Evolution oder Schöpfung




Religion, Esoterik, Verschörungstheorien und andere Dinge.

Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » So 15. Apr 2018, 22:03

Rezension: Jw.org - Fragen junger Leute: Schöpfung oder Evolution?

Auf der Webseite jw.org gibt es eine Rubrik Teenager, in der speziell auf Jugendliche zugeschnitte Artikel, Ratschläge und Videos veröffentlicht werden. Thematisch sortiert geht er auf zahlreiche Lebensbereiche ein, so zum Beispiel "Schule", wo natürlich auch die Evolutionstheorie aufgegriffen wird. In 4 aufeinanderfolgenden Artikeln werden folgende Fragen erörtert: Was spricht für einen Glauben an Gott? Was spricht gegen die Evolution? Was spricht für die Schöpfung? Wie kann ich erklären, warum ich an die Schöpfung glaube?
Wie unschwer zu erkennen ist, sind die Fragen bereits tendenziös gestellt und zeigen bereits vorab, in welche Richtung es gehen muss. Wohin denn auch sonst? Sind Zeugen Jehovas doch von der Schöpfung durch einen allmächtigen Gott überzeugt.

Schöpfung oder Evolution? - Teil 1: Was spricht für den Glauben an Gott?

Die einleitenden Sätze implizieren eine Übermacht der Evolutionsgläubigen, die es laut dem Eintrag "Das Vorrücken der Kreationisten" und den hießigen Fußnoten nicht gibt (#1, #2, #3). Richtig ist, dass auf beiden Seiten viel nachgeplappert wird, ohne selbst zu reflektieren oder recherchieren.



Laut Römer 12:1 soll der eigene Verstand gebraucht werden, um nicht einfach den Glauben der Eltern oder des Umfelds zu übernehmen oder einem Bauchgefühl zu folgen. Grundsätzlich kann ich diese Aussage nur unterstützen, da eigenes Denken und kritisches Hinterfragen voranbringt. Allerdings formt ein jeder seine Umgebung, so wie er von ihr geformt wird. Eine gänzlich unabhängige Meinung wird also niemand ausformen. Schon der Eunuch in Apostelgeschichte 8:26 - 40 antwortet auf die Frage des Philippus, ob er die Worte der heiligen Schriftrollen verstehe: "Wie könnte ich es denn je, wenn mich nicht jemand anleitet?" (Apostelgeschichte 8:31). Und da ist die Krux, denn um einem Glaubensmodell zu folgen, bin ich faktisch gezwungen, bestimmte Glaubenssätze einfach anzunehmen, um überhaupt innerhalb der Glaubensgemeinschaft aufgenommen zu werden. Freiheitliches Denken ist also von Vornherein nur eingeschränkt möglich. In der Wissenschaft könnte ich dagegen jeden Schritt des Erkenntnisgewinns nachvollziehen und selbst meine Schlüsse ziehen. In der Bibel stoppt man spätestens bei den Wundern, da diese auch in der Ewigkeit nicht zu beweisen sind, da sie per Definition den naturwissenschaftlichen Kenntnissen widersprechen und in der Regel einmalig auftraten. Hier ist Glauben unabdingbar, ja sogar zu gewissen Teilen nicht anders möglich als blind. Hier ist Glauben synomym mit "nicht zweifeln dürfen".

Bei einem dicken Buch, wie der Bibel oder aber bei einer so umfangreichen Theorie, wie der die die Evolution beschreibt, ist es eigentlich auch nicht zu erwarten, dass man ganz ohne Erklärung von außen, selbst alle Verknüpfungen legen kann.

Da der Glaube an eine Schöpfung (ein eben solch übernatürliches Wunder) unmittelbar an einen Glauben an Gott geknüpft ist, soll man erstmal das dort hinterlegte Arbeitsblatt "Darum glaube ich an Gott ..." (PDF) durcharbeiten, um mit den vorgefertigten und zielgerichteten Fragen zu einer "unabhängigen" Überzeugung zu gelangen. Alle dort verlinkten Bibelstellen sind wieder poetische Fassungen des kosmologischen Gottesbeweises, der Gott voraussetzt, aber nicht durch Logikschlüsse "beweist". Die Aussagen der Jugendlichen sind dann eigentlich nur noch eine Fortsetzung der Bibeltexte.

Der Trugschluss, dass die mathematische Präzision die Zufälligkeit der Evolution ausschließe, wie der zitierte Anthony behauptet, baut darauf auf, Wissenschaften getrennt zu betrachten. Aber alles baut aufeinander auf. Mathematik stellt das Grundgerüst der Physik, der Beschreibung der Energiezustände und der Kräfte. Diese ist wiederrum Grundlage aller chemischen Prozesse. Biologie ist aber wiederum ein Teilbereich der organischen Chemie. Wenn also das Universum so mathematisch präzise ist, so ist die Evolutionsbiologie ein zwangsläufiges Ereignis und kein Wunder. Ein schöpferischer Akt wird nur in einem Universum benötigt, das offenbar nicht für Leben ausgerichtet ist.

Der Verweis, dass viele intelligente Leute an Gott und die Schöpfung glauben, soll die eigene Überzeugung stärken, in der völligen Verkennung, dass die Mehrheit der sachkundigen Wissenschaftler eben doch die Evolutionstheorie als Erklärungsmodell bevorzugen und durch teils selbst erarbeitete Erkenntnisse bestätigt sehen. Schlussendlich ist die Frage nach Gott höchst persönlich und wenig empirisch oder evidenzbasiert. Denn die Frage, wie viele Forscher auch an Gott glauben, ist so aussagekräftig, wie die Zahl der Ärzte, die wissen, dass Rauchen schädlich ist und dennoch rauchen.

Ein anderer Verweis zeigt auf, dass Leben immer nur aus Leben entsteht und für diese spontane, zufällige Entstehung kein Nachweis vorliegt. Für das Eingreifen eines Gottes zwar auch nicht, aber das müssen wir mit dem Vermerk auf den Glauben ignorieren. Chemiker und Biologen stehen tatsächlich vor dem Rätsel, wie Leben aus unbelebter Materie wurde (Abiogenese). Das heißt aber nicht, dass das Rätsel nicht lösbar wäre. Aus der Frage, warum Leid existiert, wenn Gott doch gütig ist, ein Bibelstudium zu beginnen, würde zumindest bei mir verfangen, da das Leid auf Erden auch ohne Gott erklärbar ist, da wir nunmal nicht auf einer menschgemachten Welt leben, sondern einem tektonisch aktiven Steinklumpen.

Teil 2: Was spricht gegen die Evolution?

Lehrer sind Menschen und unterliegen dem gewöhnlichen Durchschnitt. In den USA glauben die meisten Menschen an die Schöpfung, so eben auch die Lehrer. Eigentlich ein exzellentes Beispiel für Selektion: Denn Lehrer denken nicht anders als die Schulgemeinde, da Lehrer mit unliebsamen Ansichten im amerikanischen Schulsystem von gewählten Schulräten schnell eliminiert werden. Denn auch hier gibt es ebenso viele strikte Kreationisten wie draußen in der Bevölkerung: Vier von zehn Lehrern lehnen die Evolutionslehre ab. Sie müssen sie aber lehren, da die Schulbehörden staatlich organisiert sind. Doch die eigentliche Tragik ist, dass die verbleibenden 60 Prozent oft schon aus Unsicherheit, meist aber vor allem aus Angst vor dem Druck der Eltern das Thema Evolution im Biologieunterricht meist so schwammig präsentieren, dass den Schülern nur der Eindruck bleiben kann, es handele sich hier um etwas, das eher einer Meinung als einer wissenschaftlichen geprüften Theorie entspricht. Sie wird in den allerwenigsten Fällen als Fakt präsentiert - was ebenso falsch wäre - sondern von denen, die ein kreationistisches Weltbild vertreten, als Aufzwängen als solch ein Fakt empfunden.


Schematisch vereinfachte, aber in diesem Sinne fehlerhafte Darstellung der Entwicklung des Menschen auf affenähnlichen Vorfahren.

Daraufhin wird auf die Uneinigkeit in der Wissenschaftgemeinde bezüglich der Evolution verwiesen, obwohl sie schon seit Jahrzehnten erforscht wird. Es gibt trotzdem keine einheitliche Fassung, der alle zustimmen. Das sieht aber nur der als Kritikpunkt, der Wissenschaft nicht versteht. Diskurs und Kontroversen gehören dazu. Je komplexer ein zu untersuchender Sachverhalt - und Leben ist überaus komplex - desto länger und schwieriger ein Einigungsprozess, eben weil an ganz unterschiedlichen Stellen neue Erkenntnis gewonnen wird und das Feld sehr weit gefächert ist. So weit, dass es keiner mehr überblickt. Das man diesen Wissenschaftsapparat hinterfragen soll, ist sogar eine ausdrückliche Forderung eben diesen Apparates, denn nur so funktioniert deren Selbstreinigungsprozess, der am Ende des Tages, die Theorien aussiebt, die den Beobachtungen und Experimenten nicht standhalten können. Dieser Prozess wird in der Evolutionswissenschaft genauso angewandt, seit über 100 Jahren. Dies könnte ein kleiner Hinweis sein, warum sie trotz Widerstand immer noch existiert. Die Evolutionstheorie ist das Resultat eines dynamischen, sich selbst permanent hinterfragenden Apparats, den wir Wissenschaft nennen. Wenn sich alle einig wären und keiner hinterfragen würde, gäbe es keine Anreize neue Dinge herauszufinden. Die Wissenschaft lebt von der Debatte. Wenn Uneinigkeit wirklich ein Punkt zur Ablehnung einer Theorie wäre, so würde auch die Urknalltheorie die Bibel nicht stützen, da diese ebenso noch heute diskutiert wird.

Religionsgelehrte unterschiedlicher Coleur sind sich beim Thema Gott auch nicht einer Meinung. Allein das Christentum ist in zweitausend verschiedene Grüppchen zersplittert. Solche und ähnliche Glaubensfragen sind schon seit Jahrtausenden Gegenstand intensiver Forschung. Religionsgelehrte konnten sich auch mit dem Schwert bisher nicht auf eine Erklärung für Gott und das Leid auf Erden einigen, der alle zustimmen. Wenn sich also die Gelehrten nicht einig sind, warum soll ich Gott dann nicht auch hinterfragen?

Das Konstrukt der Evolutionstheorie(n) steht, es enthält die fünf Säulen der Mutation (lat. mutare "ändern, verwandeln"), Selektion (lat. selectio "Auswahl/Auslese"), Variation (lat. variare "verändern"), Adaption (lat. adaptare "anpassen") und des genetischen Drifts (in der Populationsgenetik eine zufällige Veränderung der Allelfrequenz innerhalb des Genpools einer Population). Irritierenderweise würde vermutlich auch eine Übereinkunft nicht von der Evolution überzeugen, da man dann wieder den Vorwurf des Dogmas einstreut. Man kann es also dem Gegner nicht recht machen.

Wie schon erörtet, ist in diesem Zusammenhang die Sinnsuche unbedeutend. Selbstverständlich hat es Einfluss auf meine Lebensführung, wie meine Weltanschauung aussieht. Aber die Realität kümmert das wenig. Ob ich Sinnhaftigkeit wünsche oder nicht, sagt nichts über die Richtigkeit der Evolutionstheorie aus.
Auch die kritischen Fragen ändern daran nichts: Den Urknall Gott in die Schuhe zu schieben, ist eine Behauptung, denn wir wissen konsequenterweise nicht, warum alles ins Dasein kam (ausführlicher im Eintrag "... 037, 07.01.2018: Was hat die Nacht mit dem Urknall zu tun?"). Die Frage nach der Abstammungsgeschichte des Menschen und der Komplexität von einfachen Lebensformen ist Forschungsgebiet verschiedener Wissenschaftszweige. Es mag Leute geben, die sich mit "Gott war's!" zufrieden geben. Aber einfach gar keine Fragen mehr stellen, als sich aktuell eingestehen zu müssen, dass man nicht oder nicht vollumfänglich antworten kann, ist keine Lösung.
Die Frage nach dem Intellekt versuchen Evolutionsforscher wie folgt zu beantworten: Kochen und Braten von proteinhaltiger Nahrung, hat dazu geführt, dass unsere "affenähnlichen" Vorfahren die Inhaltsstoffe besser aufspalten konnten. Dadurch wuchs das Hirnvolumen und es veränderte sich die Struktur. Gleichzeitig wurde weniger Nahrung benötigt, um den Körper zu versorgen. Ergo brauchte man auch weniger Zeit für die Nahrungssuche. Das Erhalten und Entfachen von Feuerstellen wurde essentiell und verlangte Intellekt. Der frühe Mensch wuchs also in seine Aufgabe hinein und hatte mehr Zeit, sich überhaupt über anderes als Futtern Gedanken zu machen.
Gerade die Übereinstimmung so komplexer Strukturen wie der DNA oder eingelagerten Bakterien und Viren gereicht dem Biologen ja zur Annahme, dass bestimmte Arten eine Verwandtschaft ausweisen, demnach logischerweise also einen gemeinsamen Vorfahren haben müssen.

Die darauffolgenden Fragen von Gwen, Jessica und Julia entspringen dann wieder nur dem Unverständnis, was der Urknall aussagt und wie organische Chemie sich von anderen Prozessen im Universum unterscheidet. Bereits die einfache Theorie, dass wir uns zu sozialen Tieren entwickelt haben, um als Gruppe besser zu überleben, erklärt viele moralische und soziale Aspekte unseres Lebens, ohne einen Gott anzunehmen. Denn es geht in der Evolution nicht um das Überleben des Stärkeren, gleichwohl ist Konkurrenz ein bestimmendes Moment.
Ich bin im Übrigen von der Richtigkeit der Evolutionstheorie nicht deshalb überzeugt, weil kluge Leute, sie vertreten, sondern weil sie allen wissenschaftlichen Tests und Fragestellungen der letzten 160 Jahre standgehalten hat. Weil sie wandelbar ist und neue Ergebnisse berücksichtigt. Weil sie kritisch untersucht wird, bereits innerhalb der Gruppe der sie Erforschenden.

Teil 3: Was spricht für die Schöpfung?

Um auf den Einwand einzugehen, natürlich hat Schöpfungsglaube nichts mit Gehirnwäsche oder Dummheit zu tun und natürlich muss sich kein Hass oder eine Feindschaft auf die Wissenschaft daraus ableiten. Aber im Grunde sind diese Argumente auch nur eine Verteidigung des eigenen Glaubens und keine Argumente für eine Schöpfung. Und ja, es stimmt: Galileo und Newton waren gläubig und ihr Glaube war ein Motivator zu forschen. Aber die aufgestellten Theorien funktionieren nicht deshalb, weil sie Gott gesucht haben, sondern weil sie experimentell überprüfbar sind. Man braucht Gott nicht, um die Schwerkraft zu beschreiben.
Natürlich sind die Dinge schön, sie sind kompliziert und vermutlich werden wir sie nie verstehen. Aber einfach Gott vorzuschieben, löst keine dieser Fragen. Einfaches Abnicken von vorgesetzten Dogmen übrigens auch nicht. Die Evolutionstheorie ist leider keine fixe Idee, aber solange lediglich eine vage Vorstellung von dieser vorhanden ist und auch in der Schule nur so gelehrt wird, ist mit diesem Halbwissen den Kreationisten Tür und Tor geöffnet.
Selbstverständlich gibt es Wissenschaftler, die Glaube und Wissenschaft vereinen können. Aber ihre wissenschaftlichen Arbeiten müssen zur Reproduzierbarkeit, zur Prüfung und Verifizierung eben rein naturalistisch sein, da Glaubensinhalte nicht gemessen werden können. Ein fehlender Widerspruch lässt sich bei vielen Wissenschaftlern bereits dadurch erklären, dass deren Tätigkeitsfeld sich nicht mit Glaubensansichten schneidet. Die meisten sachkundigen Wissenschaftler kommen trotz intensivem Naturstudium nicht zu der Überzeugung, dass dies alles Ergebnis einer statischen Schöpfung ist. Beispielsweise spricht ein in mehreren Arten identisch deaktiviertes Vitamin-C-Enzym dafür, dass es sich um verwandte Arten mit einem gemeinsamen Vorfahren handeln muss. Da Erbgut ein Erbe bedingt. Der biblische Schöpfungsbericht stimmt demnach "unterm Strich" nicht "mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen" überein. Daran ändert auch nichts, dass der Schöpfungsbericht nichts über die Zeiträume sagt. Auslassungen sind per Definition nie im Widerspruch mit irgendwas, weil sie keine Aussagen sind. Dies ist also keine besondere Leistung.
Die verlinkten Wissenschaftler in der Online-Bibliothek sind sicherlich firn in ihrem Gebiet, aber ich habe das Gefühl, sie erliegen einfach der Faszination des Nichtwissens. An irgendeinem Punkt forschen sie nicht weiter und setzen dort Gott hin. An diesem Punkt endet Wissenschaft. Alles ist so komplex und schwer zu begreifen und man könne ja nie wissen ...

Überprüfen wir die aktuellen Planetenentstehungsmodelle mit einem anderen Schöpfungsmythos:
In einem der ägyptischen Schöpfungsmythen entsteht die Erde und das Meer aus dem Sonnengott Atum, der sich zuvor selbst erschaffen hatte (so auch eine Bedeutung seines Namens).
Bereits aus der genannten Kausalkette und der Funktion des Gottes lassen sich wissenschaftliche Aussagen ableiten und diese entsprechen methodisch erworbenen Erkenntnissen zur Planetenentstehung: Denn erst als die Sonne zu brennen anfing, fegte der entstehende Sonnenwind alle Bestandteile, die unterhalb einer kritischen Masse lagen aus dem Zentrum des Sonnensystems und der sie umgebenden jungen Planeten hinfort. Dadurch wurde die Planetenbildung abgeschlossen, da nicht unentwegt immer weitere Kometen und Meteoriten auf die jungen Planeten stürzten. Die Planeten sind stark aufgeheizt und haben keine fest Oberfläche, aber bereits eine ionisierte Atmosphäre (entspräche den ersten Schöpfungen des Atum: Schu, der Gott der Luft und Tefnut, Göttin des Feuers). Durch die beginnende Abkühlung mit gleichzeitiger Ausdunstung aus dem Planeteninneren konnte aus der Dunstglocke erstmals Regen, wenn auch saurer entstehen. Das meiste Wasser aber stammt nach aktuellen Modellen aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Das passt zum Pyramidentext 260, nachdem Horus vom Himmel stürzend (also als Feuerschweif) das Wasser brachte. Es entstehen also Land und Meer.
Wie konnten die alten Ägypter schon mehr als 700 Jahre vor Mose an diese noch viel genauere Beschreibung der Entstehung unserer Erde gelangen?
Finden sich bei genauer Analyse in anderen Schöpfungsmythen noch weitere mit der aktuellen Wissenschaft in Einklang zu bringende Erkenntnisse?


