menschen und Hunde sind die einzige bekannte Spezies, die visuelle Signale von einem anderen Lebewesen in den Augen sehen kann, und Hunde tun dies nur, wenn sie mit Menschen interagieren.
  27. Menschen können 100.000 bis 1 Million Farbnuancen voneinander unterscheiden. Das Benennen all dieser ist jedoch nicht möglich. Etwa 2% der Frauen haben eine seltene genetische Mutation, die ihnen einen zusätzlichen Netzhautkegel in ihren Augen bietet. Das ermöglicht ihnen, 100 Millionen Farben zu sehen!
  28. Das menschliche Auge kann nur fließende Bewegungen machen wenn es tatsächlich ein sich bewegendes Objekt verfolgt.
  29. Es gibt Farben die zu komplex sind, um mit dem menschlichen Auge wahrgenommen werden zu können, so genannte ‘Unmögliche Farben’.
  30. Die Augen begannen sich zu entwickeln vor 550 Millionen Jahren. Die einfachsten Augen waren Flecken von Fotorezeptoren-Protein in einzelligen Tieren.
  31. Während es für die meisten Teile des Körpers einige Zeit braucht, um nach dem Erwachen ihr volles Potential zu entfalten, sind die Augen immer aktiv.
  32. Augen heilen schnell. Mit der richtigen Pflege dauert es nur etwa 48 Stunden für das Auge, um Hornhaut Kratzer zu reparieren.
  33. Die Augenlinse ist schneller als die meisten Kameras.
  34. Du siehst mit deinem Gehirn, nicht mit deinen Augen. In vielen Fällen wird die verschwommene oder schlechte Sicht nicht durch das Auge verursacht. Es geschieht dann, wenn etwas in der Sehrinde des Gehirns schief läuft.
  35. Augen verwenden etwa 65% von deiner Gehirnleistung, mehr als jeder andere Teil des Körpers.
  36. Visuelle Reize werden mit dem Auge in elektrische Impulse umgewandelt. Diese gelangen über den Sehnerv in das Gehirn.
  37. 7,5 % aller Männer, aber nur 0,25-0,5 % der Frauen leiden an einer Störung der Farbwahrnehmung. Am häufigsten ist dabei die Rot-Grün-Schwäche.
  38. Du vergießt in deinem Leben durchschnittlich 80 Liter Tränen. Im Kindesalter weinen Männer und Frauen in etwa gleich viel. Das ändert sich jedoch ab dem 13. Lebensjahr. Dann weinen Frauen nämlich 30-64 Mal pro Jahr, wohingegen Männer nur noch 6-17 Mal das Taschentuch zücken. 
  39. Die häufigsten Diagnosen beim Augenarzt sind Grauer Star (20 %), Entzündungen und Verletzungen (18 %), Makuladegeneration (15 %), Grüner Star (12 %) und eine Zuckererkrankung (10 %).  
  40. Jede Minute wird ein halber Liter Blut durch das Auge gepumpt.
  41. 68 % aller Deutschen brauchen eine Sehhilfe in Form einer Brille oder von Kontaktlinsen.
  42. Noch vor rund zehntausend Jahren waren alle Menschen braunäugig. Die anderen Augenfarben entstanden laut Forschern durch eine Mutation des OCA2-Gens vor sechs- bis zehntausend Jahren. Jenes Gen ist für den Melaningehalt der Iris verantwortlich. Bei hellen Augen ist weniger des Pigmentfarbstoffs vorhanden, der den Augen die braune Färbung verleiht. 
  43. Menschen mit blauen Augen sind schüchterner als jene mit dunkleren. Das haben mehrere psychologische Studien gezeigt.
