Einfach noch mehr Fragen, die du einem Zeugen Jehovas stellen kannstDie älteren Parts dieser, nie so erdachten Artikelreihe sind hier zu finden:
... 064, 30.11.2021:
Fragen, die du einem Zeugen Jehovas ruhig stellen kannst... 067, 11.12.2021:
Weitere Fragen, die du einem Zeugen Jehovas ruhig stellen kannst... 084, 06.05.2022:
Noch mehr Fragen, die du einem Zeugen Jehovas ruhig stellen kannstIch habe tatsächlich noch ein paar Fragen mehr gefunden. Vielleicht sind darunter auch einige, über die ihr noch nie nachgedacht habt. Ich werde es diesmal nicht in einer Dialogform verpacken.
Woher weißt du, dass das die Wahrheit ist?Manchmal wird diese Frage im Haus-zu-Haus-Dienst gestellt und in der Regel damit beantwortet, dass in der wahren christlichen Gemeinschaft, Liebe unter allen Brüdern herrscht und dass sich Anbeter der wahren Religion nicht in Kriegen einmischen. Und Zeugen Jehovas seien die einzigen, die das so machen. Das ist natürlich Quatsch, denn auch andere Religionen verweigern den Dienst an der Waffe und auch andere Glaubensgemeinschaften haben Liebe untereinander. Das kann also nicht das Alleinstellungsmerkmal sein. Reflexartig wird natürlich ausgepackt, dass dieser oder jener oder jene Religion doch in irgendwelchen Kriegen beteiligt war. Damit kann man freilich nicht alle knapp 10.000 christlichen Ausprägungen des Christentums gleichziehen. Und auch unter den Brüdern in den Versammlungen gibt es Zwist und Neid und Feindschaft. Geht aber klar, weil da ist es nur die Unvollkommenheit des Einzelnen. Warum diese Ausrede nicht auch für die anderen Relgionen gilt? Hm ...
Wenn man aber etwas privater nachfragt, z.B. im Familien- oder Bekanntenkreis, kann das Ergebnis vielleicht ganz überraschend sein, weniger konditioniert. Einige wünschen sich einfach so sehr, dass es wahr sein muss, weil sie das Ziel dahinter sehen.
Es kann aber auch sein, dass die ehrliche Antwort des Befragten ist, dass es eigentlich egal ist, ob es wahr ist oder nicht, denn man hat das beste Leben gelebt, dass es gibt, selbst wenn es nicht wahr sein sollte. Und wenn es wahr ist, gibt es ewiges Leben im Paradies oben drauf. Ein bisschen wie bei Pascals Wette.
Diese Aussagen müssen nicht wahr sein, es sind Generalisierungen. Aber es ist unwahrscheinlich, dass es da nicht mindestens ein paar gibt, die so denken.
Wenn du bereits intern bist und diese Frage deinen "Freunden" stellst, kann es auch sein, dass es die Frage gar nicht verstanden wird. Dann kommt das Gegenargument: "Du weißt doch bereits, dass es wahr ist." Ja eben offenbar nicht. Sonst gäbe es diese Frage nicht. Der Fragende will ja gerade darauf eine Antwort haben, also ist es nicht klar. Oder "Du weiß doch, was wir antworten würden?" Nein, offenbar nicht. Und selbst wenn, das wäre die offizielle Erklärung. Warum glaubt derjenige, den ihr befragt, warum es die Wahrheit ist?
Vielleicht wird es auch als satanisches Gedankengut abgehandelt, diese Zweifel überhaupt erst zu zeigen. Denn der Teufel säht Zweifel. Nur ist es halt merkwürdig, dass man an der Wahrhaftigkeit seiner bisherigen Weltanschauung zweifeln soll, um von der "biblischen Wahrheit" überzeugt zu werden, aber nicht an der "biblischen Wahrheit" zweifeln darf, weil das nur Einflüsterungen vom Teufel sind.
Was würde dich davon überzeugen, dass es nicht die Wahrheit ist?Diese Frage baut auf der anderen auf.