Was sind laut Wachtturm-Gesellschaft eigentlich "gesichtere wissenschaftliche Erkenntnisse"? Ohne vorauszugreifen kann ich bestätigen, dass radiometrische Verfahren zur Altersbestimmung (wie Radio-Carbon-Datierung) in den bibelerklärenden "Einsichten in die Heilige Schrift" (2 Bände, ebenfalls von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegeben) angezweifelt werden, sowie die gesamte wissenschaftliche Chronologie der Menschheitsgeschichte (vornehmlich weil Adam und Eva nicht berücksichtigt werden und die Erkenntnisse weit mehr in die Vergangenheit reichen, als diese erste Menschenpaar). Auch soll die Sintflut ja die Gesteinschichten durcheinander gewirbelt haben, weshalb Messung zwangsläufig falsch sein würden (#4). So bestätigt sich das Glaubenshaus selbst und macht sich unantastbar. Wieder etwas, dass ich glauben muss oder nicht.

Auch die Berufung auf die Biomimetik, Technik also, die die Natur kopiert und somit vorgibt, von Konstruktionen der nachgebauten Natur auf den Konstrukteur der Natur zu schließen, ist lediglich ein Non sequitur. Nur, weil wir Dinge bauen, heißt es eben leider nicht, dass alles erbaut wurde. Auch der Bezug auf die Rubrik "Wer hat es erfunden?", die man auf vielen Erwachet oder auf der Webseite nachlesen kann, ist lediglich der Versuch, diesen Vergleich zu bemühen und vom Staunen auf Gott zu schließen. Weiter geführt wird dies mit den Broschüren "Das Leben: Reiner Zufall?" und "Der Ursprung des Lebens: Fünf Fragen kritisch beleuchtet" auf die ich zu einem späteren Zeitpunkt eingehen will.
Schlussendlich lässt sich feststellen, dass kein einziger Beweis für die Schöpfung erbracht wurde, obwohl der dritte Teil der Serie den Titel "Was spricht für die Schöpfung?" heißt.
When you hear hoofbeats, think of horses not zebras.
- Dr. Theodore Woodward, in den 40ern Professor an der University of Maryland School of Medicine


Teil 4: Wie kann ich erklären, warum ich an die Schöpfung glaube?

Selbstverständlich muss man kein "Genie in den Naturwissenschaften" sein, um die Schöpfung zu verteidigen, da sie selbst keine Naturwissenschaft ist. Aber auch der bereits als Fehlschluss aufgezeigte Verweis auf Hebräer 3:4 ("Natürlich wird jedes Haus von jemandem errichtet, doch der, der alle Dinge errichtet hat, ist Gott.") wird sicherlich viele beeindrucken. Nicht aber, weil er richtig wäre, sondern die Vorstellung, was Evolution ist, sehr vage ausfällt, selbst beim Lehrer. Warum ein gebautes Haus aber nicht zwingend auf Gott schließen lässt, habe ich in "Grundlagen: Gottesbeweise - Teil 5: Klassische Gottesbeweise" erklärt. Auch der Zahnstocher aus der Erzählung Carols gibt nichts neues zu denken.
Die Situation ist absurd: Auf das "Wie" suchen Kreationisten übrigens keine Antworten, betrachten es oft sogar als nebensächlich. Kommt jedoch eine Wissenschaft bei ihrer Suche nach dem "Wie" zu abweichenden Ergebnissen, so gilt es diese methodisch erworbene Erkenntnis zu bekämpfen. Es wird dabei aber weiterhin auf ein "Wie" verzichtet, also auf einen plausiblen Aufbau einer Alternativtheorie, die nicht lediglich im luftleeren Raum des Übernatürlichen schwebt.

Auch die Frage "Wer hat Gott erschaffen?" führt von säkularisierter Seite nicht weiter. Gekontert werden kann darauf auch lapidar, dass man den Vater eines konkreten Smart Phone Tüftlers auch nicht kennt und dennoch das Produkt des Erbauers in Händen hält. Im Anhang ist im Gegensatz zu diesem simplen Vergleich wenigstens ein Versuch einer Erklärung (#5).
Bei der Argumentation Beispiele aus der Natur zu aufzuzeigen kann bei unbedarften Gesprächspartnern tatsächlich verfangen, aber schlussendlich beweisen sie keinen Schöpfer, sondern enden in der Behauptung, dass es ihn gäbe.
Eine freundliche Diskussion führt auf beiden Seiten seltener zu Abwehrreaktionen oder Verschließen. Herablassend sollte man auch als Evolutionsbefürworter nicht werden. Nicht jeder Gläubige glaubt "blind". Wer sich also mit den Mechanismen der Evolutionstheorie auseinander setzt, ist ebenfalls "bereit zu einer Verteidigung vor jedermann". Und er kann auch dann erklären, warum der Glaube an Schöpfer zwar logisch erscheinen mag, aber nicht zwingend ist. Auf die letzten Einwände bin ich bereits in früheren Artikeln eingegangen.

Und somit ist die Betrachtung dieser Artikelserie abgeschlossen:
Selbstverständlich wird die Evolutionstheorie in den naturwissenschaftlichen Fächern gelehrt, da es keine naturwissenschaftliche Alternative zu dieser gibt, eben auch alternativlos. Darauf werden sich auch künftige Generationen von schöpfungsgläubigen Schülern einstellen müssen. Es gilt aber auch für diese wohl, dass die Evolution als solch schwammiges Konstrukt vorgetragen wird, dass man es auch in dieser schönen Zukunft eher als Idee, denn als wissenschaftlich-methodisch erarbeitete Theorie wahrnehmen wird.
Solche und ähnliche Inhalte wird es im Netz also noch lange geben, was an ihrem geringen Wahrheitsgehalt nichts mehr ändert.

# 1 - Bei den Biologen ist die "Ungläubigkeit" ein gutes Stück höher als in anderen Disziplinen:
http://www.discovery.org/scripts/viewDB/filesDB-download.php?command=download&id=4511
65 Prozent Atheisten, 29 Prozent Agnostiker und 6 Prozent sind Theisten in der National Academy of Sciences.
Quelle: Larry Witham, Where Darwin Meets the Bible (New York: Oxford University Press, 2002), pp. 271-273

#2 - Glauben der führenden Wissenschaftler im Forschungfeld der Evolutionstheorie:
http://www.discovery.org/scripts/viewDB/filesDB-download.php?command=download&id=4551
87 Prozent leugnen Gottes Existenz, 88 Prozent lehnen ein Leben nach dem Tod und 90 Prozent lehnen eine "gelenkte" Evolution ab.
Quelle: Gregory W. Graffin and William B. Provine, "Evolution, Religion and Free Will," American Scientist, vol. 95 (July-August 2007), pp. 294-297; results of Cornell Evolution Project Survey (PDF)

#3 - Religiöser Unglaube unter Biologen an 4 bzw. 2 Jährigen Studium in Colleges oder Universitäten
http://www.discovery.org/scripts/viewDB/filesDB-download.php?command=download&id=4561
61 Prozent sind Atheisten oder Agnostiker.
Quelle: Neil Gross and Solon Simmons, “How Religious are America’s College and University Professors?” (Feb. 6, 2007)

#4 - Wie erklärt die Sintflut eine Besiedlung von entlegenen Inselarchipelen mit einer einzigartigen Flora und Fauna in weniger als 4000 Jahren, wenn auf der Arche doch nur maximal die Grundtypen aller Lebewesen gepasst haben können und eigentlich noch nicht einmal das?

#5 - Wer hat Gott erschaffen?

Alles hat ja einen Anfang und ein Ende. Anders ist das für uns nicht vorstellbar, was aber keineswegs bedeutet, dass es anders nicht sein kann. Albert Einstein hat mit seiner Relativitätstheorie rechnerisch nachgewiesen, dass die Zeit keine feststehende Größe ist, sondern eine relativ von Masse und Geschwindigkeit eines Körper abhängige. Je schneller und massereicher etwas ist, desto langsamer vergeht die Zeit für dieses Objekt. Das nennt sich Zeitdilatation. Dies betrifft sowohl die Gleichzeitigkeit von Ereignissen, die an verschiedenen Orten stattfinden, als auch die Zeitdauer zwischen zwei Treffen zweier Beobachter, die sich zwischen diesen Treffen relativ zueinander bewegen. Da es kein absolut ruhendes Koordinatensystem gibt, ist die Frage, welcher Beobachter die Situation korrekt beurteilt, nicht sinnvoll. Man ordnet daher jedem Beobachter seine so genannte Eigenzeit zu. Ferner beeinflusst die Anwesenheit von Massen den Ablauf der Zeit, so dass diese an verschiedenen Orten im Gravitationsfeld unterschiedlich schnell verstreicht.

Dies hat man experimentell später mit zwei Atomuhren in einem Experiment nachgewiesen. Dabei platzierte man eine von zwei absolut gleich laufenden Atomuhren in einer Concorde, die andere ließ man am Boden zurück. Nach einer mehrstündigen Überschallflugzeit der Concorde konnte man tatsächlich eine Abweichung der beiden Uhren feststellen, wenn auch nur wenige Millionstel Sekunden. In der Concorde war weniger Zeit vergangen als auf der sich langsamer bewegenden Erde.

Da Gott geistig und nicht materiell ist, ist er der Zeit, die er ja auch geschaffen haben soll, nicht unterworfen. Das bedeute wieder nicht, dass es in dieser geistigen Welt (klassisch als "Der Himmel" bezeichnet) keine Gegenstände geben kann, sondern nur, dass diese nicht aus der Materie bestehen, die die Zeit für Ihre Existenz benötigt. Wenn es aber diese Zeit dort nicht geben kann, dann ist dort auch kein Anfang und kein Ende, sondern eben Ewigkeit.

Bei solchen Überlegungen setzt freilich der eigene Geist aus. Aber so kann man vermutlich die zeitlose Existenz Gottes erklären, die keinen Anfang und kein Ende kennt.

Aber damit beschreibt man auch nur die Kleider eines Kaisers, der wohlmöglich gar nicht existiert (eine treffende Analogie zu "Des Kaisers neue Kleider").
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what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
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("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
Erwachsener mit deren Einverständnis machen, musst du möglicherweise deine
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Di 17. Apr 2018, 23:09

Aufgrund der hier zitierten Texte stellt sich freilich die Frage ...

Grundlagen: Kreationismus - Teil 1: Einleitung - Sind Zeugen Jehovas Kreationisten?

Offenbar eine oft gehörte Frage von Leuten, die sich auf ein Gespräch mit Zeugen einlassen. Daher ist sie zu finden unter "Oft gefragt" auf ihrer Webseite http://www.jw.org. Im Grunde lässt sich die Antwort bereits an den vorherigen Beiträgen erkennen. So aber wird auf eben jener die Frage beantwortet:
Nein. Jehovas Zeugen glauben zwar, dass Gott alles erschaffen hat. Aber wir sind keine Vertreter des Kreationismus. Warum nicht? Weil einige kreationistische Ideen in Wirklichkeit im Widerspruch zur Bibel stehen. Dafür zwei Beispiele:

Wie lange dauerten die sechs Schöpfungstage?
Manche Kreationisten behaupten, dass die sechs Schöpfungstage buchstäblich 24-Stunden-Tage waren. In der Bibel kann das Wort „Tag“ jedoch eine sehr lange Zeitspanne umfassen (1. Mose 2:4; Psalm 90:4).

Wie alt ist die Erde?
Einige Kreationisten erklären, dass die Erde nur ein paar Tausend Jahre alt ist. Nach der Bibel existierte das Universum, also auch die Erde, allerdings schon, bevor der erste Schöpfungstag begann (1. Mose 1:1). Deswegen haben Jehovas Zeugen nichts gegen stichhaltige wissenschaftliche Berechnungen einzuwenden, nach denen die Erde mehrere Milliarden Jahre alt sein könnte.

Auch wenn wir als Jehovas Zeugen an die Schöpfungsgeschichte der Bibel glauben, sind wir deswegen nicht wissenschaftsfeindlich. Wir sind überzeugt, dass sich biblische und präzise wissenschaftliche Aussagen nicht widersprechen.

Das ist leider Quatsch, wie sich an folgendem Vergleich schön zeigen lässt:

Sind Sie Verkehrsteilnehmer?

Nein. Wir nutzen zwar Verkehrsmittel wie Auto, Bus, Bahn oder Fahrrad. Aber wir sind keine Teilnehmer im Straßenverkehr. Warum nicht? Weil einige Ideen von Verkehrsteilnehmern im Widerspruch zur Straßenverkehrsordnung sind. Dafür zwei Beispiele:

Wie lange dauert die Stunde auf einem zeitlich begrenzten Parkplatz?
Manche Verkehrsteilnehmer behaupten, für sie gelten diese Zeitbeschränkungen nicht. Die Straßenverkehrsordnung ist darin aber unmissverständlich.

Wer darf auf einem Behindertenparkplatz sein Fahrzeug abstellen?
Einige Verkehrsteilnehmer erklären, jeder, der dringend irgendwas zu erledigen hat, kann die meist günstig in der Nähe des Eingangs eines Geschäfts gelegenen Parkmöglichkeiten nutzen. Wir aber haben nichts gegen stichhaltige Argumente warum nur körperlich eingeschränkte Personen dort ihr Fahrzeug abstellen sollten.

Auch wenn wir glauben, dass die Straßenverkehrsordnung von unvollkommenen Menschen erdacht wurde, sind wir nicht ordnungsfeindlich. Wir sind überzeugt, dass sich auch unsere Glaubensansichten und menschliche Gesetzgebung zum Schutz von Personen im Straßenverkehr nicht widersprechen.


Natürlich sind Zeugen Jehovas Kreationisten. Wie denn auch nicht? Sie gehen - wie selbst dargelegt - davon aus, dass Gott alles geschaffen habe. Und genau das ist die Definition von Kreationismus. Über welche Zeiträume er spekuliert und wie er einzelne Passagen seiner Schöpfungsniederschrift deutet, ist dabei völlig irrelevant. “Erschaffung, erschaffen“ heißt in Latein nunmal “creatio“ und bildet damit den Wortstamm für die Benennung dieser Weltanschauung.

Ja. Jehovas Zeugen sind Kreationisten. Alles andere ist Augenwischerei. Aber vielleicht halten sie es ja mit jenem Spruch.

Wahrheit ist das Erhabenste - drum kann man's nicht jedem auf die Nase binden.
Johann Nepomuk Nestroy, österreichischer Dichter und Schauspieler (1801-1862)


Nachtrag 2. Mai 2020:

Ein viel naheliegender Einfall kam mir erst später.

Obacht: Kreationismus bezeichnet die Auffassung, dass das Universum, das Leben und der Mensch durch einen unmittelbaren Eingriff eines Schöpfer(gotte)s in natürliche Vorgänge entstanden sind. So sagt es Wikipedia und das ist die ganze Definition. Es ist unerheblich, über welche Zeiträume debattiert wird und wie das geschehen sein soll.
Glauben Zeugen Jehovas, dass Gott das Universum, das Leben und den Menschen durch unmittelbares Wirken erschaffen hat? Ja.
Fall abgeschlossen.

Aber Moment, Almafan. Wäre dein Text jetzt nicht furchtbar kurz? Ja, finde ich auch. (Mit wem rede ich eigentlich?)

Zitieren wir noch einmal den Text auf der Webseite (Link zum Thema auf JW.ORG: https://www.jw.org/de/jehovas-zeugen/faq-oft-gefragt/jehovas-zeugen-und-kreationismus/):

Jehovas Zeugen glauben zwar, dass Gott alles erschaffen hat. Aber wir sind keine Vertreter des Kreationismus.

Doch, sind sie. Genau das ist ja die Definition von Kreationismus.
Aber, wie war die Begründung gleich?

Weil einige kreationistische Ideen in Wirklichkeit im Widerspruch zur Bibel stehen.

Ah. Weil Kreationisten einige vom eigenen Glaubensbekenntnis abweichende Ansichten haben. Soso. Aber ist das nicht etwas schizophren, wenn man zugleich alle anderen christlichen Strömungen der Falschauslegung der Bibel bezichtigt und sich trotzdem Christ nennt? Offenbar bedeutet das Ablehnen einzelner Unterpunkte ja doch nicht gleich, dass ganze Thema zu verwerfen.
Wie ich in der Artikelserie zum Kreationismus (wovon der gerade verfasste Artikel der Nachtrag zum ersten Teil dieser Serie ist) ja bereits darlegte gibt es nicht DEN Kreationismus, sondern eine reiche Vielfalt.

Die Konkordanzhypothese (zum Beispiel) besagt, dass die sechs Tage der biblischen Schöpfungsgeschichte nicht vierundzwanzigstündige Tage darstellen, sondern sehr viel längere Zeiträume, wie Millionen von Jahren. Die Vertreter dieser Richtung berufen sich auf das Wort yôm in der hebräischen Bibel, welches nach ihrer Ansicht im Kontext der Genesis zur Bedeutung "Zeitalter" gedehnt werden könne. Einige Vertreter sagen, dass die Gegenwart das siebte Alter darstelle, also den siebten Tag der Schöpfung. Gegen den Deutungsansatz der Konkordanzhypothese wird argumentiert, dass die Bedeutung des Wortes aus dem Kontext eindeutig hervorgehe, da das hebräische Wort yôm "Tag" bedeute und mit der Formulierung "es wurde Abend und wieder Morgen" nur ein Tag im gängigen Wortsinn gemeint sein könne.
Übrigens ist die Zeilalter-Argumentation für das Wort yôm ein Lösungsansatz, den man so ähnlich unter dem Stichwort Schöpfung auch im Einsichtenbuch der Zeugen Jehovas finden kann. Die Wachtturm-Gesellschaft vertritt in ihren Publikationen also den Langzeitkreationismus.
Mit der Konkordanzhypothese, die kreationistisch ist, sowie mit dem Langzeitkreationismus allgemein, entfallen automatisch beide Einwende, warum Zeugen selbst keine Kreationisten sein sollten.