  44. Am PC liest man um 25 % langsamer als auf Papier.
  45. Nach der 2. Schwangerschaftswoche beginnt die Entwicklung der Augen. 
  46. Beim Reden blinzelt man öfter als beim Lesen.
  47. Wenn Blinde früher einmal sehen konnten, können sie auch nach der Erblindung noch ihre Träume sehen.
  48. 6 bis 7 Millionen Stäbchen sind für die Wahrnehmung von Farben zuständig. Mit 125 Millionen Zapfen sind jedoch noch mehr für das Hell-Dunkel-Sehen verantwortlich.
  49. Wissenschaftler der Universität Pittsburgh haben herausgefunden, dass grünäugige Menschen besser mit Schmerzen und seelischem Leid umgehen können.
  50. Die Auflösung des menschlichen Auges beträgt rund 576 Megapixel.
  51. Heterochromie ist das Auftreten von 2 verschiedenen Augenfarben bei einer Person und kommt in 4 von einer Millionen Fällen vor.
  52. Die Struktur der Iris verändert sich nach der Geburt nicht mehr.
  53. Manche Insekten haben bis zu 30.000 Augen.
  54. Blaue Augen:
    • Haben eine meist klar erkennbare Struktur.
    • Die einzelnen Muskelfasern der Iris sind oft schon ohne  Vergrößerung zu erkennen und verlaufen radial nach außen.
    • Selbst innerhalb einer Iris können ganz unterschiedliche Blautöne und Nuancen vorkommen.
    • Auch wenn beide Eltern blaue Augen haben, muss das Baby nicht zwangsläufig die Augenfarbe der Eltern bekommen.
  55. Braune Augen:
    • … sind die mit ca. 90% weltweit am häufigsten vorkommenden.
    • In Deutsch­land haben in etwa 3 von 10 Menschen braune Augen.
    • Die braune Farbe entste­ht durch eine zusät­zliche Schicht des Pig­ments Melanin  auf der Ober­fläche der Iris. Je dun­kler die Augen­farbe, desto mehr des Pig­ment­farb­stoffs ist vorhan­den.
    • Unter der Melanin­schicht sind braune Augen blau. Ein amerikanis­ches Unternehmen kann durch Laserbehandlung braune Augen dauerhaft in Blaue verwandeln.
    • Braune Augen besitzen meist keine sichtbaren Muskelfasern, beste­hen aber aus mehreren Schicht­en ver­schieden­er Braun­tö­nen. 
    • Häu­fig enthal­ten braune Iri­den eine „Wellen oder Kraterlandschaft“ mit inter­es­san­ten Struk­turen auf. Bei dunkelbraunen Augen ist die Struk­tur im Tages­licht oft­mals über­haupt nicht zu erken­nen.
  56. Grüne Augen:
    • … kom­men mit Abstand am sel­tensten vor. Nur 1,6% der aller Men­schen haben grüne Augen. Einen Großteil dieser Men­schen find­et man in Osteu­ropa, im Baltikum, dem Rus­sis­chen Sprachraum und in Deutsch­land.
    • Die Iris grün­er Augen ähnelt im Aufbau meist den Blauen. Eine Strukur ist fast immer klar zu erken­nen, jedoch weniger ruhig und gle­ich­mäßig.
    • Ein großer Teil, der son­st so grün erscheinen­den Augen besteht eigentlich aus mehreren Farben und wirkt erst im Tages­licht grün. Bei der Iris­fo­tografie sieht man, dass die eigentliche Haupt­farbe Blau ist. Nahe der Pupille befind­et sich in diesen Fällen häu­fig ein gel­blich­er Innen­ring.

