Evolution oder Schöpfung




Religion, Esoterik, Verschörungstheorien und andere Dinge.

Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mi 6. Dez 2017, 14:47

Konkurrenz - Hohe Bäume und andere Absurditäten, die bei einem gütigen Schöpfer nicht zwingend zu erwarten wären

Bäume haben Stämme. Wir kennen sie nicht anders. Sie strecken sich dem Licht entgegen und versuchen dabei ihre Krone über die Baumkrone anderer Bäume auszuspannen. Das garantiert eine höhere Lichtausbeute und damit mehr Energie. Aber warum sind Bäume so absurd hoch?


Riesenmammutbaum General Sherman Tree mit einer Stammhöhe von 83,8 m und einem Brusthöhendurchmesser von 825 Zentimetern (Stand 2012)


Das klingt nach einer blöden Frage. Aber was gewinnt der Baum durch seine Höhe? Nichts.
So wie alle Pflanzen braucht der Baum Sonnenlicht und das würde er am Erdboden genauso bekommen, wie in 10 Meter Höhe. Am Erdboden würde er nebenher auch die Energie sparen, die es kostet einen 10 Meter hohen Stamm auszubilden und zu unterhalten, sowie die Säfte hoch und runter zu pumpen. Warum macht der Baum also so etwas?
Auf den ersten Blick widerspricht dieses Wachstum auch der Evolutionstheorie, wo ja ein vermutetes Sparsamkeitsprinzip vorherrscht. Dies wäre allerdings eine stark verkürzte und dadurch verfälschte Sicht auf evolute Mechanismen, denn:
Selektiver Druck drängt den Baum dazu einen Stamm zu bilden. Man stelle sich einen Wald vor, wo Bäume die Abmachung trafen nur 1 Meter hoch zu werden und dann kommt ein Rebell herbei und wächst doppelt so hoch. Er würde sich über die anderen ausbreiten und mehr Licht sammeln. Natürlich ist dies nur ein Gedankenexperiment, da Bäume nicht in dieser Art Übereinkünfte treffen, obschon die Forschung nahelegt, dass sie sehr wohl kommunizieren.
Bäume planen aber nicht, wie hoch sie werden, aber es zeigt, dass die Evolution keine perfekten Formen hervorbringt. Durch zufällige Mutation haben jene Bäume einen selektiven Vorteil, die höher sind als ihre Kollegen. Am Ende dieses Wettrüstens steht ein Wald mit absurd hohen Bäumen, die im Grunde enorm ineffizient sind. Evolution kennt eben kein "Vorrausplanen" und sie kennt kein "Abrüsten". Vergleichbar mit unserem Militär, denn eigentlich bräuchten wir keine Waffen und Krieg verschlingt Ressourcen, die viel sinnvoller angelegt werden könnten. Aber wir haben den Kram, weil die Nachbarnationen ihn auch haben. Abrüstungsverträge klappen aber nur mit Übereinkünften und jeder Menge Planung. Und solche "Gentlemen's Agreements" findet man in der Natur nicht.
Absurd hohe Bäume sollten bei einem durchdachten Masterplan nicht auftauchen, da sie dem Lebewesen Baum einen Mehraufwand aufbürden, der mitnichten liebevoll ist.

Löwen töten die Junge ihrer Kondrahenten, um die eigenen Gene besser weiter zu geben. Der Gepard jagt seiner Beute mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 120 km/h hinterher. Früher fuhr man mit dem Panzer vor, um Besitzansprüche geltend zu machen, heute mit dem Anwalt. Oder man zeigt was man hat: fettes Auto, große Villa. Alles um die Konkurrenz einzuschüchtern und das andere Geschlecht zu beindrucken. So gleicht der Mensch in seinem possierlichen Balzverhalten dem Pfau. Nur das er keinen so bunt geschmückten Fächerschwanz besitzt und sich daher was anderes einfallen lassen muss. Aber im Grunde geht es ums gleiche: Paarung.
Nichts deutet darauf hin, dass der Mensch hier eine Ausnahme darstellt. Und dieses Konkurrenz- und Balzverhalten ist bis in Gesteinsschichten nachweisbar, wo noch kein Mensch existierte, der hätte sündigen können. Eine starke Behauptung also, es wäre irgendwann mal anders gewesen. Doch ewiglicher Existenzkampf passt nicht zum ewiglichen Paradies.

Als "Evolutionsbefürworter" (absurdes Wort als ob man "Gravitationsbefürworter" sein könnte) erwählt man nicht zwangsläufig ein Leben, das nicht unbewusst von der Angst getrieben wird einem höheren Wesen gerecht zu werden.
"Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört daran zu glauben."
- Phillip K. Dick, US-amerikanischer Science-Fiction-Autor
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Do 7. Dez 2017, 16:24

Homosexualität - Teil 1: Geschichtsüberblick, Verbreitung, Rechtslage

In der Forschung wird zwischen homosexuellem Verhalten, homosexuellem Begehren und der Sexuellen Identität unterschieden, da sie nicht zwingend zusammenfallen, in der Umgangssprache aber auch synonym verwendet werden. Mal wurde Homosexualität befürwortet oder toleriert, mal untersagt und verfolgt. Besonders in der Bibel, Tora und dem Koran wird Homosexualität als Sünde verurteilt, wobei liberalere Strömungen zunehmend mit dieser Tradition brechen. Gleichgeschlechtliche Liebe und Lust ist in allen Gesellschaften und historischen Epochen durch diverse Quellen nachweisbar. Auch während der Industrialisierung wurden "schwule" Subkulturen gebildet, die bald polizeilich überwacht und staatlich verfolgt wurde.
Der Begriff der Homosexualität wurde 1869 durch den österreichisch-ungarischen Schriftsteller Karl Maria Benkert erfunden. 1867 wurde erstmals die Straflosigkeit homosexueller Handlung gefordert, was aber in Tumulten endete.
Da es in keiner Sprache vergleichbare Entsprechungen für diese Begriffe hab, stammt das internationale Vokabular fast überall aus Wortneuschöpfungen und Lehnwörtern.
Der wissenschaftlichen Erkenntnis der vielfältigen Schattierungen menschlich-sexuellen Begehrens wird die Unterteilung in Homo und Hetero (als unterstellter Norm-Zustand) nicht gerecht und kann auch durch den seit 1900 eingeführten Begriff der Bisexualität nicht aufgefangen werden, da es laut Umfragen auch Menschen gibt, die sich weder als homo noch bi einstufen, aber sich trotzdem in unterschiedlichem Grade von eigenen Geschlecht angezogen fühlen.

Schätzungen über die demografische Verteilung von Homosexualität sind schwer zu treffen, da sich auch noch viele nicht "outen", aus Angst geächtet zu werden. Insbesondere in islamischen Ländern ist Homosexualität verboten, wird aber meist nicht strafrechtlich verfolgt. Aber wenn doch, dann in 5 Ländern bis zur Todesstrafe. Aber auch in der westlichen Welt haben "Homos" keinen guten Ruf. Zwar mischen sie in Lifestyle und Mode ordentlich mit, aber die "Medien-Tucken" sind auch stark überzeichnet und vermutlich eher wegen ihrer sonstigen Extravaganz angesagt. Schrullig ist aber nicht gleich schwul.
In einer repräsentativen Emnid-Umfrage im Jahr 2000 (#1) schätzten sich nur 1,3 bzw. 0,6 Prozent der in Deutschland lebenden Befragten als schwul oder lesbisch ein, bzw. 2,8 bzw. 2,5 Prozent als bi. Gleichzeitig gaben aber 9,4 Prozent der Männer und 19,5 Prozent der Frauen an, sich vom eigenen Geschlecht angezogen zu fühlen. Ähnliche Ergebnisse erziehlten Umfragen in Australien (2003, #2), Kanada (2003, #3), Großbritannien (2011/12, #4) und den USA (März 2011 (#5, #6) und 2013 (#7)).
Das tatsächliche Sexualverhalten kann davon stark abweichen. So haben laut Kinsey-Report 1948 (#8) etwa 37 Prozent der männlichen US-Bevölkerung nach Beginn der Pupertät "zumindest einige physische homosexuelle Erlebnisse bis zum Orgasmus" und weitere 13 Prozent reagieren "erotisch auf andere Männer", "ohne tatsächlich homosexuelle Kontakte" zu unterhalten. Allerdings wurde der Report aufgrund seiner nicht-repräsentativen Zusammenstellung der befragten Personen bemängelt, was sein Nachfolger zu redigieren versuchte.


Jüngere Studien zeigen, dass die Zahlen einem historischen Wandel unterliegen. So gaben in einer Hamburger Studie zur Jugendsexualität 1970 18% der befragten 16- und 17-jährigen Jungen an, gleichgeschlechtliche Erfahrungen gemacht zu haben. Zwanzig Jahre später sind es nur noch 2%, ohne dass der Anteil heterosexueller Kontakte signifikant stieg. Durch die wachsende öffentliche Thematisierung von Homosexualität befrüchteten Jungen offenbar, durch solche Handlung als "Schwuler" bezeichnet zu werden. Im gleichen Zeitraum verharrte der selbige Anteil bei den gleichaltrigen Mädchen konstant bei 6%. Besonders unter Jungen ist dabei eine demonstrative (bis hin zur gewaltsamen) Abgrenzung zu allem Homosexuellen deutlich stärker ausgeprägt, als unter Mädchen. Es ist diese tätige Abwehr, durch die sich das stigmatisierende Etikett der Homosexualität wie von selbst reproduziert.
Die tatsächliche Häufigkeit kann nicht bestimmt werden und die Umfragen sind leicht durch gesellschaftliche und kulturelle Rahmenbedingungen beeinflussbar. Das Coming-Out geschiet mitlerweile oft im Jugendalter, wird aber auch gerade in diesem Alter dadurch verhindert, dass ihre Neigung gesellschaftlich nicht akzeptiert wird. Hilfe wird so oft nicht erbeten. Das kann zu einer Lebenskrise führen, die sich bis hin zu suizidalen Absichten oder realisiertem Suizid steigern kann. Tatsächlich ist die Selbstmordrate bei homosexuellen Jugendlichen deutlich höher als bei heterosexuellen.
Dann gibt es da auch noch die situative Homosexualität, in der Heteros, die keinerlei homo- oder bisexuelle Ambitionen haben, gleichgeschlechtliche Handlungen vollziehen, die nie passiert wärem wenn sich die Menschen nicht in einer ungewöhnlichen Situation befunden hätten. Situationsbedingte Homosexualität kommt vor allem in Umgebungen vor, in denen über längere Zeit nur Personen des gleichen Geschlechts leben, z.B. Haft- und/oder Erziehungsanstalten, Schiffe zur See, U-Boote, Bohrinseln, Kasernen, Klöster und Konvente, Internate, Sportteams auf Tournee und abgelegene Arbeitslager, wie Minen und Großbauprojekte. Vor allem dort sie auch Not-, Knast- oder Lagerhomosexualität genannt. In der Wissenschaft gibt es dafür Begriffe wie bisexuellem Sexualverhalten, homosexuellen Ersatzhandlungen oder experimenteller Homosexualität. Abhandlungen finden sich auch schon lange vor der sexuellen Revolution (Reverend Louis Dwight, 1826, über die Verhältnisse in amerikanischen Gefängnissen; Josiah Flynt, 1899, situationsbezogener Sex bei den amerikanischen Hobos, mit denen er reiste; Hans Otto Henel, 1926, "Eros im Stacheldraht" zur Situation im 1. Weltkrieg).

Sexuelle Orientierung ist ein sehr komplexes System mit vielen Zwischenstufen zwischen zwei Extremen oder auf zwei getrennten Skalen und genauer betrachtet sogar gleichzeitig auf mehreren emotionalen Ebenen. Das Konzept der situativen Homosexualität wirft die Frage auf, inwiefern aktives Sexualverhalten interne Wünsche ausdrückt und durch externe Umstände beeinflusst wird. Manche Individuen zeigen niemand gleichgeschlechtliche Aktivitäten, egal wie lange sie heterosexuellem Kontakt entbehren. Ebenso zeigen homosexuelle Personen keine heterosexuellen Aktivität, auch wenn Homosexualität Repressalien nach sich zieht und praktisch nicht durchführbar ist.
Die Toleranz situationsbezogener Gleichgeschlechtlichkeit kann entgegen der Erwartung auch Homophobie bekräftigen, da der "echte" Homosexuelle von jenem, der ja "eigentlich" heterosexuell ist, unterschieden wird. Wer dabei der "echte" und wer der situative Homosexuelle ist, wird von den Erfahrenden oft durch die jeweilige vorgebliche Rolle beim Sex (aktiv = "männlich", passiv = "weiblich") in dieser Situation bestimmt.

Vor allem im Haft- und Erziehungsanstalten ist sexuelle Befriedigung nur ein Teilaspekt, neben der Ausübung von Macht und dem Erhalt der eigenen Männlichkeit, solange man der aktive bleibt. Ein großes Druckmittel sind dabei durchgeführte oder angedrohte Gruppenvergewaltigungen.
Abzugrenzen ist auch der Begriff des Transgender, wozu auch Transsexualität gehört, da es dabei nicht um das Geschlecht des bevorzugten Partners geht, sondern um das Empfinden der eigenen Geschlechtsidentität, die unabhängig von der sexuellen Orientierung ist. Beziehungen zu Personen gleichen Identitätsgeschlechts werden dabei als homosexuell empfunden, solche zu Personen eines anderen Identitätsgeschlechts als heterosexuell.
M7a Der heterosexuelle Fragebogen
  1. Woher glaubst du, kommt deine Heterosexualität?
  2. Wann und warum hast du dich entschlossen, heterosexuell zu sein?
  3. Ist es möglich, dass deine Heterosexualität nur eine Phase ist und dass du diese Phase überwinden wirst?
  4. Ist es möglich, dass deine Heterosexualität von einer neurotischen Angst vor Menschen des gleichen
    Geschlechtes kommt?
  5. Wissen deine Eltern, dass du heterosexuell bist? Wissenes Deine Freundinnen und Freunde? Wie haben sie reagiert?
  6. Eine ungleich starke Mehrheit der Kinderbelästiger ist heterosexuell. Kannst Du es verantworten, deine Kinder heterosexuellen Lehrer/innen auszusetzen?
  7. Was machen Männer und Frauen denn eigentlich im Bett zusammen? Wie können sie wirklich wissen, wie sie sich gegenseitig befriedigen können, wo sie doch anatomisch so unterschiedlich sind?
  8. Obwohl die Gesellschaft die Ehe so stark unterstützt, steigt die Scheidungsraten immer mehr. Warum gibt es so wenige langjährige, stabile Beziehungen unter Heterosexuellen?
  9. Laut Statistik kommen Geschlechtskrankheiten bei Lesben am wenigsten vor. Ist es daher für Frauen wirklich sinnvoll, eine heterosexuelle Lebensweise zu führen und so das Risiko von Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaft einzugehen?
  10. In Anbetracht der Übervölkerung stellt sich folgende Frage: Wie könnte die Menschheit überleben, wenn alle heterosexuell wären?
  11. Es scheint sehr wenige glückliche Heterosexuelle zu geben; aber es wurden Verfahren entwickelt, die es dir möglich machen könnten, dich zu ändern, falls du es wirklich willst. Hast du schon einmal in Betracht gezogen, eine Elektroschocktherapie zu machen?
  12. Möchtest du, dass dein Kind heterosexuell ist, obwohl du die Probleme kennst, mit denen es konfrontiert würde?
- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: (UM-)Erziehung von Heterosexuellen, Seite 20 (zum PDF)

