Mein liebster Jeschua,es fällt mir schwer heute irgendwie passende Worte für meinen Brief an dich zu finden. Ich spüre diese Leere und Trauer so heftig und tief in mir, weil ich dich so sehr vermisse. Die Sonne scheint heute, so wie es letztes Jahr an diesem Tag gewesen ist, und doch fällt es mir heute schwer zu lächeln oder irgendetwas zu tun. Am liebsten würde ich mich verkriechen und mit niemanden reden und niemanden sehen.
Ja, es gibt viele Menschen, die an dich denken und die mich trösten möchten. So einige haben mir nette, ermunternde Worte geschickt und ein liebevoller Text deiner Omi hat mich sehr tief in meinen Herzen berührt, so daß mir meine Tränen kullerten. Ich weiß, auch sie vermißt dich sehr und auch andere Menschen werden dich nicht vergessen.
Ich habe wieder Teddy-Kuchen für dich gebacken, zwei Stück. Wie gern würde ich ihn mit dir essen und doch geht es nicht. Manchmal frage ich mich, ob ich genug für dich tu, so als Mama und dann wird mir klar, daß es nichts gibt, was ich noch für dich tun kann. Sich dessen bewußt zu sein tut weh.
Dein kleines Brüderchen strampelt in meinem Bauch und es dauert nicht mehr lange, bis er geboren werden wird. Wie sehr habe ich mir ein Geschwisterchen für dich gewünscht, auch, um dich besser verstehen zu können, denn du konntest dich leider nicht mit Worten ausdrücken, konntest mir nicht mit deinen Armen zeigen, was du gern wolltest. Ich glaube, ich war mit noch niemanden so vertraut, wie mit dir. Ich konnte in deinen Augen lesen, deine Körpersprache einfach deuten. So hast du mit mir gesprochen. ... Nun wird er bald geboren werden, aber du bist leider nicht mehr bei mir.
Ich weiß nicht, ob man den Schmerz und die anhaltende Traurigkeit verstehen oder nachvollziehen kann, wenn man noch nie so einen Verlust erlebt hat. Manchmal frage ich mich, ob es für "Außenstehende" nicht eher anstrengend und nervig ist, wenn man immer wieder in seine Trauer zurück fällt. ... Keine Sorge, mein geliebter Jeschua, deine Mami kämpft sich aus ihrem Tief immer wieder raus und erlebt auch wieder die Freuden des Lebens. Doch genau so zieht es mich immer wieder hinein in diesen Strudel und ich muß viel Kraft aufbringen, um wieder zu lächeln und das Leben freudig zu sehen. Weißt du, mein Schatz, es ist so ein innerer Konflikt zwischen Traurigkeit und Freude.
Auch mit dir, Jeschua, habe ich sowohl Traurigkeit, als auch Freude erlebt und ich bemühe mich immer daran zu denken, wie du gelacht hast und was für Spaß wir zusammen hatten. Menschen, die dich nicht so gut kannten, dachten du hättest ein schrecklich schweres Leben gehabt. Tatsächlich aber sah es anders aus. Natürlich gab es immer wieder schwere Zeiten und davon nicht zu wenig. Doch gab es mindestens genau so viel Freude und Lachen in deinem Leben.
Ich habe immer versucht, so normal, wie nur möglich mit dir zu leben. Ich habe versucht, mich nicht abschrecken zu lassen, von dem, was auf uns zukam. Ich habe darum gekämpft, dir eine fröhliche Mama zu sein, denn daß hast du dir verdient. Ich habe versucht deine schweren Behinderungen und ständigen Erkrankungen nicht ein Problem zu sehen, warum wir dies oder jenes nicht hätten tun können. Nein, egal was auch immer war, du warst mein Sonnenschein.
Vor kurzem habe ich eine kleine Übersicht über nur zwei Tage gefunden, wie es mit deiner Atemnot vor deiner Operation der Trachealkanüle aussah.:
Entsättigungen insgesamt: 17
Reine Sauerstoffgabe in Minuten insgesamt: 58
längste Sauerstoffgabe: 9 min
längster Interval: 63 min
Entsättigungen während dieses Intervalles: 11
tiefste Entsättigung des Tages: 35%
Entsättigungen insgesamt: 22
Reine Sauerstoffgabe in Minuten insgesamt: 55
längste Sauerstoffgabe: 5 min
längster Interval: 20 min
Entsättigungen während dieses Intervalles: 4
tiefste Entsättigung des Tages: 68%
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Durchschnitt
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Entsättigungen insgesamt: 19,5
Reine Sauerstoffgabe in Minuten insgesamt: 56,5
längste Sauerstoffgabe: 7 min
längster Interval: 41,5 min
Entsättigungen während dieses Intervalles: 7,5
tiefste Entsättigung: 35%
Ja, so sah unser Leben 2010 aus und dennoch sind mir genau aus dieser Zeit auch unzählige schöne Erinnerungen im Gedächtnis haften geblieben. Es gab Zeiten, da habe ich um dein Leben gebangt und Zeiten, in denen wir einfach nur glücklich waren, das Beste aus allem gemacht haben und uns vor allem nicht haben unterkriegen lassen. Es war das Jahr, deiner großen Operationen: erst erhieltest du eine Magensonde, wodurch du endlich ohne Anstrengung Nahrung zu dir nehmen konntest und dann deine Kanüle, wodurch du endlich still und leicht atemen konntest.
Ich bin den Ärzten noch immer sehr dankbar, die sich damals deiner liebevoll angenommen haben und daher habe ich auch in diesem Jahr, wie im letzten, wieder eine Spendenaktion für Ärzte ohne Grenzen gestartet. Mal schaun, ob wir wieder für jedes Lebensjahr von dir 100 Euro sammeln können, damit anderen in Kriesensituatuionen auch geholfen werden kann. Wer immer dieses Unterstützen möchte, braucht nur auf diesen Link klicken und ist sofort bei deiner Aktionsseite.:
http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/spenden-sammeln?hptitle=jeschua-theodorus-28sep2008-05feb2012Ich häng hier einfach heut mal einen Stapel an Fotos an. Einige Kuchenteddys und Fotos aus dem erwähnten OP-Jahr, von vor und nach deiner Magensonden-OP.
In ewig währender Liebe,
Deine MamaTausend Küsse für dich, mein Kind