Evolution oder Schöpfung




Religion, Esoterik, Verschörungstheorien und andere Dinge.

Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mi 20. Okt 2021, 00:48

Rezension: Werner Gitt - Der Mensch: Eine geniale Konstruktion (Teil 2 - Ingenieure stürmen voran)

Es gibt eine hohe Anzahl von Ingenieuren unter den Kreationisten. Und auch unter Klimaleugnern finden sie sich.
Das hat Wissenschaftler dazu bewogen, mehr augenzwinkernd die so genannte Salem-Hypothese aufzustellen. Dieser Hypothese zufolge gibt es eine Korrelation zwischen der Arbeit in einem technischen Fachgebiet und einer Vorliebe für den Schöpfungsmythos.
Es kann jetzt auch eine selektive Stichprobe sein, aber ein paar augenfällige Kandidaten gibt es da schon.

Henry M. Morris, der Begründer des Institute for Creation Research hat einen Abschluss in Bauingenieurswesen. Und erst nach dem Abschluss seines Studiums wurde er zum Kreationisten und gründete später die Creation Research Society. Der Zusammenhang ist auch bei Dr.-Ing. Walter Weiblen gegeben, dem Bundesvorsitzenden der Partei Bibeltreuer Christen (PBC) hier in Deutschland. An Harold Camping wird sich hierzulande vermutlich niemand mehr erinnern. Wer meinen Nibiru-Thread damals verfolgt hat, wird ihn eventuell noch auf dem Schirm haben. Auch Camping prophezeite 2012 den Weltuntergang. Nicht jedoch durch einen Zusammenprall mit einem braunen Zwerg oder Planeten oder der Versklavung durch Außerirdische, sondern durch Gottes Zorn. Wenn ihr diesen Prediger also nicht mehr auf dem Schirm habt, er wird sicherlich auf andere Art und Weise versuchen, die Menge zu verarschen.
Und hier zulande ist es eben Werner Gitt.
Der Geschäftsführer von Wort und Wissen, Reinhard Junker, studierte Biologie und Mathematik für das Lehramt an Gymnasien. Der ehrenamtliche Vorsitzende Henrik Ullrich schloss an der Technischen Universität Dresden ein Medizinstudium sowie die Facharztausbildung für Diagnostische Radiologie an. 1998 wurde er promoviert. Von 2005 bis 2012 war Ullrich leitender Oberarzt im Zentrum für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Klinikum Riesa-Großenhain. Seit 2013 ist er ärztlicher Leiter der Radiologie an der Collm Klinik in Oschatz. Schwerpunkt seiner klinischen Tätigkeit ist die Interventionelle Radiologie. Von der Berufsakademie Sachsen, an der er als nebenberuflicher Dozent im Studiengang Labor- und Verfahrenstechnik tätig ist, wurde Ullrich im Oktober 2015 zum Honorarprofessor ernannt. Sein Vorgänger Siegfried Scherer studierte von 1974 bis 1979 Biologie, Chemie und Physik an der Universität Konstanz. 1977 legte er das Staatsexamen in Chemie und Physik ab, 1980 Diplom und Staatsexamen in Biologie. 1983 promovierte er im Fach Pflanzenphysiologie. Von 1983 bis 1988 war er Arbeitsgruppenleiter am Lehrstuhl für Physiologie und Biochemie der Pflanzen an der Universität Konstanz. Scherer forscht mit gentechnischen Methoden an Krankheitserregern in Lebensmitteln.
Wort und Wissen ist also eigentlich ganz gut aufgestellt. Ein Lehrer, ein Arzt und ein Biochemiker. 2 von Ihnen noch im aktiven Dienst in Forschungs-, Lehr- und Lerninstituten. Da wirkt Werner Gitt ja schon fast deplatziert.

Man darf jetzt auch nicht von einer generellen Ablehnung ausgehen, wenn man das Wort Evangelikale und Fundamentalismus zusammenbringt.
In einem Rundschreiben spricht Peter Strauch (1991 bis 2008 Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, 1986 bis 2006 im Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz, 2000 bis 2006 erster Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz) Klartext: "Es ist eigenartig, sobald Christen mit Ihrem Glauben Ernstmachen [sic!] (nichts anderes wollen Evangelikale), ist schnell vom Fanatismus und Extremismus die Rede."
Tatsächlich ist daran überhaupt nichts eigenartig, denn genau so lautet nun einmal die Definition von Fundamentalismus: Die wörtliche Auslegung eines "heiligen" Buches wird für die unumstößliche, Gott gegebene Wahrheit gehalten.

Betont wird bei Christen, bei Evangelikalen wie bei den Zeugen auch die Bedeutung des freien Willens, er soll das sein, was den Menschen von den Tieren unterscheidet, ein Geschenk Gottes. Ohne ihn wären wir nur Maschinen und Roboter. Und das sagen mir Leute, die so viel Wert auf die "letzte Ölung" legen. Ich glaube nicht an den freien Willen und habe trotzdem keine Ähnlichkeit mit R2D2.

Aber genau aus solchen Positionen heraus gewinnen Kreationisten ihre Fangemeinde: Wer Doktor ist, hat sowieso erstmal Recht. Die Titulierung ist wichtig und sie wird vorangetragen, wie ein Schild. Es ist wichtig, dass alle Welt weiß, wer dieses Paper verfasst hat und wer die Website hosted. Möglichst ein Professor oder ein Doktor. Egal in was.
Gott hat einen nicht zu unterschätzenden Pluspunkt: Er vereint Menschen, auch unterschiedlicher Ethnien. Gemeinsame Gospelgesänge schweißen zusammen. Man kann den Reiz einer solchen Gemeinschaft schon verstehen, mit regelmäßigen gemeinsamen Unternehmungen und der vereinenden Aufgabe, die Seelen von möglichst vielen Menschen zu retten. Mit der gleichen Betonung des Wir-Gefühls unternehmen Regionalgruppen der NPD gemeinsame Wanderungen oder "Hilfseinsätze". Bei denen würde es mir aber deutlich weniger gefallen.
Auch wenn der Vergleich wohl etwas schroff anklingen mag: Genau hier setzen Fanatiker und Fundamentalisten aller Couleur an: Am Schwachpunkt der liberalen Gesellschaft, welche darauf basiert, dass sich alle schön aus dem Weg gehen, damit niemandem etwas passiert. Der Mensch ist ein soziales Wesen und existiert nicht im Vakuum, die Fanatiker erkennen das und nutzen es für sich aus.

