Spiele- und Design-Entscheidungen (Teil 4)
Natürlich gibt es inhaltlich noch mehr zu sagen. 3 Themen möchte ich dazu heute besprechen.
Warum braucht man diesen langsamen Spieleinstieg?
Das steht ganz eng in Verbindung zu dem, was ich schon bei der Insel-Frage erklärt habe. Ich habe mich neben den historischen Recherchen auch damit beschäftigt, wie Videospiele einen bleibenden Eindruck vermitteln können. Wer kann einen emotionalen Höhepunkt in Mass Effect 3 nennen? Das Spiel versucht mit Bombast die vorhergehenden Szenen zu überbieten. Das muss es auch, denn bereits die ersten beiden Teile haben die Messlatte der Effekte reichlich nach oben geschoben. Was will man noch bieten, wenn ein riesiger, wanzenhafter Hybrid aus Raumschiff und Alien einfach durch die Verteidigungslinien bricht und die Hauptstation angreift. Also musste der Endboss in Teil 2 mindestens genauso groß sein. Und in Teil 3 bekommt man es gleich mit einer ganzen Armada riesiger Alienraumschiffwanzen zu tun. Das Ende war dann für viele Fans natürlich entsprechend nüchtern, obwohl es davor eine gewaltige Weltraumschlacht der vereinten Völker der Galaxie gegen die bösartigen Reaper gab, die eben ihre Wanzenarmada ins Feld führten. Ich habe keine Kosten und Mühen gescheut und mir extra für diesen Text die drei Finalkämpfe kostenfrei auf YouTube angeschaut. Nichts zu Danken, normaler Fan-Service. Autogramme gibt's am Ausgang.
Damit also Mass Effect Andromeda funktionieren konnte, musste es praktisch ein Reboot sein. Oder ein abweichendes Thema behandeln. Andromeda macht irgendwie beides.
Dabei ist es aber bereits besser aufgestellt, als die schlauchartigen Call of Duty's dieser Welt. Eine Explosion jagd die andere. 10 tote Gegner lösen das nächste Skriptevent aus. Und das in faktisch jedem Teil der Reihe, der in den letzten 15 Jahren rauskam. Da ist es eigentlich egal, ob man Sowjets im Kalten Krieg umnatzt oder Nazischergen ein paar Jahrzehnte früher oder Roboterdrohnen in futuristischen Settings. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich viele Spieler nicht mal mehr an die Namen der Spielfiguren und der handlungsführenden Charaktere erinnern oder welche Gegner in welchem Teil vorkamen.
Bei Final Fantasy gibt es wiederum einen Teil, der auch nach über 20 Jahren noch einprägsam durch den Äther huscht: Final Fantasy VII. Eine Genre-Referenz, von der ich auch heute noch viele Figuren kenne. Und der Hammer. Ich habe es noch nicht einmal durchgespielt. Diese Rollenspiel-Reihe ist natürlich kein Garant, dass nur gute Spiele in dieser enthalten sind. Aber die Ausarbeitung von Charakteren, dass ist es, was ich eigentlich aufzeigen möchte benötigt Zeit.
Vielen sagt Man of Steel nicht zu, ebenso Batman v Superman. Nicht knallig genug, zu langer Einstieg. Mir gefällt das gerade. Beide Filme lassen sich Zeit, ihre Protagonisten erst einmal vorzustellen. Nicht falsch verstehen, ich bin auch ein Fan des Marvel-Franchises. Also eigentlich nur die Filme. Für diese ganzen Serien fehlt mir die Zeit. Der große Bombast war aber auch da mit Thanos erst nach mehr als 20 Filmen erreicht. Langsam kann man den Einstieg auch nicht nennen und an markanten Stellen fehlt es da sicher nicht. Aber Marvel ist in der Erzählung auch eine Ausnahme, nicht die Regel.
