Kapitel XXI
Eric musterte die Brünette. Sie sah klasse aus. Dunkle Haare, gut gebaut und sie wusste dies auch gekonnt in Szene zu setzen.
Wenn er könnte, so hätte er sie angesprochen. Zumindest wenn er denn nicht körperlos gewesen wäre. Dann hätte die ganze Sache, die aus einem kleinen und unverfänglichen Gespräch entstehen könnte, auch wirklich Spaß gemacht.
Doch so gab es nicht viel, was er tun konnte.
Die Brünette allerdings schien mehr Interesse an Brandon zu haben.
Sie lächelte ihn an und strich ihm mit der Hand über seinen Unterarm.
Brandon sah kurz zu Stevie und Eric hinüber und dann zurück zu der Frau neben sich.
„Komm schon! Ist nur ein Kaffee!“ versuchte sie ihn zu überzeugen.
Brandon war ein klein wenig sprachlos.
„Deine Schwester kann ja mitkommen, wenn du Angst hast, dass sie verloren geht!“ scherzte sie, „Das Café ist gegenüber!“
Sie zeigte auf ein Gebäude auf der anderen Straßenseite. Und sie hatte recht, vom Waschsalon aus konnte man ins Innere des Cafés sehen.
Noch immer war Brandon unsicher.
Doch dann sagte er zu.
Die Brünette grinste siegessicher.
Als Brandon zu Eric und Stevie an den Tisch kam sah er noch immer ein klein wenig hilflos drein.
Die Brünette sah immer wieder zu ihm hinüber, während sie telefonierte.
„Sie hat mich nach einem Kaffee gefragt!“ versuchte Brandon zu erklären.
Stevie nickte nur und sah kurz an Brandon vorbei zu der Brünetten und dann wieder zu ihm.
„Du kannst …!“ fing Brandon an, doch Stevie unterbrach ihn gleich.
„Hey, wenn du Kaffee trinken gehen willst mit ihr, musst du nicht um meine Erlaubnis fragen!“
Brandon zog beide Augenbrauen hoch. Anscheinend hatte er mit dieser Antwort nicht gerechnet.
Eric wusste nicht ob er über Brandon´s verdutztes Gesicht lachen oder sich darüber beschweren sollte, dass nicht er mit der Brünetten einen Kaffee trinken konnte.
Die Brünette hatte ihren Anruf beendet und kam zu den dreien hinüber.
„Hey Kleine, stört es dich, wenn ich deinen Bruder entführe?“ fragte sie lächelnd.
Stevie verkniff es sich die Frau darüber aufzuklären, dass sie nicht mit Brandon verwandt war, so wie sie es zuvor bei dem älterem Paar im Diner verkniffen hatte, zu sagen, dass sie nicht mit Brandon zusammen war.
„Nein! Ist okay!“ antwortete Stevie nur.
Die Brünette musterte sie kurz und sah sie irritiert an.
„Wo sind meine Manieren?“ meinte sie dann, „Ich bin Dallas!“
Wieder sah sie Stevie eindringlich an.
Brandon war es, der das eigenartige Anstarren der beiden Mädchen unterbrach.
„Wir sind gegenüber! Ich bin nicht lange weg!“ erklärte er Stevie und sie nickte nur.
Die Brünette ging voraus.
„Was war das denn?“ knurrte Eric und sah den beiden nach.
Stevie sah ebenfalls Brandon und der brünetten Dallas hinterher.
Sie hatte das Gefühl gerade irgendetwas wichtiges verpasst zu haben.
„Sie hat sehen wollen, ob du eifersüchtig wirst!“ war sich Eric sicher.
„Dann hätte sie aber nicht damit angefangen, ihn als meinen Bruder zu bezeichnen!“ seufzte Stevie nur und wand sich von dem Fenster ab.
Gelangweilt sah sie eine Weile auf die Waschmaschine vor sich, ehe sie die alten Zeitschriften auf einem der Stühle entdeckte und sich eine holte.
Eric unterdessen sah immer wieder zwischen Stevie und Brandon, der nun mit der Brünetten auf der anderen Straßenseite im Café saß hin und her. Brandon hatte einen Platz am Fenster eingenommen, so als wollte er im Gegenzug auch Stevie im Auge behalten wollen.
Chuck Cooper lief ein wenig gelangweilt neben seiner Freundin Ally her. Und während sie an fast jedem Schaufenster anhielt und neugierig die Auslagen anstarrte, auf der Suche nach dem ultimativen Geschenk zu ihrem fünfunddreißigsten Geburtstag am Wochenende, wünschte sich Chuck, er hätte ihr nie den Vorschlag gemacht, sie zu begleiten.
Sein Handy piepste in der Tasche und riss ihn aus seinen Gedanken.