Und diese Frage ist schon interessant, denn es sollte irgendeine Art Antwort geben können. Zumeist vermutlich ein "Nichts kann mich davon überzeugen. Es ist die Wahrheit!" Aber wenn du mit einem sprichst, der möglichst offen und ehrlich diese Frage analysiert, kann es zu anderen, weniger einprogrammierten Antworten kommen. Vielleicht sollte man bei einer solchen Antwort, also "nichts" auch fragen, wie es aussehen würde, wenn man herausfindet, dass die leitende Körperschaft einen Sexring unterhält und man für die Spendengelder - keine Ahnung - blutjunge Mädels aus Asien kauft und einfliegen lässt. Natürlich wäre die erste Reaktion, dass sowas nie geschehen würde, aber es ist ja auch als hypothetischer Fall gedacht. Eine mögliche Antwort wäre, dass es nicht seinen Glauben an Jehova zerstören, denn er hat ja nur unvollkommene Männer, mit denen er arbeiten kann. Der Glaube, dass es die Wahrheit ist, wäre also ebenfalls nicht angegriffen, aber sein Vertrauen in die leitende Körperschaft, bzw. die Mitglieder dieser Leitung, die damit in Verbindung gebracht werden.
Das kann man jetzt weiter treiben und nachbohren, was denn geschehen muss, damit man nicht nur ein oder zwei Führern nicht mehr vertraut, sondern deren ganze Theologie hinterfragt. Da gibt es zwei Wege. Entweder ist er so offen und er kann ein Szenario erdenken, dass es zumindest theoretisch geben könnte, bei dem er aus dieser Organisation austritt oder er ist so sehr davon überzeugt, dass es die Wahrheit ist, dass ihm nicht einmal ein Szenario einfällt, bei dem er nicht nur die unvollkommenen Menschen in der Organisation, sondern auch die Organisation selbst und auch Jehova hinterfragt.
Wenn aber Leute aus der Führungsriege so viel abziehen dürfen, ohne dass Jehova infrage gestellt wird, muss man sich fragen, warum hat er diese Leute eingesetzt und warum hat er diese Machenschaften nicht sofort aufgedeckt? Es wird immer wieder betont, dass diese Männer und auch die anderen ernannten Führungsleute in Kommitees, Kreisaufseher oder Zonenaufseher udn wie sie alle heißen, von Jehova ernannt werden. Das Leute also in potentiellen Machtpositionen so viel Mist bauen dürfen und von einem allsehenden Gott in diese Position gehievt wurden, ist kein Indiz dafür, dass es diesen göttlichen Oberaufseher nicht gibt?
In welchem Bereich würde es derjenige noch so machen? Die Personen, die eine Regierung oder Organisation vertreten, machen etwas Unerhörtes und man zweifelt nicht an der Organisation. Wenn dies in irgendeinem Staatsapparat oder einer gemeinnützigen Organisation oder einer Bildungseinrichtung oder einem Unternehmen oder einer anderen Religionsgemeinschaft geschiet, dann wird das auf die ganze Gemeinschaft umgemünzt. Zeugen Jehovas sind so geschult, Fehlverhalten einzelner als Problem des jeweiligen Systems zu verstehen. Der großflächige Missbrauch von Minderjährigen und dessen systematische Vertuschung durch die katholische Kirche, zum Beispiel, zeigt auf, dass dies nicht die wahre Religion ist, sondern, Teil des Weltreiches der falschen Religion. Dass dieser Umstand leider auch auf die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas zutrifft (Suchbegriff "Jehovas Witnesses Royal Commission", mit offizieller Anhörung des Mitgliedes der Leitenden Körperschaft Geoffry Jackson) wird als traurige Einzelfälle abgetan. Es ist der gleiche Umstand und er wird unterschiedlich behandelt.
Jeder hat diesen Skeptizismus in sich.
Aber in engmaschig gehaltenen Strukturen, wie die Zeugen sie aufbauen, aber auch die Mormonen oder Scientology und zig Sekten, wird der Zweifel an der Führung wegerklärt, wo man ihn bei all den anderen Organisationen nicht hinwegschauen würde.