Ein Abstreiten der Zugehörigkeit hat demnach eher Imagegründe. Das passt dann auch zum Abschluss des verlinkten Textes:

Auch wenn wir als Jehovas Zeugen an die Schöpfungsgeschichte der Bibel glauben, sind wir deswegen nicht wissenschaftsfeindlich. Wir sind überzeugt, dass sich biblische und präzise wissenschaftliche Aussagen nicht widersprechen.

Klingt zusammen mit dem ersten Text nach einer Formel: Kreationismus ist gleich wissenschaftsfeindlich. Zeugen Jehovas sind keine Kreationisten. Also sind Zeugen auch nicht wissenschaftsfeindlich.
Selbst wenn die Bibelforscher (warum auch immer) keine Kreationisten sein sollten (was sie aber sind), ist diese Beweisführung ein logischer Fehlschluss, ein Non Sequitur. Das Abstreiten oder die tatsächliche Ferne zu einer Gruppe heißt nicht automatisch, dass nicht dennoch übereinstimmende Eigenschaften vorhanden sein können. In diesem Fall, dass Leugnen wissenschaftlicher Arbeitsweisen und Erkenntnisse auf dem Gebiet der Evolutionforschung, Paläontologie, Archäologie, Genetik, Phylogenetik, Vererbungslehre, Mutationsforschung, Medizin, sowie Radiometrie, Glaciometrie/-logie, Dendrochronologie und andere wissenschaftlich geprüfte Messverfahren.

Aber vielleicht sind diese Fach- und Themengebiete der Biologie, Geologie, Chemie und Physik einfach nicht präzise genug. Ein bisschen Pipi Langstrumpf geht immer. Wenn empirische Erkenntnisse dem eigenen Glaubensbekenntnis zuwiderlaufen, werden sie mit einem gütlichen Lächeln mit Verweis auf ein unspezifisch eingefügtes Wort (hier "präzise") hinweggefegt. Was sind denn für die Wachtturm-Gesellschaft "präzise" Wissenschaften? Ist es das gleiche wie bei exakten Wissenschaften (siehe: Fußnote 4: Exakte Wissenschaft (Artikel "... 007, 03.11.2017: Grundsatzartikel: Warum kann ich nicht einfach dankbar sein?")?

Ein Beispiel:
Die Cheopspyramide wurde 2580 vor unserer Zeit fertiggstellt. So sagt es die Wissenschaft. Die biblische, weltweite Sintflut soll, dem Verständnis der Zeugen Jehovas nach, 2370 vor unserer Zeit gewesen sein.
Jetzt hat man zwei Möglichkeiten: Entweder ich glaube der Wissenschaft, die keine Flutschäden in diesem Umfang erwähnt oder ich formuliere Sätze wie:

Wir sind überzeugt, dass sich biblische und präzise wissenschaftliche Aussagen nicht widersprechen.

Die wissenschaftlichen Aussagen zu den Pyramiden können also nicht präzise sein.

Oder sie sind es doch. Und eine mindestens dreizausend Jahre alte Überlieferung von Schafhirten über die Entstehung der Welt und eine globale Flutkatastrophe sind nicht göttlichen Ursprungs, sondern einfache und unzureichende Erklärungsmodelle für und von Menschen ihrer damaligen Zeit.

Wie es auch sei, Kreationismus bleibt es trotzdem.
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in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Fr 20. Apr 2018, 08:50

Grundlagen: Kreationismus - Teil 2: Was ist Kreationismus und welche Formen gibt es?

Kreationismus (vom lateinischen creatio für "Erschaffen" / "Schöpfung" bezeichnet die Auffassung, dass das Universum, das Leben und der Mensch durch den unmittelbaren Eingriff eines Schöpfergottes entstanden sind. Der moderne Kreationismus entstand als Widerstand gegen das im 19. Jahrhunderts aufgekommene Postulat eines hohes Erdalters, die Unmöglichkeit einer weltweiten Sintflut und die darwinsche Evolutionstheorie (#1). Die selektive Inanspruchnahme naturwissenschaftler Erkenntnisse gilt dabei als Beleg für den Glauben an die Wahrheit der offenbarten Schriften. Widersprüche seien allein auf Fehlinterpretation natürlicher Tatsachen durch die Wissenschaft zurückzuführen. Die Evolutionstheorie wird als wissenschaftlich ungesicherte, atheistische Ideologie wahrgenommen.
Kreationismus selbst wankt zwischen Religionslehre und Pseudowissenschaft (#2). Dabei wird zwischen wörtlicher (Kreationismus im engeren Sinne), apologetischer (bildhafter) und metaphoriscer (bedeutungsorientierter) Auslegung der heiligen Schrift unterschieden. Allein gemein ist, dass die Schrift ein Augenzeugenbericht aus der Perspektive Gottes oder eines hypothetischen Beobachters über den Ursprung der Dinge sei. Da die empirische Naturwissenschaft weitgehend im Widerspruch zur wörtlichen Auslegung steht, hat sich diese dem religiösen Glauben unterzuordnen. Besonders die Evolutionstheorie und ihre Bedeutung für die moderne Evolutionsbiologie wird abgelehnt, aber auch Teile der Archäologie, Paläontologie, Geologie, Erdgeschichte, sowie Theorien über die Entstehung und Entwicklung des Sonnessystems und/oder Universums.


Michelangelos "Die Erschaffung Adams" wird sehr oft als Sinnbild für die göttliche Schöpfung allgemein und den Kreationismus im Besonderen verwendet.


Die Wurzel des Kreationismus sind die seit antiken Zeiten aufgeschriebenen Erklärungsmodelle zur Entstehung der Welt (Tora, Bibel, Koran). Da die antiken Philosophen der Schulen der Platoniker, Neuplatoniker, Stoa und Epikurer übereinstimmend die Lehre von Göttern und Schöpfungsgeschichten als mythologisches Problem betrachteten, über die der Mensch keine sicher Kunde besitzen kann und die unterschiedlich stark ernst genommen wurden, gab es quasi keine dem Kreationismus vergleichbare Weltanschauung. Auch Kirchenväter am Übergang zum Mittelalter (z.B. Augustinus) warnten davor, die Genesis all zu wörtlich zu nehmen. Im Abendland gingen die Werke und das Wissen der Philosphen verloren und wurden erst durch das rezipieren und umfassende Auslegen durch muslmische Gelehrte wieder zugänglich. Bis dahin waren waren naturkundliche Werke anekdotisch. Die hochmittelalterliche Scholastik strebte eine Synthese dieser neu zugänglichen antiken Naturphilosophie mit der Theologie an. Maßgeblich war die Lehre Thomas von Aquin, der Mensch könne, gestützt auf seine Sinne und seine fehlbare Vernunft in der Schöpfung lesen, wie in einem Buch. Die Vernunft versage allerdings bei übernatürlichen Wahrheiten, die nur der Glaube fassen könne. Trotz des absoluten Vorrangs der Glaubenswahrheiten konnte so eine unabhängige Naturphilosophie entstehen, die wiederum die Wurzel der modernen Naturwissenschaften wurde. Das Verbot über Wahrheiten zu spekulieren, die im Widerspruch zur offenbarten Schrift standen, unterband zunächst jeden offenen Konflikt. Naiv-wörtlich war die Auslegung der Schrift seit Johannes Cassianus (360 - 435 u.Z.) aber nicht mehr.
Auch in der Neuzeit wurden die modernen, empirischen Naturwissenschaften nicht als Problem oder Konkurrenz zum religiösen Weltbild aufgefasst. Klassische Autoren wie Newton und Galilei verwiesen noch darauf, die Mechanismen der Schöpfung Gottes zu enträtseln und dadurch dessen Ehre quasi-theologisch zu erhöhen. Viele philosophische Autoren verwiesen auf die Harmonie und Zweckmäßigkeit der Natur. Für die vor allem englischen Deisten verwies die Untersuchung der Natur aus reinen Verstandesgründen, auch ohne jede Offenbarung, notwendig auf das Wirken eines gütigen Schöpfergottes. Konflikte (z.B. heliozentrisches Weltbild) ergaben sich weniger zwischen Glauben und Wissenschaft, sondern eher zwischen den modernen, empirischen Methoden und dem aristotelischen, scholastischen Weltbild, das eher auf der Erklärung der Welt durch abstraktes, logisches Denken beruhte. Zwar gab es Misstrauen von Seiten der Kirche und weltlichen Autoritäten, zum einen weil Veränderungen generell abgelehnt werden, zum anderen, weil freies Denken mit sozialen Forderungen in Verbindung gebracht wurde. Die breite Öffentlichkeit nahm von den hochgeistigen Debatten fast keine Notiz. Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert.


James Ussher (1581 - 1656), irischer anglikanischer Theologe, seit 1625 Erzbischof von Armagh und Primas von Irland, war Verfasser vieler theologischer und historischer Werke. Am bekanntesten ist seine Weltgeschichte, in der der Schöpfungszeitpunkt auf den 23. Oktober 4004 v. Chr. datiert wird.

Die britischen Forscher William Smith, James Hutton und Charles Lyell begannen im 18. Jahrhundert mit einer Abschätzung des Erdalters und begründeten eine neue Wissenschaft, die Geologie. Ihre Schlussfolgerungen waren für viele zeitgenössische Theologen, die aufgrund anderer philosophischer und theologischer Elemente die auf wortwörtlicher Auslegung biblischer Texte beruhende Chronologie bereits ablehnten, völlig unproblematisch. Meist sah eher die gebildete, breite Öffentlichkeit darin eine Herausforderung für die Autorität der Bibel. Eine Opposition tat sich auf, die sich selbst als "Geologen der Schrift" oder "mosaische Geologen" bezeichneten und gegen die neuartigen Auffassungen argumentierten und viele Sympathien in der Öffentlichkeit hatten. Es gab aber keine geschlossene Front. Berühmt wurden Streitschriften über die Richtigkeit der biblischen Sintflut (z.B. William Bucklands "Reliquiae Diluvianae").
Schärfer noch traf es die von Charles Darwin weiterentwickelte und vereinheitlichte Theorie der Evolution, die sofort nach dem Erscheinen seines Hauptwerks "Über die Entstehung der Arten" (1859) erbittert bekämpft wurde. Während alles bisherige die Welt als Ganzes betraf, ging es nun um das Wesen und die Würde des Menschen. Das Selbstbilf des Menschen war erschüttert, was die Härte des Streits begreifbar macht. Die Evolutionstheorie postuliert den Aufstieg des Menschen aus dem Tierreich, während theologisch mit dem Abstieg zur Unvollkommenheit des Menschen argumentiert wird. Der Widerspruch zum Fall Adams (und damit auch zu Christus als "letzten Adam") war theologisch schwerer hinzunehmen, als die nicht wortwörtliche Interpretation der Genesis. Worauf beruhen die moralischen Werte, wenn alles im Kampf um's Dasein entschieden wird? Wo bleibt bei der zufälligen Entwicklung der göttliche Heilsplan? Der Widerstand gegen diese "Entwürdigung" des Menschen ging weit über kirchliche Kreise hinaus. Sie wurde als Grenzüberschreitung der Wissenschaft betrachtet, die sich in Dinge einmischte, die sie nichts angehen.
Darwin selbst blieb in öffentlichen Äußerungen zögerlich, seine Unterstützer nicht: Thomas Henry Huxley prägte des Begriff des Agnostizismus. Herbert Spencer wandte den Begriff der Evolution in First Principles (1862) ohne Zögern auch auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft an und begründete damit den Sozialdarwinismus. Edward Tylor, später auch Robert N. Bellah wandten den Evolutionsgedanken dann auf die Religion selbst an und begründeten einen Evolutionismus vor allem in der Religionsethnologie.
Der katholische Zoologe St. George Mivart argumentierte, wenn auch der menschliche Körper natürlichen Ursprungs wäre, so ginge doch seine Seele allein auf Gott zurück. In "Genesis of Species" sprach er für eine Evolution, die unter göttlicher Kontrolle ablief. Selbst Alfred Russel Wallace, der die Evolutionstheorie unabhängig von Darwin entdeckt hatte, nahm noch an, dass ein Eingriff des Schöpfers notwendig bleibe, da anders die Sonderstellung des Menschen nicht erklärbar sei.


Neil Degrasse Tyson: "Jede große wissenschaftliche Theorie durchläuft drei Phasen:
Erst wird sie von den Leuten abgelehnt.
Als zweites wird gesagt, sie widerspricht der Bibel.
Und zum Schluss wird behauptet, man habe über die Richtigkeit schon immer gewusst.


Einflussreiche Denker wie der Schriftsteller Samuel Butler, aber auch viele Biologen, griffen auf die konkurrierende Evolutionstheorie des Lamarckismus zurück, die ihnen eher mit einem göttlichen Plan in der Natur vereinbar schien. Da Ende des 19. Jahrhunderts insbesondere Darwins Selektionstheorie innerhalb der Wissenschaft scharf angegriffen wurde und zeitweise in die Defensive geriet, konnten sich religiöse Kritiker bestätigt fühlen, dass es sich um eine kurzfristige Verirrung handele, die bald überwunden sei.
Ernst Haeckel begründete in der Abstammung des Menschen ein Argument für "niedere" Menschenrassen und gab dem Rassismus vorschub. Dies führte zu weiterer Ablehnung. Zum Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich die Theorie aber durch. Auch wenn konservative Gruppen immer noch ablehnend waren, fanden sie keine wissenschaftlichen Unterstützer mehr. Im 20. Jahrhundert zog die Evolutionstheorie dann in US-amerikanische Schulen ein. Der bisherige Vorrang der Religionsfreiheit vor wissenschaftlichen Erkenntnissen ging schrittweise über in den Vorrang einer Weltanschauungsfreiheit mit gleichzeitiger Einschränkung der christlichen Mission in den Schulen. Es entwickelte sich also einerseits das Recht, Evolution lehren zu dürfen, und andererseits das Verbot, Schüler christlich zu missionieren.

Die Sache schien also erledigt.


Der Kurzzeitkreationismus, auch Jung-Erde-Kreationismus oder 24-Stunden-Tag-Theorie geht davon aus, dass die Erde vor wenigen tausend Jahren geschaffen wurde. Altersangaben über das restliche Universum variieren. Wissenschaftliche Methoden wie radiometrische Altersbestimmung, Isochronmethode, Eiskerndatierung und Dendrochronologie werden in Frage gestellt oder offen abgelehnt, mitunter auch gängige Thesen wie die Kontinuität der Naturgesetze über historische Zeiträume. Geologische Belege werden als Resultat einer globalen Flut erklärt. Damit wird eine alternative Datierung geologischer und astronomischer Ergebnisse erzielt. Manchmal wird auch die Behauptung der flachen Erde und der Geozentrismus (Erde mit Mittelpunkt des Universums) zum Kurzzeitkreationismus gerechnet, von dem sich Kreationisten im Allgemeinen zu distanzieren versuchen. Die flache Erde wird immer wieder in zynischer, karikierender oder stereotyper Übertreibung verwendet.
Hinzu zu rechnen ist die Omphalos-Hypothese, nach der die Erde zwar in jüngerer Zeit geschaffen worden sei, aber viel älter aussehe. Der Name dieser Hypothese (Omphalos = Nabel) basiert auf der ursprünglichen Fragestellung, ob Adam und Eva, obwohl erwachsen geschaffen, einen Bauchnabel gehabt haben. Es ergebe sich daraus eine scheinbare Vergangenheit, obwohl diese einfach miterschaffen wurde. Die schwindende Anhängerschaft geht davon aus, dass zum Funktionieren der Erde ein älteres Aussehen notwendig sei. Bertrand Russell führte es als Gedankenspiel im Rahmen des philosophischen Skeptizismus fort:
"There is no logical impossibility in the hypothesis that the world sprang into being five minutes ago, exactly as it then was, with a population that ‘remembered’ a wholly unreal past. There is no logically necessary connection between events at different times; therefore nothing that is happening now or will happen in the future can disprove the hypothesis that the world began five minutes ago."
- Bertrand Russell: The Analysis of Mind (1921)

Übersetzung: "Es besteht keine logische Unmöglichkeit in der Hypothese, dass die Welt vor fünf Minuten entstand, genauso wie sie war, mit einer Bevölkerung, die sich an eine gänzlich irreale Vergangenheit 'erinnert'. Es besteht keine logisch notwendige Verbindung zwischen Ereignissen zu unterschiedlichen Zeiten; daher kann nichts, was jetzt oder in der Zukunft passiert, die Hypothese widerlegen, dass die Welt vor fünf Minuten begann."
Der "wissenschaftliche Kreationismus ist im angelsächsischen Raum die Selbstbezeichnung eines Kreationismus, deren Anhänger glauben, dass die Erde in jüngerer Zeit erschaffen wurde und dies durch wissenschaftliche Belege gestützt werden könne. Die Kosmologie läuft auf ein Alter des Universums von ein paar tausend Jahren hinaus, der Fossilbericht als Ergebnis einer globalen Flut gedeutet. In den USA befürwortet das Institute for Creation Research und die Creation Research Society (#3), in Deutschland in abgewandelter Form die Studiengemeinschaft Wort und Wissen, in der Schweiz ProGenesis diese Sichtweise.


(Übersetzung: Ken Ham glaubt, die Welt sei 6000 Jahre alt.
Photonen brauchen 100000 Jahre um an die Sonnenoberfläche zu kommen.)

Langzeitkreationisten (analog zu Jung-Erde-Kreationisten auch als Alt-Erde-Kreationisten bezeichnet) versuchen die Schöpfungslehre mit astronomischen und geologischen Altersangaben in Einklang zu bringen. Im Gegensatz zum evolutionistischen Kreationismus wird dabei jedoch die Theorie der gemeinsamen Abstammung abgelehnt.
Die Lückentheorie zum Beispiel postuliert, dass das heutige Leben in kurzer Zeit auf einer bereits lange vorher existierenden Erde geschaffen wurde, weil eine ältere Schöpfung in einer unbestimmten Katastrophe untergegangen sei. Die Vertreter dieser Hypothese meinen zwischen 1. Mose 1:1 und 1:2 eine Lücke zu erkennen. Diese Schöpfungslehre wäre somit eigentlich eine Wiederherstellungslehre. Kritiker meinen auch, dass es in der Bibel keine Anhaltspunkte für eine Schöpfung vor der Schöpfung und einen Sündenfall vor dem Sündenfall gibt.
Mehr Zustimmung erhält die Konkordanzhypothese, die davon ausgeht, dass die 6 Tage keine Tage im Sinne von 24 Stunden darstellen, sondern sehr viel längere Zeiträume, da Gott Zeit anders wahrnehme (Psalm 90:4 "Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache."). Die Gegenwart wäre demnach ein siebtes Zeitalter. Als Kritik wird vorgebracht, dass das hebräische yom eindeutig einen 24 stündigen Tag benenne und die Formulierung wie "Und es wurde Abend, und es wurde Morgen, ein erster Tag." (Neue-Welt-Übersetzung) nur ein Tag im gängigen Wortsinn gemeint sein kann.
Der Progressive Kreationismus spricht von einer Schöpfung auf Raten oder einer fortdauernden Schöpfung. Die Arten werden also in einem ständig von Gott begleiteten Vorgang verändert und herausgebildet. Diese Sicht akzeptiert die meisten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, lehnt aber die moderne Evolutionsbiologie und sucht Hinweise, die eine Entwicklung nur auf natürlicher Auslese ausschließt.