Das alternative Konzept zu Evolutionsmechanismen besteht für Professor Gitt in Informationen und Verhaltensprogrammen, die Lebewesen von Gott eingegeben werden. Es handle sich also nicht um Zufall (was eigentlich kein Mensch behauptet), sondern um Information von einem "Intelligenten Sender". Der DNS-Code enthält Information und daher muss es einen Sender für die Information geben. Und weil dieser Code so komplex ist, muss der Sender hochintelligent sein.
Sogar wenn Gitts Thesen wahr wären, bräuchte man keinen Intelligenten Sender - ein intelligenter Empfänger, der einem natürlichen Ereignis Information als Sinn zuordnet, würde ausreichen. Die meisten seiner Definitionen würden sogar selbstorganisierte Systeme zulassen, die Information darstellen. Es gibt auch keinen erkennbaren Grund, warum er Mikroevolution zulässt, Makroevolution aber nicht. Werner Gitt denkt sich also ein umfangreiches Thesengebäude aus, um die Schöpfung zu beweisen, entwickelt aber tatsächlich ein Thesengebäude, welches zum Großteil genauso gut die Evolution zulassen würde und insofern doppelt überflüsssig ist.
Angesichts des wissenschaftlichen Analphabetismus, der einen großen Teil der Bevölkerung heimsucht, könnte das Konzept für Kreationisten trotzdem aufgehen. Es führt kein Weg daran vorbei: Wer sich vor dem Einfluss von Fundamentalisten schützen möchte, der muss sich einfach mal zusammenreißen und sich ein naturwissenschaftliches Grundwissen aneignen. Ein sehr interessantes Thema eigentlich, bedauerlicherweise wird Lernen dank unseres Schulsystems noch immer mit Qual gleichgesetzt.

Auf YouTube findet man reichlich Predigten ... Vorträge von ihm, Werner Gitt.
Bestimmt sind auch ein paar gute Argumente dabei. Aber heute und die kommenden Tage wollen wir uns mit dem im ersten Beitrag veranschaulichsten Flyer beschäftigen.

Das Faltblatt ist in verschiedene Abschnitte unterteilt:
- Der Mensch
- Der Tastsinn
- Das Ohr
- Das Blut
- Die Zellen
- Die DNS
- Das Gehirn
- Die Wahrnehmung
- Ein Fazit

Diese einzelnen Abschnitte werden wir in den nächsten Artikeln abarbeiten.
Ich jedenfalls freue mich darauf, mich einmal mit Ansichten auseinanderzusetzen, die mal nicht von der Wachtturm-Gesellschaft stammen.
Bild

"If the biggest problem that you're having in the twenty-first century involves
what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
priorities." - Forrest Valkai


("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
Erwachsener mit deren Einverständnis machen, musst du möglicherweise deine
Prioritäten neu bewerten.")

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von Anzeige » Mi 20. Okt 2021, 00:48

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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Fr 22. Okt 2021, 00:36

Rezension: Werner Gitt - Der Mensch: Eine geniale Konstruktion (Teil 3 - Einführung ins Faltblatt)

Auf der ersten Seite, ihr habt das Bild ja oben, sehen wir einen gehäuteten "Dr. Manhatten" der an blauen Erdnussflips vorbei rennt, die vermutlich Zellen oder Blutkörper darstellen sollen.
Hier gibt es nicht viel zu bereden. Die Muskelansicht soll die Intention einer Konstruktion verdeutlichen, den Gedanken bereits ins Hirn brennen.

Auf der zweiten Seite (Rückseite von "Dr. Manhatten") findet sich der einleitende Text.
Es werden die klassischen "Lebensfragen" gestellt:
- Wo kommen wir her?
- Wo gehen wir hin?
- Gibt es einen Sinn im Leben?
- Ist mit dem Tod alles vorbei?
Das sind die Klassiker, die findet man auch in jeder zweiten Wachtturm-Ausgabe und den Traktaten und Broschüren des gleichen Herausgebers. Dass Menschen, die Gott proklamieren, diese Fragen dem Interessierten und/oder Leser dieses oder anderer Faltblätter stellen, ist jetzt eigentlich auch eher ... semi-orginell oder -überraschend.
Wir hatten ja bereits herausgestellt, dass Werner Gitt Mitglied in einer Evangelikalen Kirche ist und das Evangelikale die Bibel als Gottes inspiriertes Wort ansehen. Ebenso legen viele Gruppen die Genesis, also die Herkunft der Welt, der Tiere und Pflanzen, des Menschen und auch der "wahren" und "falschen" Religion wörtlich aus. Adam und Eva sind in deren Glaubensbild reale Personen, die Sintflut ein reales Ereignis und auch Abraham, der Stammvater der drei abrahamitschen Religionen Judentum, Christentum und Islam, ist real, sowie seine gesamte Geneologie.
Es gibt zwar keine Beweise für diese steilen Thesen, aber es muss so sein.
Ohne Adam kein Sündenfall. Ohne Sündenfall kein Grund für eine Erlösung.
Ohne Sintflut kein Schatten der kommenden Dinge, kein Beispiel, dass Gott die schützt, die ihm gehorchen, vor den Dingen, die er der Menschheit antut. (Fragwürdig.)
Ohne Abraham kein Fast-Opfer von Isaak, was auf die Opferung von Gottes einzigen Sohn hindeuten soll.
Ohne Abraham kein Bund für das verheißene Land und den verheißenen Samen (Jesus), der aus seiner Linie stammen soll.
Ohne Abraham kein Isaak, der später Jakob statt Esau segnet.
Ohne Jakob keine zwölf Stämme Israels, deren zweitjüngster Sohn Joseph Ägypten vor einer Hungersnot rettet und damit seine Familie dort hin zieht.
Ohne Joseph keine spätere Versklavung des Volkes Israel.
Ohne Versklavung keine 10 Plagen, kein Auszug aus Ägypten, kein Wunder am toten Meer. (Wir befinden uns ja schon in Exodus (2. Mose), ups.)
Alles ist formallogisch aufeinander aufgebaut. Wenn die Evolutionstheorie aber korrekt ist (was sie nicht ist, Theorien sind immer nur momentan, vorrübergehend, sie sind der aktuelle Stand unseres Verständnisses der Wirklichkeit, die uns umgibt), dann hat es diesen Adam nie gegeben. Das ganze Kartenhaus fällt zusammen. Kein Grund für eine Erlösung, kein Grund für eine Sintflut, keine Abstammungslinie Jesu über Abraham, Isaak, Jakob und so weiter.
Freilich könnten die anderen Wunder alle wahr sein. Aber sogar die Auferstehung Jesu am dritten Tag nach seinem Tod, würde nicht die Erschaffung der Welt durch eine höhere Macht belegen, sondern lediglich die Auferstehung Jesu am dritten Tag nach seinem Tod. Logisch: Auch wenn man 2012 Higgs-Boson nachgewiesen hat, heißt das nicht, dass damit Tachyonen und Myonen auch existieren. Man muss diese separat nachweisen (#1).

Diese Broschüre, und darauf weist man sogar zweimal hin, ist nur ein kurzer Abriss. Man solle sich doch bitte eines der Bücher von Werner Gitt erwerben. Aber schon dieser kurze Abriss, soll die Evolutionstheorie zerlegen. Okay, da bin ich gespannt. Was können mir 8 Seiten auf einem Flyer einer Theorie gegenüberstellen, die in abertausenden, teils mehrere hundert Seiten dicken Paper und Fachzeitschriften von über 140.000 (#2) Evolutionsbiologen, Geologen, Anthropologen, Paläontologen, Tierpsychologen, Verhaltensforscher, Archäologen, Klimaforscher, Astronomen, Exobiologen, Meteorologen, Topographen, Geographen, Radiologen, Physiker und Chemiker und vielen Fachrichtungen mehr erarbeitet wurde?
Ich will mich hier jetzt nicht auf dem (Schein-)Argument der Mehrheit stehen bleiben, denn auch die Mehrheit kann falsch liegen. Eines der Dinge, die man aus Geschichte lernt. Ich will auch nicht mit irgendwelchen "Autoritäten" herumfuchteln, denn auch die können falsch liegen (was ich schon 2x dargestellt habe).