Kann die Organisation irgendetwas machen, was nicht durch Jehova angeordnet wurde?Die korrekte Antwort ist "Ja", absolut ja. Und wenn derjenige mit "Nein" antwortet, kann man all die Dinge durchgehen, die bereits erzählt wurden, aber nicht geschehen sind. Typisch für Jehovas Zeugen war von Anfang an die Naherwartung des Anbruchs von Jehovas Königreich. Dafür veröffentlichten sie wiederholt konkrete Termine: Ursprünglich hatte Russell angenommen, Christus wurde 1873 oder 1874 im Fleische zurückkehren. 1876 übernahm er die Überzeugung, er sei unsichtbar zurückgekehrt, jetzt müsse nur noch die "kleine Herde" eingesammelt werden, was bis 1878 vollendet sein werde. Dieser Termin wurde dann auf 1881 verschoben. Im Anschluss prophezeite Russel das Ende der "Zeiten der Nationen" für Oktober 1914. Sein Nachfolger Joseph Franklin Rutherford deutete diese Aussage in die heute gültige Lehrmeinung um, wonach in diesem Jahr Christi Königsherrschaft Christi unsichtbar im Himmel angebrochen, die Generation der 1914 lebenden Gläubigen würde aber ihr sichtbares Erscheinen miterleben: "Millionen, die heute leben, werden nie sterben", verhieß der Titel seines 1920 erschienenen Buchs, in dem Rutherford für 1925 die Wiederauferstehung der biblischen Erzväter als Zeichen der beginnenden Endzeit voraussagte. In den 1960er Jahren richteten die Zeugen Jehovas den Fokus ihrer Berechnungen auf das Jahr 1975, weil sich in diesem Jahr die Erschaffung Adams zum sechstausendsten Mal jährte. Das Verstreichen all dieser Termine löste jedes Mal heftige Krisen innerhalb der Religionsgemeinschaft aus. Heute verzichten die Zeugen Jehovas darauf, konkrete Daten für den Anbruch des Königreichs Gottes zu nennen.
All diese Dinge sind durch die Organisation geschehen, in ihrem jeweiligen Verständnis um die Endzeit. Dies Fehldeutungen kann es aber gar nicht geben, wenn Jehova diese Organisation leitet, denn die Nichterfüllung dieser Prophezeiungen würde zeigen, dass er sie nicht anleitet. Die leitende Körperschaft selbst wäre der "falsche Prophet" vor dem sie immer warnt. Das bekommen die Zeugen innerhalb des Systems nicht mit. Ihnen wird erzählt, selbst miterlebt, dass es diese Prophezeiungen nie gab oder nur von einigen wenigen in den einzelnen Versammlungen vertreten wurden und sie dann, nicht in Übereinstimmung mit dem "heiligen Geist" handelten und entweder ihre Arbeit oder ihre Wohnungen kündigten, den Schulbesuch abbrachen oder was auch immer. Das ist Blödsinn, aber entsprechende Literatur ist für den Zeugen in den internen Bibliotheken nicht mehr erreichbar. Doch es gibt diese Bücher und es gibt diese Prophezeiungen. Es gab diese falschen Lehren.
1914 soll Jesus unsichtbar vom Himmel gekommen sein und bis 1919 den "geistigen Tempel" gereinigt haben und so die Organisation von falschen Lehren befreit haben. Allerdings feierte man noch bis 1926 im Bethel Weihnachten. Wie passt das zusammen? Warum lässt Gott das Feiern heidnischer Feste weiter durchgehen? Musste Jesus nochmal zur zweiten Visite, um da was richtig zu stellen? Wenn Gott diese Organisation anleitet, kann es kein "neues Licht" geben. Die reine, wahre Lehre müsste von Anfang an stehen. Alles was sie einst lehrten und jetzt aber nicht mehr, kann nicht etwas sein, dass durch Jehova angeordnet wurde, denn er hätte ihnen dann aktiv das falsche beigebracht, um es dann auszubessern. "Neues Licht" ist eine Ausrede, die im Grunde jede Religion bei neuen Doktrin nutzen könnte.
Wenn man das dem Gegenüber klar machen konnte kann man daran anknüpfen.