Der evolutionistische Kreationismus sieht Gott als Schöpfer, der die Lebensformen mittels Evolution erschaffen habe und weiterentwickle, wobei es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie stark er in diesen Prozess eingreife. Die naturalistische Evolutionstheorie wird als unzureichend, göttliches Eingreifen als zwingend notwendig angesehen, da natürliche Selektion nicht die Ursache der Entstehung neuer Arten sein kann. Die Theorie der gemeinsamen Abstammung wird aber akzeptiert, weshalb er manchmal nicht dem Kreationismus zugeordnet wird.


(Übersetzung:
1 Kreationist: "Wo ist das Bindeglied im Fossilbericht?"
2 Wissenschaftler finden den Bindeglied.
3 Kreationist: "Haha! Jetzt sind dort zwei Lücken im Fossilbericht. Wo sind die Bindeglieder?")

Im Neo-Kreationismus, der sich betont von anderen kreationistischen Richtungen distanziert wissen will, haben sich zum Ziel gesetzt, den Kreatioismus in Begriffen neu zu formulieren, die von der Öffentlichkeit, Bildungspolitik und Wissenschaftsgemeinde besser angenommen werden, zum Beispiel ohne religiöse Worte und ohne Bezug auf die jeweilige Heilige Schrift. Grundlegende Behauptung ist, dass die scheinbar objektive herkömmliche Wissenschaft in Wirklichkeit eine dogmatische atheistische Religion sei. Argumentiert wird, dass die wissenschaftliche Methodik bestimmte Erklärungen von Phänomenen insbesondere dann ausschließe, wenn übernatürliche Elemente eine Rolle spielen, was religiöse Aspekte beim Verständis des Universums betrifft. Außerdem sei die Naturwissenschaft der Grund für viele gegenwärtige soziale Missstände, wie Unruhen und hohe Scheidungsraten. Das Erdalter und die wörtliche Auslegung der Bibel wird bewusst vermieden, die Junge-Erde-Theorie aber betont nicht ausgeschlossen. Gemein mit anderen Arten ist die Ablehnung des Naturalismus (einschließlich einer offenen, oft feindlichen Opposition zum "Darwinismus"), üblicherweise zusammen mit dem stillschweigenden Eingeständnis des Übernatürlichen. Es gibt 3 Ausprägungen des Neo-Kreationismus:
  • Intelligent Design ist die Auffassung, dass die Entstehung des Universums und des Lebens am besten durch eine Intelligenz als Ursache erklärt werden können. Da Intelligenz in der Folge als eigener Eintrag verfasst wird, möchte ich es bei der kurzen Anmerkung belassen.
  • Abrupt Appearance ist ein ursprünglich in der Evolutionsbiologie verwendeter Begriff für das sprunghafte Auftreten (englisch abrupt appearance) von neuen Arten im Fossilienbericht. Vertreter dieser Richtung behaupten, dieses Phänomen sei am besten durch eine direkte Beeinflussung von außen statt durch einen natürlichen Vorgang erklärbar. Begleitet wird dies mit der ausdrücklichen Behauptung, dass es auf jeden Zeitraum anwendbar sei, womit insbesondere auch ein Bereich von 10.000 Jahren nicht ausgeschlossen werden soll.
  • Evidence against Evolution (Beweise gegen Evolution) bedient sich hauptsächlich der Ergebnisse in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, um die Evolutionstheorie zu widerlegen. Sie ist mehr oder weniger identisch mit der Evolutionskritik in der "Schöpfungswissenschaft", jedoch ohne Bezug zu einer heiligen Schrift und ohne der Evolutionstheorie eine Alternative mit wissenschaftlichen Anspruch entgegenzustellen. Die Frage nach dem Ursprung und Sinn des Seins wird als persönliche Glaubenssache angesehen.

#1 - Die Anti-Evolutionisten, die die Evolutionstheorie Charles Darwins im 19. Jahrhundert ablehnten, sahen sich nicht als Kreationisten.

#2 - Oberkirchenrat und Publizist Joachim Schmidt, Leiter Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, in Echt Glaube kompakt: Verdrängungswettbewerb (Memento vom 29. März 2008 auf WebCite) gesehen am 29. März 2008

#3 - Creation Research Society

Mitglied dieser Organisation, die durchaus mehrheitlich auf Professoren verschiedener wissenschaftler Fachrichtungen an staatlichen Universitäten in den Vereinigten Staaten besteht, wird man nur durch die Unterzeichnung eines 4 Punkte umfassenden Statement of Belief.
1. Die Bibel ist das geschriebene Wort Gottes, und da sie ganz und gar inspiriert wurde, sind alle ihre Behauptungen historisch und wissenschaftlich wahr gemäß der ursprünglichen Schrift. Für den Studenten der Natur bedeutet dies, dass die Darstellung des Ursprungs in der Genesis die faktische Präsentation der einfachen historischen Wahrheit ist.
2. Alle Grundformen des Lebens, einschließlich des Menschen, wurden während der Schöpfungswoche durch Gott geschaffen, wie es in der Genesis beschrieben ist.
3. Die in der Genesis beschriebene Sintflut, gewöhnlich aus als Noahs Flut bezeichnet, ist als weltweiter historischer Fakt zu akzeptieren.
4. Wir sind eine Organisation christlicher Männer und Frauen der Wissenschaft, die Jesus Christus als Herrn und Erlöser akzeptieren. Der Bericht von der Erschaffung Adam und Evas als ein Mann und eine Frau und ihr anschließender Sündenfall sind die Grundlage unseres Glaubens in die Notwendigkeit eines Erlösers für die gesamte Menschheit. Daher, kann Erlösung nur dadurch zustandekommen, dass Jesus Christus als Erlöser akzeptiert wird.

Nach eigener Darstellung betreibe man zwar Forschung, aber die Unterzeichnung dieser 4 Punkte ist unvereinbar mit moderner, ergebnisoffener Wissenschaft. Ohne die Personen zu kritisieren oder deren Grund ihres religiösen Bekenntnisses zu diskreditieren, kann die Methodik nicht als wissenschaftlich bezeichnet werden, wenn mit der Schlussfolgerung begonnen wird und eine Änderung dieser ausgeschlossen ist, ohne Rücksicht auf die Evidenz, welche sich im Laufe der Forschung ergeben würde.
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"If the biggest problem that you're having in the twenty-first century involves
what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
priorities." - Forrest Valkai


("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
Erwachsener mit deren Einverständnis machen, musst du möglicherweise deine
Prioritäten neu bewerten.")

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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mi 25. Apr 2018, 07:30

Grundlagen: Kreationismus - Teil 3: Ein muslimischer Intellektueller über die feinabgestimmte Einrichtung der Welt

Dieses Video habe ich vor etwa 5 oder 6 Jahren gefunden und im alten "Evolution oder Schöpfung"-Thread kommentiert. In diesem Video spricht ein muslimischer Intellektueller über die Niere, die Erdatmosphäre, den Abstand zwischen Sonne und Erde und die Bestandteile der Milchstraße. Die Erläuterungen her stehen lediglich stellvertretend für zahlreiche ähnliche Behauptungen und sind nicht gedacht, die abgebildete Person zu diskreditieren.


http://www.youtube.com/watch?v=Cc-UB6RTTPI
Titel: "Schicksal Und Vorbestimmung 1 Von 5 (www.diewahrereligion.de)"


Die zur Kenntnis genommenen Daten des Imam im Video

Der Intellektuelle fragt: "Woher weiß die Niere, das diese Giftstoffe Giftstoffe sind?"
In den Nephronen, die funktionellen Untereinheiten der Niere, wird im Bereich des Nierenkörperchens kontinuierlich Primärharn aus dem Blut filtriert. Anschließend werden im Tubulussystem bestimmte Stoffe resorbiert bzw. sezerniert, wodurch der eigentliche Harn (als Sekundär- bzw. Endharn) entsteht.
Die Niere nimmt sich also, was sie zum "Leben" braucht. Der Rest fliegt raus. So einfach ist das.

Der Intellektuelle fragt: "Sauerstoffgehalt in der Luft ist 21%. Und die Wissenschaftler sagen, wenn das 20% wären, wird die Erde den Inhalt von diesem Sauerstoff absaugen und wir werden aussterben. Wenn das 22% wären, wird nur Verbrennung auf diese Erde geben. Wer lässt das nur 21%?"
Der heutige Ist-Zustand wird zum immerwährenden erhoben, ein Problem zahlreicher kreationistischer Ansichten. Denn der Sauerstoffgehalt in der Luft war nicht immer so, ebenso wenig der Anteil des Kohlenstoffdioxid und die durchschnittliche Bodentemperatur.

Aus stratosgrafischen Messungen ergeben sich nach aktuellem Stand der Wissenschaft folgende Werte (#1, #2, #3, #4, #5, #6, #7, #8, #9, #10, #11 und #12):

Quartär (vor 2,588 Millionen Jahren bis heute)
-> Atmosphärischer freier Sauerstoffanteil: ca. 20,9 Vol.-%
-> Stmosphärischer Kohlenstoffdioxidanteil: 260 ppm
-> Bodentemperatur: ca. 11 Grad Celsius

Neogen (vor 23,03 - 2,588 Millionen Jahren)
-> Atmosphärischer freier Sauerstoffanteil: ca. 21,5 Vol.-%
-> Atmosphärischer Kohlenstoffdioxidanteil: 280 ppm
-> Bodentemperatur: ca. 14 Grad Celsius

Paläogen (vor 65,5 - 23,03 Millionen Jahren)
-> Atmosphärischer freier Sauerstoffanteil: ca. 26 Vol.-%
-> Atmosphärischer Kohlenstoffdioxidanteil: 500 ppm
-> Bodentemperatur: ca. 18 Grad Celsius

Kreide (vor 145 - 66 Millionen Jahren)
-> Atmosphärischer freier Sauerstoffanteil: ca. 30 Vol.-%
-> Atmosphärischer Kohlenstoffdioxidanteil: 1700 ppm
-> Bodentemperatur: ca. 23 Grad Celsius

Jura (vor 201,3 - 145 Millionen Jahren)
-> Atmosphärischer freier Sauerstoffanteil: ca. 26 Vol.-%
-> Atmosphärischer Kohlenstoffdioxidanteil: 1950 ppm
-> Bodentemperatur: ca. 16,5 Grad Celsius

Trias (vor 252,2 - 201,3 Millionen Jahren)
-> Atmosphärischer freier Sauerstoffanteil: ca. 16 Vol.-%
-> Atmosphärischer Kohlenstoffdioxidanteil: 1750 ppm
-> Bodentemperatur: ca. 17 Grad Celsius

Perm (vor 298,9 - 252,2 Millionen Jahren)
-> Atmosphärischer freier Sauerstoffanteil: ca. 23 Vol.-%
-> Atmosphärischer Kohlenstoffdioxidanteil: 900 ppm
-> Bodentemperatur: ca. 16 Grad Celsius

Karbon (vor 358,9 - 298,9 Millionen Jahren)
-> Atmosphärischer freier Sauerstoffanteil: ca. 32,5 Vol.-%
-> Atmosphärischer Kohlenstoffdioxidanteil: 800 ppm
-> Bodentemperatur: ca. 14 Grad Celsius

Devon (vor 419,2 - 358,9 Millionen Jahren)
-> Atmosphärischer freier Sauerstoffanteil: ca. 15 Vol.-%
-> Atmosphärischer Kohlenstoffdioxidanteil: 2200 ppm
-> Bodentemperatur: ca. 20 Grad Celsius

Silur (vor 443,4 - 419,2 Millionen Jahren)
-> Atmosphärischer freier Sauerstoffanteil: ca. 14 Vol.-%
-> Atmosphärischer Kohlenstoffdioxidanteil: 4500 ppm
-> Bodentemperatur: ca. 17 Grad Celsius

Ordovizium (vor 485,4 - 443,4 Millionen Jahren)
-> Atmosphärischer freier Sauerstoffanteil: ca. 13,5 Vol.-%
-> Atmosphärischer Kohlenstoffdioxidanteil: 4200 ppm
-> Bodentemperatur: ca. 16 Grad Celsius

Kambrium (vor 541 - 485,4 Millionen Jahren)
-> Atmosphärischer freier Sauerstoffanteil: ca. 12,5 Vol.-%
-> Atmosphärischer Kohlenstoffdioxidanteil: 4500 ppm
-> Bodentemperatur: ca. 21 Grad Celsius

Alle Werte sind über die Periodendauer gemittelt. Innerhalb der Periodendauer, also der Millionen Jahre, die ein Zeitalter dauerte, gab es nachweislich auch Schwankungen.
ppm steht für "parts per million", also Teile pro Million, auch als Millionstel bezeichnet. Sie wird in Wissenschaft und Technik angewandt, wo Prozent (Hundertstel) und Promille (Tausendstel) nicht sinnvoll angewendet sind.

Die Uratmosphäre der Erde enthielt freien Sauerstoff (also O2) allenfalls in sehr geringen Konzentrationen, da aller Sauerstoff in Oxidation von organischen Stoffen, Schwefeldioxid und vor allem Eisen (als gelöstes zweiwertiges Eisen-Ion Fe2+ (#13)) vollständig verbraucht wurde. Vor etwa 3,2 bis 2,8 Milliarden Jahren entwickelten Mikroorganismen - nach gegenwärtigen Kenntnissen Vorläufer der heutigen Cyanobakterien - aus einer einfacheren Photosyntheseform eine neue entwickelten, bei der im Gegensatz zur älteren Form O2 als Abfallprodukt freigesetzt wurde, weshalb diese als oxygene Photosynthese bezeichnet wird (Oxygen = Sauerstoff). Dadurch wurde O2 in beträchtlichen Mengen in den Ozeanen gebildet. Eine lange Zeit wurde auch dieser Sauerstoff durch Oxidation gebunden, auch weil durch Verwitterung und Vulkanismus oxidierbare Stoffe nachgeliefert wurden. Nach dieser letzten Frist aber konnte der Neuertrag dieser Stoffe den immer wieder neu gebildeten Sauerstoff nicht mehr vollständig binden, sodass der überschüssige freie Sauerstoff begann sich im Meerwasser und anschließend in der Atmosphäre anzureichern. Innerhalb von etwa 50 Millionen Jahren führte der stetig steigende Sauerstoffgehalt zur Sauerstoffkatastrophe, dem ersten großen nachweisbaren Massensterben auf dem Planeten Erde (dazu in einem anderen Beitrag mehr).

Die Aussage des Intellektuellen ist also falsch. Es hat in der Erdgeschichte Zeiten mit wesentlich stärkeren Abweichungen vom heutigen Sauerstoffgehalt gegeben und weder sind Atmosphäre und Meere verbrannt (wie man auch andernorts lesen kann), noch wurde aller Sauerstoff ins All geblasen oder irgendwo im Erdreich gebunden.

Der Intellektuelle behauptet: "Die Wissenschaftler sagen, wenn die Sonne 10 Meter runter kommen würde, werden wir alle verbrannt. Wenn die Sonne 10 Meter höher wäre, wird alles auf dieser Erde frieren. Das sind 10 Meter und wir fliegen mit dem Flugzeug 10.000 Meter Richtung die Sonne und wir werden nicht verbrannt werden. Nur damit wir wissen, mit wir zu tun haben. Das sind Gesetze, die die Menschheit nicht kennt."
Sollte diese Aussage tatsächlich zutreffen, so ist es Aufgabe der Wissenschaft eben genau darüber Kenntnis zu erlangen. Im Grunde handelt es sich hier aber um astronomische Unkenntnis. Kein einziger Planet beschreibt eine Kreisbahn um die Sonne, alle sind auf einer elliptischen Bahn unterwegs. Die Abweichung der Bahn vom perfekten Kreis wird Exzentrik genannt. Und auch die Erde hat eine solche.

Bild
Maßstabsgetreue Darstellung der elliptischen Umlaufbahn der Erde im Vergleich mit einem Kreis.

Die Abweichungen sehen äußerst gering aus. Zu beachten ist hierbei, dass der Kreis in der Realität einen Radius von 1 astronomischen Einheit hat. Das sind 150 Millionen Kilometer. Der mittlere Abstand der Erde zur Sonne beträgt 149,598 Millionen Kilometer und die Abweichungen von diesem Mittelwert können bis zu 1,67 % betragen. Das klingt nicht nach viel. Um den 3. Januar herum befindet sich die Erde an ihrem sonnennächsten Punkt, dem Perihel. Der Abstand zur Sonne beträgt dann "nur" noch 147,1 Millionen Kilometer und damit 2,4 Millionen Kilometer näher an der Sonne als der Mittelwert. Um den 5. Juli befindet sich die Erde an ihrem sonnenfernsten Punkt, Aphel genannt. Der Abstand beträgt nun 152,1 Millionen Kilometer und damit 2,6 Millionen Kilometer weiter weg von der Sonne als der Mittelwert.
Für den Intellektuellen wird es sicherlich eine Neuigkeit sein, zu erfahren, dass die Erde im Winter der Nordhalbkugel (die Südhalbkugel hat zu dieser Zeit Sommer), wo mehr als 3/4 der Erdbevölkerung wohnen, fast 5 Millionen Kilometer näher an der Sonne ist, als im Sommer. Der Abstand zur Sonne allein kann also nicht der ausschlaggebende Punkt sein, warum Flugzeuge nicht am Himmel verbrennen. Ein 10 Meter knapper Freiraum wäre auch erstaunlich unbequem, falls man in höheren Bürogebäuden arbeitet oder mal auf die Alm möchte (#14).