Auch Werner Gitt stellt uns hier zwei Optionen hin, die mitnichten die vollständige Bandbreite der Möglichkeiten widerspiegelt, sondern lediglich die beiden gegenläufigsten Positionen. Zielloser Zufall hier. Gottgewollter Plan da. Lest euch ruhig die beiden Modelle durch. Es fällt sehr schnell auf, dass sie ebenfalls sehr tendenziös verfasst sind. Modell A steht für Hoffnungslosigkeit und ohne höhere Instanz auch für eine Welt ohne moralische und ethische Verantwortung. Modell B steht für einen Gott, der uns hier haben möchte. Er gibt uns einen moralischen, ethischen Kompass und möchte, dass wir mit ihm im Himmelreich leben.
Da stellt sich jetzt natürlich die Frage, wofür die Erde überhaupt da ist und warum Menschen auf dieser geboren werden, in eine Welt, die offenbar nicht seinem ursprünglichen Plan entspricht. Warum bloppen wir nicht gleich im Himmel auf, wo wir keinen bösen Einflüssen ausgesetzt sind und alle glücklich und zufrieden sind?
Ein Fehler ist, Atheisten und Evolutionstheoretiker in einen Topf zu werfen. Es gibt Atheisten, die die Evolution ablehnen und von einer Menschenerschaffung durch Außerirdische ausgehen (Raelismus). Es gibt aber auch Evolutionstheoretiker, die annehmen, dass Gott in diese Prozesse eingreift, aber man nur schwer ausmachen kann, was natürliche Veränderung im Genpool sind und welche gottgewollt (Theistische Evolution). Ebenso herrscht bei diesen Evolutionsbefürwortern auch über die Bedeutung Adams Unklarheit. Steht er symbolisch für den Anfang der Menschen und es gibt keinen erschaffenen Menschen? Ist Adam nur eine Metapher, um den Menschen in alter Zeit zu versichern, dass der Mensch einen Anfang hat? Manche sagen, der Mensch entstamme zwar dem Tierreich, aber Gott habe geplant, dass er wird. Oder der Mensch entstamme dem Tierreich, aber die Seele, die er hat, kommt von Gott. Die beiden Konzepte müssen nicht exklusiv sein, sie können auch gemischt vorkommen. Bereits das zeigt, dass ein gottgewollter Mensch auch über die theistische Evolution "erreichbar" wäre. Das wäre ein Zwischending aus Modell A und B. Wir wären zwar "zufallsgeneriert", aber gottgewollt und ihm zu Dank und Gehorsam verpflichtet.
Es gibt da natürlich auch noch weitere Möglichkeiten. Das Universum, die Erde und der Mensch sind zwar erschaffen, aber Gott kümmert sich nicht mehr darum. Oder es ist ein Experiment von vielen. Oder Gott will gar keinen Gehorsam und schon gar kein blinden Glauben. Oder es wurde von einem anderen Gott erschaffen, als dem, der uns hier dargeboten wird und jedesmal, wenn wir diesen hier angebotenen Gott anbeten, machen wir den echten Schöpfer nur noch wütender. Oder wir sind zwar gottgewollt und erschaffen, aber alle kommen in die Hölle. Oder alle sterben trotzdem, ohne Wiederkehr. Oder alle kommen in den Himmel. Wir wissen es nicht. Ist ja keiner zurückgekommen, um uns davon zu erzählen. Von alten Mythen mal abgesehen.
Ein weiterer Fehler ist, ohne göttliche Autorität dem Menschen sein moralisches und ethisches Empfinden abzusprechen. Das ist Quatsch. Moralisches, ethisches, gruppenorientiertes Verhalten und Empfinden ist wohl Bestandteil und Überlebensvorteil einer jeden Spezies, die in Gruppen lebt. Ob das nun der einfache Schleimpilz ist oder die Biene. Der Mensch scheint nur bislang, dass einzige Wesen zu sein, dass moralisches, ethisches, gruppenorientiertes Verhalten verschriftlicht hat (Gesetze), da er offenbar der einzige ist, der sich des Umstands, dass er ist, gewahr ist. Aber auch das Bild brökelt, denn Selbsterkenntnis scheint auch bei Krähen und eventuell bei Schimpansen und Delfinen vorhanden zu sein. Eine spannende Zeit, in der wir leben.
Auch ist bei Modell B nicht erkennbar, warum ein allweiser Gott uns überhaupt erschafft. Was erhofft er sich von uns? Warum hat er uns geschaffen? Was ist seine Motivation? Das lässt dieses Konstrukt völlig aus.

Für einen Techniker aus der Informatik ist es aber logisch nur zwei Zustände anzunehmen. Bits und Bytes liegen im Grunde immer in 0 oder 1 vor. Vielleicht kommt es daher.
Vieles von dem, was ich hier gerade geschrieben habe, hatte ich schon einmal in einem Beitrag verfasst:

... 008, 18.11.2017: Grundsatzartikel: Was ist Wahrheit? - Teil 2: "Wenn sich zwei Lehren widersprechen, kann nur eine richtig sein." - Ist Wissenschaft engstirnig?

Wir können aber bereits jetzt die Frage beantworten "Welche Aussage erweist sich mit dem Kenntnisstand des 21. Jahrhunderts als tragfähig?"
Modell A, ...
... weil es Vorraussagen für die Zukunft trifft, die objektiv getestet werden können.
... weil es veränderlich ist und sich neuer Erkenntnis anpassen kann.
... weil es naturwissenschaftlich greifbar ist und nicht auf übernatürliches zurückgreifen muss, was es prinzipiell empirisch unprüfbar macht.

Spielen wir also das Spielchen mit, dass Werner Gitt im letzten Absatz vorschlägt.

Mögen es der Beiträge viele werden.

#1 - Nachweis von Tachyonen und Myonen

Bei Myonen ist der Nachweis schon 1936 durch Carl D. Anderson und Seth Neddermeyer bei der Untersuchung von kosmischer Strahlung und unabhängig davon 1937 durch J. Curry Street und E. C. Stevenson geschehen. Tachyonen sind seit ihrer Beschreibung 1962 durch Olexa-Myron Bilaniuk, V. K. Deshpande und E. C. G. Sudarshan aufgrund mehrerer Lösungsmöglichkeiten für die Gleichungen der speziellen Relativitätstheorie (und unabhängig Anfang der 1960er Jahre auch der sowjetische Physiker Jakow Petrowitsch Terlezki) nach wie vor hypothetisch. Man kann sie also beschreiben und sogar berechnen und damit Vorhersagen machen, wie und wo man sie finden müsste, so sie denn existieren.