Der Otto-Normal-Autor von Spieleskripten oder Drehbüchern versucht eben auf die schnelle Tour ins Herz der Spieler und Zuschauer zu gelangen. Eben oft mit dem Ergebnis eines mauen Endes und der geringen Tiefe der Charaktere und Orte, die bloße Abziehbilder irgendwelcher Klischees sind. Zu lang darf ein Einstieg aber auch nicht sein, denn dann wird es langweilig. Mit Ratten und Blobs darf ein Spiel ja gern beginnnen, aber es darf die ersten 10 Stunden nicht auf diesem Level stehen bleiben.
Freilich haben sowohl Spiele mit gemächlicher Erzählstruktur, als auch brachialer Speedrun ihre Abnehmer und verkaufen sich nicht selten, wie geschnitten Brot. Ich habe mich aber eben auch für die eigene Identifizierung mit dem Helden und dem Eintauchen in seine Heimat für den behäbigeren Einstieg entschieden. Der Spieler soll behutsam in diese Welt eingeführt werden. Besonders in dieser ersten Phase muss zu erkennen sein, welchen Platz der Held und seine Heimat in der Welt einnimmt. Es soll eine Welt werden, die es lohnt, gerettet zu werden. Menschen, auch solche aus Pixeln, wollen wir lieber dann retten, wenn wir sie vorher kennengelernt haben und sie vielleicht sogar in unser Herz schließen konnten. Interessant gestaltete, aber nicht überfrachtete Orte laden zum Erkunden und Stöbern ein. Alles kann von Bedeutung sein, nichts muss.
Ich will keine bloßen Pixelsterblinge oder sprechende Lootboxen, ich will Personen erschaffen. Es soll nicht gleichgültig sein, wenn doch ein Bildschirmwesen dahin rafft, obwohl man versucht hat dieses Ableben zu verhindern. Es soll nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergegangen werden. Die Welt soll nicht wirken, als sei sie allein für den Helden da, sondern als würde sie auch dann weiterleben, wenn der Spieler es ausschaltet. Selbstverständlich aber wird bei Bedarf das Tempo von Zeit zu Zeit angezogen und entsprechend wieder gedrosselt.
Warum gibt es so viel Alltägliches?
Einen Teil davon habe ich bereits eben erklärt. Aber:
Wenn der Held durch die diplomatischen Geschicke und zahlreiche Aufträge in die reale Geschichte dieser fiktiven Welt eingebunden wird, hat er dann nicht genug zu tun, als dass er sich mit niederen, bäuerlichen und bürgerlichen Aufgaben widmen müsste?
Schon richtig, aber auch falsch. Gerade im Alltäglichen steckt ja ein Teil des Zaubers einer lebendigen Welt. Die Dorfbewohner sollen eben nicht bloße Pappaufsteller sein. Ebenso wenig die anderen Nichtspielercharaktere, wie Fürsten, Geistliche, Soldaten, Bürger, Schmiede und die anderen, sollen aufzeigen, dass es sich um wohlüberlegte Orte handelt, wo mehr passiert, als das Warten auf den Helden, um ihn mit neuer Ausrüstung und Missionen zu versorgen.
Die ersten Spielminuten weiß man einfach nicht Bescheid. Gut ist da natürlich auch, dass wir als Kind beginnen und so in unsere Rolle in der Gesellschaft mit der Spielfigur hineinwachsen. Was begegnet dem Helden dabei zwangsläufig? Der Alltag.
Das ist nachvollziehbar, soll aber nicht langweilig werden. Denn wer will schon ein Rollenspiel spielen, bei dem der Held nicht mehr macht, als auf dem Acker Getreide aussähen und zu später wieder einzusammeln. Gut, es gibt ganze Spielkonzepte, die mit Alltag echt zum Verkaufsschlager wurden. Aber ein Sims- oder Harvest-Moon-Clone soll es ja nicht werden.