Der Intellektuelle sagt: "Die Sonne ist 103 mal größer als die Erde."
Das ist zwar sehr kleinlich. Aber welches "größer" ist gemeint? Der Durchmesser der Sonne ist 108 mal größer. Das Volumen ist mehr als eine Million mal größer. Sie wiegt 700 mal mehr als alle Planeten zusammen und 330.000 mal mehr als die Erde im einzelnen.

Der Intellektuelle sagt: "Die Milchstraße, die Straße die das Sonnensystem enthält, enthält nicht nur die Sonne und die Erde, sondern auch noch 9 Planeten dazu. Was noch dazu kommt, das sind 2 Milliarden Asteroiden. Enthält diese Milchstraße. Und die Wissenschaftler sagen: 'Es gibt 2-3 Milliarden Milchstraßen'"
Es ist nicht ganz schlüssig, ob nun das Sonnensystem gemeint ist, in dem sich die Sonne und die sie umlaufenden 8 Planeten und allerlei Asteroiden und Kleinstkörper ihre Bahnen ziehen, oder die Galaxie, in der sich unser Sonnensystem und 200 Milliarden andere Sternensysteme befinden. Diese Galaxie, die Milchstraße genannt wird, ist eine von mehr als 150 Milliarden Galaxien, aus denen das sichtbare Universum besteht. Definitiv sind diese Daten erstaunlich, aber sie besagen nichts über den Grund ihrer Existenz.

Selbstverständlich ist dieser Einschub nicht dem Vorführen orientalen Irrglaubens gewidmet, da Kreationisten auf der ganzen Welt solche und ähnliche Äußerungen von sich geben und damit eindrucksvoll beweisen, dass sie oft nicht auch einfache Sachkenntnis von dem Themengebiet haben, aus dem sie sich bedienen, um ihre religiösen Ansichten zu verbreiten.

Es besteht nicht die geringste Gefahr, dass je die Vernunft auf Erden überhandnehmen, dass es je vernünftig zugehen könnte auf Erden.
Thomas Mann, deutscher Schriftsteller und Nobelpreisträger (1875-1955)

#1 - Gunnar Ries: Dicke Luft bei den Sauriern

#2 - Geologie-Forum @ Geoversum: Massensterben an der Perm-Trias Grenze: Durch Sauerstoffmangel erstickt?

#3 - Die Zusammensetzung der Atmosphäre im Phanerozoikum (diese ältere Quelle geht noch irrtümlich von einem nahe-rezenten Luftsauerstoffanteil bereits im Kambrium aus.)

#4 - Erdgeschichte: Fauna und Flora korreliert mit veränderten Umweltbedingungen

#5 - wissenschaft.de: Gigantismus, Fliegen und Antiaging: Sauerstoffreiche Luft löste vor 300 Millionen Jahren einen Innovationsschub aus

#6 - Rothman, Daniel H. (2001). "Atmospheric carbon dioxide levels for the last 500 million years". Proceedings of the National Academy of Sciences 99 (7): 4167-4171.

#7 - Royer, Dana L., Robert A. Berner, Isabel P. Montañez, Neil J. Tabor, and David J. Beerling (2004). "CO2 as a primary driver of Phanerozoic climate". GSA Today 14 (3): 4-10. doi:10.1130/1052-5173(2004)014<4:CAAPDO>2.0.CO;2

#8 - Hansen, J., Mki. Sato, G. Russell, and P. Kharecha, 2013: Climate sensitivity, sea level, and atmospheric carbon dioxide. Phil. Trans. R. Soc. A, 371, 20120294. doi:10.1098/rsta.2012.0294

#9 - Zachos JC, Dickens GR, Zeebe RE. 2008 An Early Cenozoic perspective on greenhouse warming and carbon-cycle dynamics. Nature 451, 279–283. doi:10.1038/nature06588

#10 - Lisiecki, L. E.; Raymo, M. E. (May 2005). Correction to "A Pliocene-Pleistocene stack of 57 globally distributed benthic d18O records". Paleoceanography: PA2007. doi:10.1029/2005PA001164

#11 - Berkeley Earth land-ocean dataset (2014). Retrieved on 21 March 2014.

#12 - IPCC Fifth Assessment Report WG1 Summary for Policy Makers (2013).

#13 - Die Oxidation von Fe2+ zu dreiwertigen Eisen-Ionen Fe3+ führte zur Ablagerung von Bändererz (Banded Iron Formation), wo Eisen hauptsächlich in Form von Oxiden, nämlich Hämatit Fe2O3 und Magnetit Fe3O4 vorliegt. In alten Kontinentschilden, die in der langen Zeit relativ wenig tektonisch verändert wurden, sind solche Bändererze bis heute erhalten, beispielsweise Hamersley Basin (Westaustralien), Transvaal Craton (Südafrika), Animikie Group (Minnesota, USA). Sie sind global die wichtigsten Eisenerze.

#14 - Habitable Zone
Wie groß ist denn die habitable Zone, die mit dieser falschen Aussage umschrieben ist? Der auch Lebenszone (habitus = Lebensraum) genannte Bereich, fälschlicherweise auch bewohnbare Zone genannt, bezeichnet im Allgemeinen den Abstandsbereich, in dem sich ein Planet von seinem Zentralgestirn befinden muss, damit Wasser dauerhaft in flüssiger Form als Vorraussetzung für erdähnliches Leben auf der Oberfläche vorliegen kann. Das ist natürlich von Temperatur und Leuchtkraft des jeweiligen Zentralgestirns abhängig und lässt sich sogar berechnen:
Die biometrische Leuchtkraft des Sterns geteilt durch die biometrische Leuchtkraft der Sonne. Davon zieht man die Wurzel und man hat den Durchschnittsradius der Lebenszone in astronomischen Einheiten. Natürlich kann das Konzept durch Einbeziehen von Klima- und Treibhauseffekten wesentlich verfeinert werden. Die innere Grenze wird durch den sich selbst verstärkenden Treibhauseffekt definiert, in dessen Verlauf das Wasser des Planeten durch Vergasen in den interplanetaren Weltraum entkommt. An der äußeren Grenze können selbst Wolken aus gefrorenem Kohlendioxid keinen ausreichenden Treibhauseffekt mehr bewirken. In unserem Sonnensystem liegt die innere Grenze bei 0,95 astronomischen Einheiten, womit die Erde noch ca. 4,95 Millionen Kilometer Platz nach innen hat. Die äußere Grenze wird je nach Modell mit 1,37 - 2,4 astronomischen Einheiten angegeben. Womit der Erde nach außen minimum 52 Millionen Kilometer Platz verbleiben und theoretisch sogar der Mars in seiner sonnennächsten Phase drin sein könnte.
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Do 17. Mai 2018, 07:49

Evolutionstheorie, Rassendiskriminierung und Muslimischer Terror

Regelmäßig, wenn die Argumente des Gegners dieser Theorie ausgehen, gibt es scheinbar nur zwei reflexartige Ausflüchte: Hitler und Satan.
Ersterer hat die Theorie genutzt, um die Juden verfolgen und umbringen zu lassen. Letzterer hat sie in Dasein gebracht oder Darwin eingegeben, damit die Welt glaube, es gäbe ihn und Gott überhaupt nicht.
Dem 2. Pfad zu folgen, führt immer in einen Zirkelschluss: Dass so etwas Perfides wie die Evolutionstheorie existiert, beweist ja im Grunde für den Gläubigen schon, dass es Satan gibt. Denn die Evolutionstheorie hat in seinem Gedankengebäude nur den Zweck, den Sinn der Zweifelnden und Ungläubigen zu verblenden und die Menschheit von Gott weg zu führen. Da kann man im Grunde auch nicht mehr vernünftig diskutieren.

Aber die andere Variante lässt sich leicht als Blödsinn entlarven.
Zum einen sagt der Missbrauch einer Theorie nichts über deren Richtigkeit aus, zum anderen sind völkische und ethnische Vorurteile so alt wie Völker und Ethnien. Und die gibt es nunmal nicht erst seit dem 24. November 1859.
Die Gravitationstheorie hat der Wissenschaft im beginnenden 19. Jahrhundert ein völlig neues Wissensgebiet erschlossen. Nun konnte man erstmals errechnen, warum Planeten sich so bewegen und wo man sie demnächst finden wird. Auch wie sich Bälle und dergleichen beim freien Fall verhalten und dergleichen mehr. Natürlich kann man damit auch errechnen, wie groß ein Brocken sein muss, damit ich eine Stadt zertrümmern kann. Ich müsste ihn aus dem All nur mit einer Rakete ablenken und könnte ihn theoretisch auf ein paar Kilometer genau auf der Erde abstürzen lassen.
Die Relativitätstheorie ist natürlich ebenfalls herrlich angenehm zum Erforschen des Universums und vertieft das Verständnis, das die Wissenschaft aktuell von diesem hat. Aber man kann auch Atombomben bauen.
Gehören diese Theorien dennoch verboten, weil man mit ihnen Schindluder treiben kann? An den dahinterliegenden Prozessen ändert sich ja trotzdem nichts. Nur, dass wir sie nicht mehr verstehen lernen.
Aber wenn Dinge verboten gehören, die missbraucht werden können, wären im Umkehrschluss die Religionen und deren heilige Schriften nicht ebenfalls einem solchen Verbot zuzuordnen? Immerhin wird im Namen von Religionen und heiligen Schriften schon seit jahrtausenden Mord und Totschlag, Enteignung und Versklavung betrieben, in einem Ausmaß, wie Newtons, Einsteins oder Darwins Theorien nie zu nutzen wären.
Denn die Evolutionstheorie, dass ist der gängige Tenor der daran Forschenden, ist ja nicht dazu da, Gott zu widerlegen, sondern die Welt ein wenig besser zu verstehen. So findet die Evolutionstheorie nicht nur im Hinterzimmer irgendwelcher Theoretiker Platz, sondern auch als Anwendungsbereich der Epidemologie, die sich mit der Klassifizierung und Erforschung von Seuchen und Massenkrankheiten befasst.

Grundsätzlich ist die Evolutionstheorie ja nur eine Fortsetzung anderer Theorien. Galileo und Kepler stießen die Erde aus dem Mittelpunkt des Weltalls. Spätere Astronomen erweiterten das Universum derart, dass die Erde nunmehr einen Randplatz in einer von zig Galaxien annimmt. Die Evolutionstheorie nimmt dem Menschen die "Krone der Schöpfung" und rückt ihn in die Tierwelt hinein. Sie zeigt auf, dass unser Verhalten nicht grundsätzlich anders ist, als das anderer Primaten. Ein schickes Auto ist nicht nötig, zeigt den Mädels aber, dass man diese versorgen könnte. Immerhin hat man genug Bananen gesammelt, um sich solchen Überfluss anzuschaffen. Das steigert seine Chancen, Nachwuchs in die Welt zu setzen. Seine Gene bleiben erhalten.
Die Evolutionstheorie sagt: "Hey, du bist wie sie. Du stehst nicht drüber. Dich kann das alles hier genauso treffen, wie jeden anderen auf diesem Planeten." Ist das nicht eine demütige Aussage? Und da trifft sie doch wieder die Bibel, die fordert, Demut an den Tag zu legen.

Aber bleiben wir kurz bei Hitler:
Hätte es die Pogrome und die Konzentrationslager nicht gegeben, wenn Darwin, Wallace, Häckel und Co. diese Theorie nicht ausgearbeitet hätten? Natürlich hätte diese trotzdem gegeben. Man bedenke, dass die Juden schon immer die Gehetzten waren. Lange bevor Darwin überhaupt geboren wurde.
Schon die Bibel erwähnt solche Begebenheiten: Wer kennt nicht den Auszug aus Ägypten, inklusive der 10 Plagen und der vorangegangenen Ereignisse? Weniger bekannt ist da schon die Verfolgung durch den obersten Hofbeamten Haman unter dem persischen Großkönig Ahasverus, was man im Bibelbuch Esther lesen kann. Und dann gibt es da noch die Auseinandersetzungen und Verballhornung im Mittelalter. Juden-Bashing ist also keine neuzeitliche Erfindung, die irgendeiner wissenschaftlichen Theorie bedarf. Die Evolutionstheorie ist hier ebenso missbrauchtes Werkzeug, wie all die Jahrtausende die Religion, das Militär oder die Wirtschaft.

Ein Hammer ist ja perse auch nichts Schlechtes. Man sollte ihn halt nur für Nägel und nicht für Schädel verwenden.

Während man aber aber den Rassismusvorwurf beim Evolutionisten sucht, gibt es andere Strömungen, die genau diese ethnisch-religiösen Vorurteile schüren.

All dies zeigt, dass die moralische Lehre, die der Menschheit im Islam geboten wird, der Welt Frieden, Glück und Gerechtigkeit bringen wird. Der Barbarismus, der in der Welt heute unter dem Namen "islamischer Terrorismus" verübt wird, steht vollständig abseits der moralischen Lehre des Qurans; er ist das Werk von ignoranten, voreingenommenen Leuten, von Verbrechern, die mit der Religion nichts zu tun haben.

Das klingt natürlich erst mal gut, oder? Ein Moslem, der, wie so viele, seinen Glauben nicht mit dem Terrorismus in Einklang bringen kann. Glücklicherweise sind diese in der Mehrheit. Paniker können also wieder ruhiger atmen, nicht jeder der anderthalb Milliarden Muslime geht mit Bombengürtel vor die Tür. Puh.

Dieses Zitat war auf der Webseite des türkischen Autoren Harun Yahya zu finden. Er selbst bezeichnet sich als "bekannten türkischen Intellektuellen". Nicht immer jedoch sind seine Äußerungen mit dem Prädikat "intellektuell" zu versehen. In einem Interview mit dem Spiegel Online (#1) sagt er dann noch folgende intelligente Dinge:
Der Darwinismus ist die Grundlage für Hitlers und Mussolinis Faschismus und Stalins Kommunismus. Und wenn wir uns die Gegenwart anschauen, dann sehen wir, dass alle Terroristen - auch diejenigen, die sich selbst als Muslime betrachten - in Wahrheit Darwinisten und Atheisten sind. Ein gläubiger Mensch, der regelmäßig betet, legt keine Bomben. Das machen nur Menschen, die vorgeben, Muslime zu sein - oder Darwinisten, die klar sagen, dass sie Terroristen oder Kommunisten sind. Folglich sind sie alle Darwinisten.

Klingt fast wie eine mathematische Gleichung.
Theorem 1: Muslime legen keine Bomben.
Theorem 2: Tut ein Moslem es doch, so gibt er nur vor ein Moslem zu sein.
Schlussfolgerung: Alle Bombenleger sind Darwinisten.

Nun wird selbstverständlich übersehen, dass Muslime, die keine Bomben legen, demnach also echte Muslime sind, trotzdem die Überzeugung der Existenz irgendeiner Form der Evolution haben können und sei es die theistische Evolution (Kurz: Gott erschuf die Arten durch Evolution.). Wie sie das in ihrem Leben unter einen Hut bringen, ist dabei irrelevant.
Blödsinn aber ist es, die religiöse Motivation der Attentäter hinweg zu lächeln und zu behaupten, sie hätten keine. Man kann gern wegschauen, damit das Bild der eigenen friedlichen Religion nicht zerstört wird, aber die Realität lässt sich nicht erzeugen, indem man Dinge übersieht.
Zum Beispiel, dass Darwinisten (#2) in vielen Religionen zu Hause sind, man aber entsprechend selten von christlichen, jüdischen oder taoistischen Selbstmordattentätern liest und hört. Auch Atheisten sprengen sich nicht willkürlich in die Luft, weil sie keinen Gott fürchten müssen, der sie im ewigen Höllenfeuer für die Verschwendung des gottgeschenkten Lebens bestraft.
Selbstmordattentate beruhen in der Regel darauf, dass man möglichst viele Ungläubige in den Tod reißen will, da diese den eigenen Gott erbosen, dies aber weder bereuen, noch entsprechende Änderungen vornehmen. Die Aussicht auf eine Belohnung in einer jenseitigen Welt ist sicherlich ein gutes Lockmittel, was bei Atheisten nicht verfängt, da sie ja nicht glauben. Warum sollten sich Atheisten auch in die Luft sprengen? Welches Ziel verfolgen sie (#3)? Und warum bekennen sich diese Selbstmordatheisten mehrheitlich zur Lehre des Propheten Mohammed? Es stehen doch so viele Religionen zur Auswahl, die man als Deckmantel nutzen kann.

Auch hatte ich bereits eine kurze Abhandlung darüber verfasst, warum Evolution und Rassismus nicht miteinander einhergehen (Beitrag zuvor). Rassenfeindlichkeit wie im Faschismus und kollektive Ausrottung wie im Kommunismus sind keine Ideen, die erst seit Darwin und Haeckel in die Welt kamen oder von diesen entwickelt wurden. Totalitäre Regime gab es zuvor. Ansichten, dass der niedere Russe dem Stolz der Grand Armee von Napoleon nicht standhalten könne, hat es ebenso gegeben, wie versklavte Volkschaften allein, weil sie nicht aus dem versklavenden Reichsgebiet stammten. Zum Beispiel die zahlreichen Indios nach der Kolonisierung Amerikas oder die eingeschleppten Afrikaner. Als Bonaparte starb, war Darwin noch ein Schulkind. Als erstmals Abertausende Sklaven nach Amerika verschifft wurden, war wiederum Napoleon noch nicht mal geboren.

Entscheidet bitte selbst, ob die Äußerungen von Harun Yahya wirklich von Intellekt zeugen oder einfach nur dumme, unhaltbare Behauptungen.

Keiner darf für sich den Besitz der Wahrheit beanspruchen, sonst wäre er unfähig zu Kompromiss und überhaupt zu Zusammenleben.
Richard von Weizäcker, deutscher Bundespräsident (geb.1920)

#1 - Quelle: Spiegel Online Interview mit Harun Yahya
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/interview-mit-harun-yahya-alle-terroristen-sind-darwinisten-a-578838.html

#2 - Darwinist ist aber auch ein blödes Wort, so wie Evolutionsbefürworter. Es wird der Eindruck einer beliebigen Anschauung im Sinne eines Glaubensbekenntnis erweckt oder aber das (mehr oder weniger) blinde Folgen, der Idee eines einzelnen Mannes.