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Im nächsten Teil geht es darum, warum die Kreationisten - nicht wie gewollt - doch recht haben und die Kamera und das Auge Gemeinsamkeiten haben: Beide haben sich entwickelt.
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what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
priorities." - Forrest Valkai


("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Di 7. Feb 2023, 20:38

Rezension: Whatsapp 29. Mai 2021 - Kameras und Augen (Teil 3 - Kurze Geschichte der Augenforschung)

Wir haben also bereits betrachtet, dass Kameras nicht einfach so aus dem Nichts entstanden sind und in einem weiteren Beitrag, was für coole Sachen es so allgemein über das Auge zu wissen gibt. In diesem Beitrag geht es um die Entwicklung des Auges.

Für alle, die das ursprüngliche Bild schon vergessen haben, auf denen diese Artikelreihe aufbaut:


Die Augenevolution befasst sich mit den evolutionären Schritten zur stammesgeschichtlichen Entstehung des Auges und ihrer Erforschung.

Die Komplexität des Wirbeltierauges gab in der Vergangenheit immer wieder Anlass zu Kritik an der Evolutionstheorie. Die Unklarheiten in dieser Frage können heute als historisch und überwunden gelten. Die Evolutionsschritte von einfachen Augenflecken und Lochaugen bis zum hochentwickelten Wirbeltierauge sind heute als Progressionsreihe darstellbar. Voraussetzung für die Evolution von Augen waren lichtempfindliche Pigmentzellen in frühen ein- oder mehrzelligen Augenflecken. Darauf aufbauend evolvierten seit dem Beginn des Kambriums echte Augen. Evolutionäre Unterschiede existieren bis heute nicht nur zwischen verschiedenen Augentypen, sondern auch beim Wirbeltierauge selbst. In der Evolution existieren bei rezenten Tieren für alle stammesgeschichtlichen Komplexitätsgrade von Augentypen ökologische Nischen.

Für die frühe Initiierung des Auges wurde das Pax6-Gen als notwendig und hinreichend in der gesamten Tierwelt gesehen. Diese Auffassung weicht einer Sicht, dass Genregulationsnetzwerke das Auge initiieren. Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob das Auge einmal (homolog) oder mehrmals (konvergent) in der Evolution entstanden ist. Die Genkomponenten sind sehr alt und einmalig, die Funktionseinheiten des Auges, wie etwa die Linse, mehrfach unabhängig entstanden.

95 % der Tierarten besitzen Augen. Unter den 38 Bauplänen im Tierreich sind es sechs. Unter den Tieren mit Augen sind der Stamm der Chordatiere bzw. deren Unterstamm die Wirbeltiere mit ca. 40.000 Arten, die Mollusken mit Muscheln, Schnecken und Tintenfischen ca. 100.000 Arten und die Arthropoden mit Krebstieren, Spinnen und Insekten mit mehr als einer Million Arten. Die Stämme mit Augen dominieren somit das Tierreich.
Diese Dominanz wird darauf zurückgeführt, dass bereits im Verlauf der kambrischen Explosion vor 540 Millionen Jahren bei Trilobiten entwickelte Augen existierten und das Auge die Evolution der Tierstämme in der kambrischen Explosion steuerte, einer Periode evolutionär sehr schneller Ausbildung der Diversität im Tierreich. Dabei entstanden nach Andrew Parker durch Sehen und Gesehenwerden ausgeprägte Anpassungen in Form von Räuber-Beute-Strukturen. Sehen und Gesehenwerden hatten grundlegenden Einfluss auf die sexuelle Selektion im Tierreich.
Die Größenentwicklung der Tiere in dieser Phase wird als notwendige Voraussetzung für die Evolution echter Augen gesehen. Eine große Linse, eine großflächige Netzhaut und ein Gehirn zur Signalverarbeitung sind nur größeren Tieren möglich, wie sie das frühe Kambrium in vielen Bauplanvarianten hervorbrachte.

Die Geschichte der Evolutionstheorie das Auge betreffend

Schon Darwin stellte sich der Frage, wie das Auge evolutionär entstanden sein konnte, wenn es aus so vielen „unnachahmlichen Vorrichtungen“ besteht, die scheinbar erst in ihrer rezenten Form und Funktion ein funktionierendes System ergeben können. Obgleich an dieser Sichtweise lange festgehalten wurde, hat sie sich als falsch erwiesen. Ein einfach gebautes Flachauge oder das aus ihm entstandene Grubenauge kann ebenfalls funktionieren. So besitzen etwa Seeigel aneinander gereihte Fotorezeptoren an ihren Beinen. Trotz der von Darwin selbst eingeräumten Schwierigkeiten, die Evolution eines so komplexen Organs mit seiner Theorie zu erklären, war er sicher, dass künftige Generationen Antworten auf die Frage finden würden, wie das Auge "von einem unvollkommenen und einfachen zu einem vollkommenen und zusammengesetzten Auge […] durch natürliche Zuchtwahl gebildet werden könne".
Und ich erwähne Darwins Beispiel ganz bewusst. Denn er wird von Kreationisten immer wieder zitiert, bis zu der Stelle, wo er zugibt, dass er es nicht erklären kann, aber ignorieren die Stelle, dass Darwin anerkennt, dass künftige Generationen wohl eine andere Sicht auf die Dinge haben werden.