#2 - Beleg für diese Zahl fehlt. Aber es sind defintiv mehr als 2.
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what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
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("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
Erwachsener mit deren Einverständnis machen, musst du möglicherweise deine
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Di 26. Okt 2021, 11:12

9 Misconceptions about Evolution | Holy Koolaid ft. Rationality Rules (9:45 min, engl.)

Der erste Teil eines Doppelbeitrages. Holy Koolaid klärt zusammen mit Rationality Rules über 9 Falschaussagen zur Evolution auf.


https://m.youtube.com/watch?v=OAPSQ1zqfY8
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mo 1. Nov 2021, 14:08

9 Proofs of Evolution (Why Evolution is True) | Rationality Rules ft. Holy Koolaid (11:00 min, engl.)

Der zweite Teil eines Doppelbeitrages. Nun erklärt Rationality Rules zusammen mit Holy Koolaid anhand von 9 Beispielen, warum Evolution stattfindet.


https://m.youtube.com/watch?v=LwfxSz73hdI
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Do 4. Nov 2021, 16:55

You Can't Prove That God Doesn't Exist - Debunked | Rationality Rules (9:52 min, engl.)


https://m.youtube.com/watch?v=R3OkCxhjDmQ
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mo 8. Nov 2021, 13:37

Grundlagen: Kreationismus - Teil 4: Intelligent Design (Ein Rückblick)

Dieses Thema habe ich bereits ein paar Mal angeschnitten. Ich möchte aber hier insbesondere einen separaten Artikel darüber verfassen, da ich finde, dass es wichtig ist, diesen Kreationismus im wissenschaftlichen Gewand, als Wolf im Schafspelz zu deklarieren. Und das kann ich so schreiben, weil dieser Satz eine Meinung darstellt. Ich werde natürlich versuchen, mit der gebotenen Nüchternheit und Sachlichkeit und wieder mit vielen Quellen das Thema aufarbeiten. Die ersten Quellen, die ich hier darstelle, sind die eigenen.

... 003, 05.10.2017: Das Vorrücken der Kreationisten
Hier wurde bereits erstmals über Intelligent Design geschrieben und dort habe ich es bereits als das kenntlich gemacht, wie der wissenschaftliche Konsens dazu aussieht: in pseudowissenschaftliches Vokabular verpackte Schöpfungsgeschichte. In den USA ist es im Grunde nur der Versuch hintenrum, die Schöpfung an staatlichen Schulen in den Biologieunterricht zu hieven. Der Artikel ist schon 4 Jahre alt, aber an den prozentualen Verteilungen, wer an was glaubt, hat sich nicht viel geändert.

... 006, 09.11.2017: Grundlagen: Was bedeutet Komplexität?
... 007, 14.11.2017: Grundlagen: Was ist der Goldene Schnitt?
Da Intelligent Design sehr oft mit der Komplexität versucht zu erklären, dass natürliche Prozesse für die Erklärung ausscheidet, habe ich einen Artikel allein diesem Thema gewidmet. Der Goldene Schnitt ist damit artverwandt (was für ein Wortwitz), aber oft nicht relevant bei der Diskussion.

... 025, 05.01.2018: Zur Evolution des "Bakterienmotors" - Die Entstehung bakterieller Flagellen ist erklärbar
Das menschliche Auge, das Gehirn, aber auch die Flagelle der Bakterie gehört zu den Standardargumenten, warum so etwas kompliziertes (da ist das Wort wieder) natürlich entstanden sein soll. In einem Schritt-für-Schritt-Szenario wird aus der Arbeit des amerikanischen Biologen Nicholas Matzke ersichtlich, wie es über natürliche Schritte doch von Statten hätte gehen können. Das ist möglich durch die Multifunktionalität von Systemen. Jedes System hat eben nicht nur eine bestimmte Funktion. Es gibt Überschneidungen. Das einfachste Beispiel ist die Vogelfeder, die im Grunde nur eine aufgefächerte Schuppe ist. Sie erfüllt aber zwei Funktionen. Sie ermöglicht den Vogelflug, aber sie ist nicht die einzige Möglichkeit, um zu fliegen. Und sie ist wichtig für die Wärmeisolation. Der Vogelflug muss weder das "Ziel" noch der "Gedanke" der Evolution gewesen sein, damit die Feder entsteht. Denn bereits jede Auffächerung, jede Spaltung der Schuppe hilft bei der Wärmeisolation. Über diesen Umweg kann die Feder natürlich zur Funktionsreife zum Fliegen gelangen. So wird durch jede Auffächerung die Auftriebsfläche größer. Bamm! Vogelflug.

... 028, 13.01.2018: Rezension: Dem Geheimnis des Lebens nahe (2002)
Michael Behe, der im Film oft zu sehen ist, sowie weitere Intelligent Designer kommen hier oft zu Wort und in meiner Rezension wird ganz gut erklärt, warum deren Vorstellung von den Vorgängen in der Natur nicht der Wirklichkeit entsprechen, beziehungsweise logisch falsch sind. Ebenso, wie bei der vorherigen Filmrezension wird aber nicht grundsätzlich erklärt, warum Gott denn nun in Rennen kommt, wenn doch die Minuten des Films nur daran abgearbeitet werden, dass die Evolutionstheorie falsch sein muss. Schlichtweg beruht Intelligent Design auf folgender Verallgemeinerung: "Ist noch nicht erklärt" bedeutet "unerklärbar". Und das ist falsch!
Das zeigt sich am wissenschaftlichen Fortschritt. Wir wissen, wie Blitze funktionieren, frühere Generationen nicht. Deshalb war ein Blitz ein Ausdruck von Gotteszorn. Wir wissen, warum ein Stern leuchtet. Auch hier haben wir den Mantel des Glaubens entfernt. Und diese Liste kann man stundenlang fortführen. Aber ihr merkt, worauf ich hinaus will.

... 031, 20.01.2018: Grundlagen: Uhrmacher-Analogie - Was ist Leben?
Die Uhrmacher-Analogie geht davon aus, dass Dinge nicht ohne Erschaffer da sind. So würde man von einer kompliziert aufgebauten Taschenuhr, die man am Wegesrand findet, nicht davon ausgehen der Wind habe herumliegende Metallteile in diese Form gebracht. Und für eine Uhr ist das völlig nachvollziehbar. Ebenso für Bücher, deren Schrift sich nicht so anordnet, weil eine Druckerei explodiert. Waldhütten entstehen nicht durch vom Sturm entrissene umknickende Bäume. Aber ...

Der Vergleich von Waldhütte, explodierender Druckerei und Uhr hinkt in sofern, als dass Leben nach bestimmten Regeln abläuft:
  • Energie- und Stoffwechsel und damit Wechselwirkung mit ihrer Umwelt.
  • Organisiertheit und Selbstregulation (Homöostase).
  • Reiz, das heißt sie sind fähig, auf chemische oder physikalische Änderungen in ihrer Umwelt zu reagieren.
  • Fortpflanzung, das heißt, sie sind zur Reproduktion fähig.
  • Vererbung, das heißt, sie können Informationen (Erbgut) an ihre Nachkommen übermitteln.
  • Wachstum und damit die Fähigkeit zur Entwicklung.
Das alles trifft auf die angestrebten Vergleiche nicht zu. Sie wechselwirken nicht, reagieren nicht auf Reize, organisieren und regulieren sich nicht selbst, pflanzen sich nicht fort, vererben nichts und wachsen nicht. Sie sind allein dem Zerfall verpflichtet.
Bei Spezies handelt es sich aber im biologischen Sinn nicht aus lauter gleichen Organismen, sondern – zumindest bei Vielzellern - aus lauter individuell verschiedenen Lebewesen, die sich untereinander fortpflanzen können. Schon eine räumliche Trennung zwischen Populationen kann bereits zu einer Auseinanderentwicklung führen. Bekanntes Beispiel sind wohl die Darwin-Finken (die wohl eher Drosseln oder Ammern sind), die Darwin auf den Galapagosinseln gefunden hat und die sich von den Festlandvögeln Südamerikas, wo sie wohl herstammten, unterscheiden. Wenn wir diese Analogie also geltend machen wollen, käme eher ein Schneckenhaus oder die Schale eines Ammoniten in Frage. Denn die sind zweifellos erschaffen. Nur ist das weder ein Beweis dafür, dass die erschaffenden Tiere intelligent sind, noch, dass diese ihrerseits von einem intelligenten Schöpfer erschaffen wurden.
Diesem Uhren-Argument begegnet man aber häufiger. Zum Beispiel bei den Fragen junger Leute zum Thema Evolution in der gleichnamigen Broschüre der Zeugen Jehovas.