„Wenn´s die Arbeit ist, lass es klingeln!“ schimpfte seine Freundin gleich und sah ihn kurz scharf an, ehe sie sich wieder dem Schaufenster des Schmuckladens zu wand.
Chuck sah kurz aufs Display und nahm das Gespräch an.
Er sagte nichts. Es war auch nicht von Nöten. Eine Automatenstimme am anderen Ende leierte ihren Text einfach herunter und fragte am Ende ihrer Nachricht, ob sie noch einmal den gesamten Text wiederholen sollte.
Chuck legte wieder auf.
Der Anruf hatte nicht einmal zwei Minuten gedauert.
„Ally, ähm … ich hab vergessen, dass ich mich noch mit einem Freund treffen wollte!“ fing er an und seine Freundin wirbelte herum und sah ihn zornig an.
„Du hast versprochen, dass wir zwei heut zusammen shoppen gehen!“ protestierte sie sofort.
„Es ist aber wichtig!“ versuchte er ihr zu erklären.
„Du bist ein Arschloch!“ schrie sie ihn an.
Chuck seufzte kurz.
„Ally, ich bin vielleicht nur eine halbe Stunde weg! Es ist ganz wichtig!“
Sie hatte ihre Arme verschränkt und schien ihn mit ihren Blicken durchbohren zu wollen.
„Wir gehen heut abend auch ins Restaurant!“ versprach er ihr.
Noch immer sah sie ihn finster an.
„Und ich kauf dir … eine Kette!“ Wohl oder übel bereute er es jetzt schon, dass er es gesagt hatte.
Sie musterte ihn eindringlich, so als erwarte sie, dass er seine Meinung gleich wieder ändere.
„Gut!“ knurrte sie, „Aber ich such sie mir aus!“
Chuck schluckte und nickte dann.
Allmählich wurde sie wieder etwas lockerer.
„Gut! Geh!“ meinte sie auf einmal, „Aber ich bummele hier noch etwas!“
„Ich beeil mich auch!“ antwortete er nur und lief los.
Im Grunde hätte er es schon vorher wissen müssen.
Gleich nachdem er die Nummer hatte auf dem Display gesehen.
Aber er hatte gewusst, wie wichtig die Nachricht war und vor allem er schuldete noch jemanden einen großen Gefallen.
Chuck musste nicht wirklich weit laufen.
Die Automatenstimme hatte ihm unter anderem einen Straßennamen genannt und was er tun sollte.
Und nun stand er vor dem Laden und wartete.
Im Grunde wartete er darauf, dass er erneut einen Anruf bekam und die ganze Sache abgeblasen wurde.
Er war nicht feige. Er hatte nur nicht wirklich Lust sich Probleme einzuhandeln.
Dallas saß Brandon gegenüber und versuchte mit ihm zu flirten. Mehr oder weniger schien er auf ihre Masche auch anzuspringen.
Den ersten Teil, ihn zum Kaffeetrinken zu überreden, war ihr gelungen.
„Du bist nicht von hier, oder?“ wollte sie wissen und nippte an ihrem Kaffee.
Er schüttelte nur den Kopf und hielt mit beiden Händen seine Tasse fest.
„Wohin bist du unterwegs?“
„Ich ...“ Darauf hatte er keine wirkliche Antwort.
„Roadtrip mit deiner kleinen Schwester?“ fragte sie grinsend, „Ist irgendwie süß!“
Brandon wollte ihr schon erklären, dass Stevie nicht seine Schwester war, aber andererseits wollte er auch nicht den Eindruck vermitteln, als sei er mit Stevie in irgendeiner Weise zusammen. Wenn er vielleicht doch bei Dallas landen wollte, wäre dies nicht unbedingt die beste Erklärung.
Aber so sicher war er sich nicht, ob er vielleicht mehr von ihr wollte.
Eine Weile fragte Dallas ihn aus. Nach Familie, Job und Hobbys. Er antwortete auf alles brav.
Nur lies er das unglückliche Ende seiner letzten Beziehung in seiner Erzählung aus.
„Wie kommt es eigentlich, dass du mit deiner Schwester allein unterwegs bist?“ fragte Dallas ihn plötzlich und sah ihn mit großen Augen an.
Brandon warf kurz einen Blick aus dem Fenster hinüber zu dem Waschsalon, wo er Stevie mit Eric sehen konnte.
Er wusste nicht, wie er Dallas Frage beantworten sollte und nahm erst einmal einen großen Schluck Kaffee.
„Hab ihr schon einen Platz, wo ihr schlafen könnt?“
Wieder sah sie ihn mit großen Augen an.
Ihre Frage klang weniger besorgt, als vielmehr neugierig.
„Ähm, soweit waren wir noch nicht!“ stammelte Brandon und nahm sicherheitshalber noch einen Schluck Kaffee, um nicht noch mehr sagen zu müssen.
Dallas lächelte verschmitzt.