Wie rechtfertigt man, dass die Wachtturm-Gesellschaft immer wieder betont, dass man ihr unter allen Umständen vertrauen sollte?In einem Wachtturm 2013 wurde einmal geschrieben, dass man selbst dann der Organisation vertrauen sollte, wenn man nicht versteht, warum sie in bestimmten Fällen so oder so entschieden haben. Man sollte dieser Organisation einen Vertrauensvorschuss geben. An diesem Punkt der Konversation haben wir ja bereits herausgestellt, dass die meisten Zeugen wohlmöglich nie an der Wahrhaftigkeit der Lehre zweifeln werden, aber auch, dass es Lehren gibt, die nicht von Jehova stammen können, sonst hätte man sie nicht ändern oder anpassen müssen. Die leitenden Körperschaft kann also falsch liegen, trotzdem werden ihr Zeugen in der Regel vertrauen.
Hier kommt wieder das Alleinstellungsmerkmal von absoluten theologischen Gebäuden ins Spiel. Denn die sagt ja, dass man nur durch die Leitung der leitenden Körperschaft und deren Lehren zu Gott gelangen kann. Aber wenn Lehren angepasst werden müssen, woher wissen die Mitglieder dann, welche Lehren heute stimmen und welche irgendwann mal angepasst werden müssen? Wie vertraue ich einer Organisation, die die Unfehlbarkeit ihre Lehre herausstellt und sie zugleich entsprechend ändert? Woher weiß ich, was ich glauben kann?
Seit mehr als einem Jahrhundert erzählt die Organisation ihren Gläubigen, dass das Ende noch zu ihren Lebzeiten stattfinden wird. Selbst wenn man dafür keine Jahreszahl fix macht. Was macht diese Generation also so einzigartig? Denn die Erklärung ist, dass die davor halt falsch lagen, aber jetzt hat man das richtige Verständnis. Aber das war schon deren Ausrede und schon die Ausrede von denen davor und so weiter. Alle von diesen lagen falsch und alle dachten, sie hätten nun die richtige Auslegung. Was ist der Unterschied der aktuellen Glaubensgemeinschaft und ihren Mitgliedern zu all denen vor ihnen, die sich ebenfalls in der richtigen Deutung sahen?
Wenn es euch jemand wiederholt erzählt, dass er gleich rum kommt und ihr wartet und wartet und wartet ... Wie lange würdet ihr warten? Wie oft wollt ihr seine Verspätung in Kauf nehmen? Jedesmal sagt er: "Ich bin dieses mal pünktlich." Und wieder verspätet er sich oder verpasst den Termin ganz. Irgendwann würde man nicht mehr auf diese Person warten und sich andere Leute suchen, mit denen man sich verabredet, mit denen man etwas unternimmt. Das ist ein völlig normales vorgehen. Enttäuscht mich jemand zu oft, vertraue ich ihm nicht mehr. Warum kann man das nicht auch auf die Organisation anwenden? Wo besteht der Unterschied? Warum lässt man dort die ständig leeren Versprechen durchgehen? Welche Generation ist denn nun die letzte? Wann erwartet man von dem Gegenüber in dieser Hinsicht, dass er endlich mal einlöst, was er verspricht? Irgendwann müssen den Worten auch Taten folgen. Sonst bleiben es leere Versprechen. Die einzige Möglichkeit ihre Aufrichtigkeit diesmal zu beweisen ist, dass endlich mal das Ende eintrifft. Was auch immer sie für einen Vertrauensvorschuss hatten, er ist seit langem verbraucht.
Das Ende muss aber immer gleich um die Ecke sein. Das ist der Kontrollmechanismus, den diese Glaubensgemeinschaften nutzen. Das ist ein bisschen, wie in einer krankhaften Beziehung. Einer der Partner hat die Kontrolle und egal was er tut, der abhängige Part kommt immer wieder zurück.
Welche logische Erklärung hat derjenige, warum der Gott der Wahrheit, Lügen und Missinterpretationen nutzt, um die Menschen zur Wahrheit zu führen?
Würde der Gott der Wahrheit zulassen, dass in seinem Namen gelogen wird? Ist das der beste Pfad zur Wahrheit?
Hat sich derjenige jemals hingesetzt und alle Wachtturm-Erklärungen geprüft?Es sollte offensichtlich sein, dass man einer Organisation, die bis in die privaten Kleidervorschriften und sogar in die Gedanken seiner Anhänger geht, nicht blind vertraut, sondern tatsächlich prüft, was sie über die Glaubenslehren sagen. Gibt es einen verifizierbaren Grund, warum diese oder jene Prophezeiung der Bibel tatsächlich so eingetroffen sein muss? Gibt es historische Belege für irgendwelche Erzählungen oder Deutungen?