... 042, 18.04.2018: Grundlagen: Kreationismus - Teil 1: Einleitung - Sind Zeugen Jehovas Kreationisten?
... 043, 20.04.2018: Grundlagen: Kreationismus - Teil 2: Was ist Kreationismus und welche Formen gibt es?
... 044, 25.04.2018: Grundlagen: Kreationismus - Teil 3: Ein muslimischer Intellektueller über die feinabgestimmte Einrichtung der Welt
Intelligent Design wird hier nur ganz kurz erwähnt. Nur knapp angeschnitten.

... 048, 27.09.2018: Rezension: Die DNA: Bibliothek des Lebens - Teil 1: Vorhersagen in geschichtlicher Forschung (2013)
... 049, 01.10.2018: Rezension: Die DNA: Bibliothek des Lebens - Teil 2: Experimentelle Evolutionsforschung - Richard Lenski und das E.Coli-Langzeitexperiment (2013)
... 050, 04.10.2018: Rezension: Die DNA: Bibliothek des Lebens - Teil 3: Sichtbare Evolution (2013)
Es geht hier zwar um eine Rezension eines Wachtturm-/Erwachet-Artikels, aber in der Einführung und im Artikel selbst geht es schon in die gleiche Richtung: Kann ja alles nicht sein, weil Mathe! Und diese Zahlenmanipulation betreiben die oft. Irgendwas wird errechnet und eine echt große Zahl kommt dabei raus. Und da Menschen Probleme mit großen Zahlen haben, werden die auch gern in Badenwannen voll Wasser, Fussballstadien oder sonstwas umgerechnet. Das macht die Sache zwar auch nicht einfacher, weil man fälschlicherweise davon ausgeht, dass jemand, der sich 1 Badewanne vorstellen kann, auch 1000 Badewannen vorstellen kann. Und schon gar nicht, versteht jemand, aus wievielen Wassertropfen 150 Liter Fassungsvermögen einer Badewasse bestehen. Das menschliche Hirn ist dafür nicht ausgerichtet. Und warum ein unwahrscheinliches Ereignis nicht trotzdem stattfinden kann, erfährt man nicht. Die eigene Existenz (von mir, vom Schreiber des rezensierten Textes, von jedem einzelnen von uns) steht bei einer Wahrscheinlichkeit von 1:20.000.000 - 1:200.000.000. So viele fruchtbare Spermien werden bei einem Coitus abgefeuert und jeder hätte das Rennen gewinnen können. Die Wahrscheinlichkeit gezeugt und geboren zu werden, ist vergleichbar mit dem Lottospielen. Das irgendwann jemand den Pott leer räumt, ist schon recht sicher, nur wer und wann und wie er das macht, dass gilt es auszuwürfeln. Mein Hintergrundwissen ist auch nach all den Jahren noch nicht so groß, um zu beurteilen, ob es sich bei der Entstehung der DNA genauso verhält. Die Anzeichen deuten aber schon recht gut in diese Richtung.
Gut illustriert wird das im Artikel:
... 090, 09.02.2021: Wie wahrscheinlich ist deine Existenz?

... 114, 16.05.2021: Video: Irreducible complexity cut down to size | QualiaSoup (10:53 min, engl.) (ursprünglich in Kritisch denken veröffentlicht)
... 118, 05.06.2021: Video: Rebuttals: irreducible complexity | QualiaSoup (9:46 min, engl.)
Die Videos selbst sind ein deutlich älter, erklären aber in einfachen Bildern, wie aus einfachen Formen komplizierte entstehen und wie sich diese untereinander differenzieren. An den Lehrkonzepten hat sich, wegen ihrer Richtigkeit, nichts geändert.

... 131, 07.07.2021: Darwin irrte nicht! Oder doch? - Ein kurzer Einblick in "Intelligent Design"
Den letzten kurzen Abstecher in dieses Thema hatten wir im Juli, der auch schon eine kurze Zusammenfassung vieler zuvor thematisch passenden Artikel hatte.
Hier habe ich kurz noch einmal erklärt, warum Intelligent Design so gefährlich für Unbedarfte ist:
Im Unterschied zu den Kreationisten, die die Schöpfungsgeschichte der Bibel wörtlich nehmen, streiten die Vertreter des "Intelligent Design" evolutionäre Entwicklungen in der Natur nicht völlig ab. Sie akzeptieren, dass die Erde mehrere Milliarden Jahre alt ist und dass das Leben schrittweise entstanden ist. Dahinter sehen sie jedoch eine intelligente Ursache.

Ich will im/in den folgenden Artikel(n) darlegen, was Intelligent Design genau ist und woran man ihn erkennt, wie er entstanden ist und warum dessen Argumente nichts weiter als Augenwischerei sind.
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Do 18. Nov 2021, 17:34

Grundlagen: Kreationismus - Teil 5: Intelligent Design (6 Beispiele)

Wie ihr also seht, habe ich mich in den letzten 4 Jahren mehrmals mit diesem Thema beschäftigt. Teil 4 fasst das ja ganz gut zusammen. Im vorliegenden Artikel soll einmal an 6 Beispielen verdeutlicht werden, wie Intelligent Design "arbeitet" und warum es sich bei unbedarften Leuten, die aber unbedingt mitreden wollen, als wissenschaftliche Theorie festsetzen kann, obwohl es keine ist.
Wir schauen uns 6 Beispiele an, die im Intelligent Design als Beweise für eine Schöpfermacht stehen, die sie aus Angst einfach zum Kreationismus gestellt zu werden, nicht nach dem christlichen Gott benennen, obwohl auch das ziemlich offensichtlich ist.

1. Die Augen der Wirbeltiere

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Warum intelligentes Design?
Einige der lautstärksten Kritiker der Evolution argumentieren, dass viele Strukturen in Pflanzen und Tieren die unverkennbare Handschrift des Designs einer übernatürlichen Intelligenz tragen.
Befürworter von intelligentem Design sagen, dass sich die Augen von Wirbeltieren – einschließlich des Menschen und der oben gezeigten Schnappschildkröte – nicht schrittweise hätten entwickeln können. Das liegt daran, dass das Auge aus mehreren interagierenden Teilen besteht und das Entfernen eines Teils dazu führt, dass das gesamte System nicht mehr funktioniert. Demnach muss das Auge auf einen Schlag entstanden sein.
"Wenn man sich diese [evolutionären] Schemata ansieht, fügen sie oft sehr abrupt eine Linse oder eine Hornhaut hinzu", sagte Casey Luskin, ein Sprecher des Discovery Institute, einer in Seattle ansässigen Organisation, die sich für intelligentes Design einsetzt. "Aber die Dinge erscheinen nicht einfach plötzlich in der Evolution", sagte Luskin. "Man muss die Dinge Schritt für Schritt weiterentwickeln."