#3 - Irritierend ist diese Frage auch, weil Atheisten im Gegensatz zu religiösen Gruppen keinen Dachverband haben und auch kein gemeinschaftliches Ziel oder Motiv vorhanden ist.
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mi 23. Mai 2018, 16:47

Photosynthese auf anderen Planeten

Im folgenden schreibe ich bewusst nicht von intelligenten Aliens, denn darum soll sich dieser Beitrag nicht gehen.
Aber eine der vielversprechensten Methoden bei der Suche nach außerirdischem Leben ist der Versuch, sogenannte Biomarker in Atmosphären extrasolarer Planeten zu finden.

Nochmal: Es geht explizit nicht darum Alienstädte zu finden, sondern Hinweise auf Lebensformen auf Planeten, die andere Sterne umkreisen. Bereits dies zeigt wieder sehr deutlich, wie unglaublich rasant die Entwicklung in der Astronomie vorangeht, wenn man bedenkt, dass vor etwas mehr als 20 Jahren überhaupt nur theoretisch angenommen wurde, dass es um andere Sterne so etwas wie Planeten geben müsste.

Was sind nun Biomarker in fremden Atmosphären?
Das sind bestimmte Gase, die hauptsächlich durch das Vorhandensein von Lebewesen hervorgebracht werden: Sauerstoff oder Methan zum Beispiel.
Es kann aber auch eine ganz bestimmte Energieverteilung des reflektierten Sonnenlichts sein. Die Pflanzen auf der Erde benutzen den roten Teil des Lichts für ihre Photosynthese, den infraroten aber nicht. Daher findet sich im von der Erde reflektierten Licht Infrarot, aber wenig Rot. So eine Verteilung auf einem fernen Himmelskörper wäre ein mehr als deutlicher Hinweis auf die Aktivität von Pflanzen, die Photosynthese betreiben, wie es unsere heimischen Pflanzen auch tun.

Jetzt könnte natürlich wieder der Einwand kommen, wieso sich Wissenschaftler wieder darauf beschränken, nach erdähnlichen Prozessen zu schauen und nicht "ein bisschen weiter zu denken". Ein Forscher ist nicht zwangsläufig naiv, wenn er sich bei der Suche nach außerirdischem Leben auf das beschränkt, was er kennt. Natürlich ist den Leuten klar, dass Leben im Grunde "irgendwie" aussehen kann und eben nicht dem auf der Erde gleichen muss. Aber wenn diese Leben suchen wollen, dann können sie nur nach etwas suchen, bei dem sie sich sicher sein können, dass sie es bemerken, wenn sie es gefunden haben. Momentan kennen wir nun mal nur das Leben, wie es auf der Erde vorkommt.
Wir wissen nicht, ob Pflanzen auf anderen Planeten Photosynthese betreiben, wie unsere, aber wir können nur deren Biomarker eindeutig zuordnen. Wenn Wissenschaftler irgendwann mal herausgefunden haben, wie "anderes" Leben funktioniert, können sie auch danach suchen.

Aber wie stehen eigentlich die Chancen für extrasolare Photosynthese?

Die meisten Sterne in unserer Milchstraße sind sogenannte rote Zwerge (auch "M-Zwerge" genannt). Das sind Sterne, die kleiner und kühler sind als die Sonne. Es spricht nicht nur nichts dagegen, dass auch dort Planeten existieren, man hat dort sogar schon welche gefunden. Da es aber nicht zu kühl sein darf, muss ein lebensfreundlicher Planet (im Sinne einer erdähnlichen Temperatur, wo Wasser fest, flüssig und gasförmig vorkommt) näher am Stern sein, als es die Erde ist. Doch je dichter ein Planet seinem Stern kommt, desto stärker wirken dessen Gezeitenkräfte auf den Planeten und desto schneller wird der Himmelskörper vom Stern in seiner Rotation ausgebremst. So zeigt uns der Mond nur deshalb die stets gleiche Seite, weil die Erde seine Rotation so weit ausgebremst hat, dass er für eine Rotation genauso lange braucht, wie für einen Umlauf. Das nennt man in der Astronomie eine "1:1 Spin-Orbit-Resonanz".
Das kann auch Planeten passieren, wenn sie zu dicht an einem Stern sind. In unserem Sonnensystem ist der Merkur am stärksten betroffen. Noch rotiert er, doch er braucht für einen Merkurtag (eine Drehung um die eigene Achse in 120 Tagen) länger als für ein Merkurjahr (ein Runde um die Sonne in 88 Tagen). Dadurch wird eine Seite immer kross gebacken, während die angewandte eiskalt ist. Zwischen diesen Extremen herrschen permanente Sturmwinde.

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Es kann allerdings nicht pauschal behauptet werden, dass es dort kein Leben geben könne. Das hängt nämlich von der Atmosphäre ab und wie gut diese die Wärme über den Planeten verteilen kann. Mit Photosynthese wird es auf einer immer dunklen Seite aber sicherlich nichts und ob es den Pflanzen auf der aufgeheizten hellen Seite besser geht ist zweifelhaft.
Aber wie an Merkur zu erkennen muss es ja keine 1:1 Spin-Orbit-Resonanz sein. Merkur hat annähernd eine 3:2 Spin-Orbit-Resonanz.

Wie sieht es da mit der Photosynthese aus?

Das haben Sarah Brown von der Universität Edinburgh und ihre Kollegen 2014 untersucht (#1).
Auf einem hypothetischen Exoplaneten mit einer 3:2 Spin-Orbit-Resonanz gibt es also lange Tage, aber auch lange Nächte. Will man wissen, wie viel Licht auf den Planeten fällt, muss man wissen, wie hoch der Stern im Laufe der langen Tage am Himmel steht und wie sich das verändert. Von der Erde kennen wir das ja und lernen es schon in der Grundschule: Die Sonne geht im Osten auf, erreicht Mittags ihren höchsten Punkt am Himmel im Süden und geht abends im Westen wieder unter. Bei den resonanten Planeten dauert so ein Auf- und Untergang natürlich länger – und manchmal kommt der Stern nach dem Untergang sogar kurz wieder zurück beziehungsweise verschwindet nach dem Aufgang gleich wieder. Das soll in diesem Diagramm veranschaulicht werden.

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Die x-Achse zeigt die Zeit beziehungsweise wie oft der Planet den Stern umrundet hat. Die Skala läuft von 0 bis 2. Das Diagramm zeigt also 2 Runden um den Stern und damit 3 ganze Planetentage. Die y-Achse zeigt, wo vom Planeten aus der Stern am Himmel zu sehen ist. Die Skala läuft von -90 bis +90 Grad. Bei -90 Grad geht der Stern auf, bei 0 Grad steht er am höchsten am Himmel und bei +90 Grad geht er unter. Links im Bild sehen wir das erwartete Verhalten (also jenes, dass wir von der Erde kennen): Der Stern geht auf, steigt am Himmel immer höher, sinkt wieder und geht schließlich unter. Die verschiedenfarbige Linien zeigen die Situation auf verschiedenen Breitengraden an: Gelb ist der Äquator, danach folgen Breiten von 67.5, 45, 22.5 und 0 Grad (also der Pol).

Links sehen wir das, was wir auch von der Erde kennen, die annähernd kreisförmig die Sonne umrundet. Seltsam wird es dann aber im rechten Bild, die die scheinbare Sonnenbahn auf einem Planeten mit exzentrischen Umlauf (im Fallbeispiel ist die Bahnexzentrizität e=0,3) darstellt. Der Planet ist nun auf seiner Bahn dem Stern unterschiedlich nah und dem entsprechend auch unterschiedlich schnell (2. Keplersches Gsetz). Und so kann es vorkommen, dass zur Zeit der größten Annäherung die Drehung des Planeten um den Stern herum den Effekt der Drehung des Planeten um seine Achse aufhebt, ja sogar rückläufig macht. Der Stern kann während der Annäherung also schon hinter dem Horizont verschwunden, die "Nacht" eingeläutet sein, und dann taucht er nochmal kurz auf, bevor er dann endgültig bis zum "Morgen" verschwindet. Das umgekehrte Schauspiel lässt sich auch beim Sonnenaufgang beschreiben. Das ist für uns ungewohnt, findet auf Merkur aber tatsächlich statt.

Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Menge an Licht, die für die Photosynthese zur Verfügung steht. Das zeigt dieses Diagramm aus der Arbeit von Brown und ihren Kollegen:
Bild
Die unterschiedlichen Farben geben die Intensität des einfallenden Sonnenlichts an. Links wieder der "Normalfall", wie auf der Erde: warmer Äquator, kalte Pole. Rechts ein Planet mit einer Bahnexzentrizität von 0,2, wie Merkur. Auch hier ist der Äquator am wärmsten, aber es gibt auch Gegenden, wo es immer dunkel ist.

Die unregelmäßige Verteilung des Lichts macht die Sache kompliziert. In den hellen, warmen Gegenden solcher Planeten hätten die Pflanzen zwar genug Licht, aber die Nächte dauern trotzdem immer noch enorm lange. Es ist fraglich, ob Pflanzen solche Dunkelphasen überstehen. Die Diagramme zeigen zudem nur gemittelte Werte des ganzen Zyklus.
Pflanzen müssen aber die realen extremen Temperaturschwankungen aushalten. Es hängt also essentiell von der Fähigkeit der Atmosphäre ab, wie gut sie die Wärme verteilen und halten kann.

Von der Erde her kennen wir photosynthetische Organismen, die durchaus in Lage sind, längere Zeiten ohne Licht auszukommen: Mixothrophen.
Mixotrophie bedeutet, dass die Lebewesen einerseits Photosynthese betreiben, sich aber chemisch ernähren können, wenn es nötig ist. Es spricht also prinzipiell nichts dagegen, dass sich auf solchen Planeten ebenfalls mixothrophe Pflanzen entwickeln.

Bild
Pfiesteria shumwayae, ein Dinoflagellat kann sowohl per Photosynthese Energie aufnehmen, als auch einfach irgendwas anderes fressen.

Interessant sind die abschließenden Betrachtungen in dem Paper: Solche Planeten rotieren langsam und haben ein entsprechend schwaches Magnetfeld, das kosmische Strahlung, aber auch die intensive Röntgen- und UV-Strahlung des nahen Sterns (M-Sterne sind in der Regel sehr aktiv) nicht anfangen kann, wenn keine dicke Atmosphäre für Schutz sorgt. Da es auf der Erde aber Extremophile gibt, die mit ähnlichen Bedingungen fertig werden, spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass solche Arten auch andernorts existieren könnten.

Hinzu kommt der Effekt der "Periheldrehung", der auch bei Merkur zu beobachten ist. Die ganze Bahn des Merkur wandert um die Sonne und Merkur auf dieser. Ein bisschen wie ein Hollahoopreifen um die Hüfte, auf deren Ring der Merkur tänzelt. Die hellen und dunklen Bereiche wandern also in mehreren hunderttausend Jahren umher. Hypothetische Pflanzen, die in einem hellen Bereich aufgewachsen sind, finden sich eines Tages in dunklen Zonen wieder. Merkur braucht cirka eine Viertelmillion Jahre für diesen Tanz.
So etwas könnte das Leben zerstören - oder gerade erst anheizen. Die Periheldrehung ist langsam genug, damit die Evolution Schritt halten könnte. Vielleicht gibt es auf solchen Planeten migrierende Pflanzen, die im Laufexder Zeit langsam ihren Planeten umrunden, um immer im optimalen Bereich zu bleiben.

Vielleicht gibt es auf solchen Spin-Orbit-Planeten aber auch gar kein Leben. Wer weiß ...

Hier ein Zitat, eines Mannes, dem ich sonst nicht beipflichten kann:
Die Neugierde ist Bestandteil der Intelligenz, der Neugierde verdanken wir unser gesamtes Wissen.
Erich von Däniken, schweizer Schriftsteller (geb.1935)

#1 - Sarah Brown et al: Photosynthetic Potential of Planets in 3:2 Spin Orbit Resonances
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Do 28. Jun 2018, 22:33

Prägnante Antworten auf häufig gestellte kreationistische Behauptungen

Ich habe mich mal auf 5 immer wiederkehrende Fragen gestürzt, die so oder so ähnlich immer mal wieder gestellt werden, ob nun in geführten Gesprächen oder abgedruckt in irgendwelchen Publikationen.

Frage 1: Spricht Design nicht für einen Designer, wenn doch jedes Haus einen Erbauer hat?

Es erscheint konsequent: Wenn schon ein Haus auf jemanden schließen lässt, der es erbaut haben muss, dann muss hinter der Existenz von allem jemand sein.
Aber allein über Schnecken oder Muscheln nachzudenken, die ja ebenfalls Bauwerke, nämlich ihre Eigenheime, erbauen, widerlegt den Gedanken, dass der Bau von etwas Komplexem - und die Schalen von Schnecken und Muscheln sind komplex - zwingend Intelligenz oder auch nur planvolles Handeln benötigt. Auch Bienen und Ameisen errichten ihre Staatsgebäude ohne übergeordnete Instanz. Der Bau entsteht ohne vorher festgelegten Plan in der Eigenregie von mehr als 1000 Individuen, die sich "absprechen" und aufeinander abstimmen.

Design braucht nicht mal etwas Denkendes. Das Aussehen von Wolken, die ebenfalls hochkomplex sein können, ergibt sich aus ungleichmäßiger Wärme, Verdampfung und dadurch entstehende Winde.
Auch missachtet man dabei, dass Evolution selbst ein Designer ist. Mit Variation und Selektion reproduzieren sich die Dinge und Formen, die den Umweltbedingungen am Besten angepasst sind.

Frage 2: Spricht die Existenz von etwas nicht für eine Ursache dessen?

Jedes Ereignis hat einen Grund. Das Universum selbst hat einen Anfang. Es muss also einen Urgrund geben, der nur Gott sein kann.
Der offensichtliche Mangel für eine Ursache für einige Dinge, wie zum Beispiel den radioaktiven Zerfall, legt nahe, dass Kausalität vielleicht auch Ausnahmen hat. Es gibt auch Hypothesen, wie alternative Dimensionen von Zeit und eines ewig oszillierden Universums, das kommt und vergeht, in ewigem Kreislauf. So kann es ein Universum ohne Erstursache geben.

Per Definition kommen Ursachen vor dem Ereignis. Wenn die Zeit selbst aber mit dem Universum begann, kann es ein "davor" nicht gegeben haben. Damit wäre es logisch unmöglich eine Ursache vor das Universum zu setzen.
Und es stellt sich wieder die Frage, welche Ursache Gott bedingt.

Frage 3: Wieso ist das Universum bzw. die Erde so gut auf Leben abgestimmt?

In der Wissenschaft stellt sich diese Frage nicht, da Leben nach den Objekten erschien die belebt wurden. Es ist also logischer anzunehmen, dass das Leben sich den vorherrschenden Bedingungen angepasst hat.
Erhärtet wird diese Theorie von der Tatsache, dass Leben sich auch heute noch extremsten Bedingungen anpassen kann und auch in extremen Umgebungen wunderbar gedeiht. Man denke an Black Smoker, unterseeische heiße Quellen, die gänzlich ohne Licht auskommen und dennoch Oasen des Lebens sind. Man denke an Mikroorganismen, die befähigt sind, in der Stratosphäre zu überleben, wo die UV-Strahlung der Sonne um ein Vielfaches höher ist, als auf dem Erdboden.

Es ist - diese Fülle noch nicht einmal ausgeschöpft - auch keineswegs klar, ob Leben nicht auch ganz anders sein kann. Wir kennen nur die Erde und das Leben auf dieser. Niemand kennt die grundlegenden Bedingungen für jede Möglichkeit von Leben. Vielleicht kann es auch Leben in Welten geben, in der die Abwesenheit von freien Quarks und eine extreme Schwäche der Schwerkraft trotzdem Leben ermöglichen. Man weiß es nicht.

Abstimmung findet statt: Allerdings passt sich Leben der Umgebung an und nicht umgekehrt. Also genau das, was die Evolutionstheorie besagt.
In einem feinjustierten Universum sollte zudem erwartet werden, dass Leben offensichtlich nicht so rar gesät ist.

Auch werden oft Zahlen in Verbindung gebracht, die oft um tausender Potenzen auseinander liegen. Wie "fein" ist nun diese Justierung? Und warum wird nicht bedacht, dass viele physikalische Konstanten von einander abhängig sind? Je weniger fundamentale Größen aber diese Hypothese stützen, desto unnötiger wird ein Plan dahinter. Auch wird außer Acht gelassen, dass auch unterschiedliche Ausgangsgrößen im Wesentlichen zu gleichen Ergebnissen führen können.

Vielleicht aber ist ein anderes Universum gar nicht möglich und daher muss es, wenn es existieren soll, so sein, wie es ist. Wir sind vermutlich nur hier, weil wir woanders nicht sein könnten.
Intelligent Design oder irgendeine andere Form von Kreationismus sind also keine logische Schlussfolgerung von Feintuning. Denn über die Motive und Methoden sagt dies nichts aus. Die Knappheit des Lebens und die Milliarden Jahre, die es zur Entstehung benötigte, sprechen im Grunde gegen das Leben als Motiv. Wenn Feintuning also vorliegt, hat es wohl andere Gründe oder gar keinen. Im Grunde ist das anthropische Prinzip sogar ein Argument gegen einen allmächtigen Schöpfer. Denn wenn Gott alles kann, so hätte er auch Leben in einem Universum schaffen können, dessen Bedingung es eigentlich nicht erlauben.

Frage 4: Ist die Messbarkeit nicht ein Beweis dafür, dass Gott wollte, dass wir das Universum verstehen?

Die Bedingungen, die Leben ermöglichen, sind es auch, die die besten Ergebnisse für wissenschaftliche Entdeckungen liefern. Menschen neigen dazu, mit einfachen Sachen anzufangen, und Wissenschafter sind nicht anders. Die Entdeckungen die sie machen, würde zu allererst in den Bereich fallen, der einfacher zu ergründen ist.

Nachdem der Flugverkehr nach dem 9/11-Ereignis für drei Tage ausgesetzt wurde, haben Wissenschaftler die Möglichkeit genutzt, die Wirkung von Kondensstreifen zu messen. Das bedeutet jedoch nicht, das 9/11 für wissenschaftliche Entdeckungen entwickelt wurde. Ebenso bedeutet es eben nicht, dass Wissenschaftler Messungen vornehmen können, weil jemand das Universum geschaffen hat, damit sie dies tun können. Abweichende Bedingungen würden es uns wohl erschweren, Dinge zu erkennen, die wir "hier" schon beobachtet haben, aber andere Dinge wären wohl schon bekannt, die "hier" noch nicht bekannt sind.

