Aus den Archiven gefischt: Der Erwachet September 2012 und der WeltuntergangUm die Logik von Bibelgläubigen, nicht nur der Zeugen Jehovas zu zeigen, muss ich etwas weiter greifen. Folgender Abschnitt beschäftigt sich nur bedingt mit dem "Schöpfung"-Buch. Diese Logik ist prächtig zu sehen im Erwachet, September-Ausgabe 2012. Darin ging es um den Weltuntergang. Es ist schön, auch aus dieser Richtung zu hören (respektive lesen), warum an der Sache um den 2012-Weltuntergangshype nichts dran sein kann.
So sagt eine Theorie eine massive Verschiebung der Erdkruste voraus, die gewaltige Tsunamis, Erdbeben und Vulkanausbrüche auslösen soll. Laut einer anderen Theorie soll es, wenn die Planeten praktisch in einer Reihe stehen, auf der Erde zu schweren Zerstörungen durch stärkere Sonnenwinde kommen. Wieder andere behaupten, es drohe eine plötzliche Umkehr der magnetischen Pole, wodurch die Erde der gefährlichen Strahlung der Sonne ungeschützt ausgeliefert sei und alles Leben ausgelöscht werde. Nicht davon wird passieren.
- Seite 3, Erwachet, September 2012
Damit sind die gängigsten 2012 Themen durch: Erdkrustenverschiebung, Planetenkonstellation und Umkehrung der magnetischen Pole. Und der Erwachet hat recht, nicht davon wird passieren oder (es ist ja schon 2023) ist passiert. Eine Erklärung wäre schön, denn die Evolutionstheorie wird ja auch immer mit "Beweisen" niedergeschrieben.
Ich reiß es kurz ab:
Eine Erdkrustenverschiebung impliziert, dass die ganze Erdkruste aus einem Stück ist. Und das ist sie nachweislich nicht. Eindrucksvollster Beweis ist der atlantische Rücken, ein Gebirgmassiv, dass sich vom südlichsten Atlantik, an der Küste der Antarktis bis fast zum Nordpol durchzieht. Dieser drückt den Atlantis durch Nachfluss von Magma immer weiter auseinander, so dass sich Amerika auf der einen Seite und Eurasien und Afrika auf der anderen Seite immer weiter von einander entfernen. Wenn auch nur wenige Millimeter im Jahr.
Eine Planetenkonstellation ist auch kein Weltuntergangsgarant. Denn alle Planeten zusammen haben kaum 2% der Gravitations und nicht mal 1% der Gezeitenkräfte, die der Mond auf uns auswirkt. Denn nicht nur die Masse ist entscheidend für den Einfluss, sondern auch die Entfernung. Die Gravitationswirkung lässt im Quadrat zum Abstand nach (doppelte Entfernung bedeutet nur noch ein 1/4 des Einflusses). Bei der Gezeitenkraft lässt es sogar im Kubik nach (doppelter Abstand bedeutet nur noch ein 1/8 des Einflusses). Da der Mond aber nicht immer den selben Abstand zur Erde hat (er schwankt zwischen 360.000 und 420.000 km) schwankt bereits seine Gravitationswirkung um 25%. Was die Planeten also gemeinsam für Schindluder auf der Erde treiben sollen, müsste der Mond jeden Monat um ein Vielfaches übertreffen. Und wir merken selbstverständlich nichts davon, weil es nicht stattfindet.
Und eine Umkehrung der Pole ist wissenschaftlich belegt, aber dies dauert mehrere Jahrtausende. Erst wird das Magnetfeld schwächer, kehrt sich um und baut sich wieder zur vollen Stärke auf. Wer davon einen Bewusstseinssprung erwartet, der kann auch einfach Richtung der Pole oder aber Richtung des Äquators reisen. Die lokalen Unterschiede sind höher als eine Umpolung wäre. Noch einfacher wäre es, sich einen Kühlschrankmagneten an die Birne zu halten. Das übertrifft den Einfluss des Erdmagnetfelds auf den Einzelnen um das Tausendfache.
Beispielsweise soll sich ein hypothetischer Planet namens Nibiru (oder Planet X) auf Kollisionskurs mit der Erde befinden um im Dezember 2012 hier eintreffen. Diese und andere völlig aus der Luft gegriffene Theorien werden gern mit Deutungen eines alten Mayakalenders kombiniert, der nach Ansicht einiger zur Wintersonnenwende 2012 endet.