Evolutionsforscher argumentieren ...
Schritte in der Evolution des Wirbeltierauges gibt es im Fossilienbestand, sagte Don Prothero, Paläontologe am kalifornischen Occidental College und Autor von "Evolution: What the Fossils Say and Why It Matters."
"Es gab mehrere, sehr gut dokumentierte Arbeiten, die zeigen, wie sich komplexe Strukturen wie das Auge in schrittweisen Schritten von einem einfachen Augenfleck, der gerade mal ein Lichtrezeptor ist, bis hin zu Dingen wie dem menschlichen Auge entwickeln können", sagte Prothero. Befürworter von intelligentem Design ignorieren einfach die Beweise.

2. Die kambrische Explosion

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Warum intelligentes Design?
Die kambrische Explosion bezieht sich auf einen Zeitraum in der Erdgeschichte vor 530 Millionen Jahren, als innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne neue Arten von beispielloser Komplexität – wie die oben abgebildete räuberische Anomalocaris – im Fossilienbestand auftauchten. Die Abstammungslinien fast aller heute lebenden Organismen lassen sich auf diese Blüte des Lebens zurückführen.
Laut Luskin vom Discovery Institute stellt das Kambrium "abrupte Explosionen der biologischen Massenvielfalt dar, die eine schnelle Injektion riesiger Informationsmengen in die Biosphäre erforderten. Meiner Ansicht nach kann nur ein intelligenter Akteur so schnell den Ursprung von Informationen erklären. Ich glaube nicht, dass ein schrittweiser, neodarwinistischer Prozess der Aufgabe gewachsen ist."

Evolutionsforscher argumentieren ...
Die kambrische Explosion war überhaupt keine Explosion. "Es ist eine drei Milliarden Jahre alte 'langsame Anpassung', und wir haben den Fossilienbestand, der dies zeigt", sagte Prothero vom Occidental College.
Außerdem "haben wir jetzt Fossilien aller Arten weicher und mikroskopischer Dinge aus der Zeit vor dem Kambrium, und man kann sehr deutlich sehen, wie man aus einfacheren Dingen komplexere Dinge bekommt."
Woher rührt dieses Missverständnis?
Die kambrische Explosion wurde unter anderen durch Stephen Jay Goulds Buch "Zufall Mensch. Das Wunder des Lebens als Spiel der Natur" (1989) popularisiert. Er bezeichnet die nur im Kambrium nachgewiesenen Tierfamilien dort als "einmalig", "rätselhaft" oder "erstaunlich", um das Thema einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen. Journalisten popularisierten die kambrische Radiation, wie sie mittlerweile in der Fachwelt genannt wird, deren wichtigste fossile Belege aus dem Burgess-Schiefer in Nordamerika stammen, in den USA weiter in Richtung Einmaligkeit. Das TIME-Magazin widmete dem Kambrium eine Cover-Story mit dem Titel "Evolution’s Big Bang" (Ausgabe vom 4. Dezember 1995) und verglich dabei das Auftreten vieler neuer Tierarten und Stämme im Kambrium mit dem Urknall des Universums. Obwohl inzwischen immer mehr Vorläufer dieser Arten aus wesentlich älteren Formationen entdeckt wurden und dadurch die Einteilung der geologischen Zeitskala auch für das Präkambrium von Geologen verfeinert werden konnte, geht auch heute die Interpretation dieser journalistischen Artikel eher in Richtung eines einmaligen Ereignisses, bei dem viele Tierstämme in relativ kurzer Zeit entstanden sein sollen.

3. Die DNA

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Warum intelligentes Design?
Als Blaupause für fast alle Lebensformen auf der Erde könnte man sagen, dass das DNA-Molekül (oben in einer künstlerischen Darstellung) einen hohen Grad an komplex spezifizierten Informationen (complex specific information = CSI) hat. Mit nur vier chemischen Basen als "Buchstaben" kodiert die DNA innerhalb ihrer spiralförmigen Struktur die Anweisungen für alle Proteine, die ein Organismus zum Überleben benötigt.
Hohe CSI bezieht sich auf Objekte oder Phänomene, die sowohl komplex als auch hochspezifisch sind – genau wie zum Beispiel Sprache und Maschinen, die Produkte der menschlichen Intelligenz sind. "Systeme mit hohem CSI kommen nur von einer Intelligenz", sagte Luskin.

Evolutionsforscher argumentieren ...
Als die molekularen Zutaten für die DNA zusammenkamen, übernahm die natürliche Selektion die Macht, um immer komplexere – und ja, spezifische – Moleküle zu schaffen, die für die Verwendung im genetischen Code geeignet sind.
Während keine übernatürliche Hand die Evolution der DNA leitete, "war die natürliche Selektion eine nicht zufällige Komponente", sagte Prothero.
Obendrein gehen Forscher davon aus, dass sich die DNA ein einfach strukturierten Vorformen entwickelt haben kann, die ebenfalls über Replika- und Steuerfunktionen verfügen, also eben nicht funktionslos sind, wie man im Intelligent Design annimmt. Die RNA (Ribonukleinsäure) gilt als Spitzenkandidat bei dieser Frage und ist heute noch weit verbreitet im Virenreich. Aber auch ein Weg über die PNA (Peptid-Nukleinsäure) ist denkbar, ist dieses Molekül doch noch einfacher aufgebaut, als die RNA.
Die präbiotische Entstehung der komplexen organischen Moleküle kann in drei Schritte unterteilt werden:
1. Entstehung einfacher organischer Moleküle (Alkohole, Säuren, Heterozyklen wie Purine und Pyrimidine) aus anorganischen Stoffen.
2. Entstehung der Grundbausteine (Einfachzucker, Aminosäuren, Pyrrole, Fettsäuren, Nukleotide) komplexer organischer Moleküle aus einfachen organischen Molekülen.
3. Entstehung der komplexen organischen Moleküle aus den Grundbausteinen.

4. Die Bakteriengeißel

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Warum intelligentes Design?
Einige Bakterien bewegen sich mit peitschenartigen Strukturen, die Flagellen genannt werden, von denen jede aus Dutzenden von komplexen, miteinander verbundenen Proteinteilen besteht.
Befürworter des intelligenten Designs sagen, dass das bakterielle Flagellum wie das Wirbeltierauge "irreduzibel komplex" ist, da das Fehlen eines seiner vielen Teile dazu führt, dass es nicht mehr funktioniert. Das bedeutet, dass eine schrittweise Entwicklung unwahrscheinlich gewesen wäre.

Evolutionsforscher argumentieren ...
Wie beim Wirbeltierauge haben Wissenschaftler mehrere Zwischenschritte entdeckt, die zum bakteriellen Flagellum führen. "Es gibt in der Natur Halbflagellen, die nicht so kompliziert sind wie die bakterielle. All dies wurde ausführlich dokumentiert und [die Befürworter des intelligenten Designs] ignorieren es immer wieder.", sagte Prothero.