Es ist aber nur logisch, dass man nicht als schwertschwingender Rambo durch die mittelalterliche Kulisse brettert, als wäre das völlig normal. Wenn die Leute uns im Spiel erzählen, wie hart ihr Leben ist, muss man das sehen können. Wenn der Held sagt, dass er das bäuerliche Leid nachvollziehen kann, dann muss er es erlebt haben. Die Rolle Milos' ändert sich im Spiel natürlich mehrfach, aber man würde das nicht mitbekommen, wenn er nicht entsprechend auch das ändert, was er seinen Alltag nennen würde. Bauern leben anders als Patrizier. Patrizier leben anders als Diebe. Diebe leben anders als Söldner. Söldner leben anders als Diplomaten. Diplomaten leben anders als Fürsten. Das muss man schon mitbekommen. Es wären sonst nur Abziehbilder mit unterschiedlichen Kostümen.
Bauern hüten nun mal das Vieh, säen und ernten auf dem Acker und im Garten. Sie halten den Hof instand und verrichten Fronarbeit. Das ist deren, das ist Milos' Tagwerk.
Warum ist die Geschichte nicht "Echtzeit"?
Warum also wird nicht jede Minute im Leben des Helden dargestellt, sondern nur Abschnitte von diesem?
Dafür gibt es zwei Gründe: Die abgebildete Lebensspanne des Helden beginnen im Jahre 994 und gehen bis 1024/1028. Damit sind 30 Jahre Geschichte abzubilden. Wie soll das bitte in Echtzeit ablaufen? Da der Entwicklungsaufwand deutlich größer ist, als der Aufwand für den Spieler eine bestimmte Mission zu erledigen oder einen Ort zu erkunden, würde das bedeuten, dass ich selbst als 120-jähriger mit dem Spiel nicht fertig werden würde. Selbst wenn ich unrealistischerweise jeden Tag 10 Stunden daran werkeln würde. In 30 Minuten Spielzeit fließen mehrere Stunden Skripten und Erstellen und nochmal so viel für die Recherche.
Der andere Grund: Wer sitzt schon jahrzehnte vor einem Spiel, dass keinen PvP-Content bietet und somit andere Spieler einen wesentlichen Teil am Spielerlebnis beeinflussen und durch Interaktion überhaupt erst erzeugen?
Wie sollte also das SINNVOLLE Befüllen von 30 Jahren Spielzeit aussehen?
Ja, es gibt einen Tag-Nacht-Rhytmus.
Ja, es wird auch Aufgaben geben, die in einer bestimmten Zeit erfüllt werden müssen.
Ja, es wird auch Dinge geben, die an bestimmen Ingame-Wochentagen stattfinden und die einem bestimmten Rhytmus folgen.
Aber es ist bei einem Spiel mit einer solchen Heldenreise nicht wirklich förderlich, dass alle Lebenslagen des Helden zu sehen sind. Viele Dinge finden "im Off" statt, weil ein Spannungsbogen besser aufrecht gehalten werden kann. Was macht der Spieler, wenn der Held schläft? Will man ihm wirklich 2 Wochen lang bei der Ernte helfen? Will man wirklich monatelange Belagerungen mitmachen und im Grunde nichts anders tun als warten? Was macht der Spieler, bis die Geschäfte wieder öffnen? Wie kommt er nach der Sperrstunde in oder aus einer Stadt? Wie geduldig wartet man auf ein Schwert, dass in der Schmiede für einen gefertigt wird? Wie lange schaut dem Helden dabei zu, bis er endlich einen einzelnen Baum gefällt hat?
Nein, "Echtzeit" ist in keinster Weise für das Spiel zielführend.
Nicht also nur die Dramaturgie spricht gegen eine Echtzeit, auch das Gewahrwerden, dass es sich bei aller Detailliebe immer noch "nur" um ein Spiel handelt. Und Spiele sind nun mal interAKTIV.
Kein Fotoalbum enthält aus jeder Minute eines Lebens ein Foto. Und so sollen auch in Sacra Tibia Schlüsselereignisse die Entwicklung des Helden vom kleinen Jungen zum gestandenden Helden aufzeigen.