- Seite 4, Erwachet, September 2012
Und ihr dachtet, Nibiru und die Maya werden nicht thematisiert. Aber natürlich werden sie das. Das war mein Lieblingsschwachsinn und ich habe dazu ein mehrseitigen Thread beschrieben. Hier aber nochmals so kurz, wie möglich, warum er uns nie treffen wird.
Ein Planet mit 3600 Jahren Umlaufzeit, wie für Nibiru mehrfach angegeben, hat eine Bahnlänge von über 500 Astronomischen Einheiten (500 mal weiter von der Sonne entfernt als wir Erdlinge). Immerhin soll er ja lange draußen sein und nur eben alle 3600 Jahre Nahe der Erde sein. Er wäre langperiodisch wie ein Komet. Die bösen Anunaki, die in einigen Spinnerein dazu auf dem Nibiru oder einem seiner Monde leben sollen, sind damit obsolet geführt. Die würden die meiste Zeit erfrieren, es wäre kein Leben möglich.
Außerdem schwankt die Größe Nibirus von Theorie zu Theorie zwischen Erdgröße und der Größe eines braunen Zwerges (mindestens 13 Jupitermassen und dementsprechend groß). Völlig egal, wo er auf dieser weitreichenden Skala wäre, er wäre zu sehen. Denn Hobbyastronomen finden sogar kleine Kometen im Kuipergürtel, da hinten beim Pluto. Und selbst wenn das Ding unsichtbar ist, wie einige behauptet haben, so hätte er eine Masse und damit eine gravitative Wirkung und würde sich auf alle Planeten im System auswirken. Wenn er aber auch keine Masse hätte, müssten wir ihn nicht fürchten, da er durch uns durchfliegen könnte und wir nix zu befürchten haben.
Andere sagen, er hätte sich bisher hinter der Sonne versteckt. Um aber immer auf der anderen Seite der Sonne zu sein, müsste er auf der selben Bahn unterwegs sein, wie wir (Keplers Bahngesetze), damit er genauso schnell ist. Dann kann er uns aber auch nicht rammen, da er uns nie einholt und wir ihn nicht.
Und last but not least: Kalender enden nicht. Sie sind eine periodische Zählweise zum Erfassen von Tagen (bei uns aufgeschlüsselt in Monate und Jahre). Kein Kalender arbeitet anders. Nur ihre Intervalle unterscheiden sich.
Das musste ich nochmal los werden. Einfach weil es raus muss und der Erwachet, diese Theorien komischerweise eben nicht widerlegt hat. Obwohl dies, wie ihr hier seht echt einfach ist und wenig Platz verbraucht. Papiermangel kann es nicht sein, denn man befasst sich in extra Broschüren allein mit der Evolutionstheorie. Und es wäre eine zusätzliche Sicherheit für unsichere Zeugen gewesen, von denen ich auch einige kannte. Auch die hatten, trotz Zusicherungen der Bibel und ihrer Versammlung, Weltuntergangsängste. Da muss beim nächsten Tamtam nachgebessert werden.
Die "Skeptiker" der NASA kommen natürlich auch zu Wort, mit dem Ausspruch, dass kein seriöser Wissenschafter irgendeine Bedrohung für 2012 sieht. Doch Erwachet warnt davor, sich in Sicherheit zu wiegen und ein Weltende als "Fiktion oder nur etwas für Leichtgläubige" abzutun. Danach geht es um reale Gefahren, die aber eben nicht explizit das Jahr 2012 betreffen: Vulkanausbrüche, Asteroiden, der Klimawandel, Seuchen und Pandemien, das Aussterben lebenswichtiger Arten und (seit den 50ern Dauergast der Greatest Hits of Weltuntergang) ein Atomkrieg. Aber hier weiß plötzlich der Erwachet zu entwarnen.
DIE bisher geschilderten Endzeitszenarien sind nicht nur alle tiefpessimistisch, sie gleichen sich auch in anderen Punkten. Erstens basieren sie auf rein menschlichen Spekulationen — und bisher waren Menschen nicht gerade gut darin, zu erraten, was die Zukunft bringt. Zweitens wäre es reine Glückssache, wer überlebt — wenn überhaupt jemand überlebt. Drittens müssten alle, die dann noch am Leben wären, ständig weiter ums Überleben kämpfen.