„Oh man, dass ist echt fies!“ knurrte Eric, der immer wieder aus dem Fenster hinüber zum Café sah und Brandon und Dallas beobachtete.
„Lass ihn! Er ist alt genug um zu wissen, was er da macht!“ meinte Stevie nur, die nicht von ihrer gefundenen Zeitung aufsah.
Eric sah zu ihr hinüber.
„Das war nicht das was ich meinte!“ kam von Eric und er sah wieder zurück zum Café.
Stevie sah endlich zu ihm.
„Tut mir leid!“ flüsterte sie nur und auch ihr Blick schweifte hinüber zum Café.
Bevor Eric noch irgendetwas anderes sagen konnte, summte einer der Automaten und Stevie lies die Zeitung fallen.
„Wird auch Zeit!“ meinte sie und begann damit die Wäsche aus der Waschmaschine zu nehmen und sie ein paar Schritte weiter in den Trockner zu werfen.
Und dann gab die zweite Waschmaschine ihr Zeichen, dass sie fertig sei und auch diese entlud sie und packte die Kleidung, die eigentlich Brandon´s waren in den Trockner.
Sie hoffte nur, dass er nichts dabei hatte, was einlaufen könnte. Aber im Grunde war ihr das im Moment egal.
Larson hatte eine kurze Nachricht erhalten, dass man Brandon´s Motorrad gesehen hätte und sofort schlug er diese Richtung ein.
„Ziemlich planlos!“ kommentierte Larson die Fahrroute, die Brandon eingenommen hatte.
Er hatte keine Ahnung, wie Brandon und seine Begleiterin, die er eigentlich zu finden hoffte, in der Stadt gelandet waren. Brandon war keinen direkten Weg gefahren, so als wüsste er überhaupt nicht wo er lang fahren sollte. Oder vielmehr als hätte er keine Idee wohin er fahren sollte.
Er hatte seinen Chef nach einem Foto des Mädchens gefragt. Damit wäre es einfacher, sie zu finden. Oder zumindest nach ihr zu fragen.
Doch sein Boss meinte, dass er kein Bild des Mädchens habe.
Dies verwunderte Larson zwar, aber er lies es unkommentiert.
Er hoffte lediglich, dass er Brandon nicht umsonst verfolgte. Hoffte, dass das Mädchen noch bei ihm war.
„Ich weiß, wo wir hingehen könnten!“ meinte Dallas und nahm Brandon´s Hand.
Wieder sah er hinüber zum Waschsalon.
„Ein kleines Hotel ein paar Straßen weiter!“ fing Dallas an zu erklären, „Es ist nicht teuer!“
Brandon wusste nicht was er sagen sollte.
„Deine Schwester könnte mit ihrem Freund ein Zimmer nehmen und wir beide ...“ Wieder lächelte sie.
„Ich weiß, dass klingt jetzt ziemlich … dumm von mir … aber ...“
Sie machte einen Schmollmund.
„Hast du etwa Angst um sie?“ wollte sie von ihm wissen, „Oder stehst du einfach nicht auf mich?“
Brandon hatte keine Ahnung wie er darauf antworten sollte.
Dallas war scharf, dass war nicht zu bestreiten. Und einerseits war er von ihrem Angebot angetan. Aber andererseits …
Soweit hatte er nicht gedacht. Warum sollte er dagegen sein?
Wieder warf er einen Blick über die Straße und beobachtete Stevie wie sie die Wäsche von einer Maschine in die nächste umlud.
„Vielleicht,...“ fing er er an, „... wär das keine gute Idee!“
Sie sah ihn mit großen Augen an und wirkte für einen Moment enttäuscht.
„Schade eigentlich!“ meinte sie dann.
Sie nippte weiter an ihrem Kaffee.
Brandon nickte und nahm einen weiteren großen Schluck.
„Falsche Zeit, falscher Ort?“ fragte sie ihn und sah ihn über ihre Tasse hinweg an.
Er grinste kurz und nickte dann.
Er trank seinen Kaffee aus und griff nach seiner Brieftasche.
Zumindest bezahlen wollte er, ehe er sich von ihr für immer verabschiedete.
Brandon stand auf, zog sich seine Jacke wieder über und wollte sich von ihr verabschieden.
„Ich weiß, dass sie nicht deine Schwester ist!“ meinte Dallas plötzlich und nahm einen tiefen Schluck ihres Kaffees.
Irritiert sah Brandon sie an.
„Wie gesagt, schade eigentlich!“
„Was?“
Brandon verstand nicht, was sie meinte.
Und auf einmal gaben seine Beine nach.
„Was ist …?“
Sie grinste nur und trank ihren Kaffee zu ende, während Brandon es schaffte sich auf seinen Sitz zurück fallen zu lassen.
„Es hätte so schön werden können!“ flüsterte Dallas ihm zu, „Aber du wolltest ja nicht!“