Mit der Verabschiedung der europäischen Richtlinien zur Antidiskriminierung im Arbeitsrecht sind Kündigungen und sonstige diskriminierende Maßnahmen aufgrund Bekanntwerdens der homosexuellen Identität von Mitarbeitern in der Privatwirtschaft sowie von Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst in den Mitgliedstaaten der EU unzulässig. Ausnahmen bestehen für weltanschauliche Organisationen und Vereinigungen. Diese können „von den für sie arbeitenden Personen verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten“. Diese Regelungen haben mit § 8 Abs. 1 und § 9 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes Eingang in deutsches Recht gefunden.
In der römisch-katholischen Kirche, zum Beispiel, wird gelebte Homosexualität als nicht mit dem christlichen Glauben vereinbar angesehen. Angestellte der katholischen Kirche, welche sich offen zu ihrer Homosexualität bekennen, werden daher in der Regel entlassen.
Bis zum Hochmittelalter galt Analverkehr (egal ob mit Frau oder Mann) als Sünde, ebenso das sexuelle Verhalten "entgegen der Natur". Aber es waren keine Verbrechen. Es drohte zwar die Kirchenbuße oder der zeitweilige Ausschluss, aber keine weltliche Maßnahme. Vom 13. Jahrhundert an wurde Analverkehr unter Männern dann in fast ganz Europa unter der Bezeichnung "Sodomie" durch weltliche Gesetze mit dem Scheiterhaufen bedroht. Massenhafte Verfolgungen sind aus dem Spätmittelalter in Norditalien und Spanien nachweisbar, aber auch während des gesamten 18. Jahrhunderts in England, Frankreich und den Niederlanden.
Nachdem in den von der französischen Revolution erfassten Ländern die Gesetze gegen die "widernatürliche Unzucht" abgeschafft wurden und Preußen im Landrecht Sodomie mit dem Zuchthaus statt dem Tode bestrafte, wandelte sich der Strafbestand unter dem Einfluß des deutsch-österreichischen Psychiater und Rechtmediziner Richard von Krafft-Ebing zu einer "psychischen Krankheit". Seine durch Kriminalfälle und in der Psychiatrie gewonnen Forschungen stellten Homosexuelle als erblich belastete Perverse dar, die für ihre angeborene "Umkehrung" des Sexualtriebes nicht verantwortlich seien und deshalb nicht vor den Richter, sondern einen Nervendoktor gehören. Damit öffnete er Zwangsbehandlungen und Forschungsexperimenten Tür und Tor. Er plädierte daher für die vollständige Straffreiheit der Homosexualität, da diese darüber hinaus nicht ansteckend sei. Dadurch allerdings wurden Homosexuelle als unzurechnungsfähig erklärt. Seine Theorie blieb für Straffreiheit folgenlos, da vor allem Kirchlich-konservative die moralische Ächtung nicht missen wollten.
Bis zur Reform des § 175 im Jahr 1969 arbeitete die Polizei mit Spitzeln in der schwulen Subkultur. Da Homosexualität psychisch erkrankt sind, konnten sie auch auf unbestimmte Zeit freiheitsentziehend in einer forensischen Psychiatrie untergebracht werden.
In der NS-Zeit gab es homosexuelle Größen (z.B. Reichswirtschaftsminister Walther Funk oder Arno Breker, der von Adolf Hitler und Joseph Goebbels auf die Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Künstler aus NS-Sicht gesetzt wurde), während ca. 10.000 - 15.000 Personen wegen ihrer Homosexualität in Konzentrationslager gesteckt, wo ca. 53 Prozent ums Leben kamen. Da nicht ermittelt werden kann, wie viele aus anderen Gründen ermordete Menschen homosexuell waren, schwanken die Schätzungen erheblich. Obwohl es in Deutschland, im Gegensatz zu Österreich, kein Gesetz gegen die lesbische Liebe gab, verhaftete die Gestapo auch dort eine unbekannte Zahl von Frauen wegen ihrer Homosexualität oder unter anderem Vorwand.
Erst durch die Rechtsangleichung mit der bereits aufgelösten DDR 1994 fiel der § 175 weg. In der DDR wurden bereits seit Ende der 50er Jahre einvernehmliche, homosexuelle Handlungen unter Erwachsen nicht mehr rechtlich verfolgt. Erst 2002 wurden einst Verurteilte durch die Bundesrepublik symbolisch rehabilitiert.

Moral zu predigen ist ebenso leicht, als Moral zu begründen schwer ist.
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844-1900)

#1 - Vgl. TNS Emnid: Presseunterlagen Eurogay-Studie „Schwules Leben in Deutschland“. Hamburg 2001

#2 - A. M. Smith, C. E. Rissel, J. Richters, A. E. Grulich, R. O. de Visser: Sex in Australia: sexual identity, sexual attraction and sexual experience among a representative sample of adults. In: Australian and New Zealand journal of public health. Band 27, Nummer 2, 2003, S. 138–145, ISSN 1326-0200. PMID 14696704.

#3 - Canadian Community Health Survey. Statistics Canada, 15. Juni 2004, abgerufen am 12. April 2011.

#4 - Integrated household survey April 2011 to March 2012: Experimental Statistics. Office for National Statistics, 28. September 2011, S. 3, abgerufen am 4. Oktober 2012 (PDF; 123 kB, englisch).

#5 - njani Chandra u. a.: Sexual Behavior, Sexual Attraction, and Sexual Identity in the United States: Data from the 2006-2008 National Survey of Family Growth. US Department of Health and Human Services, März 2011, abgerufen am 15. März 2011 (PDF; 617 kB).

#6 - Gary J. Gates: How many people are lesbian, gay, bisexual,and transgender? The Williams Institute, UCLA School of Law, April 2011, S. 3, abgerufen am 9. Oktober 2012 (PDF; 683 kB, englisch).

#7 - Sexual Orientation and Health Among US Adults. National Health Statistics Reports, 15. Juli 2014, abgerufen am 16. Juli 2014 (PDF, englisch).

#8 - Kinsey, Alfred C., Sexual Behavior In The Human Male, 1949
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Fr 8. Dez 2017, 20:36

Homosexualität - Teil 2: Emanzipation und Ursachenforschung

1867 traf Karl Heinrich Ulrichs auf Spott und Ablehnung als er in seinem Vortrag die urnische Ehe forderte. 1897 gründete sich das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee, dass alerdings nur 500 Mitglieder zählte und nach außen nicht als homosexuelle Bewegung in Erscheinung trat, sondern mit wissenschaftlichen Argumenten für die Streichung des § 175 war. 1919 gründeten sich die zahlmäßig größeren Freundschaftsbünde, die auf Geselligkeitsveranstaltungen, jedoch auch politische und publizistische Aktivitäten setzte und Rechtsschutz für vom § 175 betroffene Mitglieder gewährte. In den 50ern gründeten sich mehrere Schwulen- und Lesbenvereinigungen, die sich als homophil bezeichneten, um nicht rein auf den Akt reduziert zu werden. In den 60ern orientierte man sich an den Protestformen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Eine Polizeirazzia in der New Yorker Schwulenbar Stonewall in der Christopher Street führte zu tagelangen Aufständen und radikalisierte Teile der Bewegung, auch in Europa. Lesbische Gruppen emanzipierten sich recht schnell von den männerdominierten Schwulengruppen.
Erst 1973 strich die Amercian Psychiatric Association aus uhrem Krankheitskatalog, die Weltgesundheitsorganisation erst im Jahr 1992. In den 80ern und 90ern wurde das Thema fortschreitend entpolitisiert und eine Wiederannäherung von Lesben und Schwulen fand statt. Seit den 90ern wurden aus den alljährlichen Demonstrationen zur Erinnerung an den Stonewall-Aufstand der Christopher Street Day und nur wenige verbinden damit heute noch eine politische Aussage. Eine neue Erscheinung bildet der Wunsch, sich territorial von der Hetero-Welt abzugrenzen.

Zur Emanzipation der Schwulen trug auch die HIV-Pandemie zu Beginn der 80er bei, auch wenn dies zunächst widersprüchlich klingen mag, da sich AIDS in den westlichen Ländern, vermutlich aufgrund der mehrfachen Partnerwechsel und der hohen Ansteckungsgefahr insbesondere bei Analverkehr, zunächst stark unter Schwulen verbreitete. Durch Aufklärungskampagnen rückte das Tabuthema Homosexualität stärker in die Öffentlichkeit. Dadurch wurde nicht nur über HI-Viren und AIDS aufgeklärt, sondern auch über Safer Sex. Dadurch konnten auch Vorurteile im gesellschaftlichen Bewusstsein über Schwule und Lesben abgebaut werden und es ist eine stetig steigende Toleranz festzustellen. Für viele ist jedoch Homosexualität automatisch mit HIV und AIDS verknüpft, obwohl nach medizinischer Ansicht nur dann ein besonderes Risiko besteht, wenn man häufig ungeschützen Analverkehr oder Verkehr mit wechselnden Sexualpartnern hat. Die Verletzungs- und daher Infektionsgefahr ist bei Analsex deutlich höher, als bei Vaginalsex.

Warum schreibt sich der Almafan an diesem Thema einen Wolf? Und ...

Woher kommen Homosexuelle und welche Ursachen hat ihre sexuelle Ausprägung?

Mit der Konstruktion homosexuellen Begehrens als Abweichung von der unterstellten "heterosexuellen Norm" war von Anfang an auch der Versuch einer medizinischen oder psychologischen Erklärung verknüpft. Aber auch nach 150 Jahren Sexualforschung gibt es keinen Konsens, welche Faktoren für die Ausbildung sexueller Vorlieben ursächlich sind. Zu nennen sind genetische, hormonelle und psychoanalytische Erklärungsmodelle, die meist wenig miteinander kompatibel sind und somit in Konkurrenz zueinander stehen.
Offenbar, dies geht aus gesicherten Beobachtungen hervor, ist homosexuelles Verhalten eines Teils von Populationen in der "höheren" Tierwelt durchaus weit verbreitet. Der Mensch bildet also keine Ausnahme.


Demgemäß wird eine mögliche evolutionäre Funktion für den Abbau von Aggression und die soziale Integration bei komplexen, hochentwickelten Wirbeltiergesellschaften beigemessen. Für irgendwas ist sie also aus evolutionswissenschaftler Sicht sinnvoll.

Welche Faktoren beim Einzelnen die Ausbildung einer bestimmten sexuellen Orientierung bestimmt, ist ungeklärt. Grundsätzlich gibt es aber zwei Hauptthesen:
  • Die sexuelle Orientierung ist schon vor der Geburt festgelegt.
  • Die sexuelle Orientierung wird erst durch gewissen Identifikationsprozesse in der frühen Kindheit oder auch besondere Abläufe in der Pubertät ausgelöst.
Auch gibt es Mischthesen aus beidem.

Einig ist sich die Wissenschaft im Großen darin, dass es sich weder um eine Krankheit noch um etwas abnormes handelt, was von religiöser Seite natürlich immer noch vereinzelt anders gesehen wird, und dementsprechend einer "Heilung" bedarf. Es steht nicht einmal fest, ob Homosexualität auch oder teilweise eine Willensentscheidung darstellt. Therapien aus dem Umfeld evangelikaler Christen in den USA werden von der medizischen, psychologischen und psychiatrischen Fachwelt praktisch einhellig abgelehnt und als potenziell schädlich für den Betroffenen angesehen. Untersuchungen ergeben, dass Menschen, die von einer angeborenen Orientierung ausgehen, eine tolerantere Haltung gegenüber Homosexuellen haben, als jene, die diese Orientierung als persönliche Entscheidung sehen.
Teile der Lesben- und Schwulenbewegung distanzieren sich von Ursachenforschung, da sie befürchten dass diese letztlich gegen sie eingesetzt werden soll oder von Gruppen eingesetzt werden könnte, die Homosexualität aus ideologischer, religiöser oder persönlicher Abneigung nicht tolerieren wollen, um so Homosexuelle zu beseitigen oder zu isolieren. Während zu Karl Heinrich Ulrichs Zeiten (1825-1895) eine angeborene biologische Ursache als gegeben hingenommen werden musste, wäre heute sogar ein hypothetisches "homosexuelles Gen" in er Prädiagnostik erkennbar und könnte gentherapiert werden. Dies führt wieder zu weiteren ethischen Fragen, in wie weit Eltern in die sexuelle Orientierung ihres Kindes eingereifen dürfen.
Bisweilen wird kritisiert, dass die Erforschung der sexuellen Orientierung zu stark auf die Erforschung von Homosexualität ausgerichtet sei. Eine wertneutrale Forschung in diesem Bereich müsse das gesamte Spektrum der sexuellen Orientierungen im Blick haben, sonst entsteht der Eindruck einer "Rechtfertigungsforschung" und eine Diskussion um "richtig" und "falsch" in der Sexualität.

Festgestellt wurde bei Schlaganfällen neben üblichen, teilweise temporären Ändungen, wie Depressionen, Apathie, Ängstlichkeit, Labilität und Impulsivität, auch ein fremder Akzent, ein geänderter Kunststil, überhaupt auftauchendes künstlerisches Talent und noch seltener eine Veränderung der sexuellen Orientierung - in beide Richtungen.
In der Genetik kam der Zwillingsforscher Franz Josef Kallmann Anfang der 50er zum Ergebnis, dass eineiige männliche Zwillinge sich als schwul bezeichnen, wenn es der Zwillingsbruder auch ist. Bei zweiigen männlichen Zwillingen liege der Schnitt wie bei der üblichen Bevölkerung (#1). Andere Forscher kamen zu ähnlichen Ergebnissen, in den 60er Jahren kam man wiederum zu verschiedenen Ergebnissen: Einige konnten einen Zusammenhang herstellen, während andere keinen Unterschied zwischen eineiig, zweieiig und Adoptivgeschwistern feststellten. Auch die Forschungsarbeit von Dean Hamer 1993, die einen genetischen Marker auf dem X-Chromosom gefunden haben wollen, wurde vom gleichen Forschungsteam in späteren Arbeiten nicht mehr bestätigt (#2). Die Forschungsgruppe um Bailey et al. (1991 und 1993) kam wieder zu Ergebnissen ähnlich von Kallmann. Definierte sich ein eineiiger Zwillung als gleichgeschlechtlich orientiert, so stimmte dies zu etwa 50 Prozent mit der Selbstdefinition seines Zwillingsgeschwisters überein. Bei Zweieiigen waren es nur 20 bis 25 Prozent. Die Arbeiten wurden aber als methodisch fehlerhaft kritisiert, so wurde die Zygozität (eineiig oder zweiig) durch einen Fragebogen nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden im Verhalten und nicht molekulargenetisch bestimmt (#3).

In einer Zwillingsstudie aus Schweden 2008 wurden 3826 zwischen 1959 und 1985 geborene Zwillingspärchen untersucht, bei denen mindestens ein Zwilling einen gleichgeschlechtlichen Sexualpartner hatte. Durch Vergleich zwischen eineiigen und zweieiigen Zwillingspärchen wurde statistisch analysiert, welche genetischen und Umweltfaktoren die Auswahl des Partnergeschlechts beeinflussen (#4):

genetische Einflüsse auf Männer: 39 Prozent
genetische Einflüsse auf Frauen: 19 Prozent
gemeinsame Umwelteinflüsse auf Männer: 0 Prozent
gemeinsame Umwelteinflüsse auf Frauen: 17 Prozent
individuelle Umwelteinflüsse auf Männer: 61 Prozent
individuelle Umwelteinflüsse auf Frauen: 64 Prozent

Bei allen Untersuchungen ist zu beachten, dass eine homosexuelle Neigung nicht immer sicher festgestellt werden kann, da einige Probanden aus Scham, andere aus dem Nichtbewusstsein oder noch nicht Eingestandenhaben andere oder keine Angaben machen. Daher ist die Zahl homosexuell empfindender Probanden in Studien regelmäßig niedriger als tatsächlich. Außerdem ist die Anzahl der Probanden in sämtlichen Studien recht gering.
Die Hinweise mehren sich, dass eine genetische Veranlagung für männliche Homosexualität existiert, aber offenbar nicht in einem einzelnen Gen. Denkbar ist eine Kombination aus verschiedenen Erbfaktoren, eine Kombination von Erbfaktoren und hormoneller Prägung während der Schwangerschaft oder auch eine Kombination genetischer und sozialer Faktoren.

Nach einer Hypothese von William R. Rice, Urban Friberg und Sergey Gavrilets aus dem Jahr 2012 könnte die Entstehung der menschlichen Homosexualität durch epigenetische Vererbung verursacht sein. So würde bei einigen Individuen die sexuelle Präferenz der Mutter an den Sohn und die Präferenz des Vaters auf die Tochter übertragen. Das passiere dann, wenn die Epi-Marks bei den Genen, die für die sexuelle Ausrichtung verantwortlich sind, bei der Keimzelle erhalten blieben. So bilde dann beispielsweise ein Embryo zwar männliche Geschlechtsorgane aus, die sexuelle Ausrichtung auf das männliche Geschlecht wäre aber dieselbe wie bei der Mutter. Die Homosexualität des Menschen ist nach dieser Hypothese angeboren, ohne zwangsläufig in der DNA-Sequenz erkennbar zu sein. Die Hypothese erklärt, weshalb das Vorkommen von Homosexualität beim Menschen über die Zeit statistisch stabil bleibt. Nach dieser Hypothese entsteht die homosexuelle Prägung bei jedem Individualzyklus neu und darum stirbt sie evolutionär nicht aus, obwohl die meisten homosexuellen Menschen keinen eigenen Nachwuchs haben. Die Autoren der Studie geben allerdings an, dass es sich nur um eine Hypothese handele, hingegen derzeit keine empirischen Befunde für einen Zusammenhang von Homosexualität und Epigenetik sprechen würden (#5).