Da hat das Bild, das die Bibel von der Zukunft zeichnet, schon eine viel solidere Basis. Wie sie erklärt, steht in der Tat ein großer Wechsel unmittelbar bevor. Doch es gibt eine Überlebensgarantie - für jeden, der sich so verhält, wie Gott es erwartet. Zudem schildert sie die Zukunft der Erde weder als verkohlten Planeten noch als tiefgefrorenen Eisklotz. Richtig ist: Die ganze Erde wird zu einem Paradies werden.
- Seite 9, Erwachet, September 2012
Stopp! Das muss ich mir auf der Zunge zergehen lassen: Die Bibel zeigt eine SOLIDERE Basis. Durch was wird diese Basis erworben und solide? Allein dadurch, dass sie nicht so pessimistisch und wahllos ist? Sind Ereignisse, die nicht auf die Konfession achten, weniger glaubwürdig? Briefen Asteroiden wie gottesfürchtig jemand ist, bevor sie runterfallen? Und waren die Dinosaurier Atheisten? Was genau macht die wissenschaftlichen Prognosen so unsolide?
Wissenschaft ist Spekulation. Mal einfach so ins Blaue geraten und Pi-mal-Daumen sowieso. Alles fixe Ideen, ohne Hand und Fuß. Nur so erdacht, weil grad nix anderes zu tun war und man Langeweile hatte. Dumm nur, dass das nicht stimmt. Aber hier zeigt sich offen, wie die Wachtturm-Gesellschaft über Wissenschaft denkt.
Selbstverständlich gehen Wissenschaftler davon aus, dass ein Vulkanausbruch bevorsteht oder ein Asteroid uns trifft. Weil das immer schon so war, nachweislich. Warum sollte sich das plötzlich ändern? Weil es in einem alten Buch steht? Was ist daran bitte solide?
Aber ist ja auch logisch: Die Bibel ist ja von Gott inspiriert. Und er verkündet das Paradies und keine Apokalypse. Also muss sie stimmen. Denn Gott lügt nicht. Allerdings ist die einzige Quelle, die Gott als Autor der Bibel nennt und ihre Richtigkeit bezeugt ... nunja, die Bibel selbst. Die Bibel verifiziert sich selbst. Sie ist richtig, weil in ihr steht, dass sie richtig ist. Unschlagbares Argument.
Religion funktioniert nun mal so. Und da sind die Zeugen nicht anders: Bestätigt die Wissenschaft etwas, das schon lange in der Bibel steht, so wird immer wieder darauf verwiesen, wie recht die Bibel doch hat. Sie ist kein wissenschaftliches Buch und trotzdem stimmt sie. Eindrucksvoll, muss man schon sagen. Die Wissenschaft wird an den Karren gespannt, um die Bibel zu belegen.
Sobald aber Wissenschaft zu Ergebnissen kommt, die mit der Bibel nicht in Einklang zu bringen sind - wie eben diese realen Bedrohungen, zum Beispiel durch Vulkane und Asteroiden, oder aber die Entstehung des Lebens und der Arten - dann ist Wissenschaft falsch. Sie wird bekämpft oder ignoriert. Völlig ungeachtet natürlich der Tatsache, dass Wissenschaft für alle Bereiche immer auf dieselbe Methodik zurückgreift. Und dass diese Methodik und das damit gewonnene Grundlagenwissen, zur Entwicklung verschiedenster Sachen geführt hat, die wir heute wie selbstverständlich nutzen (z.B. Autos, Mikrowellen, Handys, ...) ist ein dummer Zufall.

Die Bibel ist korrekt, weil die Bibel es so sagt. Oder der folgende ist auch nicht schlecht.

Wenn ein Wissenschaftler - oder besser noch ein Pseudowissenschaftler - behauptet, seine steile These sei korrekt, einfach weil er das so sagt, dann wird er zurecht kritisch beäugt. Immer musste ein Wissenschafter seine Thesen an der Wirklichkeit testen lassen. Seine Thesen müssen experimentell oder durch natürliche Beobachtungen bestätigt werden. Theorien lassen sich nicht beweisen. Das ist nicht der Sinn einer wissenschaftlichen Theorie. Sie lassen sich nur bestätigen. Theorien beschreiben mit ihren Modellen die Wirklichkeit, soweit wir sie eben kennen. Wenn Beobachtungen die Modelle der Wissenschaft bestätigen, dann ist das gut. Es ist ein Zeichen dafür, dass man einigermaßen verstanden hat, wie die Dinge funktionieren. Fast noch interessanter ist es aber, wenn man Fälle findet, in denen ein Modell nicht mehr funktioniert. Das bedeutet, dass man an den Grenzen der aktuellen Erklärung angelangt ist. Man braucht neue Ideen und neue Ideen führen zu neuen Entdeckungen und einem ganz neuen Verständnis der Welt.