Natürlich gibt es inhaltlich noch mehr zu sagen. 3 Themen möchte ich dazu heute besprechen.
Warum braucht man diesen langsamen Spieleinstieg?
Das steht ganz eng in Verbindung zu dem, was ich schon bei der Insel-Frage erklärt habe. Ich habe mich neben den historischen Recherchen auch damit beschäftigt, wie Videospiele einen bleibenden Eindruck vermitteln können. Wer kann einen emotionalen Höhepunkt in Mass Effect 3 nennen? Das Spiel versucht mit Bombast die vorhergehenden Szenen zu überbieten. Das muss es auch, denn bereits die ersten beiden Teile haben die Messlatte der Effekte reichlich nach oben geschoben. Was will man noch bieten, wenn ein riesiger, wanzenhafter Hybrid aus Raumschiff und Alien einfach durch die Verteidigungslinien bricht und die Hauptstation angreift. Also musste der Endboss in Teil 2 mindestens genauso groß sein. Und in Teil 3 bekommt man es gleich mit einer ganzen Armada riesiger Alienraumschiffwanzen zu tun. Das Ende war dann für viele Fans natürlich entsprechend nüchtern, obwohl es davor eine gewaltige Weltraumschlacht der vereinten Völker der Galaxie gegen die bösartigen Reaper gab, die eben ihre Wanzenarmada ins Feld führten. Ich habe keine Kosten und Mühen gescheut und mir extra für diesen Text die drei Finalkämpfe kostenfrei auf YouTube angeschaut. Nichts zu Danken, normaler Fan-Service. Autogramme gibt's am Ausgang.
Damit also Mass Effect Andromeda funktionieren konnte, musste es praktisch ein Reboot sein. Oder ein abweichendes Thema behandeln. Andromeda macht irgendwie beides.
Dabei ist es aber bereits besser aufgestellt, als die schlauchartigen Call of Duty's dieser Welt. Eine Explosion jagd die andere. 10 tote Gegner lösen das nächste Skriptevent aus. Und das in faktisch jedem Teil der Reihe, der in den letzten 15 Jahren rauskam. Da ist es eigentlich egal, ob man Sowjets im Kalten Krieg umnatzt oder Nazischergen ein paar Jahrzehnte früher oder Roboterdrohnen in futuristischen Settings. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich viele Spieler nicht mal mehr an die Namen der Spielfiguren und der handlungsführenden Charaktere erinnern oder welche Gegner in welchem Teil vorkamen.
Bei Final Fantasy gibt es wiederum einen Teil, der auch nach über 20 Jahren noch einprägsam durch den Äther huscht: Final Fantasy VII. Eine Genre-Referenz, von der ich auch heute noch viele Figuren kenne. Und der Hammer. Ich habe es noch nicht einmal durchgespielt. Diese Rollenspiel-Reihe ist natürlich kein Garant, dass nur gute Spiele in dieser enthalten sind. Aber die Ausarbeitung von Charakteren, dass ist es, was ich eigentlich aufzeigen möchte benötigt Zeit.
Vielen sagt Man of Steel nicht zu, ebenso Batman v Superman. Nicht knallig genug, zu langer Einstieg. Mir gefällt das gerade. Beide Filme lassen sich Zeit, ihre Protagonisten erst einmal vorzustellen. Nicht falsch verstehen, ich bin auch ein Fan des Marvel-Franchises. Also eigentlich nur die Filme. Für diese ganzen Serien fehlt mir die Zeit. Der große Bombast war aber auch da mit Thanos erst nach mehr als 20 Filmen erreicht. Langsam kann man den Einstieg auch nicht nennen und an markanten Stellen fehlt es da sicher nicht. Aber Marvel ist in der Erzählung auch eine Ausnahme, nicht die Regel.