Eine Theorie, die auf Forschungsarbeiten des deutschen Endokrinologen und Sexualwissenschaftlers Günter Dörner zurückgeht, besagt, dass Stresshormone in der Schwangerschaft für Homosexualität verantwortlich seien. Hirne männlicher Föten "vermännlichen" in drei Phasen, deren "Vermännlichungshormone" durch Stress gestört werden. Analog dazu würde die lesbische Anlage das Produkt einer "entspannten" Mutter sein, die durch ausbleibenden Stress den weiblichen Fötus "vermännlichen". Kritiker wenden ein, dass schwule Männer demnach "weiblicher" und lesbische Frauen "männlicher" sein müssten. Es erklärt auch nicht warum z.B. schwule Männer einen "verweiblichten" Mann gegenüber einer "vermännlichten" Frau bevorzugen sollten.
Eine Veröffentlichung der schwedischen Forscher Ivanka Savic und Per Lindström vom Karolinska-Institut in Stockholm kam zum Schluss, dass die Hirne homosexueller Frauen und heterosexueller Männer eine ähnliche Asymetrie aufweisen, das jeweilige Gegenstück aber nicht.
Weiterhin wird von unterschiedlich stark ausgeprägten Nervenzellverbindungen in der Amygdala, einem Teil des limbischen Systems, berichtet. In den Gehirnen von homosexuellen Frauen und heterosexuellen Männern waren die Amygdala-Verbindungen in der rechten Hirnhälfte stärker ausgeprägt als in der linken und umgekehrt (#6).
Genetische Unterschiede, so die Forscher, seien wahrscheinlich nicht für diese Unterschiede verantwortlich, ebenso wenig Wahrnehmung und erlerntes Verhalten. Welche Mechanismen für die unterschiedliche Entwicklung verantwortlich sind und, ob diese pränatal oder erst unmittelbar nach der Geburt eine Rolle spielen, ist nicht bekannt. Wilson/Rahman sprechen sich jedoch gegen die durch diese Studie implizierte Annahme aus, homosexuelle Männer hätten „weibliche“ Gehirne und homosexuelle Frauen „männliche“, was nur gängigen Stereotypen entspräche. Sie postulieren, homosexuelle wie heterosexuelle Menschen besäßen eine mosaikartige Gehirnstruktur, bestehend aus männlichen und weiblichen Anteilen.

1996 veröffentlichten Anthony Bogaert und Ray Blanchard von der Brock University in Kanada eine Untersuchung, wonach statistisch gesehen jüngere Brüder eher homosexuell werden als ältere Brüder. Nach ihren Daten steigt die Wahrscheinlichkeit der Homosexualität bei jedem weiteren männlichen Nachkommen um ein Drittel. In einer Nachfolgeuntersuchung konnte Bogaert zudem belegen, dass dieser Effekt nicht nachträglich durch familiäre Verhältnisse (zum Beispiel Adoption) beeinflusst wird, sondern ein rein biologischer Effekt ist. Bogaert vermutet, dass beim Tragen des ersten männlichen Kindes gewisse unbekannte biochemische Prozesse bei der Mutter ausgelöst werden, die sich bei jedem weiteren männlichen Nachkommen verstärken und zu diesem Effekt führen (#7).

#1 - F. Kallmann j.: Twin and sibship study of overt male homosexuality, in: Amer. J. Human Genet 4 (1952) S. 136–146.

#2 - Quarks & Co.: Ein Gen für Homosexualität?

#3 - J. M. Bailey, R. C. Pillard (1991): A genetic study of male sexual orientation. Arch Gen Psychiatry, 48 (12): S. 1089–1096.

#4 - Niklas Långström, Qazi Rahman, Eva Carlström, Paul Lichtenstein: Genetic and Environmental Effects on Same-sex Sexual Behaviour: A Population Study of Twins in Sweden. In: Archives of Sexual Behaviour. 7. Juni 2008 (PDF)

#5 - Heinz J. Voß: Epigenetik und Homosexualität. [urlhttp://heinzjuergenvoss.de/Voss_2013_Epigenetik_und_Homosexualitaet__.pdf[/url]

#6 - I. Savic, P. Lindström: PET and MRI show differences in cerebral asymmetry and functional connectivity between homo- and heterosexual subjects. In: Proc Natl Acad Sci USA. 2008, PMID 18559854; doi:10.1073/pnas.0801566105
- Gehirne von Schwulen und Frauen ähneln sich. auf: Spiegel online. 17. Juni 2008.

#7 - R. Blanchard, A. F. Bogaert: Homosexuality in men and number of older brothers. In: Am J Psychiatry. Band 153 (1), 1996, PMID 8540587, S. 27–31.
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Sa 9. Dez 2017, 21:57

Homosexualität - Teil 3: Evolutionstheoretisches Erklärungsmodell

Die Annahme, Homosexualität sei genetisch disponiert oder beeinflusst, wirft die Frage nach dem evolutionären Nutzen auf, da Eigenschaften, welche die Fortpflanzung einer Art verringern, als schädlich eingestuft werden. Da die als wahrscheinlich anzusehende Häufigkeit von Homosexualität als nicht vernachlässigbare Größe angesehen werden kann, wird in der Wissenschaft die Frage erörtert, ob Homosexualität oder homosexuelles Verhalten, gerade auch in sozial lebenden Arten, einen evolutionären Vorteil haben könnte oder aber die offensichtlichen Nachteile bezüglich der Vermehrungsraten durch andere Vorteile oder Verhaltensweisen kompensiert werden könnten.

Verschiedene Thesen und Untersuchungsergebnisse werden erörtert:

Der Verzicht auf eigene Kinder könnte durch Verwandtenselektion der Sippe dienen, da mehr Erwachsene sich um die Nachkommen kümmern. Dadurch werden auch die verwandten Gene in die Zukunft getragen. Allerdings ist die These unzureichend, da asexuelles Verhalten denselben Effekt hätten.
Weibliche Verwandte homosexueller Männer scheinen fruchtbarer zu sein. Eine Studie der Universität Padua kam zu dem Ergebnis, dass weibliche Verwandte mütterlicherseits mehr Nachkommen haben als der Durchschnitt. Unter der Voraussetzung, dass Gene, welche auch zur Ausbildung der Homosexualität beitragen, mütterlicherseits vererbt werden und auch für die höhere Fruchtbarkeit verantwortlich sind, könnte dies den Nachteil kompensieren oder sogar überkompensieren (#1, #2).

Homosexuelles Verhalten kommt auch bei Tieren vor (#3) und kann als universelles Phänomen betrachtet werden (#4). Bei ca. 1500 Tierarten wurde gleichgeschlechtliches Verhalten festgestellt, wobei ca. ein Drittel dieser Fälle gut dokumentiert ist (#5). Homosexuelles Verhalten lässt sich beispielsweise bei den Bonobos beobachten, die über eine für Menschenaffen ungewöhnliche matriarchale Organisationsstruktur verfügen. Darüber hinaus kann man Bonobos belegbar als grundsätzlich bisexuelle Tierart betrachten. Mehr als für männliche Homosexualität sind Bonobos vor allem für ihren Lesbianismus bekannt.
Einige Trauerschwäne Australiens bilden sexuell aktive männliche Paare, die entweder Nester stehlen oder zeitweilige Dreierbeziehungen mit Weibchen eingehen, um in den Besitz von Eiern zu gelangen. Sobald die Eier gelegt sind, wird das Weibchen vertrieben. Der von homosexuellen Paaren aufgezogene Nachwuchs erreicht das Erwachsenenalter dabei häufiger als derjenige von gemischtgeschlechtlichen Paaren.
Im Zoo von Bremerhaven lebten um 2006 drei homosexuelle Paare von Pinguinen, die auch nach dem Import mehrerer schwedischer Pinguinweibchen ihre Beziehung fortsetzen. Die Ankündigung des Versuchs erregte vor allem durch die unsensible Wortwahl weltweites Aufsehen und Proteste. 2009 zog eines der Paare auch ein Küken groß.
Unter vielen Delfinarten gibt es zahlreiche Formen homosexuellen Verhaltens. Diese Verhaltensweisen treten unter anderem aus Gründen der Festigung von Beziehungen in einer Delfinschule sowie beim Dominanzkampf zwischen Männchen auf, zeigen sich also in verschiedenen sozialen Situationen.
In einer Feldstudie unter männlichen Giraffen wurde sogar beobachtet, dass Homosexualität 94 Prozent der gesamten beobachteten sexuellen Aktivität ausmachte (der Anteil liegt nie unter 30 %) - ein Wert, der bei keiner anderen Art beobachtet wurde.

Man kann die Natur mit einer Forke vertreiben, aber sie kehrt immer wieder zurück.
Horaz, römischer Dichter (65-8 v.Chr.)

#1 - Andrea Camperio-Ciani, Francesca Corna, Claudio Capiluppi: Evidence for maternally inherited factors favouring male homosexuality and promoting female fecundity. In: Proceedings. Biological sciences. Band 271, Nr. 1554. Royal Society of London, 7. November 2004, ISSN 1471-2954, S. 2217–2221, doi:10.1098/rspb.2004.2872, PMC 1691850 (freier Volltext) – (englisch, Abstract und Volltext).

#2 - Ilka Lehnen-Beyel (ddp/bdw): Wie sich Homosexualität in der Evolution durchsetzen konnte. In: wissenschaft.de. 13. Oktober 2004, abgerufen am 26. Januar 2013.

#3 - Alte Mythen, neue Rollen: 'Homosexualität: War „Flipper“ schwul?' In: GEO WISSEN Nr. 09/00 – Mann & Frau. GEO, abgerufen am 17. Mai 2007.

#4 - Nathan W. Bailey, Marlene Zuk: Same-sex sexual behavior and evolution. In: Trends in Ecology and Evolution. Band 24, 2009, S. 439–446, doi:10.1016/j.tree.2009.03.014; siehe dazu auch eurekalert.org: „Same-sex behavior seen in nearly all animals, review finds“

#5 - Susanna Bloß: Homosexualität im Tierreich. In: Geo. Gruner + Jahr, 8. März 2007, S. 1, archiviert vom Original am 17. April 2008, abgerufen am 21. März 2007: „Nachweislich gibt es 1500 Tierarten, bei denen Homosexualität ausgelebt wird - unter ihnen sind Giraffen genauso wie Fische oder Maden. 500 davon sind sogar wissenschaftlich sehr gut dokumentiert.“
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » So 10. Dez 2017, 22:37

Homosexualität - Teil 4: Homophobie und Vorurteile

Homophobie ist im Grunde keine Angst (griechisch "phobos"), sondern eine gerichtete soziale Abneigung oder Feindseligkeit. In den Sozialwissenschaften wird sie zusammen mit Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Sexismus unter den Begriff "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" gefasst.


Zwar kann Angst tatsächlich eine Triebfeder für das aggressiv-ablehnende Verhalten, nicht nur Jugendlicher, sondern auch Erwachsener gegenüber Homosexuellen sein. Aber nicht die Angst vor diesen Personen, sondern eine tiefsitzende, oft unbewusste Angst vor den eigenen unterdrückten Persönlichkeitsanteilen. Es ist demnach keine phobische Störung im klinisch-psychologischen Sinne, wie die Angst vor Spinnen (Arachnophobie). Dazu mischen sich dann eben die in die Gesellschaft getragenen Vorurteile, Verfolgungstendenzen und Gewaltpotenziale (#1, #2). Aus tiefenpsychologischer Sicht handelt es sich bei Homophobie - wie bei den anderen "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeiten" um eine meist unbewusste Angst, die eigene Identität in Frage zu stellen (#3). Homophobe Menschen beschäftigen sich häufig exzessiv mit Homosexualität und wollen sie bekämpfen. Dies wiederum schränkt Lesbe und Schwule in ihrer Entfaltung teilweise massiv ein und kann unter diesen zu psychischen Störungen entwickeln.
Aufgrund dieser und etymologischer Gründe (Etymologie - Wortherkunft) wird von manchen die Verwendung des Begriffs "homophob" gemieden.

Aus sozialpsychologischer Perspektive ist das soziale Erlernen (auch z.B. religiöse Überzeugungen) von Vorurteilen und Stereotypen Ursache für Homophobie. Sind Vorurteile und Stereotype einmal vorhanden, verstärken sie sich fortlaufend selbst, indem man an Homosexuellen genau das selektiv wahrnimmt, was dem Stereotyp entspricht.
Die Anfälligkeit für diesen Mechanismus ist nicht bei allen Menschen gleich stark ausgeprägt. Tiefenpsychologisch dient Homophobie der Abwehr von Ängsten, und das umso stärker, je geringer das Selbstwertgefühl eines Menschen, je geringer seine soziale Integration und je schlechter seine soziale Lage ist. Die Ängste der Phobiker werden allerdings nicht direkt spürbar, weshalb sie als Angst schwer nachvollziehbar sind. Gründe können sein:
  • Angst vor eigenen lesbischen oder schwulen Zügen (besonders in Männerbünden oder rechtsextremen Jugendgruppen)
  • Angst vor sozialer Unsicherheit und Streben nach Macht (man sucht eine vermeintlich noch schwächere Gruppe)
  • Angst vor der Infragestellung zentraler Normvorstellungen (ungewohnte Verhaltensweisen verunsichern und können Aggresivität fördern, aber auch unbewusst Neid auf den von dieser Gruppe geschaffenen Freiraum)
  • Angst vor dem Zerfall traditioneller Familienbilder (zwar pflegen auch viele heterosexuelle Paare nicht mehr das klassische Bild der Familie, aber dieses wird von homosexuellen Paaren deutlich sichtbarer infrage gestellt)
  • Angst vor der Infragestellung des gängigen Männlichkeitsideals (nicht perse die Verweiblichung des Mannes, sondern dass Schwule ihre "weichen" Seiten leben, die heterosexuelle Männer sich nicht erlauben, obwohl sie diese gleichermaßen besitzen, aber auch, dass Männer in Rivalitätsverhältnissen sich davon provoziert fühlen, dass Männer auch miteinander intim sein könnten)
  • Angst vor dem "Abweichenden" schlechthin (Lesben und Schwule stellen "Norm" infrage, Aggressionen gegen diese lassen sich leicht auf andere Minderheiten, wie Juden oder Ausländer umlenken (#4))
Die These, dass Homophobie auch durch Abwehr eigener schwuler oder lesbischer Anteile verursacht werde, wird durch eine Untersuchung gestützt, die Professor Henry E. Adams 1996 an der University of Georgia durchführte (#5). Es wurde die Anschwellung (Tumeszenz) mittels Phallografie gemessen. Dabei wurde festgestellt, dass 54,3 % der 35 homophoben Probanden (zum Vergleich: 24,1 % der 29 nicht homophoben Probanden) sexuell eindeutig erregt wurden beim Betrachten von Videos, die sexuelle Handlungen zwischen Männern zeigten. An der Untersuchung nahmen insgesamt 64 Männer teil, die sich alle selbst als ausschließlich heterosexuell bezeichnet hatten. Diese Untersuchungsergebnisse werden in der Psychologie so interpretiert, dass homophobe Einstellungen mancher Männer auch dadurch entstehen, dass sie sich mit eigener sexueller Erregung durch Männer nicht auseinandersetzen wollen. Die Frage nach vergleichbaren Untersuchungen mit weiblichen Probanden ist hier noch ungeklärt, obwohl bei Frauen alle anatomischen Voraussetzungen gegeben sind.
Der Soziologe Robb Willer von der Cornell University überprüfte 2004 die maskuline Überkompensationstheorie der Psychologie. Die Untersuchung zeigte, dass in ihrer Maskulinität verunsicherte Männer stärker zu Macho-Einstellungen neigen, was sich auch in einer erhöhten Neigung zu Homophobie zeigte. 111 männliche und weibliche Probanden füllten einen Fragebogen aus, der Rückschlüsse über ihre Geschlechtsidentität zulassen sollte. Man teilte die Probanden in zwei Gruppen und sagte ihnen unabhängig von den tatsächlichen Antworten, dass der Test auf eine eher männliche oder weibliche Identität schließen lasse. Danach wurden Einstellungsfragen gestellt, bei denen sich bei den Männern die Auswirkungen des Feedbacks zeigten. In ihrer männlichen Identität erschütterte Probanden zeigten mehr Unterstützung für ein Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen, mehr Opposition zur Lesben- und Schwulenbewegung und sagten öfter, dass es falsch sei, homosexuell zu sein. Sie zeigten auch mehr Zustimmung zum Irakkrieg und mehr Interesse ausschließlich für ein Sport Utility Vehicle (SUV) und keinen anderen Autotyp. Diese Einstellungen waren in einer früheren Studie als "typisch männlich" identifiziert worden. Auch zeigten sie sich stärker beschämt, schuldig, bestürzt und feindselig. Bei Frauen änderte sich das Antwortverhalten in dieser Untersuchung nicht (#6).
Laut sozialpsychologischer Ansicht entsteht Homophobie aus der Befürchtung der männlichen Geschlecherrolle nicht gerecht zu werden und der Angst vor der Feminisierung des männliches Körpers. Homophobie wäre demnach wesentlicher Teil der heterosexuellen Männlichkeit und schwulenfeindliche Beschimpfung eine Möglichkeit sich geschlechtlich zu positionieren und die Männlichkeit zu beweisen. Manche führen homophobes Verhalten auf fehlende wirtschaftliche, technische, kulturelle oder intellektuelle Fähigkeiten oder Entfaltungsmöglichkeiten.

Vorurteile gegenüber gleichgeschlechtlich Orientierten

Welche Gründe auch immer den jeweils einzelnen dazu veranlassen, homophob zu handeln, geschürt wird das ganze seit Jahrhunderten mit zahlreichen Vorurteilen. Die folgende Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zeigt aber die häufigsten Vorurteile auf:

Vorurteil: Homosexuelle entsprechen dem Sterotyp des Geschlechts, dem sie nicht angehören: Schwule sind "Tucken" und Lesben "Mannsweiber".
Kommentar: Wenn sie tatsächlich betont gegengeschlechtlich auftreten, dann geschiet dies zuweilen als "Hilfsmittel" bei der Emanzipation von traditionellen Klischees der Geschlechterrollen. Schwule Untergruppen der Bären, Muskel- und Ledermänner und lesbische Femmes bilden die Antithese zu dieser Behauptung.