Siehe auch:
... 025, 05.01.2018: Zur Evolution des "Bakterienmotors" - Die Entstehung bakterieller Flagellen ist erklärbar

Kleiner Auszug:
Nach Matzke zeichnet sich nun folgender Entstehungsweg ab (genaueres dazu im PDF, hier ist nur ein hoffentlich allgemeinverständlicher Kurzabriss ohne Fachwörter enthalten):
  1. Eine passive Pore in der inneren Zellmembran kann als Ausgangspunkt dienen, die durch späteres Hinzufügen eines im Genbestand bereits vorhandenen Enzyms zu einem aktiven Transporter, einem primitiven Exportapparat wurde.
  2. Durch Hinzufügen eines so genannten Sekretins (dies ist ein in der Zellmembran verankertes Protein, das einen ringförmigen Komplex ausbildet), wird im weiteren Verlauf auch eine Pore in der äußeren Zellmembran gebildet, so dass Stoffe in die Zellumgebung transportiert werden können, etwa um Nährstoffe in eine für den Organismus transportable Form zu überführen. Dadurch entsteht ein selektiver Vorteil durch bessere Ernährungsbedingungen.
  3. Nun gibt es die Option, weitere durch Proteine, die sich an dem äußeren Ring des Sekretionssystems anlagern, das Potenzial zur Anheftung an für den Organismus günstige Substrate zu nutzen. Differenzierungen in Form von so genannten Pili (Einzahl: Pilus, Teil des Fortsatzes) sind nun stufenlos möglich. Der selektive Vorteil besteht hier unter anderem in der Biofilm-Bildung, zum Schutz vor widrigen Umweltbedingungen, wie Fressfeinden oder Antibiotika.
  4. Wenn die Ankerfunktion der Pili nicht genutzt wird, so können diese auch zur Kraftübertragung des Drehmoments der Motorproteine auf das umgebende Medium dienen. Hierzu genügt wohl schon die Ausnutzung einer durch Protonen entstehenden Rotation. Eine Abknickung optimiert hierbei den Vortrieb.
  5. Alternativ dazu kann das im 1. Schritt vorhandene Enzym selbst das erforderliche Drehmoment generieren und auf den Pilus übertragen. Diesen viel einfacheren Weg zu einem Flagellum scheinen die Archaeen eingeschlagen zu haben.
  6. Um die Rotation effizienter zu gestalten, verloren im weiteren Verlauf die Sekretine ihre feste Bindung zu dem axialen Filament des Pilus und bildeten sich zu den P- und L-Ringen um.
  7. Zuletzt verband sich dieses System mit dem Signalübertragungsweg der Chemotaxis, was eine fokussierte Bewegungsrichtung mit sich brachte.
Ich zähle hier durch die verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten sechs aufeinander folgende Selektionsvorteile.
Und da sowohl die richtigen Enzyme als auch die Verankerungssysteme bereits an "richtiger" Stelle in der Membran lagen und die überwiegende Anzahl der für den Bakterienmotor benötigten Proteine bereits im Organismus vorhanden war, brauchte es im ein sukzessives Zusammenführen der Komponenten über einzelne Mutationsschritte. Damit erhöht sich die Entstehungswahrscheinlichkeit gegebenenfalls drastisch.


5. Wale

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Warum intelligentes Design?
Darwin wurde zu seiner Zeit verspottet, weil er behauptete, dass sich kleine Landtiere in moderne Wale verwandelt haben könnten, wie die Mutter Pottwal und ihr Kalb, die oben in der Nähe der Küste von Mauritius zu sehen war.
Wale "haben eine lange Generationszeit und sie haben keine großen Populationen. Sie sind wie das Worst-Case-Szenario für den Versuch, Strukturen schnell zu entwickeln", sagte Luskin. "Alle Mutationen zu beheben, die erforderlich sind, um ein kleines Landsäugetier in einen voll funktionsfähigen Wal zu verwandeln [in zehn Millionen Jahren] - mathematisch ist das absolut nicht möglich."

Evolutionisten argumentieren ...
Aber Paläontologen haben seitdem gezeigt, dass Darwins Vermutung nicht so weit von der Wahrheit entfernt war. In den späten 1970er Jahren begannen Wissenschaftler, Fossilien von "archaischen" Walen auszugraben, die ursprünglich hauptsächlich terrestrisch waren, aber im Laufe der Zeit mehr aquatisch wurden.
"Wir haben die Fossilien, die zeigen, wie es passiert ist", sagte Prothero. "Jeder, der dieses Argument vorbringt, lügt in Bezug auf den Fossilienbestand auf ganzer Linie."
Lange Zeit hatten Paläontologen wegen der ähnlichen Beschaffenheit von Schädel und Zähnen geglaubt, die Vorfahren der Wale seien die Mesonychia gewesen, eine Gruppe von fleischfressenden Huftieren mit umstrittener systematischer Stellung. Später kam es zu Studien auf den Gebieten Molekularbiologie und Immunologie, die nachwiesen, dass die Wale stammesgeschichtlich eng mit den Paarhufern (Artiodactyla) verwandt sind. Die Entwicklungslinie der Wale begann also im frühen Eozän, vor mehr als 50 Millionen Jahren, mit frühen Paarhufern. Fossilfunde zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben dies bestätigt. Das auffälligste gemeinsame Merkmal von Walen und Paarhufern betrifft das Sprungbein (Astragalus), einen Knochen im oberen Sprunggelenk (Knöchel). Es ist bei den frühen Walen durch doppelte Gelenkrollen ("Rollbein") gekennzeichnet, ein anatomisches Merkmal, das sonst nur noch bei den Paarhufern in Erscheinung tritt. Entsprechende Funde liegen aus den früheozänen Ablagerungen des Tethysmeeres in Nordindien (was durch den Norddrift Indiens und dem Zusammenprall mit Asien mittlerweile kein Meer, sondern das riesige Gebirge Himalaya ist) und Pakistan vor. Den meisten molekularbiologischen Befunden zufolge sind die Flusspferde die nächsten lebenden Verwandten (Schwestergruppe) der Wale. Für diese Auffassung sprechen auch einige gemeinsame anatomische Merkmale, etwa Übereinstimmungen in der Morphologie der hinteren Backenzähne.

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Das letzte Bild zeigt ein schematisch dargestelltes Skelett eines Grönlandwals mit rot eingekreisten Hinterbeinen und Beckenknochen. Diese Knochenstruktur bleibt während des gesamten Lebens der Art im Inneren. Warum hat der Wal Hinterbeine?

6. Universelle Perfektion

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Hochaufgelöste Aufnahme der Säulen der Schöpfung, die 2014 als Würdigung für das Original von 1995 gemacht wurde.

Warum intelligentes Design?
Nach allem, was wir über die Funktionsweise des Universums wissen, scheint der Mensch eine kosmische Umgebung mit Variablen zu bewohnen, die für das Leben, wie wir es kennen, bemerkenswert gut geeignet sind (oben die berühmten "Säulen der Schöpfung", wie sie vom Hubble-Weltraumteleskop gesehen werden). .
Zum Beispiel ist der Wert der Gravitationskonstante – eine Gleichung, die das Ausmaß der Anziehung zwischen Objekten mit Masse definiert – genau richtig, um Planeten zu erschaffen, die sonnenähnliche Sterne mit einer Lebensdauer umkreisen, die lang genug ist, damit sich Leben entwickeln kann. Das muss bedeuten, sagen Befürworter von intelligentem Design, dass das Universum von einem übernatürlichen Wesen mit Blick auf das Leben entworfen wurde.