Normalerweise blockt die Person ab und sagt vielleicht, sie habe dies oder jenes geprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass wenn die Organisation bei einigen Dingen richtig liegt, sie bei allem richtig liegt. Und so könne man ihr bei allem vertrauen. Es gibt keinen Grund mehr, bei allen Aussagen skeptisch zu sein und alle Aussagen zu prüfen. Das mag bei Freundschaften funktionieren. Zum Beispiel, wenn mir derjenige, der sich oft verspätet erklären kann, warum es wieder passiert ist und es sich nach einer vernünftigen Erklärung anhört.
Aber wir reden hier von Behauptungen übernatürlicher Art, die tief in mein Leben eingreifen und jeden Aspekt meines Seins steuern sollen. Ja, bei solch tiefgreifenden Dingen sollte man alle Aspekte prüfen und nicht nur ein paar und den Rest dann als gegeben hinnehmen. Das ist eine interessante Frage, weil viele vermutlich gar nicht mehr wissen, was ihre Religion eigentlich alles aussagt. Ich denke, jemand der drin steckt, weiß gar nicht, was es über Zeugen Jehovas abseits der Wachtturm-Lektüre noch alles zu sagen gibt, dass nicht dem Teufel, sondern verifizierbaren Datenlagen entspringt. Zum Beispiel, dass es diesen Missbrauchsskandal und dessen Vertuschung nicht nur bei anderen Religionen gibt, sondern leider im großen Stile auch bei Gottes wahrer Organisation selbst.
Es kann der Kippschalter sein, wenn sie einsehen, dass sie an irgendeine Sache glauben, die sie gar nicht verstehen, aber bisher immer als gegeben hingenommen haben. Erkläre mir doch, wo die Flutwasser herkamen und wohin sie gegangen sind. Warum gibt es keine Belege in den stratografischen Schichten für dieses Event, dass immerhin die heftigste Katastrophe des Planeten gewesen sein muss? Wieso explodieren die Regale von Archäologen und Paläontologen nicht vor Beweisen dieser Zeit? Wieso widerlegen Altersdatierungen an Pyramiden und neolithischen Kulturen quer über den ganzen Mittelmeerraum den Mythos dieser Sintflut? Warum war sich Charles Taze Russell so sicher, dass das Ende 1914 kommen würde und warum hat er seine Meinung geändert? Warum hat man diese Lehre abgelegt? Wofür hat man Beth Salem erbaut und was hat man mit diesen Gebäuden getan, nachdem 1925 das Ende schon wieder nicht eintraf? Wieso können wir Dinosaurier von vor Millionen von Jahren im Erdreich finden, aber keine Nephilim? Und so weiter und so fort ...
Es sollte für diesen Befragten ja kein Problem sein, jede dieser Fragen zu beantworten, denn er hat all diese Dinge ja selbst geprüft oder weiß zumindest, warum man der Organisation in diesen Dingen vertrauen kann. Gerne verwendeter, bereits gehörter Einwand ist: "Vielleicht findet man naher Zukunft noch dies und jenes in der Wissenschaft heraus." Und wenn nicht? Oder schlimmer noch: Was ist, wenn das Gegenteil herausgefunden wird?
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Warst du jemals bei irgendeiner Lehrmeinung nicht mit der Organisation einig?Das ist eine Frage, die man nicht überall anbringen kann. Sicherlich kennt man den einen oder anderen, bei dem man diese Frage platzieren kann. Oder glaubt zumindest, es bei dieser tun zu können. Viele werden es nicht zugeben, aber ich denke, die meisten hatten irgendwann mal einen Punkt, wo sie irgendwo nicht sofort einig waren. Solange, bis sie wieder auf Linie gebracht wurden. Es ist eigentlich sicher, dass jemand, der seit Jahren oder Jahrzehnten in einer Organisation ist, nicht irgendwann mal an irgendwas wenn auch nur geringen Zweifel hatte. Irgendwann poppt der Gedanke auf: "Warte mal, dass ergibt doch gar keinen Sinn." Wie gesagt, vermutlich nur kurz und irgendwann ist man wieder auf Linie gebracht. Aber diese Momente hatte bestimmt schon mal jeder. Und wenn jemand sagt, er hatte diese Fragen noch nie, dann hat man einen blinden Follower, ein Schaf, dass einfach geschehen lässt. Vermutlich denkt er auch sonst viel und freut sich darüber, dass er jemanden hat, der sein Leben für ihn ordnet.