Vorurteil: Wenn Homosexuelle die Oberhand gewinnen, stirbt das Volk / die Menschheit aus. Homosexuelle sind daher ein demographisches Problem.
Kommentar: Homosexuelle sind in der Minderheit und werden es bleiben. Die Daten lassen keine reale Zunahme erkennen. Allein die Sichtbarkeit ist gegenüber früher erhöht. Auch gibt es einige Schwule und Lesben, die Kinder aus anderen Beziehungen haben. In vielen Religionen dürfen Priester ebenfalls nicht heiraten und außerehelichen Geschlechtverkehr haben, was sie ebenso zu einem demographischen Problem machen würde. Aber selbst Vatikanstadt mit der welthöchsten Priesterdichte stirbt nicht aus.

Vorurteil: Alle Schwulen haben viele und häufig wechselnde Sexualpartner.
Kommentar: Es gibt zwar eine durchaus große Gruppe, die viele Sexualkontakte hat und "offene Partnerschaften" sind keine Seltenheit, aber die meisten leben genauso (seriell-)monogam wie Heterosexuelle (#7). Auch lässt sich feststellen, dass sich Schwule laut der Deutschen AIDS-Hilfe am häufigsten auf eine mögliche HIV-Infektion untersuchen lassen, heterosexuelle Erwachsene ihr Infektionsrisiko aber massiv unterschätzen (#8, #9, #10)

Vorurteil: Schwule wollen mit allen anderen Männern Sex haben.
Kommentar: Derartiges Verhalten ist bei Schwulen nicht verbreiteter als bei heterosexuellen Männern.

Vorurteil: Schwule wollen vor allem Sex mit Kindern und männlichen Jugendlichen. Schwule begehen mehr Sexualmissbrauch an Kindern, da sie kein Problem haben "naturgegebene Schranken" zu überschreiten.
Kommentar: Eine statistische Häufung des spezifisch homosexuellen Missbrauchs Minderjähriger ist nicht belegt (#11, #12). Irritierender könnte die das Ergebnis von Täterstudien sein, dass die meisten Täter gleichgeschlechtlichen Kindesmissbrauchs heterosexuell, höchstens bisexuell, meist verheiratet sind und selbst Kinder haben (#13, #14). Auch die von der römisch-katholischen Kirche unterstützten Studien kommen zu dem Schluss, dass obwohl die meisten Täter und Opfer männlich waren, nicht die Täter homosexuell waren, sondern durch den üblichen Umgang einfach ein leichterer Zugang zu männlichen Opfern bestand. Bei methodisch unzureichenden Studien werden Äpfel mit Birnen verglichen und aus dem gleichgeschlechtlichen Missbrauchsakt auf die sexuelle Orientierung geschlossen und selbst wenn diese bekannt ist, sie außer Acht gelassen wird (#15). Auch andere Beweggründe wie Macht und Sadismus werden missachtet und jeder gleichgeschlechtliche Missbrauch so Schwulen zur Last gelegt. Daraus resultiert für Homosexuelle wiederrum die Angst in ihrem Verhalten abgewertet zu werden: So zeigten Schwule, die ihre Orientierung direkt vorher angeben mussten, beim Umgang mit Vorschulkindern deutlich mehr Angst und waren ungeschickter, als jene die es nicht mussten. Bei der Vergleichsgruppe Heterosexueller konnte kein signifikanter Unterschied festgestellt werden (#16).
Zwar bevorzugen einige Schwule jüngere, aber nicht unbedingt jugendliche Partner, unterscheiden sich darin aber nicht von heterosexuellen Männern. Jugendliches Aussehen signalisiert sexuelle Vitalität, generell.

Vorurteil: Schwule sind heterosexuellen Männern an Körperkraft und Geschicklichkeit unterlegen.
Kommentar: Es sind keine Unterschiede feststellbar.

Vorurteil: Schwule und Lesben sind problemlos an Äußerlichkeiten erkennbar.
Kommentar: Die selektive Wahrnehmung sorgt dafür, dass von jenen Homosexuellen, die ihre Erscheinung bewusst einem der gängigen Klischees entsprechend gestalten, auf die Gesamtheit aller Homosexuellen verallgemeinert wird. Selbstverständlich ändern Homosexuelle auch nach ihrem Coming-Out (bis zu dem sie ja offenbar unerkannt homosexuell waren) oft nichts an ihrem Äußeren. Die meisten Homosexuellen sind vollkommen "heterolike".

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.
Helmut Qualtinger, österreichischer Schauspieler und Kabarettist (1928-1986)

#1 - Dokumente lesbisch-schwuler Emanzipation des Fachbereichs für gleichgeschlechtliche Lebensweisen Nr. 15: Opfer, Täter, Angebote – Gewalt gegen Schwule und Lesben. (PDF; 571 kB) Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, Berlin 2002, S. 32/33.

#2 - Matthias Reisaus: Normalität, Integration oder Ausgrenzung gleichgeschlechtlich orientierter Personen am Arbeitsplatz. Diplomarbeit, 2003
– „3.2 Homophobie“, S. 23(24) – lt. Duden, Fremdwörterbuch 2001 immer noch „krankhaft“ – lsvd.de (PDF; 364 kB)

#3 - Kurt Wiesendanger: Heterosexismus und Homophobie. In: Psychoscope. 2002, Heft 2. Psychoscope. ist die Zeitschrift der Föderation der Schweizer Psychologen. Artikel auch online verfügbar: "Heterosexismus und Homophobie" (s. Einleitung | Überhöhte Hetero-Werte | Angst und Abwehr)

#4 - Senatsverwaltung für Inneres, Abteilung Verfassungsschutz (Hrsg.): Rechtsextremistische Skinheads. (PDF; 680 kB) Studienreihe „Im Fokus“. Berlin 2003.

#5 - Henry E. Adams, Lester W. Wright, Jr., Bethany A. Lohr: Is Homophobia Associated With Homosexual Arousal? (PDF; 609 kB) In: Journal of Abnormal Psychology. 1996, 105 (3), S. 440–445.

#6 - Robb Willer: Overdoing Gender: Testing the Masculine Overcompensation Thesis. Vortrag auf der 100. Jahrestagung der American Sociological Association (ASA) im 15. August 2005 in Philadelphia; bei Robb Willer Cornell University: Overdoing Gender: A Test of the Masculine Overcompensation Thesis (Memento vom 21. Februar 2006 im Internet Archive). Daniel Aloi: Men overcompensate when their masculinity is threatened, Cornell study shows. Cornell University News Service, 2. August 2005. Lukas Wieselberg: Männer überkompensieren erschütterte Identität. science.orf.at, 5. August 2005.

#7 - Nathaniel Frank: “Most Gay Couples Aren’t Monogamous”? That's Not Dirty, a Secret, or True.. In: Slate, 27. Juni 2013.

#8 - Immer mehr Spätdiagnosen: Frauen unterschätzen HIV-Infektion[Url]. In: n-tv, 7. März 2015.

#9 - [url=http://derstandard.at/2676449/Erwachsene-lassen-sich-zu-spaet-testen]"Erwachsene lassen sich zu spät testen"
. In: Der Standard, 5. Juni 2007.

#10 - HIV-Tests: viele versäumte Chancen. In: magazin-hiv, Deutsche AIDS-Hilfe, 22. November 2013.

#11 - Andreas Brunner: Homosexualität und Kriminalstatistik. QWIEN.at, 27. Juli 2012; Rezension zu Hans-Peter Weingand: Homosexualität und Kriminalstatistik. In: Invertito. 13. Jg. (2011)

#12 - Gregory M. Herek: Facts About Homosexuality and Child Molestation. psychology.ucdavis.edu, 1997–2009.

#13 - Carole Jenny, Thomas A. Roesler, Kimberly L. Poyer: Are Children at Risk for Sexual Abuse by Homosexuals?In: Pediatrics. Vol. 94 No. 1 July 1994, S. 41–44.

#14 - Mark E. Pietrzyk: Homosexuality and Child Sexual Abuse: Science, Religion, and the Slippery Slope Version: 9. Oktober 2006 (Studie: Gene G. Abel)

#15 - G.M. Herek: Myths about sexual orientation: A lawyer’s guide to social science research In: Law and Sexuality, 1991, v. 1, S. 133–172; Ausschnitt Myth No. 4: Homosexuals are more likely than hete rosexuals to molest children sexually. qrd.org

#16 - Jennifer K. Bosson, Ethan L. Haymovitz, Elizabeth C. Pinel: When saying and doing diverge: The effects of stereotype threat on self-reported versus non-verbal anxiety. In: Journal of experimental social psychology. 2004, Vol. 40, Nr. 2, ISSN 0022-1031, S. 247–255.
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mo 11. Dez 2017, 10:29

Homosexualität - Teil 5: Der böse Schwule - Homosexualität und Moral

Es stellt sich natürlich die Frage, warum ich nicht einfach nach dem evolutionären Erklärungsmodell Schluss gemacht habe und mich weiter dem Thema widme. Es geht zum einen um eine möglichst umfangreiche Aufarbeitung des Themas und zum anderen, um eine persönliche Erfahrung.

Vor einiger Zeit hatte ich ein interessantes Gespräch über den Werteverfall in der Gesellschaft, herbeigeführt durch den Atheismus. Kernaussage war: Jetzt wo Homoehen legal sind, ist es kein weiter Weg mehr zur erlaubten Pedosexualität und Sodomie. Es wurde vorgebracht, dass ein animiertes Tier ja aus freien Stücken mitmacht. Ich gab kein Kontra und überdachte die Sache.

Im Grunde werden hier Homosexuelle mit Kinder- und Tierschändern gleichgesetzt. Sieht man einmal von der Ansicht ab, dass Homosexuelle über die Gene oder Hormone nicht als zurechnungsfähig gelten, ist ihre Partnerwahl im Grunde nicht anders geartet, als die von heterosexuellen Menschen, nämlich über Gene und Hormone. Und tatsächlich wurde psychologisch nahegelegt, dass Verliebte offenbar keinen Unterschied zu Wahn- oder Schwachsinnigen aufweisen. Homosexuelle sind also genauso vom Teufel besessen oder nicht besessen und in ihrer geistigen Ausprägung gehemmt oder nicht gehemmt, wie der Rest dieser verkorksten Menschheit.
Für einen Atheisten ist es natürlich ein vergnügliches Bild, da die Legalität von gleichgeschlechtlichen Beziehungen eindrucksvoll zeigt, wie schwach der Einfluss der Religionen doch inzwischen geworden ist.


Selbstverständlich sind Dinge, die der Bibel widersprechen immer der Untergang von Moral und Anstand.
Das einzig "unnormale" an gleichgeschlechtlichen Ehen ist jedoch, dass keine Nachkommen gezeugt werden. Mitlerweile dürfen diese Paare aber in einigen Ländern, oft unter Auflagen, auch adoptieren. Homosexualität ist nämlich nicht ansteckend und wird auch nicht zwangsläufig antrainiert. Vielleicht wachsen deren Adoptivkinder (oder Kinder aus früheren Beziehung oder einer "Leihmutter") sogar toleranter auf, da sie den stetigen Gegenwind und die Intoleranz der Gesellschaft bei ihren Eltern verspüren. Da wiederum kenne ich die Studienlage nicht.

Der hinkende Vergleich von Homoehen und in nächster Zeit folgender Legalisierung von Pedophilen und Sodomisten ist natürlich weit her geholt. Für einvernehmlichen Sex gilt immer noch, dass die eigenständige Entscheidung auf einem Mindestalter bzw. einem gewissen Reifegrad geruht. Daran hat die Homoehe nichts geändert.
Natürlich kann Gott willkürlich entscheiden, welche Ehen er zulässt und welche nicht. Er ist immerhin Gott. Widernatürlichkeit wäre aber eine doofe Ausrede, da auch Dornenbüsche, die nicht verbrennen, obwohl sie in Flammen stehen, widernatürlich sind. Und auch sprechende Esel.

Nebenher: Die meisten Missbrauchsfälle bei Kindern finden in der Familie statt, so dass eine Person, der eigentlich Vertrauen gehören sollte, dieses als Vorschuss ausnutzt. Es handelt sich aber auch bei Überreden um eine einseitig gesteuerte und aufgezwungene sexuelle Beziehung. Dies gehört selbstverständlich verboten und bestraft.
Bei der Sodomie ist es kaum anders. Besonders Schöpfungsanhänger sprechen dem Tier jegliche Vernunftbegabung ab, um den Mensch in seiner Stellung zu erhöhen. Wie soll Sex mit einem triebgesteuerten Wesen dann mit einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr gleichgesetzt werden können? Wie wird das eine zum Sprungbrett in die Legalität für das andere?
Führen wir einfach selbst einen hinkenden Vergleich an: Wenn ich auf dem Bett gefesselt von einer holden Maid am Glied bespielt werde, dann wird es fast unweigerlich steif. Das bedeutet aber selbstverständlich nicht, dass der Sex dann einvernehmlich werde. Ich reagiere lediglich auf Reize. Es bleibt eine Vergewaltigung. (Die Wahrscheinlichkeit eines solches Falles ist verschwindend gering, da die überwältigende Mehrheit aller Vergewaltiger Männer sind.)

Die Übertragung des HI-Virus (das Virus das zu AIDS führen kann) während des Geschlechtsaktes ist ja nur eine Möglichkeit AIDS (also die durch HIV ausgebrochene Krankheit) zu verbreiten. Es gibt auch die Übertragung von der Mutter an das Kind während der Schwangerschaft (das Risiko liegt bei ca. 10 - 30 % aller Schwangerschaften, bei denen die Mutter das Virus in sich trägt), durch Bluttransfusion (etwa 92 % aller HIV-Infektionen) und durch Mehrfachnutzung von Nadeln oder Kanülen (z.B. beim Drogenkonsum).

Geschätztes Übertragungsrisiko nach Infektionsweg (Risiko pro 10.000 Kontakten mit infektiöser Quelle, (#1))

Bluttransfusion - 9 250
Drogeninjektion mit gebrauchter Nadel - 63
Nadelstich durch die Haut - 23

Ungeschützter Geschlechtsverkehr:
- Analverkehr, empfangender Partner - 138
- Vaginalverkehr, empfangender Partner - 8
- Analverkehr, einführender Partner - 11
- Vaginalverkehr, einführender Partner - 4

Fälle von HIV-Übertragung durch Oralsex wurden wissenschaftlich dokumentiert, sind jedoch selten.
Eine präzise Schätzung des Risikos ist aufgrund der schlechten Datenlage nicht verfügbar.

Das erste entdeckte HI-Virus war HIV-1, Subtyp B aus der Hauptgruppe M. Dieses Virus tauchte erstmals um 1930 in Zentralafrika auf. Ein internationales Forscherteam kommt nach Gen-Analysen zahlreicher HIV-Subtypen aus aller Welt zu dem Schluss, dass dieses Virus um das Jahr 1966 herum von Afrika nach Haiti gelangte. Die Untersuchungen belegen ferner, dass sich das Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit zunächst innerhalb von Haiti und dann von dort über die ganze Welt ausbreitete. So erreichte es von Haiti aus 1969 die USA, wie man anhand von Virusproben der ersten bekannten AIDS-Patienten aus Haiti nachvollziehen konnte. In den USA habe sich das Virus zunächst sehr langsam in der heterosexuellen Bevölkerung ausgebreitet, bevor es sich dann wenig später innerhalb der Hochrisiko-Gruppe homosexueller Männer stärker verbreitete.
Größter kausaler Zusammenhang zwischen der Ausbreitung von HIV und AIDS ist übrigens nicht die sexuelle Orientierung, sondern die Anzahl der außerehelichen Seitensprünge und ob Kondome genutzt werden (#2).
Offenbar ist das HI-Virus auch eine abgewandelte Art des fast identischen SIV (simiane Immundefizit-Virus), die bei Affenarten, wie den Weißnasenmeerkatzen und Halsbandmangaben vorkommt. Möglicher Infektionsweg vom Tier zum Menschen waren Verletzungen bei der Jagd oder der Verzehr von infizierten Schimpansen, wobei es Hinweise gibt, dass dies in isolierten Fällen bereits früher geschah. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass das HI-Virus zuerst in Westafrika auftrat, jedoch ist nicht mit letzter Sicherheit geklärt, ob es nicht mehrere Virusherde gab. Neue phylogenetische Untersuchungen, also Verwandtschaftsvergleiche zwischen den unterschiedlichen Subtypen von HIV und zwischen HIV und SIV, lassen vermuten, dass mehrere unabhängige Übertragungen vom Schimpansen auf den Menschen in Kamerun und/oder dessen Nachbarländern stattfanden.

Hier kommt die Krux: Gerade, dass sich Homosexuelle in verschiedenen Teilen der Welt, dafür stark machen, dasd ihre Form der Liebe legalisiert und die gleichgeschlechtliche Ehe anerkannt wird, zeigt ja, dass deren Moral nicht schlechter gestellt ist. Wie der Rest der Menschheit leben sie zunehmend seriell monogam. Die oben geführte Statistik unterscheidet ja ebenfalls nicht zwischen Hetero und Homo.