Die Schwierigkeiten, das aus seinen sich ergänzenden Einzelteilen bestehende Auge evolutionär erklären zu können, hielten nach Darwins Tod noch mehr als 100 Jahre an. Zunächst mussten in der Physik Kenntnisse über die Eigenschaften des Lichts und sein Farbspektrum sowie seine Zusammensetzung, gewonnen werden: Thomas Young zur Wellennatur des Lichts, Hermann von Helmholtz zur Dreifarbentheorie und andere. Ein paar von denen habe ich in der großen Grafik zur Fotografie mit drin.


Zu den Biologen, die grundlegende Arbeiten über die Physiologie des Auges und damit grundlegende Voraussetzungen zur Evolution des Auges beitrugen, gehörte der Spanier Santiago Ramón y Cajal (1852-1934). Er entdeckte bei seinen Studien zur Feinstruktur des Nervensystems die Struktur der Netzhaut und dort im Besonderen, wie die Nervenzellen durch Bipolare Zellen der Retina verbunden sind. 1942 erschien das umfassende Werk des Amerikaners Gordon Lynn Walls (1905–1962), The vertebrate eye and its adaptive radiation unter anderem mit detaillierten, auch zeichnerischen Einblicken in die Struktur unterschiedlicher Fotorezeptoren und der Netzhaut. Walls entdeckte eine Vielfalt von Stäbchen und Zapfen in Vertebratenaugen, ermittelte daraus die gemeinsamen Eigenschaften verschiedener Arten von Fotorezeptoren und erkannte als erster, dass das Stäbchen eine spezialisierte Zelle ist, die sich aus einem Urzapfen entwickelt haben muss. Daneben befasste er sich mit der Bewegung der Augen.
Dem Amerikaner George Wald gelang neben vielen anderen Entdeckungen die Entschlüsselung der Funktion von Vitamin A in der Retina und des Sehpurpurs oder Rhodopsins in den Stäbchen der Retina. Wald zeigte in berühmt gewordenen Farbdiagrammen die Lichtabsorption der Stäbchen (schwarz) sowie später auch die Absorption der Zapfen (rot, grün, blau). Er lieferte in der Folge revolutionäre Arbeiten zu der Idee, Stammbäume der Tiere anhand der Geschichte von Molekülen zu erstellen. 1975 entdeckte er, dass Amphibien und Meeresfische eine gemeinsame Rhodopsinform verwenden. Damit kam er der Bestätigung einer bereits 1882 von Theodor Engelmann gemachten Hypothese nahe, dass Rhodopsin, das in den Augen aller Tiere vorkommt, in einem sehr frühen Evolutionsstadium entstanden sein müsse, noch vor den Augen.
Wichtige Entdeckungen zum Farbsehen kamen von dem amerikanischen Molekularbiologen und Genetiker Jeremy Nathans (* 1958), dem es als erstem gelang, Opsin zu isolieren und zu charakterisieren und damit weiter zum Wissen über das Farbsehen beizutragen. Nathans erkannte, dass sich die Gene für rot-grün-Opsine – sie liegen beide auf dem X-Chromosom und haben einen anderen Entwicklungspfad als das Gen für das blau-Opsin – sehr wenig unterscheiden und besonders anfällig für Mutationen sind. Das ließ Rückschlüsse auf deren Evolution zu. Und das ist der Hauptgrund, warum die meisten Farbenblinden Männer sind, sie haben kein zweites X-Chromosom als Backup.

Alle Entdeckungen bis dahin waren Grundlagenerkenntnisse für die Evolution des Auges. Ein Durchbruch erfolgte erst in den 1990er Jahren mit den Arbeiten des Schweizer Entwicklungsbiologen Walter Gehring. Gehrings Team entdeckte 1995 das Mastergen Pax6, das in allen Tieren eine Initialfunktion für die embryonale Augenentwicklung darstellt. Damit wurde die Sicht auf die Evolution des Auges grundlegend neu ausgerichtet, da Gehring nach seiner Entdeckung die Hypothese vertritt, das Auge sei in der Tierwelt nur einmal, also homolog entstanden.