Aber wenn jemand die Führungsriege der Zeugen anzweifelt, zweifelt er dann auch Gott an?
Laut der Organisation selbst schon. Denn ihre Äußerungen sind ja von Gott geleitet. Eins-zu-eins-Wiedergaben können es ja nicht sein. Das konnten wir durch die "Erklärung" "neues Licht" ja schon feststellen. Mit der Frage kann man herausfinden, ob jemand bereits auf dem Weg aus der Religion ist. Zweifel, Fragen, Gedanken, die nicht zur Linie passen, sind der Anfang für den Ausstieg, aber keine Garantie. Die Versammlung wird sich Mühe geben, die fragen zufriedenstellend zu beantworten, wenn sie tatsächlich an diesem Mitglied bzw. seinem Festhalten an der "Wahrheit" interessiert ist. Gruppenzwang, Druck und Sanktionen werden ihr übriges tun. Sie halten denjenigen drin oder beschleunigen den Ausstieg.
Wieder aber wird es diese geben, die dann auf Jehova warten, während du Unstimmigkeiten mit seinem irdischen Sprachrohr hast. Aber würde jemand warten, wenn er Unstimmigkeiten mit einem hätte oder würde er versuchen sie auszuräumen oder den Kontakt meiden? Es ist wieder eine andere Vorgehensweise für den selben Fall. Wenn ich ein Problem mit jemandem habe, schmolle ich vielleicht oder habe einen Streit, aber ich schließe ihn nicht aus meinem Freundeskreis aus und behandel ihn, als sei er bereits gestorben. In der Organisation ist genau das der Fall. Es darf keine abweichenden Meinungen geben, zumindest nicht geäußert. Während es sonst völlig in Ordnung ist, nicht immer ein und derselben Meinung zu sein oder nicht die gleichen Ansichten zu vertreten. Das ist ein Grundlevel von Respekt. Eine Organisation, die ihre Mitglieder derart behandelt, ist es eigentlich gar nicht wert, Mitglieder zu haben. Und eine Organisation, die ihre Mitglieder antreibt, ausgeschlossene Personen zu missachten und jede Kommunikation mit ihnen einzustellen, noch weniger.
Wenn die leitende Körperschaft etwas von dir verlangen würde, würdest du es machen?Die offensichtliche Antwort ist ja. Immerhin passiert es ja bereits, die Mitglieder gehorchen in aller Regel den Anweisungen der Organisation. Denn für diese sind sie gleichbedeutend mit Anweisungen von Jehova. Es ist in der Vergangenheit passiert und es wird wieder passieren. Daran besteht kein Zweifel.
Was wäre, wenn ein Zeuge an der Basis die leitende Körperschaft um etwas bittet?
Es ist eine von oben nach unten regierte, relativ destopische, theokratische Ordnung. Die Belange der einzelnen sind irrelevant. Das große Ziel, das nie eintrifft, ist das einzig wichtige. Diese Organisation besteht aus unvollkommenen Menschen und diese haben in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass sie einfach jederzeit die Doktrin ändern können und dafür keine Kritik ernten, zumindest keine ausgesprochene. Sie haben selbst Formulierungen in der Bibel angepasst. Ich bin aber zu wenig bibelfest, als das ich sagen könnte, ob die Bibel dem Glaubensbekenntnis angepasst wurde oder tatsächlich, wie so oft behauptet, nur einem einfacheren Verständnis.
Kann ein Gott der Liebe diese unvollkommenen Menschen nutzen?
Würde ein Gott der Liebe diese unvollkommenen Menschen nutzen?