Homos sind einfach die modernen Brunnenvergifter und Hexen, da eine jede Zeit ihre Sündenböcke braucht. Sicherlich wären viele auch für einen kurzen und raschen Angriff von Godzilla, wenn sich damit Missstände in der Welt leichter erklären ließen.
HIV/AIDS ist leider keine Geißel Gottes, da die Menschen so sündhaft sind, sondern ein mindestens 32.000 bis 75.000 Jahre altes Virus, wie durch Vergleiche von der vor Afrika liegenden Insel Bioko und vom afrikanischen Festland stammenden Proben ermittelt wurde (#3). Laut Bibel gab es da noch keine Menschen, die hätten sündigen können. Laut der akkadischen Königsliste wäre es aber möglich, da diese in sehr weit zurückliegende Zeiten verweist, indem die alten Könige mit Jahrtausenden an Regentschaft versehen wurden. Und sollte es eine göttliche Plage sein, bleibt die Frage, warum sie alle treffen kann, wenn doch nur ein geringer Anteil der Bevölkerung dafür verantwortlich sein soll.

Der zu lösende Widerspruch ist also nicht, ob Homosexuelle moralisch weniger wert sind, sondern warum in dieser ach so moralischen Welt das Gesuch einer festen Partnerschaft so schwer zu erkämpfen ist.

Toleranz wird oft mit Meinungslosigkeit verwechselt. Aber nicht der Meinungslose ist tolerant, sondern der, der eine Meinung hat, aber es anderen zubilligt, eine abweichende Meinung zu haben und diese auch zu sagen.
Manfred Rommel, deutscher Politiker (geb. 1928)

#1 - CDC: Zahlen zur mittleren Übertragbarkeit von HIV, pro Akt. Abgerufen am 05. Dezember 2017 (englisch).

#2 - UNAIDS: A Surprising Prevention Success: Why Did the HIV Epidemic Decline in Zimbabwe? doi:10.1371/journal.pmed.1000414.

#3 - Ursprungsvirus von HIV älter als gedacht, science.ORF.at, 17. September 2010
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Di 12. Dez 2017, 09:48

Über die göttliche Autorenschaft der Bibel - Teil 1: "Weißt du, wieviel Sternlein stehen ..."

Originaltext (1837)

Weißt du, wie viel Sterne stehen
An dem blauen Himmelszelt?
Weißt du, wie viel Wolken gehen
Weithin über alle Welt?
Gott der Herr hat sie gezählet,
Daß ihm auch nicht eines fehlet,
An der ganzen großen Zahl.

Weißt du, wie viel Mücklein spielen
In der hellen Sonnenglut?
Wie viel Fischlein auch sich kühlen
In der hellen Wasserflut?
Gott der Herr rief sie mit Namen,
Daß sie all’ ins Leben kamen,
Daß sie nun so fröhlich sind.

Weißt du, wie viel Kinder frühe
Stehn aus ihren Bettlein auf,
Daß sie ohne Sorg’ und Mühe
Fröhlich sind im Tageslauf?
Gott im Himmel hat an allen
Seine Lust, sein Wohlgefallen,
Kennt auch dich und hat dich lieb.

- Wilhelm Fey (1789-1854), evangelischen Pfarrer und Dichter

Heute übliche Textfassung

Weißt du, wie viel Sternlein stehen
an dem blauen Himmelszelt?
Weißt du, wie viel Wolken gehen
weithin über alle Welt?
Gott der Herr hat sie gezählet,
dass ihm auch nicht eines fehlet
|: an der ganzen großen Zahl. :|

Weißt du, wie viel Mücklein spielen
in der heißen Sonnenglut,
wie viel Fischlein auch sich kühlen
in der hellen Wasserflut?
Gott der Herr rief sie mit Namen,
dass sie all ins Leben kamen,
|: dass sie nun so fröhlich sind. :|

Weißt du, wie viel Kinder frühe
stehn aus ihren Bettlein auf,
dass sie ohne Sorg und Mühe
fröhlich sind im Tageslauf?
Gott im Himmel hat an allen
seine Lust, sein Wohlgefallen,
|: kennt auch dich und hat dich lieb. :|


Der "normale Werdegang" eines Bibelstudiums mit Zeugen Jehovas wäre das Studium der Bibel anhand des Büchleins "Was lehrt die Bibel wirklich?". Mit anschließender Taufe gelobt man als ordinierte Schwester oder ordinierter Bruder Gott und seiner irdischen Organisation Treue. Um das Bibelwissen zu vertiefen folgt das Studium des Buches "Bleibe in Gottes Liebe". Da bei mir aber das bereits 2 1/2 jährige Studium und die regelmäßigen Zusammenkunftsbesuche nicht so recht fruchteten, war das zweite Buch keine wirkliche Option, da ich ja noch gar nicht Gott liebte. Da ich noch immer von der Evolution überzeugt war (und bin), sollten kreationistische Broschüren meine Überzeugung ändern. Wie ihr an diesem Thread seht, klappte das auch nicht. Also sollten mir mit dem Buch "Komm Jehova doch näher" Gottes Eigenschaften Macht, Weisheit, Gerechtigkeit und Liebe näher gebracht werden. Das Buch war vor nicht allzu langer Zeit im Versammlungsbibelstudium besprochen worden. Die meisten Gedanken also noch frisch im Gedächtnis. Ab und an merke ich, dass ich gut darin bin, hier und dort Geschriebenes zu vergleichen. Ich bemerkte dies wieder bei der Bibelbuchbesprechung zu Nahum, einem der "kleinen" Propheten, in der Woche vom 27.11. - 03.12.2017. Ein Vers fiel mir besonders auf:
Du hast deine Händler mehr als die Sterne der Himmel gemehrt. Was die Heuschreckenart betrifft, sie streift tatsächlich ihre Haut ab; dann fliegt sie davon.
- Nahum 3:16

Nahum schreibt über die Verderbtheit Ninives, der Hauptstadt des assyrischen Reiches. Gott hatte sie einst verschont, als Jona (der Typ, der zuvor von einem Fisch verschluckt wurde) mit einer Gerichtsbotschaft die bösen Niniviten zur Reue brachte. Aber das hielt offenbar nicht lange an. Also stand wieder ein Gericht an, dass die Meder und Perser dann in ihrem Eroberungsdrang fleißig erfüllten. Einer der Kritikpunkte war die Voranstellung übertriebenen Reichtums, dargestellt durch die zahlreichen Händler. Der Vergleich mit den Sternen ließ mich aufhorchen.

Auch im Buch "Komm Jehova doch näher" wird die Zahl der Sterne erwähnt.
Noch beeindruckender als die Größe der Sterne ist ihre Zahl. In der Bibel wird erwähnt, dass die Sterne praktisch unzählbar sind, ähnlich wie "der Sand des Meeres" (Jeremia 33:22). Demnach müsste es weit mehr Sterne geben, als man mit bloßem Auge sehen kann. Hätte ein Bibelschreiber wie Jeremia zum Nachthimmel geblickt und versucht, die Sterne zu zählen, wäre er nämlich nur auf rund 3 000 gekommen. So viele Sterne kann man in einer klaren Nacht ohne Teleskop erkennen. Diese Zahl ließe sich allenfalls mit der Anzahl von Körnern in einer Hand voll Sand vergleichen. In Wirklichkeit ist die Zahl der Sterne aber überwältigend - vergleichbar mit dem "Sand des Meeres". * Wer könnte so eine Menge zählen?
- Kapitel 5 “Schöpferische Macht - Jehova hat Himmel und Erde gemacht“

Der Stern vor der Schlussfrage, die - Wie sollte es anders sein? - nur mit "Jehova" beantwortet werden kann, steht für eine Fußnote. Auch diese möchte ich nicht vorenthalten:
Manche sind der Auffassung, es habe schon in biblischen Zeiten eine Art primitives Fernrohr existiert. Wie sonst, argumentieren sie, hätte man damals wissen können, dass es so unsagbar viele Sterne gibt, ja dass sie für Menschen unzählbar sind? Bei solchen haltlosen Spekulationen wird Jehova, der Autor der Bibel, völlig übergangen (2. Timotheus 3:16).

Aber vielleicht, und das dachte ich mir schon, bevor ich Nahum gelesen hatte, ist die Lösung viel simpler.
Jeremia kannte die Zahl der Sterne wohl einfach nicht, so wie heute auch keiner nachzählt. Was aber auffällt: Je länger man in den Sternenhimmel schaut, desto mehr Sterne sind sichtbar. Natürlich nur bis zur genannten Maximalzahl, aber bis dahin scheint es, als würden immer neue auftauchen. Erst schwach, dann immer stärker. Der Vergleich mit den Sandkörnern liegt also nahe, da auch diese niemand zählt.
In Nivine werden vermutlich keine 200 Milliarden mal 150 Milliarden Händler gearbeitet haben (geschätzte Anzahl der Sterne in der Milchstraße multipliziert mit der geschätzten Anzahl aller Galaxien in unserem Universum) und dennoch werden sie mit der Zahl der Sterne verglichen.
Aus der bildhaften Umschreibung der Herrlichkeit und der unermesslichen Ausdehnung des nächtlichen Himmels muss mitnichten der Gedanke an göttliche Inspiration entspringen, auch wenn Jeremia ein Prophet des "wahren" Gottes war. So bleibt auch dies nur eine haltlose Spekulation.
Es ist völlig verständlich, nach naturalistischen Erklärungen für eine solche Mengenangabe zu suchen, obgleich mir selbst die kritisierte Möglichkeit nicht in den Sinn kam und recht konstruiert wirkt. Problematisch wird es ja erst, wenn man kategorisch ausschließt, weil es dem göttlichen Anstrich Abbruch tut. Diese Sicht engt ein und versperrt den Blick auf die Mannigfaltigkeit der Geschichte.
Geschliffene Glassteine jedenfalls gab es schon vor Jeremia. Und zumindest das ist keine haltlose Spekulation.

Tja, es bewahrheitet sich mal wieder:
Jeder Superlativ reizt zum Widerspruch.
Otto von Bismark, deutscher Politiker (1815-1898)


Nachtrag 14.07.2022:

Auch in 5. Mose Kapitel 1, Vers 10 spricht von einem ziemlich großen Volk.

"Jehova, euer Gott, hat euch zahlreich werden lassen und ihr seid jetzt so viele wie die Sterne am Himmel."

Das ist ein weiteres Indiz, dass es sich bei diesem Vergleich nie um eine reale Mengenangabe oder ein mathematisches Gleichnis handelt, sondern lediglich um einen bildhaften Vergleich.
Denn wären sie tatsächlich so zahlreich, wäre der Einfall ins gelobte Land ja kein Problem und Gott müsste die anderen Völker nicht vor ihnen vertreiben. Ihre schiere Anzahl würde sie jeden Kampf gewinnen lassen und jeden Verlust aufwiegen. Es ist und bleibt eine Metapher für ein einfaches "echt ganz schön viel". Nicht mehr und nicht weniger.
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"If the biggest problem that you're having in the twenty-first century involves
what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
priorities." - Forrest Valkai


("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
Erwachsener mit deren Einverständnis machen, musst du möglicherweise deine
Prioritäten neu bewerten.")

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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mi 13. Dez 2017, 08:36

Grundlagen: Gottesbeweise - Teil 1: Die klassischen Gottesbeweise

Was ist ein Gottesbeweis?

Ein Gottesbeweis ist ein Versuch, mit Hilfe rationaler Argumente die Existenz Gottes zu beweisen. Obwohl dies bisher nicht gelungen ist, werden auch widerlegte Thesen immer wieder hervorgekramt. Für Debatten ist es hilfreich, die gängigen Gottesbeweise und ihre Widerlegungen zu kennen, um nicht ebenso in unbewussten Selbstbetrug zu fallen. Oft wirke ein Argument stichhaltig und ohne Gegenthese.
Aber auch unter Theisten sind Gottesbeweise umstritten. Viele Theologen vertreten die Auffassung, dass diese Beweise überflüssig seien. Sie seien sogar in einer gewissen Weise kontraproduktiv. Denn all diese "Beweise" implizieren, dass Gott beziehungsweise seine Existenz zumindest in Teilen auch der Logik dieser Welt unterliegt und Gott damit logisch zugänglich ist. Mehr noch: Wenn man den Glauben in den Rang einer Tugend erhebt, dann würde ein Beweis den Glauben selbst nutzlos machen. Wenn man etwas beweisen kann, dann braucht man nicht daran zu glauben, folglich wäre der Glaube überflüssig. Gerade, so argumentiert man, ohne Beweise geglaubt wird, sei besonders erstrebenswert.
Wie sollte ein Ungläubiger aber dann zum Glauben kommen? Gottesbeweise finden sich daher vor allem in der Apologetik, die dazu dient, Ungläubige vom Glauben an Gott zu überzeugen. Problematisch an der Auffassung, dass der Glaube keine Gründe, Argumente, logische/empirische Beweise oder Evidenzen braucht, ist, dass man ohne diese buchstäblich auch alles andere glauben kann, und sein Gegenteil.

Befassen wir uns anfangs mit den klassischen Gottesbeweisen, die da wären:
- Der kosmologische Gottesbeweis (Thomas von Aquin)
- Der Stufenbeweis
- Der teleologische Gottesbeweis
- Der ontologische Gottesbeweis (Anselm von Canterbury)
- Der eudämonologische Gottesbeweis
- Der axiologische Gottesbeweis
- Der moralische Gottesbeweis
- Der historische oder ethnologische Gottesbeweis

Zumeist treffen diese Darstellungen den christlich-biblischen Glauben, kännen aber auch auf einige andere Glaubensrichtungen teilweise angewendet werden.

Der kosmologische Gottesbeweis (Thomas von Aquin)

Der kosmologische Gottesbeweis schließt aus der Existenz des Geschaffenen auf die Existenz eines Schöpfers. Thomas von Aquin variiert das in drei Formen:
  • Alles, was sich bewegt, lässt sich stets auf einen Beweger zurückführen. Dieser Beweger wiederum wird ebenfalls von etwas anderem bewegt usw. Da ein Anfangspunkt aller Bewegung bzw. der "Schöpfung" angenommen wird, muss es einen "ersten", einen unbewegten Beweger geben, nämlich Gott.
  • Ähnlich lautet die zweite Variante: Jedes Seiende ist die Wirkung einer Ursache, die selbst wiederum Wirkung einer anderen Ursache ist. Auch hier muss es eine "erste", eine unverursachte Ursache geben. Diese beiden Varianten finden sich in der Andeutung bereits bei Aristoteles.
  • In der dritten Variante des Thomas von Aquin argumentiert er mit der Erfahrung, dass Seiendes nicht notwendig existiert, sondern durch Entstehen und Vergehen bestimmt ist. Weil aber die Welt insgesamt existiert, muss es etwas geben, das notwendig existiert. Dieses notwendig Existierende kann Gott genannt werden.
Gegenargument der eigentständigen Entität: Der Gedankengang erscheint zunächst schlüssig. Auch eine Urknalltheorie geht vom Konzept einer "ersten Ursache" beziehungsweise einer ersten Bewegung aus. In der Religion wird nun diese Ursache mit "Gott" betitelt, in der Naturwissenschaft mit "Nichts". Und dieses "Nichts" ist in der Tat treffender, denn diese erste Ursache beziehungsweise der "Ursprung" ist das, worüber konsequenterweise keine Aussagen gemacht werden können. Dass sich aus der Logik ein solches erstes Prinzip ergibt, bedeutet längst nicht, dass dieses auch jene Attribute habe, wie sie Gott zugesprochen werden und die dazu führten, dass dieses Prinzip "Gott" genannt werden könnte. Mit anderen Worten: Es ergibt sich aus dem Gedankengang nicht, dass dieses erste Prinzip Attribute wie "Bewusstsein", "Güte" etc. habe, noch, dass es als Wesen bezeichnet werden kann. Hier wird jeweils in dieses "Nichts" ein allmächtiges Wesen projiziert und zwar in genau der Weise, wie man es sich vorstellt, nicht jedoch, wie es sich aus dem Gedankengang ergäbe. Denn dieser ergibt lediglich das "Nichts".
Habe nun ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie! durchaus studiert mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! und bin so klug als wie zuvor; heiße Magister, heiße Doktor gar, und ziehe schon an die zehen Jahr herauf, herab und quer und krumm meine Schüler an der Nase herum – und sehe, dass wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen!
- Faust I, Johann Wolfgang von Goethe