Davor wurde als erstem von dem Evolutionsbiologen Ernst Mayr konsequent die These vertreten, das Auge sei mindestens 40 mal unabhängig, also konvergent entstanden.

In jedem Fall gab die Entdeckung Gehrings der in den 1990er Jahren entstehenden Disziplin der Evolutionären Entwicklungsbiologie von der genetischen Seite starken Auftrieb. Genregulationsnetzwerke zur Induktion des Auges wurden entdeckt. Jüngere, weltweit anerkannte Arbeiten stammen von dem schwedischen Zoologen Dan-Erik Nilsson (* 1954) und dem britischen Neurobiologen Michael F. Land (* 1943). Von Nilsson und Land erschien 1992 Animal Eyes, ein Standardwerk der biologischen Sehforschung. 1994 publizierten Nilsson und Pelger ein Modell für die schrittweise Evolution des Linsenauges. Damit war erstmals seit Darwins Hypothese ein gangbarer Weg aufgezeigt, dass das Auge in evolutionärer Zeit tatsächlich entstehen konnte. Nilsson publizierte seitdem mehr als 20 wichtige Arbeiten über die Augenevolution von Wirbeltieren und Wirbellosen. Zuletzt erschien 2013 von ihm eine Studie, die den engmaschigen Zusammenhang der Entwicklung des Sehens und der Vielzahl entsprechender, durch Sehen bedingter Verhaltensweisen aufzeigt. Homologe Linien der Fotorezeptoren und Fotorezeptorzelltypen wurden vorgeschlagen.
2007 erschien von dem australischen visuellen Neurowissenschaftler Trevor Lamb und Mitarbeitern eine Studie, die die vorkambrische Evolution von Opsinen und Fotorezeptoren aufzeigte und die Evolutionsschritte der wichtigen Komponenten des Wirbeltierauges seit Beginn des Kambriums in chronostratigrafischen Zeiteinheiten zusammenhängend darstellte. Die Probleme, das Auge evolutionär zu erklären, können mit der heutigen Kenntnis seiner Entwicklung mit genetischen und gewebemäßigen Auslöseprozessen (Induktionsketten) als überwunden gelten. Das Wirbeltierauge ist als ein klassisches Beispiel einer Progressionsreihe aus einfacher gebauten Zwischenstadien hervorgegangen.



Aber wie kamen Wissenschaftler zu ihren Erkenntnissen? Warum sind sie sich so sicher? Und wie entwickeln sie ihre Theorien?

Da die Anatomie des Auges fossil nicht im Detail überliefert ist und zudem der Fossilbericht der frühesten Wirbeltiere und ihrer unmittelbaren Vorfahren faktisch unbekannt ist, basieren die im Folgenden getroffenen Aussagen über die Evolution des Auges auf

  • vergleichend-anatomischen Studien des Aufbaus des Auges (auch auf molekularer Ebene) in den einzelnen rezenten Wirbeltiergroßgruppen
  • molekulargenetischen Untersuchungen der Verwandtschaftsverhältnisse dieser Wirbeltiergruppen
  • dem Einsatz der Molekularen Uhr, der es ermöglicht, die Evolutionsschritte einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum zuzuordnen
  • vergleichenden Studien zur Embryonalentwicklung in den einzelnen rezenten Wirbeltiergroßgruppen
Auch wenn dieser Beitrag noch gar nicht so lang ist, werde ich hier stoppen. Die Evolution des Auges hier auch noch mit unterzubringen würde den Rahmen dann wieder sprengen.
Im nächsten Part werde ich also der Sache nachgehen, wie das Auge, nach aktuellem Kenntnisstand entstanden ist und welche Schritte es bis zu den uns bekannten Glubschern durchlaufen hat.
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"If the biggest problem that you're having in the twenty-first century involves
what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
priorities." - Forrest Valkai


("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
Erwachsener mit deren Einverständnis machen, musst du möglicherweise deine
Prioritäten neu bewerten.")

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