Immer im Hinterkopf: Das sind ganz normale Typen, wie du und ich. Es ist eher wahrscheinlich, dass sie Betrüger sind, als dass sie für Gott auslegen. Wenn mir heute einer auf der Straße begegnet und vom Ende der Welt erzählt, würde ich mir denken: "Whatever!" Wenn der Himmel sich öffnen würde und Jesus kommt durch die Wolken gestiegen und würde mir eine wischen, dass erste, was ich denken würde wäre, ob ich zufällig high bin (unwahrscheinlich, ich nehme keine Drogen) oder, ob ich gerade im Fieberwahn bin. Und das ist das Zeichen eines skeptischen Menschen. Er sucht den Fehler bei sich. Nicht alles, was ich denke, was passiert, passiert auch wirklich. Aber wenn es nachweisbar passiert ist und man kann es mit einer gewissen Sicherheit belegen, dann ist das viel kraftvoller, als 8 Dudes in einem New Yorker Büro.
Aber wenn die Basis der Zeugen sich zu einer Art demokratischer Abstimmung treffen würden und erklären, "Wir wollen eine Änderung der Blutregelung. Wir haben uns die entsprechenden Bibelstellen angeschaut und uns mit der Geschichte beschäftigt und festgestellt, dass sich die Enthaltung von Blut laut Bibel nur auf das Essen bezieht, nicht aber auf medizinische Prozeduren." Und nehmen wir an, 90 % der Abstimmenden wären dafür. Sie adressieren also eine Petition oder irgendwas derartiges an erstmal an die lokalen Ältesten. Denn die müssen es ja weitergeben, an die leitende Körperschaft. Was würde passieren?
Eine theoretische Sache zum Nachdenken, denn es wird wohl nie passieren. Zu oft werden die Ungehorsamkeiten der Israeliten beim goldenen Kalb oder die Rebellion des Korah behandelt. Das sind Beispiele, wo nicht einzelne, sondern ganze Gruppen gegen die von Gott auserwählten aufbegehrt haben und dafür bestraft wurden. Da sich die leitende Körperschaft als eine Art moderner Moses präsentiert, wird das Fußvolk nicht aufmucken. Aber gehen wir dem Gedankenexperiment mal etwas nach. 90 % der Zeugen begehren auf und schreiben Briefe an die Ältestenschaft oder ans Bethel oder direkt nach New York und erklären, dass die Blutfrage geklärt werden muss. Was würde die leitende Körperschaft in so einem Fall machen?
Eine Zwickmühle: Geben sie der Masse nach, sind Tür und Tor geöffnet, für weitere Änderungen. Es müssen sich nur genug Leute finden, die das unterstützen und biblisch begründen können. Wenn sie nicht nachgeben, könnte es sein, dass die Mitglieder davonrennen. Die Macht bröckelt, so oder so.
Wenn die Masse zudem ihre Position biblisch begründen kann, steht die leitende Körperschaft in beiden Fällen in der Pflicht, zu erklären, warum man es so handhabt bzw. bisher so gehandhabt hat. Außerdem würde es offenkundig machen, dass sie offenbar nicht von Jehova geleitet werden. Immerhin sind verschiedene Sichtweisen in der Anfangszeit der Bibelforscher immer im Studienkreis diskutiert worden, nicht diktiert. Und das widerspricht dem modernen Verständnis eines Zeugen Jehovas. Hier kommt die Leitung von "oben" und man hat zu folgen. Man hinterfragt nicht, ob die 8 Männer in New York und ihre Helfer mehr Erfahrung und Einsicht haben, man setzt es vorraus und widerspricht nicht.
Würde Gott die Lüge auf dem Weg zur Wahrheit nutzen?Nehmen wir die Sache mit der letzten Generation zum Beispiel. Nochmal: 1920 kam das Buch "Millionen, die heute leben, werden nie sterben" von dem neuen Führer Rutherford heraus. Nun ist das bereits über 100 Jahre her und so ziemlich jeder von 1920 ist mittlerweile verstorben. Zumal man ja das Zeichen 1914 miterlebt haben muss und getauft sein musste. Also kann es sich bei den angesprochenen Personen nicht um Neugeborene handeln. Auch weil Zeugen keine Kindstaufe kennen. Nun kam es 1914 nicht zum Ende und auch 1925 nicht. Oder 1934 oder 1935 oder 1939 oder 1955 oder 1964 oder 1965 oder 1974 oder 1975. Und all die Daten, die heute versteckt werden und noch davor, danach und dazwischen liegen. Die Welt hat sich einfach weitergedreht, als seien ihr Religionen egal. So eine Frechheit.