Dieses Argument wurde von Voltaire (1759) satirisch aufgearbeitet:
Es ist erwiesen, daß die Dinge nicht anders sein können als sie sind, denn da alles zu einem bestimmten Zweck erschaffen worden ist, muß es notwendigerweise zum Besten dienen. Bekanntlich sind die Nasen zum Brillentragen da; folglich haben wir auch Brillen. Die Füße sind offensichtlich zum Tragen von Schuhen eingerichtet; also haben wir Schuhwerk. Die Steine sind dazu da, um behauen und zum Bau von Schlössern verwendet zu werden, und infolgedessen hat unser gnädiger Herr ein wunderschönes Schloß. Der vornehmste Baron der ganzen Provinz muß eben auch das schönste Schloß haben. Und da die Schweine dazu da sind, gegessen zu werden, so essen wir das ganze Jahr hindurch Schweinefleisch. Also ist es eine Dummheit, zu behaupten, alles auf dieser Welt sei gut eingerichtet; man muß vielmehr sagen: alles ist aufs beste bestellt.

Ihr kennt dieses Zitat schon. Ich habe es nicht zum ersten Mal verwendet.

In vielerlei Hinsicht behindert die Konfiguration des Universums wissenschaftliche Entdeckung:
  • Die meisten Dinge im All sind schwer zu bekommen oder zu erreichen. Sie sind weit weg und das Vakuum dazwischen lebensfeindlich. Die Schwerkraft auf der Erde macht es auch sehr aufwendig, diese zu verlassen.
  • Die oberstere Geschwindigkeitsgrenze ist die Lichtgeschwindigkeit. Das behindert die Kommunikation. Es wird so schwer, die Galaxie zu erkunden. Allein zu den Sonden, die um den Mars kreisen brauchen wir je nach Konstellation minimum 16 Minuten für Hin- und Rückweg einer Nachricht.
  • Unsere Lebenserwartung ist zu kurz, um die individuell die Veränderungen in der Natur zu beobachten.
  • Niemand weiß einen einfachen weg, um die Strukturen eines Proteins zu finden.
  • Es scheint kein Leben auf anderen Planeten zu geben, dass mit uns Erdlingen vergleichbar sei.
  • Unterwassererkundungen sind ziemlich unbequem für uns.
  • Unser Gehirn ist so konstruiert, dass es auch schwere Dinge verstehen kann. Das macht die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie dennoch nicht verständlicher für die meisten Menschen. Außerdem gibt es einen Unterschied, was als "Art" in der Biologie gemeint ist. Das Wort selbst vereinfacht die Kommunikation, aber erschwert das Verständnis für die Evolution.
Außerdem impliziert ein Universum, dessen Gesetze leicht zu "entdecken" sind, dass es sich um ein simples Universum handelt. Und gerade die Intelligent Designer betonen immer wieder, wie komplex und kompliziert alles ist.

Frage 5: Welchen Sinn hat das Ganze dann?

Nun, ich denke, danach darf man in der Wissenschaft zunächst nicht fragen. Manchmal ist die Anwendbarkeit von bestimmten Disziplinen erst viele Jahre später ersichtlich. Ich denke da an Primzahlen, deren Nutzen in der Verschlüsselungstechnik erst in den letzten Jahrzehnten wirklich wichtig wurde. Schließlich soll das Forschen in der Wissenschaft doch vor allem Spaß machen und neue Erkenntnisse bringen. Diese Erkenntnisse werden dann irgendwann wieder entdeckt, weiterentwickelt und angewendet. Ein bisschen verrückt ist das vielleicht schon.

Aber die Suche nach dem Sinn des Lebens, unter Berufung auf irgendeine Heilshoffnung aus irgendeiner Religion, ist im Grunde die Forderung, dass es diesen übergeordneten Sinn geben soll, nicht ein Beweis dessen.

Als Isaac Newton Sonnenlicht in seine Spektralfarben zerlegte, warf man ihm vor, er habe den Zauber des Regenbogens zerstört. Doch das Wunderbare ist nicht weniger wunderbar, wenn wir es erklären können.
Richard Dawkins, britischer Zoologe, theoretischer Biologe, Evolutionsbiologe (geb. 1941)
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Do 27. Sep 2018, 11:44

Rezension: Die DNA: Bibliothek des Lebens - Teil 1: Vorhersagen in geschichtlicher Forschung (2013)

Der Artikel Die DNA: Bibliothek des Lebens auf jw.org war einst der Anlass zum erneuten Aufrollen des Themas - bevor der aktuelle Reboot aufgenommen wurde. Mittlerweile sind mehr als 80 Beiträge ins Land gezogen. Und nun besinne ich mich wieder auf die Ursprünge zurück. Dass ist nicht untypisch für mich.
Ich habe mich entschieden, den verhältnismäßig kurzen Text, der hinter dem Link steht, in insgesamt 5 Teilen zu diskutieren. Wie immer, seid ihr herzlich eingeladen, euch an der Debatte zu beteiligen - was bisher nicht geschehen ist.

Der Text selbst gibt nicht mehr her, als die meisten bereits hier behandelten kreationistischen Argumentationen. Schon zu Beginn wird die "korrekte" Antwort auf die Entstehung der erstaunlichen Komplexität und der syntaktischen Anordnung suggeriert und freilich auf die üblichen Bibeltexte verwiesen. Schon so etwas simples wie Tonscherben und extraterrestrische Radiowellen deuten auf Intelligenz hin, so also auch das wohlfeine Weltall. Forscher, die den göttlichen Funken unberücksichtigt lassen, werden als ignorant und engstirnig verworfen. Wie erwähnt, im Grunde nichts neues.

Nun sind aber Tonscherben sehr wohl mit Kulturen verbunden und lassen sich auch leicht auf jene zuschreiben. Auch Signale aus dem All haben unterschiedliche Ursprünge. Und eine Möglichkeit sind eben Aliens. Wobei man hier geflissentlich umgeht, dass die meisten (bisher offenbar alle) Signale eben natürlichen Ursprungs sind, zum Beispiel Pulsare, Quasare, schwarze Löcher ... . Aufgrund solcher Zuordnungen, von der DNA auf Gott zu schließen, ist aber schlicht nicht wissenschaftlich. Wir wissen nicht, welche Syntaktik Gott verwendet, also können wir die Syntax der DNA diesem nicht zuordnen.
Naturforscher, die Gott als "Lösung" naturwissenschaftlicher Fragen auslassen, handeln grundsätzlich nicht ignorant, sondern konsequent. Ein übernatürlicher Eingriff kann nicht durch Naturbeobachtungen nachvollzogen werden. Das liegt bereits in der Definition. Das Übernatürliche passt nicht in die Natur, sonst wäre es nicht übernatürlich. Es ist in etwa so, als würde man Wesen einer zweidimensionalen Welt erklären wollen, dass sie zur Positionsbestimmung eine dritte Koordinate benötigen.

Wie bei jw.org-Artikel üblich, wird sich auch hier auf "Autoritäten" berufen? Nun mag ja der ein oder andere durch seine Forschung zum Schluss kommen, die Evolutionstheorie sei falsch. Daraus wird natürlich geschlossen, dass der restliche Wissensschaftsbetrieb wohl offenbar zu blöd oder dogmatisch ist. Es gibt also die, die aus den objektiven Ergebnissen auf Gott schließen und jene, die es nicht tun. Wem der beiden Gruppen wird Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen?
Der zitierte Prof. Yan-Der Hsuuw kann sich aufgrund der Komplexität keinen natürlichen Prozess vorstellen, der die DNA hervorgebracht haben kann. Schlußendlich sagt er damit: "Hey, ich bin ein smarter Typ, der sich das nicht vorstellen kann, also gibt es das nicht." Im Grunde das, was der Gegenseite ständig vorgeworfen wird. Aber ist die fehlende Vorstellungskraft ein Beweis für Gott?

Es stellt sich bei jeder Schöpfung-Evolutions-Debatte laut Wachtturm-Gesellschaft immer die Frage, ob es relevant ist, was ich glaube. Diesmal begeht man den Fehler, die Evolution zu personifizieren. Die Evolution ist ein Mechanismus. Sie bekommt keine Anerkennung. Sie wird untersucht. Genauso wenig würde man dem Mechanismus des Hämmerns oder Schneidens huldigen, sondern dem Schmied oder dem Schneider. Je nachdem.
Natürlich bleibt der altbekannte Trugschluss, dass die Sinnsuche im Leben ein Beweis gegen die Evolution wäre. Vermutlich bin ich mit Sinn und Zweck glücklicher. Ich verfolge ein höheres Ziel. Aber was schert das die Wirklichkeit? Ob ich an Gott glaube oder nicht, ist der Evolution doch egal. Zu erklären, mit der "zufälligen" Entstehung durch die Evolution sei kein Sinn verbunden, ist indirekt immer noch einfach nur die Forderung, dass es einen höheren Sinn geben soll. Nicht aber Beweis, dass dieser und dessen Sinnstifter (Gott) tatsächlich real ist.
Vielleicht habe ich das Gefühl bisher auch nur unterdrückt. Aber nicht jeder Mensch, der einen Sinn im Leben sucht, sucht auch Gott oder irgendeine höhere Macht. Die Suche nach dem Sinn führt also keineswegs automatisch in die Spiritualität. Zumal jeder den Sinn anders interpretieren mag, ob das nun gefällt oder nicht. Den Sinn gibt es also auch unabhängig eines Schöpfers und schon gar nicht bedingt es diesen.

Kreationistische Artikel dieser Art sind alle recht ähnlich aufgebaut, unterscheiden sich meist nur noch durch die zitierte "Autorität" und den jeweiligen Fakt, den man da bestaunt. Geärgert habe ich mich über den grauen Kasten zum Schluss, der die Evolutionstheorie als Lüge oder fixe Idee hinstellt.
Lassen wir mal außer Acht, dass die Gravitationstheorie von Sir. Isaac Newton ist, was faktisch jedes Kind weiß, und nicht von Einstein, der mit der Relativitätstheorie aber die gleichen Effekte beschreiben kann und noch mehr.
Lassen wir auch außer Acht, dass die meisten Evolutionsbiologen und andere Sachverständige die Diffenzierung in die Begriffe "Makroevolution" und "Mikroevolution" ablehnen, da sie einen nicht real existierenden Unterschied suggerieren (der Text ist beim Sternchen im grauen Kasten zu finden).

Gegenfrage:
Ist das Fehlen einer fossilen Ahnengalerie für die Evolutionstheorie ein Todesstoß, wenn der interessierte Fachlaie oder Leugner in der Regel seinen eigenen Familienstammbaum auch keine 400 oder gar 6000 Jahre lückenlos nachweisen kann? Und wird man selbst mit Kenntnis des Aussehens zahlreicher Vorfahren auf das exakte Aussehen der eigenen Urenkel schließen können?

Und damit zur Auswertung. Es reicht leider nicht zum BINGO:

Bild

Schlussendlich ging es mir bei der Rezension aber gar nicht um den Aufguss kreationistischer Ansichten, sondern um den zitierten Brockhaus.
1. Wissenschaftliche Theorien lassen sich auf Beobachtungen zurückführen.
2. Wissenschaftliche Theorien lassen sich durch Experimente reproduzieren.
3. Wissenschaftliche Theorien bewähren sich bei der Vorhersage neuer Phänomene.


Widmen wir uns doch gleich einem der Punkte und rollen das ganze von hinten auf.
Überprüfen wir dabei die Vorhersagekraft geschichtlicher Forschung.
Und was stellen wir fest, wenn wir die Brockhaus-Definition so fehlerhaft anwenden, wie es die Wachtturm-Gesellschaft tut?

Paläontologie, Archäologie, Altertumsforschung, Radiometrie, Dendrochronologie (Jahresringforschung), Geophysik und viele weitere sind allesamt keine Wissenschaften mehr. Tut mir leid.
Etliche Wissenschaften beschäftigen sich mit Dingen, die in der Vergangenheit liegen, um daraus Rückschlüsse auf die Zukunft zu schließen. Aber bereits kleinste Abweichungen in der Deutung des Ausgangsmaterials oder aber unbedachter Einflüsse in den Folgezeiten können selbst die besten Prognosen zu nichte machen.
Das kennt im Grunde jeder Börsianer. Aus dem Verhalten des Kurses über den allgemeinen Wochenverlauf (z.B. ist Montag mit steigenden Kursen zu rechnen), schließt man, wann es sich lohnt anzulegen und wann es sich wieder lohnt abzustoßen. Die Kurse, insbesondere in einer Branche stehen dabei aber auch in komplexer Wechselwirkung. Obwohl man bei Firma X angelegt hat, kann eine Firmenpleite bei Unternehmen Y die angelegte Aktie purzeln lassen.

Es herrscht also offenbar schon ein Unverständnis darin, was "neue Phänomene" sind. Auch Physik und Mathematik, als Basis aller Naturwissenschaften, erschaffen nichts neues. Sie untersucht und reproduziert Dinge, die gut und gerne auch mal über 13 Milliarden Jahre alt sein können. Das ist ihr "Job". "Neue Phänomene" müssen also keineswegs in der Zukunft liegen. Aber wie sollte man über die Vergangenheit Vorhersagen machen?

Da die Evolutionstheorie die Entwicklung der Arten beschreibt und sich dabei auf historisches Quellenmaterial stützen muss, verwendet sie hierfür die gewonnenen Daten der Paläontologie, also der Wissenschaft der ausgestorbenen oder zumindest erdgeschichtlich alten Arten. Sie sagt vorher, welche Viecher in welchen Bodenschichten zu erwarten sind. Zwei aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass eine fehlende Vorhersagekraft ein Irrtum ist.

Der Schwanz der Mosasaurier

Bei der Untersuchung der Schwanzknochen verschiedener Mosasaurier-Arten zeigte sich, dass diese einen Knick hatten, der dafür sprach, dass der Schwanz der Mosasaurier in Wahrheit eine Schwanzflosse besaß. So etwa - wurde spekuliert - könnten die Schwänze einiger Mosasaurusarten ausgesehen haben:


Zu beachten ist dabei, dass die Autoren der Studie (#1) aus der Krümmung der Schwänze auch daraus schlossen, dass es vermutlich eine geteilte Schwanzflosse gab, bei der ein Teil nach oben zeigte, der nicht von Knochen gestützt wurde. Letztlich war das allerdings nur gut begründete Spekulation.

Doch das hat sich im September 2013 geändert, denn eine neue Arbeit beschreibt einen Mosasaurier mit deutlich erhaltenen Abdrücken des Schwanzes und auch der Flossen. So sehen die Abdrücke des neuen Fundes von Prognathodon aus:

Bild

Oben seht ihr die Schwanzflosse in unterschiedlicher Auflösung, unten eine erklärende Skizze, in der man auch sieht, dass die Schwanzflosse von Bindegewebe (in Teilbild d zu erkennen) gestützt wird. Vergleicht man den Fund mit den Skizzen oben, so muss man schon zugeben, dass die Vorhersage nicht eben schlecht war.

Die Schwanzflosse der Plesiosaurier

Das zweite Beispiel betrifft die bekannten Plesiosaurier, die auch deswegen so gut berühmt sind, weil sie aussehen wie das Monster von Loch-Ness (beziehungsweise umgekehrt):


Es gab aber auch viele kurzhalsige Plesiosaurier wie den Liopleurodon. Hier abgebildet sieht man die Rekonstruktion eines Rhomaleosaurus zetlandicus. Um den geht es jetzt auch.


Laut Bildchen kommen Plesiosaurier anscheinend ohne Schwanzflosse aus. Oder vielleicht doch nicht? Adam Smith aus Nottingham hat sich den Schwanz des Rhomaleosaurus einmal etwas genauer angesehen (#2). So sehen die Schwanzwirbel aus:


Oben seht ihr den Schwanz von der Seite, unten von unten.

Zwei Dinge sind dabei auffällig: Zum einen sind zwei Wirbel etwas verkürzt (im Bild als "node"=Knotenpunkt bezeichnet), zum anderen sind die Wirbel am Schwanzende seitlich etwas abgeplattet. Smith hat jetzt diese Wirbel mit denen von Mosasauriern und anderen Meeressauriern verglichen – und bei denen ist so ein Bereich mit verkürzten Wirbeln und dahinter mit seitlich abgeplatteten Wirbeln ein Indiz für eine Schwanzflosse. Daraus schließt er, dass auch Rhomaleosaurus eine kleine Schwanzflosse gehabt haben sollte:


Und mit etwas Glück findet man eines Tages auch ein Fossil, dass das direkt nachweist und das dann wieder bestätigt, dass auch die Paläontologie und somit auch die Evolutionswissenschaft Vorhersagen machen kann. Denn offentlich kann sie es ja doch.

Wer prophezeien will, braucht nur zurückzuschauen.
Karlheinz Descher, deutscher Schriftsteller (geb. 1924)

#1 - Johan Lindgren, Hani F. Kaddumi & Michael J. Polcyn: Soft tissue preservation in a fossil marine lizard with a bilobed tail fin, NATURE COMMUNICATIONS | 4:2423 | DOI: 10.1038/ncomms3423

#2 - Adam S. Smith: Morpholgy Of The Caudal Vertebrae In Rhomaleosaurus Zetlandicus And A Review Of The Evidence For A Tail Fin In Plesiosauria, Paludicola 9(3):144-158 October 2013-10-03
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mo 1. Okt 2018, 11:17

Rezension - Die DNA: Bibliothek des Lebens - Teil 2: Experimentelle Evolutionsforschung - Richard Lenski und das E.Coli-Langzeitexperiment (2013)

Nur, falls es jemand vergessen haben sollte, zitiere ich nochmal den im Erwachet 2015/08 (im Artikel "Die DNA: Bibliothek des Lebens") angegeben Brockhaus:
1. Wissenschaftliche Theorien lassen sich auf Beobachtungen zurückführen.
2. Wissenschaftliche Theorien lassen sich durch Experimente reproduzieren.
3. Wissenschaftliche Theorien bewähren sich bei der Vorhersage neuer Phänomene.

Den 3. Punkt habe ich hinreichend erläutert. Bezieht sich die Vorhersage dieser "neuen Phänomene" eben nicht auf Dinge, die bis dato noch nie geschehen sind, sondern auf Ereignisse, die bisher unverstanden waren, aber seit Jahrtausenden stattfinden. Das bestätigt seltsamerweise ja sogar die Bibel in Prediger 1:9:
Das, was geschehen ist, das ist, was geschehen wird; und das, was getan worden ist, das ist, was getan werden wird, und so gibt es nichts Neues unter der Sonne.