In diesem Zusammenhang lassen sich auch einige Bibelverse als kosmologische Gottesbeweise sehen:
  • Römerbrief 1:20,21: "Denn seine unsichtbaren [Eigenschaften] werden seit Erschaffung der Welt deutlich gesehen, da sie durch die gemachten Dinge wahrgenommen werden, ja seine ewigwährende Macht und Göttlichkeit, so daß sie unentschuldbar sind; denn obwohl sie Gott kannten, verherrlichten sie ihn nicht als Gott, noch dankten sie ihm, sondern sie wurden hohlköpfig in ihren Überlegungen, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert." (Neue-Welt-Übersetzung)
    Die Behauptung "Gott existiert" wird eben nicht dadurch bewiesen, dass man die ebenso unbewiesene Behauptung "Das Universum wurde geschaffen." aufstellt.
  • Hebräer 3:4: "Denn jedes Haus wird von jemand erbaut; der aber alles erbaut hat, ist Gott." (Elberfelder Bibel)
    Ein Kreisaufseher (der lokalen Ältestenschaft übergeordnete Kontroll- und Lehrinstanz) erklärte mir mal anhand dieses Bibeltextes, man müsse sich nur noch entscheiden. Egal, ob man Evolutionist oder Intelligent Designer sei, alles laufe auf jenen Bibeltext hinaus. Auch die nichtreduzierbare Mausefalle kam, sowie der Vorwurf die Evolutionstheorie sei keine wissenschaftliche Theorie, nicht einmal eine Hypothese. Die Art, wie er die Worte (seinen eigenen Kongressvortrag zitierend) verwendete, zeigte mir deutlich, dass er sich mit keinem der Begriffe näher beschäftigt hatte. Die Mikroevolution sei ja zweifelsfrei hinterlegt, das beweise aber nicht die Makroevolution. Er fabulierte über Intelligent Design, die nicht von einem göttlichen Schöpfer sprächen, weil das gesellschaftlich nicht anerkannt sei. Und stellte mich vor eben jene Entscheidung: Glaube ich nun an einen Schöpfer oder bin ich nach wie vor von der Evolution überzeugt. (#1)
  • Hiob 26:7 "Er spannt den Norden aus über dem leeren Raum, hängt die Erde auf an nichts" (Neue-Welt-Übersetzung)
    Zweifelsohne wäre die Art der Interpretation der Beschreibung der Erde nicht nur zutreffend, sondern auch, wie beschrieben, erstaunlich, wenn der biblische Mose wie behauptet, tatsächlich der Schreiber des Buches Hiob gewesen wäre (was in Fachkreisen bezweifelt wird) und, wenn Mose vor etwa 3500 Jahren gelebt hätte (was in Fachkreisen ebenfalls bezweifelt wird). Viel wahrscheinlicher ist eine Entstehung der Bücher Mose und Hiob zur Zeit des Exils in Babylon und eine Rückdatierung auf eine vorbabylonische Zeit (#2).
    Das wäre nicht ungewöhnlich, ist es doch in früheren und späteren Zeiten durch verschiedene andere Reiche und Dynastien genau so geschehen. Einziger Unterschied: Dort wird ohne Aufhebens der von mir beschriebene Vorgang akzeptiert, nicht jedoch bei der Bibel, beziehungsweise dem israelischen Volk. Es würde der Glaubwürdigkeit der Bibel schaden, einzugestehen, dass die Schreiber deutlich später schrieben und das es bei den angeblich so alten Büchern um mehr als einen Schreiber handelt.

    Warum dieser Bogen in die Geschichte?
    Dem griechischen Gelehrten Pythagoras (um 570 - nach 510 v.u.Z.) lebte zur Zeit des babylonischen Exils und ihm wird das Globus-Modell zugeschrieben. Auch Platon (428/427 v.u.Z. - 348/347 v.u.Z.) und dessen Schüler Aristoteles (384 v.u.Z. - 322 v.u.Z.) waren die Kugelgestalt bekannt. Letzterer gab in seiner Schrift Über den Himmel aus dem 4. Jahrhundert v.u.Z. folgende Gründe für die Kugelgestalt der Erde an:
    • Sämtliche schweren Körper streben zum Mittelpunkt des Alls. Da sie dies von allen Seiten her gleichmäßig tun und die Erde im Mittelpunkt des Alls steht, muss sie eine kugelrunde Gestalt annehmen.
    • In südlichen Ländern erscheinen südliche Sternbilder höher über dem Horizont.
    • Der Erdschatten bei einer Mondfinsternis ist stets rund.
    Die erste Messung des Erdumfangs wird Eratosthenes (zwischen 276 und 273 v.u.Z. - um 194 v.u.Z.) im späten 3. Jahrhundert v.u.Z. zugeschrieben. Er nutzte die Beobachtung, dass die Sonne in Syene (heute Assuan in Südägypten) zur Sommersonnenwende mittags im Zenit steht und gleichzeitig in Alexandria (etwa auf gleichem Längengrad in Nordägypten) um 7° vom Zenit entfernt. Aus dem Abstand zwischen Syene und Alexandria, der aus dem Verlauf des Nils zu 5000 Stadien angenommen wurde, und dem Einfallswinkel (7° oder etwa 1⁄50 des Vollkreises) ergab die Rechnung einen 50-mal größeren Erdumfang, also 250.000 Stadien. Da die beiden Städte etwa 850 km Luftlinie voneinander entfernt sind, kommt Eratosthenes dem wahren Erdumfang (40.007,76 km) schon nahe. Seine genaue Maßeinheit ist aber nicht überliefert.

    Bereits das die Sonne "hinter" der Erde stand und ihr Licht an der Erde vorbei auf den Mond warf, ist nur dann möglich, wenn keines dieser Objekte den Boden bildet (wie Flacherdler ja dies für die Erde behaupten). Unabhängig davon, ob die Erde den Mittelpunkt dieses Systems bildet oder die Sonne (denn beide Theorien kursierten damals) war durch den Schattenwurf ersichtlich, dass weder Faden noch Stütze benötigt werden, um Planeten auf ihren Bahnen zu lassen. Dies erkennt man auch bei teilweisen Sonnenfinsternissen, bei denen sich der "nicht aufgehängte" Mond vor die Sonne schiebt.

    Die Zeit des babylonischen Exils wird auch mehrheitlich in der Wissenschaft für die Entstehungszeit des Pentateuchs und des Buches Hiob aufgrund redaktioneller Zusammensetzung, Schreibform und der Verwendung historischer Begriffe in den Texten angenommen.
    Eine göttliche Eingebung haben die Griechen für ihre Überlegungen nicht benötigt. Wieso also die Hebräer? (#2)
  • Psalm 8:3, 4: "Wenn ich deine Himmel sehe, die Werke deiner Finger, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der sterbliche Mensch, dass du seiner gedenkst?" (Neue-Welt-Übersetzung)
  • Sprüche 3:19: "Jehova selbst hat in Weisheit die Erde gegründet. Er hat die Himmel mit Unterscheidungsvermögen fest erstellt" (Neue-Welt-Übersetzung)
    Das sich die Objekte am Himmel, sowie auf der Erde nach Gesetzmäßigkeiten richten, bedeutet mitnichten, dass ein Gesetzgeber dahinter steht, sondern vielmehr, dass in Ermangelung eines anderen Wortes, diese Naturgesetze als solche bezeichnet werden.
    Denn Gesetze kann man übertreten. Sie regeln Ordnung und Strafe in einem sozialen Gefüge. Wer aber maßregelt einen Asteroiden, wenn er auf die Erde trifft und wie hätte er es verhindern können? Wie umgeht man das Gesetz der Thermodynamik und welche Strafen bekommt man dafür, wenn man erwischt wurde?
    Ein Vergleich von judikativen Satzungen und Naturgesetzen ist also mehr als hinkend. Richter, Vollstrecker und Gesetzgeber braucht es nur da, wo die Ordnung willentlich umgangen werden kann.
    Besonders die äußerst tötlichen Ecken des Universums lassen erkennen, dass uns nur ein schmaler kleiner Teil lebensfähig zugänglich sein wird. Und das spricht gegen einen Schöpfer, der den Menschen als Krone der Schöpfung einsetzte. Allein auf unserem Planeten gibt es viele Gegenden, wo man besser nicht siedelt. Erdbebengebiete (L.A.), Vulkane (Neapel) Eiswüsten (Iglulik, Burbank, Kanada) und Wüsten (Elephatine oder Luxor in Ägypten) sind dennoch besiedelt. Was auch ein wenig an der ach so gepriesenen Vernunft zweifeln lässt.


Gegenargument Definition als Ursache: Dem schottischen Philosophen David Hume zufolge müssen folgende, sowohl notwendige als auch (zusammen) hinreichende, Bedingungen erfüllt sein, um eine Ursache-Wirkung-Beziehung einordnen zu können: (1) Die Ursache liegt zeitlich (unmittelbar) vor der Wirkung. (2) Die Ursache liegt räumlich (unmittelbar) neben der Wirkung. Wenn aber Gott das Raumzeitkontinuum erst erschaffen hat, und selbst außerhalb von Raum und Zeit existiert, gibt es kein "davor" und kein "daneben". Eine weitere, bewährte Voraussetzung ist jene: (3) Dem Auftreten der Ursache folgt immer auch das Vorkommnis der Wirkung. Diese Voraussetzung kann nicht nachgewiesen werden, da die Erschaffung des Universums ein einmaliger Vorgang war. Somit ist keine der drei Bedingungen erfüllt, es würde aber bereits auslangen, wenn nur eine von ihnen nicht gegeben wäre, um Gott als in der klassischen Wortbedeutung "Ursache" des Universums ausschließen zu können.

Gegenargument Beginn der Logik : Wenn man mit der Logik der Kausalkette auf einen Erstverursacher schließen möchte, setzt man die Gültigkeit von Logik voraus, um Gott zu beweisen. Ohne rudimentäre logische Gesetze könnte es zum Beispiel sehr wohl sein, dass alles eine Ursache braucht, es aber trotzdem keine Ursache für alles gibt. Wenn mit Gott als Erstursache aber erst alles entstanden ist, dann muss es auch eine Zeit gegeben haben, in der Gott existierte, die logischen Gesetze aber noch nicht erschaffen waren. Dann aber stürzt der kausale Gottesbeweis komplett in sich zusammen, da er logische Gesetzmäßigkeiten auf einen Zeitpunkt anwendet, zu dem diese noch gar nicht galten. Oder aber die Logik existiert schon ewig, was aussagt, dass Gott sie nicht geschaffen habe und er eben nicht er Verursacher von Allem ist.

Der Stufenbeweis

Diese Beweisform geht davon aus, dass die Dinge unterschiedliche Grade von Vollkommenheit besitzen. Das im höchsten Maße Vollkommene (und Wahre und Gute) ist Gott.

Gegenargumente: Die Idee des Vollkommenen gibt es auch in der Naturwissenschaft und wird als "Ur-Atom" konkretisiert. Das zeigt bereits, dass die Idee des Vollkommenen nicht auf einen Gott hinaus laufen muss. Ansonsten gilt dasselbe Argument wie oben, dass sich aus dem Gedankengang kein Wesen ergibt und vor allem keines mit den Attributen, wie sie einem Gott zugeschrieben werden.

Der teleologische Gottesbeweis

Beim teleologischen Gottesbeweis [von griechisch: telos = Ziel, Zweck] handelt es sich gewissermaßen um die Umkehrung des kosmologischen Gottesbeweises: Von der Beobachtung einer scheinbar ziel- und zweckgerichteten Ordnung der Welt wird auf Gott als der Ursache dieser planmäßigen Struktur geschlossen.
    Psalm 136:5: "Jehova hat die Himmel mit Verstand gemacht" (Neue-Welt-Übersetzung)

Gegenargumente: Der Fehler bei dieser Argumentation ist offensichtlich, da diese die Projektion einer subjektiv gefundenen Sinnstruktur bedeutet. Entsprechend dieser Logik bewiese sich jede Annahme und scheinbare Beobachtung durch sich selbst. Daher nochmals den Pangloss zitiert:
Es ist erwiesen", sagte er, "dass die Dinge nicht anders sein können, als sie sind, denn da alles um eines Zweckes willen geschaffen ist, dient alles notwendigerweise dem besten Zweck. Bemerken Sie bitte dass die Nasen geschaffen wurden, um Brillen zu tragen, so haben wir denn auch Brillen. Die Füße wurden sichtlich gemacht, um Schuhe zu tragen, und so haben wir Schuhe. Die Steine wurden gebildet, damit man sie zuhaue und daraus Schlösser baue, und so besitzt denn Seine Gnaden ein schönes Schloss, der größte Baron der Provinz muss am besten wohnen, und da die Schweine zum Essen gemacht sind, essen wir das ganze Jahr hindurch Schweinernes.
Infolgedessen ist die Behauptung, es sei alles auf dieser Welt gut eingerichtet, eine Dummheit, vielmehr müsste man sagen, dass alles aufs Beste eingerichtet ist."
- metaphysich-theologischer Monolog über Kosmonologie des Dr. Pangloss in
Friedrich der Große - Band 2: Der einsame König - Die große Romanbiografie (von Cornelia Wusowski)

Der ontologische Gottesbeweis (Anselm von Canterbury)

Im Gegensatz zu den Gottesbeweisen des Thomas von Aquin geht der ontologische [von griechisch: on = Seiendes] Gottesbeweis nicht von der Erfahrung, sondern vom Begriff Gottes aus. Das Argument lautet: Gott ist seinem Begriff nach das höchste Wesen, über das hinaus nichts Höheres und Vollkommeneres gedacht werden kann. Deshalb muss "Existenz" notwendig zu seinem Begriff dazugehören, denn wenn sie ihm fehlte, wäre er nicht vollkommen. In der Neuzeit findet er erneut Verwendung bei den Philosophen René Descartes und Baruch Spinoza.

Gegenargumente: Diese Argumentation geht von folgender Assoziation aus: Es gibt das Vollkommene -> dieses Vollkommene ist Gott -> das Vollkommene muss auch die Existenz mit einschließen, also existiert Gott. Sie setzt also das "Vollkommene" mit "Gott" gleich, was unzulässig ist (siehe Stufenbeweis). Hier, wie im Grunde auch bei den vorherigen "Beweisen", wird das Thema verfehlt, denn es gilt nicht das Vollkommene zu beweisen, sondern darum, zu beweisen, dass dieses Vollkommene auch als Gott bezeichnet werden kann. Zudem ist das Vollkommene zunächst eine sich lediglich aus der Logik ergebende Idee, worin man sich die Summe aller Dinge vorstellt. Dieser Summe eine eigenständige Existenz einzuräumen, ist wiederum nur Annahme, kein Beweis.
Kants Argumentation hierzu: Die Vorstellung oder der Begriff von 100 Reichsthalern bedeutet noch nicht, dass man diese 100 Reichsthaler auch wirklich in den Händen hält. Angenommen man liese eine solche Argumentation zu, so wäre es doch äußerst fraglich, ob man nicht noch etwas höheres denken kann, als einen existierenden Gott. Ein allmächtiger Gott, der das Universum erschafft, mag groß erscheinen. Aber eine noch viel größere Leistung wäre es doch, wenn er irgendeine Krankheit oder Behinderung hätte. Als größte "Behinderung" wäre Nichtexistenz anzusehen. Demnach würde Gott nicht existieren. Selbstverständlich beweist das in keinster Weise, dass Gott nicht existiert, aber zeigt, dass oben angeführter Beweisversuch einer ernsthaften logischen Überprüfung nicht standhalten kann. (Kein Zitat)

Der eudämonologische Gottesbeweis

Dieser Gottesbeweis [von griech.: eudaimon = glückselig] geht davon aus, dass menschliches Glücksstreben, soll es nicht vergeblich sein, die Existenz Gottes voraussetzt.
Dafür aufgeführte Bibelverse sind:
  • Offenbarung 4:11"Du bist würdig, Jehova, ja du, unser Gott, die Herrlichkeit zu empfangen, weil du alle Dinge erschaffen hast" (Neue-Welt-Übersetzung)
  • Matthäus 6:26: "Seid ihr nicht mehr wert als die Vögel des Himmels? (Neue-Welt-Übersetzung)
  • Matthäus 6:29, 30: "Wenn nun Gott die Pflanzen des Feldes ... kleidet, wird er nicht vielmehr euch kleiden, ihr Kleingläubigen?" (Neue-Welt-Übersetzung)
  • Prediger 3:11: "Die unabsehbare Zeit hat er in ihr Herz gelegt" (Neue-Welt-Übersetzung)
  • Römerbrief 5:12: "Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen" (Neue-Welt-Übersetzung)
    Die Sünde des ersten Menschenpaares und die Erlösung und unverdiente Güte Gottes sind die tragenden Eckpfeiler des christlichen, jüdischen und muslimischen Glaubens, der in der Evolutionstheorie keinen Sinn ergibt.
Skepsis ist wie die Opposition im Parlament. Sie ist ebenso wohltätig wie notwendig.
- Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph (1788-1860)

Gegenargumente: Dieser Gottesbeweis ist eine Forderung, kein Beweis. Zudem wird hierbei davon ausgegangen, dass das menschliche Dasein "nicht vergeblich" ist, in dem Sinne, dass es ein Finale für seine Bestrebungen gibt. Hierbei ist also der Wunsch der Vater des Gedanken. "Ich glaube es, weil ich es gerne so hätte." Nur leider - oder zum Glück - macht der reine Wunsch, etwas möge wahr sein, es noch lange nicht wahr.
Oft wird die Evolutionstheorie ja auch deshalb abgelehnt, weil mit ihr kein höherer Sinn und keine Erlösung verbunden sind. Das trifft aber auch auf die Thermodynamik zu, die besagt, dass die Entropie immer weiter zunehmen wird, wodurch immer weniger Sterne entstehen und immer mehr alte Sterne vergehen, womit irgendwann auch die letzten Lichter aus sind und Leben, vor allem wie wir es kennen, nicht mehr möglich sein wird. Dennoch dient sie Kreationisten als falsch verstandener Unterbau für die Bekämpfung der Evolutionstheorie.