Und das Problem ist eben, die Wissenschaft kann sich anpassen und diese neuen Ideen leicht integrieren. Diese müssen wieder gegengerechnet und überprüft werden. Und die neue Theorie muss alles erklären, was die alte erklärte und darüber auch die neuen Sachverhalte.
Die Evolutionstheorie kann demnach nicht grundlegend falsch sein, weil sie seit 160 Jahren geprüft und gegengeprüft wird. Immer wieder. Und sie ist die am besten bestätigte wissenschaftliche Theorie überhaupt. Eben weil sie so vehement bekämpft wird, wird an ihr intensiv geforscht.
Die Bibel stimmt, weil in der Bibel steht, dass sie stimmt. Ist doch logisch. Die Evolution(-stheorie) ist ja auch falsch, weil Evolutionsbiologen behaupten, sie sei richtig. Nicht mehr logisch? Komisch. Genauso argumentieren die Zeugen. Wissenschaft stimmt offensichtlich nur, wo sie die Bibel bestätigt.

Wissenschaft muss nicht jedem gefallen. Sie ist gar nicht da, um die Wunschvorstellungen von Menschen zu nähren oder zu zerstören. Sie ist unparteiisch, sie ist objektiv. Wissenschaft hasst nicht, liebt nicht. Wissenschaft ist weder gut, noch böse. Sie ist eine Methode zur Beschreibung dessen, was wir um uns herum wahrnehmen. Wenn Gott nicht wahrnehmbar ist, dann ist er gleichsam kein Gegenstand der Wissenschaft. Und das bedeutet nicht automatisch, dass es ihn nicht gibt. Er ist nur einfach nicht erfassbar. Jesus Auferstehung ist wissenschaftlich nicht greifbar, weil bisher jeder Tote auch tot blieb. Nichts in der Wissenschaft deutet auf das Gegenteil hin.
Einem Evolutionsbiologen vorzuwerfen, er würde Gott bei der Entstehung des Lebens und der Arten außen vor lassen, ist, als würde man einem Meteorologen vorwerfen, er vernachlässige Gottes Einfluss auf das Wetter. Wenn Gott sich aber irgendwann zeigen oder erfassen lassen würde, so wäre er plötzlich Gegenstand der Wissenschaft und wäre physikalisch und mathematisch erforschbar. Bis dahin ist er kein naturwissenschaftliches Thema. Und um die Gegenpartei, die Gottesleugner gleich abzufedern: Die Wissenschaft kann die Nichtexistenz von Etwas nicht beweisen oder bestätigen. Sie kann nur zeigen, wie es ohne auch geht.

Wenn die Welt eine Herz-OP wäre, wäre Wissenschaft weder der Patient, noch der Chirurg. Sie wäre weder Herz noch Blut. Sie wäre das Skalpell.
Schade, dass der Erwachet die eine Chance verpasst, ein halbwegs seriösen Artikel zu schreiben, obwohl die Vorlage dafür so simpel gewesen wäre.
Das ist mein 1887. Beitrag (nach Bereiniung). Also habe ich mir überlegt, bis zum Beitrag, der das aktuelle Jahr repräsentiert, immer einen kleinen Geschichtefakt mit unten anzuhängen:
Am 29. September 1887 meldet Emil Berliner das von ihm erfundene Grammophon zum Patent an. Und Großbritannien führt mit dem "Merchandising Marks Act" ein, dass auf allen importierten Industriegütern das Herkunftsland vermerkt sein muss. Der Begriff "Made in Germany" entsteht. Deutsche Erzeugnisse wurden in Britannien mit diesem Stempel versehen, um sie als minderwertig darzustellen. Durch die Hochwertigkeit der Waren wird wider Willen daraus ein Qualitätssiegel und der Verkauf steigt.