Der Otto-Normal-Autor von Spieleskripten oder Drehbüchern versucht eben auf die schnelle Tour ins Herz der Spieler und Zuschauer zu gelangen. Eben oft mit dem Ergebnis eines mauen Endes und der geringen Tiefe der Charaktere und Orte, die bloße Abziehbilder irgendwelcher Klischees sind. Zu lang darf ein Einstieg aber auch nicht sein, denn dann wird es langweilig. Mit Ratten und Blobs darf ein Spiel ja gern beginnnen, aber es darf die ersten 10 Stunden nicht auf diesem Level stehen bleiben.
Freilich haben sowohl Spiele mit gemächlicher Erzählstruktur, als auch brachialer Speedrun ihre Abnehmer und verkaufen sich nicht selten, wie geschnitten Brot. Ich habe mich aber eben auch für die eigene Identifizierung mit dem Helden und dem Eintauchen in seine Heimat für den behäbigeren Einstieg entschieden. Der Spieler soll behutsam in diese Welt eingeführt werden. Besonders in dieser ersten Phase muss zu erkennen sein, welchen Platz der Held und seine Heimat in der Welt einnimmt. Es soll eine Welt werden, die es lohnt, gerettet zu werden. Menschen, auch solche aus Pixeln, wollen wir lieber dann retten, wenn wir sie vorher kennengelernt haben und sie vielleicht sogar in unser Herz schließen konnten. Interessant gestaltete, aber nicht überfrachtete Orte laden zum Erkunden und Stöbern ein. Alles kann von Bedeutung sein, nichts muss.
Ich will keine bloßen Pixelsterblinge oder sprechende Lootboxen, ich will Personen erschaffen. Es soll nicht gleichgültig sein, wenn doch ein Bildschirmwesen dahin rafft, obwohl man versucht hat dieses Ableben zu verhindern. Es soll nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergegangen werden. Die Welt soll nicht wirken, als sei sie allein für den Helden da, sondern als würde sie auch dann weiterleben, wenn der Spieler es ausschaltet. Selbstverständlich aber wird bei Bedarf das Tempo von Zeit zu Zeit angezogen und entsprechend wieder gedrosselt.
Warum gibt es so viel Alltägliches?
Einen Teil davon habe ich bereits eben erklärt. Aber:
Wenn der Held durch die diplomatischen Geschicke und zahlreiche Aufträge in die reale Geschichte dieser fiktiven Welt eingebunden wird, hat er dann nicht genug zu tun, als dass er sich mit niederen, bäuerlichen und bürgerlichen Aufgaben widmen müsste?
Schon richtig, aber auch falsch. Gerade im Alltäglichen steckt ja ein Teil des Zaubers einer lebendigen Welt. Die Dorfbewohner sollen eben nicht bloße Pappaufsteller sein. Ebenso wenig die anderen Nichtspielercharaktere, wie Fürsten, Geistliche, Soldaten, Bürger, Schmiede und die anderen, sollen aufzeigen, dass es sich um wohlüberlegte Orte handelt, wo mehr passiert, als das Warten auf den Helden, um ihn mit neuer Ausrüstung und Missionen zu versorgen.
Die ersten Spielminuten weiß man einfach nicht Bescheid. Gut ist da natürlich auch, dass wir als Kind beginnen und so in unsere Rolle in der Gesellschaft mit der Spielfigur hineinwachsen. Was begegnet dem Helden dabei zwangsläufig? Der Alltag.
Das ist nachvollziehbar, soll aber nicht langweilig werden. Denn wer will schon ein Rollenspiel spielen, bei dem der Held nicht mehr macht, als auf dem Acker Getreide aussähen und zu später wieder einzusammeln. Gut, es gibt ganze Spielkonzepte, die mit Alltag echt zum Verkaufsschlager wurden. Aber ein Sims- oder Harvest-Moon-Clone soll es ja nicht werden.