Hoffnung ist die falsche Herangehensweise zum Verständnis wissenschaftlicher Theorien. Auch die Sinnsuche ist nicht sinnvoll. Wortwitz. Wie ich schon an früherer Stelle schrieb: Wissenschaft ist eine Methodik zum Erkenntnisgewinn. Nicht mehr und nicht weniger. Was der einzelne daraus macht, ist bereits außerhalb ihres Bereichs.

Ähnlich argumentiert der ...

Axiologische Gottesbeweis

Das Streben der Menschen nach der Verwirklichung von Werten setzt einen höchsten Wert [griech. axia = Wert], Gott, voraus.
  • Hebräer 1:11"Der Glaube ist der überzeugende Beweis von Wirklichkeiten, obwohl man sie nicht sieht" (Neue-Welt-Übersetzung)

Gegenargumente: Man geht davon aus, dass sich Ideen in einer Superidee summieren oder durch diese gleichsam gestiftet werden, wobei diese wiederum eine eigenständige Existenz habe. Dies Ist also eine Annahme, kein Beweis.
Eine Hoffnung für Hinterbliebene, eine Aussicht auf Besserung bestehender Missstände und das Zugehörigkeitsgefühl zu einer stark eingeschworenen Gemeinschaft machen das Portfolio voll.
Bleiben wir aber allein beim Bibelvers und verharren auf dem buchstäblichen Sehen, als optische Wahrnehmung ohne technische Hilfsmittel, so glaube ich freilich an Dinge wie die Schwerkraft, Wärme, Wind und auch an die Evolution. Denn diese sind offenkundig Wirklichkeit, obwohl wir sie nicht (selbst) sehen.

Der moralische Gottesbeweis

Immanuel Kant - später von ihm selbst als bloße "Forderung" bezeichnet:
Die Existenz Gottes kann zwar rein vernünftig nicht bewiesen, muss aber im Sinne der praktischen Vernunft angenommen werden, da die Moralität des Menschen und sein sittliches Bewusstsein jemanden erfordere, der diese auch begründet. Nur dadurch ergebe sich dann auch die Notwendigkeit des Individuums, moralisch zu handeln.

Gegenargumente: Dies ist ebenfalls nur eine Forderung, kein Beweis, wie Kant es auch selbst später formulierte. Er versucht lediglich im Kontext des Sittengesetzes eine Autorität als moralische Instanz zu setzen, damit sich jeder verbindlich an das Sittengesetz halte. Die Existenz einer solchen Autorität wird jedoch nicht bewiesen.

Historischer oder ethnologischer Gottesbeweis

Dieser Gottesbeweis meint die Existenz Gottes mit dem Verweis darauf zu beweisen, dass die Vorstellung eines Gottes in nahezu allen Völkern und Kulturen besteht.

Gegenargumente: Damit wird nur bewiesen, dass es offensichtlich zum Wesen des Menschen gehört, seine Wahrnehmung und Vorstellung in einer Idee "Gott" bündeln zu wollen, mehr nicht. Und es liegt in der Tat in der Natur des Menschen beziehungsweise seiner Vernunft und Logik, mehrere Dinge in eine Kategorie zusammenzufassen oder Oberbegriffe für diese zu finden. So existiert beispielsweise der Wald nicht, sondern nur die Bäume, die diesen bilden und selbst diese ließen sich wiederum bis hin zu "Energie" herunterreduzieren. Und Ideen sind ihrerseits Konstrukte des Denkens und der Logik, die nicht zwangsweise eine eigene Existenz haben müssen, sonst hätte auch jede andere Idee Existenzberechtigung.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Ideen eine eigentständige Existenz zugesprochen wird, Beweise gestellt werden, die auf unbewiesenen Annahmen beruhen, Forderungen nach Sinn und Zweck zum Beweis stilisiert werden, und die subjektive Sicht auf die Welt auf einen "außerweltlichen" objektiven Stifter schließen lässt. Somit wird die eigentliche Intention, die Existenz Gottes zu beweisen, jeweils mehr oder weniger stark verfehlt.

Weltanschauung ist nicht selten Mangel an Anschauung.
Ludwig Marcuse, deutscher Publizist und Schriftsteller (1894-1971)

Noch wesentlich genauer geht https://www.sapereaudepls.de/was-kann-ich-wissen/gottesbeweis/ auf die Gottesbeweise ein.

#1 - Lassen wir all das außer Acht:
Lassen wir außer Acht, dass Wissenschaftler die Begriffe "Mikroevolution" (Veränderung innerhalb der "Art") und "Makroevolution" (Wandel von einer "Art" in eine andere) lieber meiden, da sie einen Unterschied suggerieren, der im Fachbereich der Evolutionsforscher nicht nachgewiesen sei, da der "Artenübergang" nicht sprunghaft geschehen kann, da es sich immer um das Aufsummieren von kleinen Veränderungen handelt. Daher lässt sich keine genaue Grenze angeben.
Lassen wir außer Acht, dass der Artbegriff in Wissenschaft und Bibel unterschiedlich gefasst wird.
Lassen wir außer Acht, dass Evolution eben nicht mit blindem Zufall gleichgesetzt werden kann, da er fixen Regeln folgt, die durch Mutation, Selektion, Adaption und Variation vorgegeben sind.
Lassen wir außer Acht, dass Komplexität nicht automatisch einen komplexen Designer, sondern grundsätzlich nur die Unberechenbarkeit der Vorhersage bedeutet. Die Mausefalle ist weder sonderlich komplex, noch die einzige Lösung eine Maus zu fangen oder die Bauteile zusammen zusetzen (Käseschleuder geht auch) und spricht als Beispiel für Multifunktionalität, eine Funktion zur Steigerung von Selektionsvorteilen.
Lassen wir außer Acht, dass Intelligent Design keine Wissenschaft ist. Dass Anhänger dieser in wissenschaftlichem Gewand getarnten Pseudelehre das Wort Gott nicht wegen ihrer wissenschaftlichen Reputation nicht gebrauchen, sondern um damit US-amerikanische Bildungspolitik zu unterwandern, die in staatlichen Schulen eine Trennung zwischen Staat und Kirche gesetzlich verankert.
Lassen wir außer Acht, dass Geschichtswissenschaften ebenfalls nicht experimentell reproduzierbar sind, genauso wenig der Urknall und dennoch wissenschaftlich anerkannte Theorien fabrizieren.
Lassen wir außer Acht, dass in der Evolutionsforschung generell nicht anders geforscht, rezipiert und theoretisiert wird, wie in anderen Wissenschaftszweigen auch und man eben nicht wie eine Glucke auf den Steinen hockt, die man für befruchtete Eier hält.
Lassen wir außer Acht, dass nach der selbst gegebenen Definition auch die vertretenen kreationistischen Ideen keine wissenschaftlichen sein können, da sie bereits durch ihren Rückgriff auf Übernatürliches naturwissenschaftlich nicht erfasst werden können.
Lassen wir außer Acht, dass wissenschaftliche Theorien laut Erkenntnistheorie nie endgültig zu beweisen sind, weil sie immer nur ein momentanes Erklärungsmodell eines zu beobachtenden Vorgangs sind, basierend auf den vorliegenden Daten.
Lassen wir außer Acht, dass eine schief von mir zusammengezimmerte Hundehütte nicht beweist, dass das Universum von Gott zusammengezimmert wurde.

Lassen wir das alles außer Acht, fällt uns eventuell trotzdem auf, dass hier eine Rhetorik angewandt und gut geheißen wird, die dem Gegner verwehrt sein soll. Denn wenn wir von der "Mikroevolution" nicht auf die "Makroevolution" schließen dürfen, warum dann von einem Erbauer eines Hauses auf den Schöpfer des Weltalls?

#2 - Das wissenschaftliche Bibellexikon - Hiob / Hiobbuch
http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/hiob-hiobbuch/ch/cad3cfdcdbeac5d65a068fd566c6f4ac/
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"If the biggest problem that you're having in the twenty-first century involves
what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
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("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Do 14. Dez 2017, 15:54

Grundlagen: Gottesbeweise - Teil 2: Gödel'sche Formel

Bevor ich auf die Bibel, bzw. Paulus im speziellen eingehe, greife ich mal eine Geschichte auf, die ab September 2013 in den Medien auftauchte:
Mathematiker haben die Existenz Gottes bewiesen!
Ist damit die Debatte vom Tisch? Müssen Atheisten nun ihrer Gottlosigkeit entsagen und irgendeinen Glauben annehmen? Immerhin steht die Frage ja noch aus, welche der unzähligen Religionen den "gödel'schen Gott" vertritt. Vielleicht ist alles auch anders, denn: Die Mathematik kann echt erstaunliche und interessante Dinge. Aber eines kann sie ganz sicher nicht: Gott beweisen. Ausgerechnet ein Mac soll dieses wissenschaftliche Wunder aber vollbracht haben. Aber obacht: Gott ist nicht Steve Jobs.

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Aber wer ist Gödel und was für eine Formel hat er aufgestellt?
Kurt Gödel (* 28. April 1906 in Brünn, Österreich-Ungarn, heute Tschechien; † 14. Januar 1978 in Princeton, New Jersey) war ein österreichisch-amerikanischer Mathematiker und einer der bedeutendsten Logiker des 20. Jahrhunderts. Er leistete maßgebliche Beiträge zur Prädikatenlogik (Vollständigkeit und Entscheidungsproblem in der Arithmetik und der axiomatischen Mengenlehre), zu den Beziehungen der intuitionistischen Logik sowohl zur klassischen Logik als auch zur Modallogik und zur Relativitätstheorie in der Physik. Auch seine philosophischen Erörterungen zu den Grundlagen der Mathematik fanden in der Fachwelt weite Beachtung. Allerdings war er gegen Ende seines Lebens immer paranoider und hungerte sich wegen seines Verfolgungswahns selbst zu Tode. Für die Relevanz seiner Formel hat dies aber keine Auswirkung, da diese über 30 Jahre vor seinem Tod entwickelt wurde (hatte ihn 1941 entwickelt, aber erst 1970 einigen Freunden gezeigt, die ihn nach seinem Tod veröffentlichten).

Als Logiker war Gödel Experte dafür, Dinge zu Beweisen und Aussagen aus anderen Aussagen abzuleiten. Gödel argumentierte wie folgt:
  • Annahme 1: Entweder eine Eigenschaft oder ihre Negation ist positiv.
  • Annahme 2: Eine Eigenschaft, die notwendigerweise durch eine positive Eigenschaft impliziert wird, ist positiv.
  • Theorem 1: Wenn eine Eigenschaft positiv ist, so ist es möglich, dass es etwas gibt, das diese Eigenschaften besitzt (eine Instanz dieser Eigenschaft).
  • Definition 1: Ein gottartiges Wesen besitzt alle positiven Eigenschaften.
  • Annahme 3: Die Eigenschaft, gottartig zu sein, ist eine positive Eigenschaft.
  • Korollar: Möglicherweise existiert etwas, das die Eigenschaft besitzt, gottartig zu sein.
  • Annahme 4: Wenn eine Eigenschaft eine positive ist, so ist sie das notwendigerweise.
  • Definition 2: Eine Eigenschaft ist eine Essenz eines Individuums, wenn dieses Individuum die Eigenschaft aufweist (Instanz dieser Eigenschaft ist) und wenn notwendigerweise jede Eigenschaft dieses Individuums von dieser Eigenschaft impliziert wird.
  • Theorem 2: Gottartig zu sein ist eine Essenz von jedem Individuum, das diese Eigenschaft besitzt.
  • Definition 3: Notwendige Existenz eines Individuums ist äquivalent dazu, dass alle seine Essenzen notwendigerweise mindestens eine Instanz haben.
  • Annahme 5: Die notwendige Existenz ist eine positive Eigenschaft.
  • Theorem 3: Notwendigerweise existiert Gott (ein Individuum mit der Eigenschaft Gottartig).
Na, verstanden? Es gibt noch eine 2. Variante, die vielleicht etwas begreiflicher anmutet:
  • Annahme 1: Entweder eine Eigenschaft oder ihre Negation ist positiv.
  • Annahme 2: Eine Eigenschaft, die notwendigerweise durch eine positive Eigenschaft impliziert wird, ist positiv.
  • Theorem 1: Positive Eigenschaften sind möglicherweise beispielhaft.
  • Definition 1: Eine gottesähnliche Existenz enthält alle positiven Eigenschaften.
  • Annahme 3: Die Eigenschaft, gottähnlich zu sein, ist positiv.
  • Schlussfolgerung: Möglicherweise existiert Gott.
  • Annahme 4: Positive Eigenschaften sind notwendigerweise positiv.
  • Definition 2: Die Essenz eines Individuums ist die Eigenschaft, die von diesem umgesetzt wird und impliziert notwendigerweise irgendeine seiner Eigenschaften.
  • Theorem 2: Götterähnlich zu sein ist eine Essenz von jeder götterähnlichen Existenz.
  • Definition 3: Notwendige Existenz eines Individuums ist die notwendige Beispielhaftigkeit von all seinen Essenzen.
  • Annahme 5: Die notwendige Existenz ist eine positive Eigenschaft.
  • Notwendigerweise, Gott existiert.
Verständlicher wird's nicht. Das Anliegen Gödels "bestand […] im Nachweis, daß ein ontologischer Gottesbeweis auf eine Art und Weise geführt werden könne, die modernen logischen Maßstäben gerecht wird". Gödel, selbst Atheist, verzögerte die Veröffentlichung des Beweises, da er befürchtete, sein Anliegen würde als selbständiger Versuch, einen gültigen Beweis aufzustellen, missverstanden. Dabei nahm Gödel an, dass positive Eigenschaften einander nicht ausschließen und „Gott-ähnlich-sein“ eine positive Eigenschaft ist.

Die aktuelle Arbeit ist von Christoph Benzmüller (Freie Universität Berlin) und Bruno Woltzenlogel Paleo (Technische Universität Wien), trägt den Titel "Formalization, Mechanization and Automation of Gödel’s Proof of God’s Existence" und wiederholt eigentlich nur die Gödel'sche Formel. Die Mehrleistung der beiden besteht darin, dass sie diese Argumentationskette in eine für Computer verständliche Logiksprache übersetzt und überprüft haben. Und dieses Computerprogram kam zu dem Ergebnis, dass sich aus den vorgegebenen Definitionen und Annahmen tatsächlich die Schlussfolgerung logisch korrekt ableiten lässt. Allerdings ist dieses Ergebnis nur so gut, wie die Annahmen auf denen es basiert. Und da ist einiges unklar.
  • Annahme 1 geht davon aus, dass Eigenschaften oder deren Negation positiv sind. In einigen Bereichen funktioniert Mathematik wirklich so, aber nicht das reale Leben. Wie viele Leute halten "HIV-positiv" für positiv. Es sagt lediglich aus, dass der jenige HI-Viren in sich trägt. Für die HI-Viren toll, für den Infizierten wohl eher nicht. Es gibt in der Realität nicht nur schwarz und weiß.
  • Annahme 2 setzt vorraus, dass aus positivem immer positives resultiert und auch das ist nicht immer gegeben.
  • Annahme 3 will uns zeigen, dass gottartig sein, immer positiv sei. Was aber ist "gottartig"? Und warum soll dies zwingend positiv sein? Es gibt allerlei Mythen und Legenden über Götter, die viel Böses getrieben haben.
  • Annahme 4 zeigt uns, dass positive Eigenschaften notwendigerweise positiv sein sollen. Auch das gilt es, noch zu beweisen.
  • Annahme 5 "Die notwendige Existenz ist eine positive Eigenschaft." wirft die Frage auf, warum es zwingend positiv ist, dass etwas existiert. Wer nörgelt denn, wenn es ihn nicht gibt? Klar, es ist toll, dass ich existiere, aber es würde mich nicht stören, wenn es mich nicht gäbe, weil es mich dann eben nicht gäbe. Auch wären demnach die Existenz der Lüge, der Sünde und des Todes positiv.
Gödel sagt im wesentlichen, dass Gott alle positiven Eigenschaften in sich vereinen muss und weil es eine positive Eigenschaft ist, zu existieren, muss Gott existieren. Aber diese Kausalkette basiert auf Voraussetzungen, die man halt einfach glauben muss. Daran ändert auch die Bestätigung des Computers nichts. Gödels Beweis macht keine tatsächlichen Aussagen über die Existenz irgendeines Gottes.