Da sich der jeweils äußernde Oberguru aber immer als das Sprachrohr Gottes betrachtete, auch wenn es so nie gesagt und genannt wurde, muss Gott ja perse Missinterpretationen seiner Endzeitprophetie in Kauf nehmen oder vielleicht sogar aktiv fördern. Bis zu dem Zug, dass es jetzt diesen Nonsens der Neuinterpretation des Wortes "Generation" gibt und diese überlappenden Teile von Generationen, die irgendwie zusammengehören. Der 1. Teil sind diejenigen, die 1914 das Zeichen sahen, verstanden und zu dem Zeitpunkt bereits getauft waren. Der 2. Teil sind die, die eine Zeit lang mit diesen lebten und von denen heute noch viele am Leben sind. Diese Personengruppe ist mittlerweile auch nicht mehr die jüngste und von daher bleiben Gott erneut nicht allzuviele Jahre für das Ende.
Zumal seit Jahrzehnten erklärt wird, das Ende sei in Kürze da und wenn es doch wieder länger dauert, wird damit argumentiert, dass Zeit für Gott anders wahrgenommen wird, wie für uns. Dann sollten seine Vertreter auf Erden vielleicht mal andere Begriffe verwenden, wenn es nicht am Allmächtigen liegt. Im Erfinden und Umerfinden von Wörtern ist man doch schon geübt.
Warum nutzt Gott also Lügen, um uns zur Wahrheit zu bringen. Warum gibt es nicht gleich das richtige Verständnis? Warum gibt es immer wieder Änderungen, warum Anpassungen? Der Gott, der nicht lügen kann verwendet falsche Auslegungen seiner Anhänger, die er von Zeit zu Zeit "korrigieren" lässt. Nie aber entgültig, denn kein "neues Licht" ist offenbar für ewig bestimmt und kann jederzeit wieder "korrigiert" werden.
In der Wissenschaft ist es logisch, dass wir uns der Wahrheit nur annähern können. Jede neue Theorie ist ein Schritt, ein bisschen mehr über das wunderbare Universum zu verstehen. Wissenschaftler müssen diesen Weg nehmen, da sie die Wahrheit nicht kennen und sich mit jedem neuen Experiment und jeder neuen Beobachtung immer ein Stück weiter in die Dunkelheit des Unwissens vordringen. Aber Gott weiß alles. Er kennt die Wahrheit. Und doch setzt er darauf, dass unvollkommene Menschen sie von allein ergründen und von Zeit zu Zeit ihr Verständnis seiner geistigen Wahrheit umstrukturieren müssen. Ein weiteres Zeichen, dass die leitende Körperschaft entweder keinen Draht zu Gott hat und nichts sicher begründen kann oder dass es diese Quelle der Wahrheit, Gott, nicht gibt.
Ich bin mir sicher, auch künftig wird es "neues Licht" geben und dies oder jenes umgebaut werden, damit es besser in die Realität und in die Chronologie passt. Hauptsache Mitglieder halten. Mit jedem "neuen Licht", mit jeder neuen Lehre, bestätigen sie eigentlich selbst, dass sie bis dahin falsch lagen.
Das sind auch wichtige Fragen für jedermann selbst.
Wenn man die Zeugen Jehovas nur verlassen hat, weil von irgendeinem Skandal gehört hat, kann es sein, dass der gelehrte Nonsens noch Jahre im Hirn fruchtet und man nicht wirklich ausgestiegen ist. Mehr so in der Art: "Wenn das und dies bereinigt ist, kann ich ja wieder beitreten."
Ein bisschen wie bei einer geschädigten Partnerschaft, wo der eine gewalttätig ist, doch er andere seine Abhängigkeit gar nicht spürt und nach jedem Streit, nach jeder Aggression, nach jedem Schlag zurückkommt und sich trotzdem nach dieser Beziehung sehnt (toxic oder abusive Relationship im Englischen).