Es ist aber nur logisch, dass man nicht als schwertschwingender Rambo durch die mittelalterliche Kulisse brettert, als wäre das völlig normal. Wenn die Leute uns im Spiel erzählen, wie hart ihr Leben ist, muss man das sehen können. Wenn der Held sagt, dass er das bäuerliche Leid nachvollziehen kann, dann muss er es erlebt haben. Die Rolle Milos' ändert sich im Spiel natürlich mehrfach, aber man würde das nicht mitbekommen, wenn er nicht entsprechend auch das ändert, was er seinen Alltag nennen würde. Bauern leben anders als Patrizier. Patrizier leben anders als Diebe. Diebe leben anders als Söldner. Söldner leben anders als Diplomaten. Diplomaten leben anders als Fürsten. Das muss man schon mitbekommen. Es wären sonst nur Abziehbilder mit unterschiedlichen Kostümen.
Bauern hüten nun mal das Vieh, säen und ernten auf dem Acker und im Garten. Sie halten den Hof instand und verrichten Fronarbeit. Das ist deren, das ist Milos' Tagwerk.
Warum ist die Geschichte nicht "Echtzeit"?
Warum also wird nicht jede Minute im Leben des Helden dargestellt, sondern nur Abschnitte von diesem?
Dafür gibt es zwei Gründe: Die abgebildete Lebensspanne des Helden beginnen im Jahre 994 und gehen bis 1024/1028. Damit sind 30 Jahre Geschichte abzubilden. Wie soll das bitte in Echtzeit ablaufen? Da der Entwicklungsaufwand deutlich größer ist, als der Aufwand für den Spieler eine bestimmte Mission zu erledigen oder einen Ort zu erkunden, würde das bedeuten, dass ich selbst als 120-jähriger mit dem Spiel nicht fertig werden würde. Selbst wenn ich unrealistischerweise jeden Tag 10 Stunden daran werkeln würde. In 30 Minuten Spielzeit fließen mehrere Stunden Skripten und Erstellen und nochmal so viel für die Recherche.
Der andere Grund: Wer sitzt schon jahrzehnte vor einem Spiel, dass keinen PvP-Content bietet und somit andere Spieler einen wesentlichen Teil am Spielerlebnis beeinflussen und durch Interaktion überhaupt erst erzeugen?
Wie sollte also das SINNVOLLE Befüllen von 30 Jahren Spielzeit aussehen?
Ja, es gibt einen Tag-Nacht-Rhytmus.
Ja, es wird auch Aufgaben geben, die in einer bestimmten Zeit erfüllt werden müssen.
Ja, es wird auch Dinge geben, die an bestimmen Ingame-Wochentagen stattfinden und die einem bestimmten Rhytmus folgen.
Aber es ist bei einem Spiel mit einer solchen Heldenreise nicht wirklich förderlich, dass alle Lebenslagen des Helden zu sehen sind. Viele Dinge finden "im Off" statt, weil ein Spannungsbogen besser aufrecht gehalten werden kann. Was macht der Spieler, wenn der Held schläft? Will man ihm wirklich 2 Wochen lang bei der Ernte helfen? Will man wirklich monatelange Belagerungen mitmachen und im Grunde nichts anders tun als warten? Was macht der Spieler, bis die Geschäfte wieder öffnen? Wie kommt er nach der Sperrstunde in oder aus einer Stadt? Wie geduldig wartet man auf ein Schwert, dass in der Schmiede für einen gefertigt wird? Wie lange schaut dem Helden dabei zu, bis er endlich einen einzelnen Baum gefällt hat?
Nein, "Echtzeit" ist in keinster Weise für das Spiel zielführend.
Nicht also nur die Dramaturgie spricht gegen eine Echtzeit, auch das Gewahrwerden, dass es sich bei aller Detailliebe immer noch "nur" um ein Spiel handelt. Und Spiele sind nun mal interAKTIV.
Kein Fotoalbum enthält aus jeder Minute eines Lebens ein Foto. Und so sollen auch in Sacra Tibia Schlüsselereignisse die Entwicklung des Helden vom kleinen Jungen zum gestandenden Helden aufzeigen.