Das heißt nicht, dass religiöse Aussagen komplett jenseits jeder Überprüfung stehen. Wenn zum Beispiel von Kreationisten behauptet wird, dass die Erde nur 6000 Jahre alt ist, dann ist diese Hypothese einer wissenschaftlichen Überprüfung zugänglich. Wenn Gebete an Gott Krankheiten angeblich heilen können, dann ist das eine Hypothese, die in medizinischen Studien überprüft werden kann. Und so weiter.
Die Existenz Gottes lässt sich aber so lange nicht belegen oder widerlegen, so lange keine konkret überprüfbare Hypothese dazu aufgestellt wird. Aber "Gott ist ein Wesen, dass die Welt vor 6000 Jahren erschaffen hat" liefert das uns eine Hypothese über einen Gott, der nachweislich nicht existiert, weil die Welt älter als 6000 Jahre ist.
Aber die Theologie ist ja leider auch voll mit vagen und schwammigen Definitionen des Wortes "Gott", die sich jeder konkreten Logik verweigern. Trotzdem wird es immer wieder Leute geben, die behaupten werden "wissenschaftliche Beweise" für Gott gefunden zu haben oder vorlegen zu können.
Die Gödel'sche Formel, die die Annahme "Es gibt Gott" durch fünf andere Annahmen ersetzt, gehört aber ganz sicher nicht dazu.

Wenn wir also alle religiösen und ideologischen Verweise und Anmerkungen auslassen, bleibt folgendes übrig. Im September 2013 wurde mit einem Computer nachgewiesen, dass die Gödel'sche Formel in sich logisch ist. Nicht mehr und nicht weniger.

Und obwohl die Mathematik ja hier nicht den Fehler gemacht hat, sondern die Journalisten, die die Ganze Mär dann verbreitet haben, kann man den Spruch hier trotzdem gut anwenden.
Ich stimme mit der Mathematik nicht überein. Ich meine, dass die Summe von Nullen eine gefährliche Zahl ist.
Stanislaw Jerzy Lec, polnischer Lyriker und Satiriker (1909-1966)
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Sa 16. Dez 2017, 12:26

Grundlagen: Gottesbeweise - Teil 3: Die Pascalsche Wette

Die Pascalsche Wette ist Blaise Pascals (1623-1662; französischer Mathematiker, Physiker, Literat und christlicher Philosoph) berühmtes Argument für den Glauben an Gott. Pascal argumentiert, es sei stets eine bessere "Wette", an Gott zu glauben, weil der Erwartungswert des Gewinns, der durch Glauben an einen Gott erreicht werden könnte, stets größer sei als der Erwartungswert im Falle des Unglaubens.
Im Grunde ist dies natürlich kein Beweis für Gott, sondern lediglich ein Argument dafür, an einen Gott (oder mehrere Götter) zu glauben. Mit diesem Argument zielte Pascal besonders auf jene Menschen ab, die durch klassische Gottesbeweise nicht zu überzeugen waren. Die Wette selbst ist aber bereits wieder ein Zirkelschluss: Um die Wette akzeptabel zu finden, muss bereits an einen ganz bestimmten, genau festgelegten Gott mit spezifischen Eigenschaften geglaubt werden. Weicht auch nur eine der für Gott angenommenen Eigenschaften vom tatsächlichen Gott ab (wenn sowas denn überhaupt existiert), dann verliert man die Wette, obwohl man glaubt sie zu gewinnen.
"Wir wollen Gewinn und Verlust abwägen, setze du aufs Glauben, wenn du gewinnst, gewinnst du alles, wenn du verlierst, verlierst du nichts. Glaube also, wenn du kannst."
- Blaise Pascal

Pascals Argument lautet, dass eine Analyse der Optionen hinsichtlich des Glaubens an Gott zu folgenden Resultaten führt:
  • Man glaubt an Gott und Gott existiert. – In diesem Fall wird man belohnt (ewiges Leben, Himmelreich).
  • Man glaubt an Gott und Gott existiert nicht. – In diesem Fall gewinnt man nichts, verliert aber auch nichts.
  • Man glaubt nicht an Gott und Gott existiert nicht. – In diesem Fall gewinnt man ebenfalls nichts, verliert aber auch nichts.
  • Man glaubt nicht an Gott und Gott existiert. – In diesem Fall wird man bestraft (ewige Verdammnis, Vernichtung).

Aus dieser Analyse der Möglichkeiten folgerte Pascal, dass es besser sei, bedingungslos an Gott zu glauben. Wenn man an Gott glaubt, aber Gott existiert nicht, so verliert man nichts. Aber wenn man nicht an Gott glaubt, aber Gott existiert, so wird man in die Hölle geworfen. Deswegen ist es dumm, nicht an Gott zu glauben.
Pascal ordnete den beiden Möglichkeiten - Existenz oder Nichtexistenz Gottes - gleiche Wahrscheinlichkeiten zu. Er begründete dies damit, dass "die Vernunft durch die eine Wahl nicht stärker erschüttert werde als durch die andere", infolge unseres Unwissens.

Gegenargument: Die Kostenfrage

Die Pascalsche Wette in ihrer oben dargelegten Formulierung geht davon aus, dass Glaube nichts kostet. Pascal selbst gesteht jedoch zu, dass es jedenfalls möglich ist, dass man gezwungen ist, "die irdischen Freuden" zu opfern, um sein Leben dem Glauben an Gott in angemessener Weise zu widmen. Außerdem kostet es Zeit: Je nachdem welchem Kult man nachgehe, muss man bestimmte Versammlungen einhalten, Zeit im Gebet verbringen oder dergleichen. Da man aber nur dieses eine Leben auf der Erde habe, ist der Verlust an Zeit besonders schmerzlich. Diejenigen, die naturwissenschaftlich denken, auch wenn es Glaubensinhalten widerspricht, könnten in der Lage sein, Entdeckungen zu machen und Ziele zu erreichen, die einem ideologisch Befangenen verwehrt bleiben. Pascal war sich dieser Argumentation bewusst:
"Nun aber ist hier eine Unzahl von unendlich glücklichen Leben zu gewinnen mit gleicher Wahrscheinlichkeit des Verlustes und des Gewinnes und was du einsetzest, ist so wenig und von so kurzer Dauer, daß es eine Tollheit wäre, es bei dieser Gelegenheit zu sparen."
- Blaise Pascal

Glaubt man also, dass die Belohnung für den Glauben an Gott der Himmel ist und dieser Gewinn als "unendlich" bewertet wird, dann ist es selbst bei Kosten für den Glauben, die ja immer endlich sind, immer noch die bessere Entscheidung, an Gott zu glauben, sofern die Wahrscheinlichkeit der Existenz von Gott größer 0 ist. Denn jede positive Wahrscheinlichkeit würde bei der Multiplikation mit Unendlich einen unendlichen Erwartungswert ergeben.
Zudem muss die Einschränkung, dass der Glaube an Gott einen Verlust im irdischen Leben darstelle nicht zwingend geteilt werden. An dieser Stelle kann die Spekulation angebracht werden, ob Glaube und Gebet nicht sogar medizinische, soziale oder kulturelle Vorteile mit sich bringen.

Gegenargument: Glaubensfrage

Ein weiterer Einwand, den Pascal selbst diskutiert, ist das Problem, dass zum richtigen Glauben die feste Überzeugung gehöre, dass Gott existiere. Diese lässt sich aber nicht ohne weiteres herstellen, wird doch im Argument davon ausgegangen, dass die Existenz Gottes keinesfalls eine sichere Tatsache ist. Entsprechend ist es schwer vorstellbar, dass ein Mensch, der von der Richtigkeit von Pascals Argument überzeugt ist, seine bisherige Skepsis vergessen und sich zum Glauben entschließen kann.
Pascals Antwort auf dieses Problem ist, man müsse zunächst die Freuden des gottlosen Lebens aufgeben, dann werde sich der Glaube auch einstellen. In der Interpretation von John Leslie Mackie bedeutet dies, dass man seinen Willen durch das Betreiben religiöser Praktiken manipulieren solle bis sich der wirkliche Wille zum Glauben einstelle.
Dies also ist eine zirkuläre Logik: Ich muss bereits glauben, dass es Gott gibt, damit ich an ihn glauben kann. Nur, wenn der Glaube richtig ist, dann ergibt diese Wette überhaupt einen Sinn. Sonst wette ich beim Pferderennen, dass Michael Schumacher auf Ferrari gewinnt.

Gegenargument: Weitere Optionen

Im Grundmuster benutzt diese Wette einen alten Trick, nämlich die Verkürzung auf zwei Alternativen, zwischen denen gewählt werden soll, wobei die Bedingungen so formuliert werden, dass eine Alternative als besonders attraktiv erscheint. Der wohl schlagendste Einwand gegen Pascals Wette stellt die Vollständigkeit der Darstellung der Optionen in Frage. Konkret geht Pascal nur von folgenden Möglichkeiten aus und beschränkt sich dabei auf den christlichen Gott:
  • Es gibt einen Gott, der genau die Menschen belohnt, welche an ihn glauben und jene bestraft, die es nicht tun.
  • Es gibt keinen Gott und damit auch keine Belohnung für Glauben.
Tatsächlich gäbe es aber noch mehr Möglichkeiten:
  • Es gibt einen Gott, der jedoch nicht belohnt.
  • Es gibt einen Gott, der belohnt, dies jedoch nicht (allein) vom Glauben an ihn abhängig macht.
  • Es gibt keinen Gott, und man wird nach dem Tod trotzdem belohnt. Wobei sich jedoch die Frage stellt, durch wen.
  • Es gibt einen nichtchristlichen Gott/nichtchristliche Götter, der alle Christen wegen Götzendienst bestraft.
  • Es gibt einen christlichen allwissenden Gott, der Taten belohnt.
  • Es gibt einen Gott, der Menschen bestraft, die nur um eines Vorteils willen an ihn glauben.
  • Es gibt einen Gott, der Menschen bestraft, die blind an ihn glauben.
  • Es gibt einen Gott, der Menschen bestraft, die vorgeben in Seinem Namen zu handeln (z.B. Kreuzzüge, Selbstmordattentate).
  • Es gibt einen Gott, doch es interessiert ihn nicht, was die Menschen tun oder lassen oder glauben.
  • Es gibt keine Hölle und alle Menschen bekommen das ewige Leben.
  • Es gibt eine Hölle und alle Menschen kommen dort hinein.
  • Wir sind hier bereits in der Hölle, für unsere früheren Vergehen.
  • Durch meinen Glauben beleidige ich Gott, da ich ihn nach meinem Bilde gestalte.
  • Gott interessiert sich nicht für das Universum, sondern hat es Satan überlassen. Und der aber mag es bekanntlich überhaupt nicht, wenn man an Gott glaubt.
  • Der Glaube an Gott reicht nicht aus, um die Unsterblichkeit zu gewinnen, ich muss noch andere Bedingungen erfüllen, die ich aber leider nicht kenne.
  • Gott würfelt aus, wer in die Hölle kommt und wer nicht.
Und diese Liste ist keineswegs vollständig.

Demnach seien die Aussichten auf ein unendlich glückliches Leben nach dem Tod möglicherweise nicht allein Gläubigen vorbehalten. Und wenn, dann ist es zudem noch möglich, dass der Glauben an Gott nicht automatisch das glückliche Leben nach dem Tod für alle Gläubigen bedeute. Es wäre durchaus möglich, dass es einen Gott geben könnte, der kritischen Agnostizismus belohnt und blinden Glauben bestraft, oder der Ehrlichkeit im Denken belohnt und vorgespiegelten Glauben bestraft. Dieser Gedankengang zielt darauf ab, was Gott eigentlich verlangt: Soll man an ihn glauben oder soll man unabhängig in seinem Sinne handeln und Entscheidungen treffen?

Gegenargument: Moral

Allerdings kann man auch entgegenhalten, dass ein solcher Glaube allein der Gewinnmaximierung gilt, nicht dem Glauben an Gott selbst. Außerdem wäre dies blinder Glaube. Auch Richard Carrier argumentiert auf diese Weise:
Angenommen, es gäbe einen Gott, der uns beobachtet und darüber entscheidet, welche Seelen in den Himmel kommen, und Gott möchte den Himmel nur mit moralisch guten Menschen besiedeln. Er wird wahrscheinlich aus jenen Seelen auswählen, die eine bedeutende Anstrengung zur Enthüllung der Wahrheit geleistet haben. […] Wenn Menschen ein Bewusstsein für das gute und schlechte Handeln haben, folgt daraus, dass sie auch ein Bewusstsein für Gut und Böse besitzen. Dieses Bewusstsein erfordert ein umfassendes Wissen über unser Universum, und zum Beispiel auch darüber, ob es Gott wirklich gibt. Diese Menschen kümmern sich darum, ihre Glaubensinhalte zu bestätigen, zu testen und letztendlich zu erfahren, ob ihr Glauben vermutlich korrekt ist oder nicht. Deshalb verdienen nur Menschen, die stets die Sittlichkeit ihrer Entscheidungen überprüfen, einen Platz im Himmel - außer Gott möchte den Himmel mit moralisch faulen, unverantwortlichen oder unzuverlässigen Menschen füllen. […] Wenn jemand in den Himmel kommen möchte, muss er einige bedeutende Fragen klären - und dazu gehört: "Existiert Gott?".

Gegenargument: Die Existenz mehrerer Gottheiten

Die Wette enthält übrigens auch keinen Hinweis, an welchem Gott man glauben soll - da wären ein paar Tausend zur Auswahl.
Das "Viele-Götter"-Argument zeigt, dass wir beliebig viele andere Kriterien finden können, nach denen ewige Seligkeit angeboten und ewige Qual angedroht werden könnte. Beispielsweise könnten nichtchristliche Götter existieren und alle bestrafen, die nicht an sie geglaubt haben, einschließlich der Christen. Oder irgendeine Macht könnte beschließen, diejenigen zu bestrafen, die an Gott glauben, und die Ungläubigen zu belohnen.
Auf diese Weise könnte die Pascalsche Wette benutzt werden, zu folgern, es sei ratsam, an eine ganze Reihe von Göttern zu glauben oder gar an alle. Da jedoch die Glaubenssysteme einiger Religionen exklusiv sind (z.B. anderen Glauben als falsch ansehen), würde das für die Gläubigen dieser Religionen zu Widersprüchen zur Pascalschen Wette führen. Da ist das Argument der einander widersprechenden Offenbarungen, ein Argument, das besagt, dass angesichts vieler einander widersprechender Offenbarungen der Schluss nahe liegt, dass wahrscheinlich keine von ihnen Glauben verdient.
Anhänger von nicht-exklusiven Religionen (Sanatana Dharma oder Pantheismus zum Beispiel) bleiben von einer solchen Kritik unberührt. Zu beachten ist auch eine Besonderheit des jüdischen Glaubens, nach dem auch ein Nicht-Jude nur bestimmte Gesetze beachten muss, zu denen aber das Verbot von Götzenanbetung gehört. Schließlich gibt es Religionen, die keinen Bezug auf eine Gottheit erfordern, wie der Buddhismus.

Gegenargument: Umgekehrte Fassung

"Es ist besser, sein Leben so zu leben, als ob es keinen Gott gäbe und zu versuchen, aus dieser Welt einen besseren Platz zum Leben zu machen. Wenn es keinen Gott gibt, so hat man nichts verloren und wird von den Menschen stets in guter Erinnerung behalten. Wenn es doch einen gütigen Gott geben sollte, so wird er Dich nach Deinen Taten beurteilen und nicht danach, ob Du an ihn geglaubt hast oder nicht."
Man kann die Bedingungen der Wette stets so formulieren, dass sie die gerade gehegte Auffassung verstärkt. Zu mehr taugt diese Wette nicht. Man kann an ihr auch sehr gut messen, wie tief man bereits in den Denkfallen drin steckt, denn je mehr man dieser zirkulären Logik verfallen ist, umso schwerer ist es, die Fehler dieser Wette zu sehen.

Letztlich kommt man nicht an der Tatsache vorbei, dass alle Gott unterstellten Eigenschaften substanzlose Spekulationen sind. Pascal hatte bei dieser Wette nur genau zwei Möglichkeit im Auge, nämlich die, dass der Katholizismus wahr ist oder nicht. Und er muss ein merkwürdiges Gottesbild gehabt haben. Sein Gott belohnt die, die sich der Bequemlichkeit des Glaubens hingeben und bestraft diejenigen, die durch hartes und angestrengtes Nachdenken zu einer eigenen, von der Masse abweichenden Meinung gekommen sind.

Eine besonders gute Formulierung für die Negierung der Wette lautet auch:
Wenn man an einen Gott glaubt, der gut ist, dann wirft er keine Menschen in die Hölle, nur weil sie nicht an ihn glauben. Wenn man aber glaubt, so glaubt man möglicherweise auch an einen Betrug. Und wenn man andere dazu verleitet an einen Betrug zu glauben, dann hat man sie betrogen, damit gegen eine Moral verstoßen, die die Lüge unter Strafe stellt. Wenn der Andere diesen Betrug entdeckt, wird er einem nicht mehr vertrauen.
Tatsächlich ist die Pascalsche Wette eine Aufforderung zum Selbstbetrug, und wenn man einmal darauf hereingefallen ist und andere Menschen betrügt, dann kann man nicht mehr sicher sein, von den Anderen nicht ebenso betrogen zu werden. Die Strafe für Lügen besteht nicht nur darin, dass einem die Anderen nicht mehr trauen, sondern dass man selbst Anderen nicht mehr trauen kann. Das ist auch der Grund, warum sogar Selbstbetrug sozialschädlich ist. Wenn man nicht einmal sich selbst trauen kann.
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anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
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