Beschäftigen wir uns diesmal mit der Frage, ob sich evolutionäre Prozesse reproduzieren lassen.

Angeschnitten hatte ich das E.Coli-Langzeitexperiment ja schon mal. Hier will ich etwas genauer darauf eingehen.

Richard Eimer Lenski ist US-amerikanischer Evolutionsbiologe, der 1976 sein Diplom (Bachelor of Science) am Oberlin College machte und an der University of North Carolina promovierte. Mittlerweile ist er Professor an mehreren Universitäten und Mitglied zahlreicher Wissenschaftsakademien. Ich will hier aber nicht in den Fehler verfallen, eine "Autorität" zu zitieren, sondern seine wissenschaftliche Arbeit vorstellen.


Foto der zwölf Kulturen vom 25. Juni 2008. Das Bild entstand 24 Stunden nachdem die Kulturen nacheinander in frisches, nährstoffarmes Medium (DM25) transferiert wurden. Sie befanden sich in einem stationären Zustand. Der Grad der Trübung der Zellkultur ist ein Maß für die Anzahl an Zellen. In dem Erlenmeyerkolben mit der Beschriftung "A-3" ist die Trübung am stärksten und folglich die Zellkonzentration am höchsten. Die Ursache hierfür ist, dass diese Zellen Citrat verstoffwechseln können und sich deshalb deutlich stärker vermehren.

Das E.Coli-Langzeitexperiment soll dokumentieren, wie natürliche Selektion im Labor nachvollziehbar und beobachtbar ist.

Das Experiment begann 1988 und wurde peinlich genau geführt. Entscheidend ist dabei auch, dass keine äußeren Einflüsse, wie zum Beispiel harte Strahlung oder mutagene Chemikalien, auf den Modellorganismus Escherichia coli (kurz E.Coli) einwirken. Dieses Darmbakterium verwendet Glucose als natürliche Nahrungquelle. Mit Citrat als Kohlenstoffquelle kann der Wildtyp von E.Coli nicht wachsen.
Genau da setzt die Laboruntersuchung an: Lenski setzt E.Coli seit nunmehr 30 Jahren einem Wachstumsmedium aus, das ein Minimalabgebot an Glucose, aber ein Überangebot der nicht-metabolisierbaren (vereinfacht "nicht verwertbar") Nahrungsquelle Citrat enthält.

Alle Schritte sind standardisiert und werden protokolliert.
Im ersten Schritt wurde eine einzige E.Coli-Zelle ausgewählt, die sich anschließend mehrfach teilte. Lenski wählte aus den Tochterzellen zwölf aus, die als Starterzellen für die zwölf seit 1988 parallel laufenden Experimente dienten.

Seither werden jeden Tag die E.Coli-Kulturen geteilt und mit frischem Medium versehen. Diesen Vorgang nennt man "propagieren".
Alle 75 Tage werden Proben der einzelnen Populationen genommen und zur Dokumentation eingefroren. Dabei entsprechen die 75 Tage etwa 500 Generationen. Zum Vergleich: Das entspräche einer menschlichen Ahnentafel von 10.000 Jahren, wenn jeder mit 20 seine Nachkommen gezeugt/geboren hätte.
In den entnommenen Populationen wird daraufhin die Wachstumsrate abgeschätzt. Dies geschieht in Relation zur Ursprungspopulation. Wenn sich E.Coli nicht verändert, verändert sich auch die Wachstumsrate nicht über natürliche Schwankungen hinaus. Sollte die Wachstumsrate aber doch zunehmen, so hätte sich E.Coli durch zufällige Mutation oder Mutationen der neuen Nahrungsquelle angepasst.

Im Juni 2008 publizierten Lenski und Mitarbeiter, dass sich nach 31.500 Generationen (nach oben gerechnetem Vergleich zum Menschen, nach mehr als 630000 Jahren) in einem der zwölf Parallelexperimente eine E. coli-Population entwickelt hatte, die in der Lage ist, Citrat als Kohlenstoffquelle zu verwenden (#1, #2, #3).
Wie diese Anpassung von statten ging und so zu dieser neuen Fähigkeit geführt hat, werden derzeit an dem neuen E. coli-Stamm, sowie dessen, über die letzten 20 Jahre eingefrorenen Vorläufergenerationen untersucht.

Kann man etwas nicht verstehen, dann urteile man lieber gar nicht, als dass man verurteile.
Rudolf Steiner, österreichischer Begründer der Anthroposophie (1861-1925)

#1 - Pressemitteilung der Michigan State University (in Englisch)

#2 - Z. D. Blount, C. Z. Borland, R. E. Lenski: Historical contingency and the evolution of a key innovation in an experimental population of Escherichia coli. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Band 105, Nummer 23, Juni 2008, ISSN 1091-6490, S. 7899–7906, doi:10.1073/pnas.0803151105, PMID 18524956, PMC 2430337 (freier Volltext).

#3 - R. E. Lenski: Evolution in action: a 50,000-generation salute to Charles Darwin. In: Microbe. 6, 2011, S. 30–33. PDF
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Do 4. Okt 2018, 11:23

Rezension: Die DNA: Bibliothek des Lebens - Teil 3: Sichtbare Evolution (2013)

Es ist ja schon eine liebgewonnene Tradition und darum zitiere ich abermals den im Erwachet 2015/08 (im Artikel "Die DNA: Bibliothek des Lebens") vermerkten Brockhaus:
1. Wissenschaftliche Theorien lassen sich auf Beobachtungen zurückführen.
2. Wissenschaftliche Theorien lassen sich durch Experimente reproduzieren.
3. Wissenschaftliche Theorien bewähren sich bei der Vorhersage neuer Phänomene.

Punkt 2 habe ich mit dem E.Coli-Langzeitexperiment ja eindeutig widerlegt. Punkt 3 ist ebenfalls schon abgehandelt worden. Und im Grunde ist das E.Coli-Langzeitexperiment auch eine Beobachtung, doch ich will, wie immer eigentlich, weiter ausholen.

Mit dem Darwin-Wallace-Prinzip, wie die Evolutionstheorie noch bis in die 30er Jahre genannt wurde, wurde die nächste Stufe in der Erforschung einer dynamischen Welt unternommen.
Die wesentlichen Punkte von Darwins Theorie treffen heute immer noch zu: Alle Lebewesen stammen von gemeinsamen Vorfahren ab. In eine veränderliche Welt werden mehr Nachkommen geboren, als überleben können. Um die knappen Ressourcen entsteht ein Konkurrenzkampf. Die Individuen innerhalb einer Population unterscheiden sich graduell voneinander. An den Unterschieden setzt die natürliche Selektion an.
Im Laufe der Zeit wurde diese Theorie weiterentwickelt und ausgebaut. Mit Entdeckung der Genetik und der Gene wurde es möglich, den sichtbaren (phänotypischen) Eigenschaften von Organismen und ihren Veränderungen molekulare (genotypische) Mechanismen zuzuordnen. Zusätzlich entwickelte die Populationsbiologie mathematische Modelle dafür, wie sich bestimmte veränderte Gene innerhalb von Populationen ausbreiten.
Eine Grundpfeiler ist die Selektion, die sich auf mehrere Phänomene bezieht:
  • Organismen interagieren mit ihrer unbelebten Umwelt.
  • Organismen verschiedener Arten interagieren miteinander. Dabei kann sowohl die Konkurrenz um gemeinsame Nahrungsquellen, als auch die Jäger-Beute-Beziehung gemeint sein. Aber auch die Parasit-Wirt-Beziehung und Symbiose gehören in solche Interaktionen.
  • Aber auch Organismen gleicher Art interagieren. Zum Beispiel bei Revierangelegenheiten, Partnerwahl oder das Ringen um soziale Rangordnungen.
Selektion siebt gnadenlos durch Jäger-Beute-Beziehung jene Gejagten aus, die leichter entdeckt werden, weswegen Individuen mit gedeckten Farben besser überleben. Schnellere Gazellen entkommen ihrem Jäger besser, womit mehr der langsameren gefressen werden. Auch gegensätzliche Entwicklungen sind geschehen. Eine spezielle Zikaddenart kommt nur alle 17 Jahre zum Vorschein, paart sich milliardenfach, legt die Eier für die nächste Generation in 17 Jahren und stirbt. (#1) Diesem langsamen Zyklus hat sich kein Jäger anpassen können. Die Biester, die dann beim massenhaften Auftreten der Zikadden, diese fressen, sind nicht primär auf diese Beute eingestellt und sie überfressen sich. So überlebt der größte Teil der Population.

Neue Arten entstehen auch, wenn sich Individuen derselben Art unterschiedlichen Lebensräumen anpassen müssen, ob durch Wanderungen oder - in geologischen Zeitskalen - durch Kontinentaldrift. Eigentlich nachvollziehbar: Die Welt um uns verändert sich. Also müssen sich die Lebewesen dieser veränderlichen Welt sich immer wieder anpassen. Der Mensch ist dabei ebenso diesen Umwelteinflüssen ausgesetzt. In sonnenreicheren Gegenden ist die Melaninpigmentierung stärker ausgeprägt, als in Gegenden mit wenig Sonne. Aber stärker noch ist der Einfluss des Menschen auf Ökosysteme und deren Arten.

Bis in die 60er Jahre flossen große Mengen Abwasser in den amerikanischen Lake Washington und überdüngten ihn. Die Trübung des Wassers nahm aufgrund von Algenwachstum zu. Die Sichtweite fiel auf unter 70 Zentimeter. Dreistachlige Stichlinge (#2), die sich üblicherweise von Fressfeinden, zum Beispiel Forellen, verfolgt sehen, konnten sich nun viel besser verstecken. In der Folge verloren sie die Knochenplatten, die sogenannten Schilde, die sie statt Schuppen als Schutz auf der Haut tragen. Ende der 60er-Jahre wiesen nur noch sechs Prozent der Fische die Knochenplatten auf. Der zusätzliche Schutz war nicht nur wirkungslos geworden, sondern unnötiger Balast, der Geschwindigkeit und Wendigkeit beeinträchtigt.
Als man damit begann, das Wasser des Sees zu reinigen, verbesserte sich die Sicht allmählich - zunächst auf etwa 3,5 Meter, später sogar bis auf 7,5 Meter. Bei einer Untersuchung der Stichlinge stellten Biologen fest, dass mittlerweile 49% der Fische wieder komplett und 35% zum Teil von Knochenplatten überzogen sind.
In der natürlichen Stichlingpopulation kommen sowohl komplett beschildete und teilweise beschildete als auch schildlose Formen vor. Stichlinge, die kaum Knochenplatten aufweisen, leben ausschließlich im Süßwasser. Diejenigen mit vielen Knochenplatten sind marine Wanderformen. Da die Population im Lake Washington sowohl Gene von Süß- als auch Salzwasser-Formen trägt, ist sie flexibel genug, um sich an die drastisch veränderten Umweltbedingungen anzupassen.

Auch die neu entstandene Genvariante die Hypolimnos-Edelfalter gegen das tötliche Bakterium Wolbachia immunisiert (#3), gilt als ein Beispiel zu beobachtender Evolution in menschlich überschaubaren Zeiträumen.
Sexuelle Fortpflanzung hat vor allem den Vorteil, dass sie immer neue und variablere Genkombinationen ermöglicht und dabei hilft, erfolgreiche Genvarianten im ganzen Genpool zu verbreiten. Natürlich steigt neben den nützlichen Eigenschaften, die bei diesen "Experimenten" entstehen, auch die möglichen schädlichen Eigenschaften, die dann durch die Selektion ausgemerzt werden.

Die Weibchen mexikanischer Zahnkärpflinge (#4) bevorzugen große Männchen, die sie vor der Paarung gründlich in Augenschein nehmen. Biologen von der Universität Potsdam fanden jedoch kürzlich zwei Populationen, die in finsteren Höhlen leben, in denen die Weibchen zumindest optisch keinen Unterschied zwischen den Männchen mehr feststellen konnten. Eine Population wies ausschließlich kleine Männchen, eine mit großen und kleinen Männchen. Der Grund: In der Population mit großen und kleinen Exemplaren haben die Weibchen einen Weg gefunden, die Größe ihrer Freier auch ohne Licht zu ermitteln. Wahrscheinlich weil größere Männchen einfach mehr Wellen schlagen. Da sie in dieser Population - wie auch in der anderen - zunächst die kleineren Männchen nicht verschmähten, konnten sich diese sehr gut fortpflanzen und hätten sich wahrscheinlich durchgesetzt. Kleinere Männchen müssen wesentlich weniger Energie in den Aufbau von Körpermasse stecken, kommen also mit weniger Nahrung zurecht. Aufgrund des Erfindungsreichtums der Weibchen, haben sie nun aber wieder schlechtere Chancen, sodass sich der Trend zu größeren Männchen durchsetzen wird.

Dass aber auch Männer wählerisch sind, zeigen ebenfalls Biologen von der Universität Potsdam. In Texas bilden asexuelle Amazonenkärpflinge (#4) mit sexuellen Breitflossenkärpflingen (#4) gemischte Populationen. Die Besonderheit in diesem System liegt darin, dass die asexuellen Amazonenkärpflinge Spermien der sexuellen Art benötigen, um die Embryonalentwicklung ihrer Eier auszulösen. Männchen gelten als weniger wählerisch im Vergleich zu den Weibchen, da die Spermienproduktion als wenig energieaufwendig angesehen wird. Stimmt das, sollten sich Männchen gleich oft mit sexuellen und asexuellen Weibchen paaren.
In einer Feldstudie wurden gemischte Populationen im Verlauf eines Jahres beobachtet und die Weibchen beider Arten untersucht. Es stellte sich heraus, dass ein wesentlich höherer Anteil sexueller Weibchen Spermien in ihrem Genitaltrakt hatte. Es scheint also, dass die männliche Partnerwahl in der Tat der Schlüssel zum Verständnis der stabilen Koexistenz sexueller und asexueller Arten darstellt.
Wären die Männchen weniger wählerisch, hätte die asexuelle Art alleine schon dadurch einen Fortpflanzungsvorteil, dass sie sich die Produktion überflüssiger Männchen spart. Die asexuelle Fortpflanzung hat allerdings auch Nachteile, da sie eine vergleichsweise ausgeprägte Starrheit der Art zur Folge hat. Größere Veränderungen in der ökologischen Nische der Amazonenkärpflinge könnten sich deshalb eher verheerend auswirken als bei sexuellen Arten, die eine wesentlich höhere Variabilität innerhalb ihrer Population aufweisen.

Eine Untersuchung des Räuber-Beute-Verhältnisses zwischen Wanderfalken und Tauben in Kalifornien zeigte, dass kleine Unterschiede große Wirkung haben können. In der beobachteten Taubenpopulation trugen etwa 20 Prozent der Tiere einen weißen Fleck zwischen Schwanzansatz und Rücken. Diese Tauben machten aber nur zwei Prozent der Wanderfalkenbeute aus.
Der weiße Fleck sorgt tatsächlich für den unterschiedlichen Jagderfolg des Greifvogels: Stößt der Falke mit mehr als 300 Kilometern pro Stunde auf seine Beute herab, verteidigen sich die Tauben, indem sie kurz bevor der Jäger sie erreicht eine Luftrolle vollziehen, indem sie einen Flügel nach unten klappen. Bei der Drehung wird der Fleck besonders gut sichtbar und irritiert die Falken wohl - sei es auch nur für den Bruchteil einer Sekunde - und verschafft den Tauben einen kleinen, aber entscheidenden Vorsprung. Die Fluchttaktik funktioniert auch bei Tauben, denen der weiße Fleck nur aufgeklebt wurde. Verdeckt man die Färbung bei Tauben, die sie angeboren tragen, fallen sie genauso häufig Falken zum Opfer wie Tauben die ohne Fleck aus dem Ei schlüpften.
In der Population steigt die Zahl der Individuen mit einem weißen Fleck ständig. Es bleibt spannend, wie die Falken auf den evolutionären Haken der Tauben reagieren.


Lebensbild von Tiktaalik roseae


Viele Übergänge im Laufe der Evolution sind bereits gut durch Fossilfunde oder gar durch noch lebende Arten dokumentiert, wenn auch nicht lückenlos. Erst kürzlich wurde Tiktaalik vorgestellt, die vermutlich erste Fischart, der an Land ging. Bei ihm sind anatomische Anlagen für wesentliche Merkmale von Landwirbeltieren vorhanden.
Das Schnabeltier gilt als Beleg für den Übergang der Reptilien zu den Säugetieren. Die Weibchen legen noch Eier, produzieren aber auch schon Milch, die die Jungen direkt von der Bauchdecke lecken. Zitzen haben Schnabeltiere noch nicht. Die Männchen hingegen produzieren ein Gift, das sie bei der Verteidigung mit ihrem Stachel an der Schwanzwurzel einsetzen und das dem von Reptilien ähnelt. Auch im DNA-Code zeigt sich die Verwandtschaft des kuriosen Tieres sowohl mit Reptilien als auch mit Säugetieren.

Die Säugetiere, die sich zunächst an Land entwickelten, eroberten sich anschließend auch das Meer als Lebensraum zurück. Dieser Übergang ist mittlerweile durch Fossilfunde und Genanalysen ebenso gut belegt wie die Entwicklung der Vögel aus Sauriern.

Die Konsequenz der Natur tröstet schön über die Inkonsequenz der Menschen.
Johann Wolfgang von Geothe, deutscher Dichter (1749-1832)

#1 - Magicicada
https://de.wikipedia.org/wiki/Magicicada

#2 - Gasterosteus aculeatus
https://de.wikipedia.org/wiki/Dreistachliger_Stichling

#3 - Hypolimnos-Edelfalter
Forschung: Sylvain Charlat, Emily A. Hornett und Gregory D.D. Hurst, Department of Biology, University College London und Gump South Pacific Research Station, University of California at Berkeley, Moorea, Französisch-Polynesien; und andere

Veröffentlichung Science, Vol. 317, 13. Juli 2007, p 214, DOI 10.1126/science.1143369

#4 - Kärpflinge
https://de.wikipedia.org/wiki/Zahnkärpflinge
https://de.wikipedia.org/wiki/Amazonenkärpfling
https://de.wikipedia.org/wiki/Breitflossenkärpfling
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