Evolutionisten argumentieren ...
Die Idee eines einzigen fein abgestimmten Universums zeige eine begrenzte Vorstellungskraft, sagte Prothero. "Es gibt viele Möglichkeiten, sich ein Universum vorzustellen, das nicht auf uns abgestimmt ist, sondern auf etwas anderes abgestimmt sein könnte."
Einige Physiker haben zum Beispiel die Theorie aufgestellt, dass unser Universum nur eines von vielen möglichen Universen in einem unvorstellbar großen "Multiversum" ist. Es sollte daher nicht überraschen, dass die Menschen auch ohne einen höheren Plan in dem für sie gastfreundlichen Universum leben. Auch unabhängig eines Multiversums ist Fein-Tuning, wie diese Erklärung des Intelligent Design auch genannt wird, keine zwingende Annahme. Wir wissen nicht, wie viele Zustände physikalische Größen in einem Universum annehmen könnten und dennoch Leben hervorbringen. Da es unglaublich viele Variablen gibt, die darüber entscheiden, ob auf einem Planeten Leben entsteht und welche Arten überleben und welche nicht (Asteroideneinschläge, "linkshändige" oder "rechtshändige" DNA, Entwicklung von Leben mit RNA oder PNA oder polymeren Fettsäuren, Klimakatastrophen, etc.), ist es logischer von einem kosmischen Glückspiel auszugehen, davon, dass gerade der Mensch irgendeine schicksalhafte Rolle für dieses Universum spielt. Obendrein sind bereits mehr als 99% aller Lebewesen ausgestorben und da, wo es ist, hat es immer mit Widrigkeiten zu kämpfen. Es ist außerdem, betrachten wir allein unser Sonnensystem offenbar sehr rar. Wir kennen aktuell nur einen Planeten, der Leben trägt. Fein-Tuning sollte sich darin bemerkbar machen, das Leben kein Kampf ist und das es sich deutlich häufiger auch auf anderen Himmelskörpern zeigt. Fein-Tuning schließt aus dem vorhandenen Ist-Zustand, dass es nicht anders geht. Aber der aktuelle Ist-Zustand erklärt nicht, was sein könnte. Wäre der Zustand nicht so, wären wir wohl nicht hier, um über Fein-Tuning zu sprechen. Mehr besagt diese "universelle Perfektion" nicht.

Das waren jetzt 6 Standardargumente der ID-Bewegung (ich vermeide das Wort "Wissenschaft", denn es ist keine). Man begegnet ihnen immer wieder und sollte wissen, dass sie zwar logisch klingen, aber im Grunde auf Trugschlüssen fußen.
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"If the biggest problem that you're having in the twenty-first century involves
what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
priorities." - Forrest Valkai


("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
Erwachsener mit deren Einverständnis machen, musst du möglicherweise deine
Prioritäten neu bewerten.")

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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mo 6. Dez 2021, 15:00

Grundlagen: Kreationismus - Teil 6: Intelligent Design (Wie ist diese Denkrichtung entstanden?)

Es wurde je bereits oft genug erklärt, dass Intelligent Design im Grunde nur Kreationismus im Deckmantel der Wissenschaft ist. Und so wird diese Sichtweise auf die Welt der Dinge U.S. National Science Teachers Association als Pseudowissenschaft erklärt. Dieser Ansicht stimmen große Teile der Wissenschaftsgemeinde zu, allen voran natürlich die Wissenschaftler der betroffenen Felder in der Biologie, Geologie und Kosmologie. Andere betrachten sie eher als "Junk Science". Schon wieder ein neuer Begriff. Was ist denn "Junk Science"?

"Junk Science" (von englisch junk für "Ramsch", "Müll" und science für "Wissenschaft") ist ein politisches Schlagwort, das von Industrielobbyisten erfunden wurde, um ihnen missliebige Forschungsergebnisse als schlechte Wissenschaft zu diskreditieren. Dies betrifft insbesondere Forschungsarbeiten aus der Gesundheits-, Umwelt- und Klimaforschung, die potentiell Einschränkungen für wirtschaftliches Handeln mit sich bringen könnten. Im Gegensatz zu "Junk Science" etablierten sie den Begriff "sound science" bzw. solide Wissenschaft, die die wiederum industriefreundliche Arbeiten zu seriösen, wissenschaftlichen Arbeiten aufwerten sollte.
Tatsächlich wurde das künstliche Erzeugen von Zweifeln an wissenschaftlichen Erkenntnissen der Umweltforschung, die als "Junk Science" gebrandmarkt wurden, zur bevorzugten Strategie konservativer politischer Kräfte und von Industrieunternehmen, um Anti-Umweltschutz-Politik voranzutreiben. Dies gilt insbesondere ab den frühen 1990er Jahren, als diese Akteure ihr Hauptaugenmerk auf die Klimawandelleugnung legten.

Inzwischen wird der Begriff "Junk Science" allgemeiner für schlechte Wissenschaft angewendet. Peter Huber, der als Erfinder des Begriffes gilt, definiert ihn z. B. als "Spiegelbild realer Wissenschaft, weitgehend mit derselben Form, aber ohne jede Substanz" und als "Sammlung jeder denkbaren Art von Fehler" (#1). Erstmals aufgetaucht ist der Begriff 1992, als der publizierte Bericht der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency über die Gesundheitsgefahren von Passivrauchen. Dem Tabakkonzern Philip Morris war es ein Dorn im Auge. Das engagierte PR-Unternehmen APCO warnte den Tabakriesen davor, selbst tätig zu werden, da dieser in der Öffentlichkeit nicht als glaubwürdige Institution für die Bewertung von Tabakprodukten angesehen würde. Anstelle von Philip Morris sollten sich vielmehr Organisationen für den Tabak aussprechen, die wie Gruppen aus der Gesellschaft wirkten. Diese sollten vor den Gefahren von "Junk Science" warnen und Zweifel an der Glaubwürdigkeit von wissenschaftlichen Studien durch die öffentliche Hand, Risikobewertungstechniken und den Missbrauch von Steuergeldern (für solche Zwecke) befassen. Bis zur Gründung entsprechender Organisationen sollten führende Figuren im Kampf gegen die Regulierung des Tabakkonsums Stimmung in den Medien machen, Meinungsartikel publizieren und gezielt Politiker in ausgewählten Bundesstaaten instruieren.
Das wurde dann auf weitere Bereiche ausgedehnt, bei denen es staatliche Forschung und Regulierung gebe, beispielsweise die globale Erwärmung, die Endlagerung radioaktiver Abfälle und die Biotechnologie. APCO erfand damit den Begriff "Junk Science" gezielt für die Diskreditierung peer-reviewter wissenschaftlicher Arbeiten, die den Stand der Forschung darstellten, also wissenschaftliche Arbeiten, die ihr Kunde Philip Morris, später auch der Ölkonzern Exxon, nicht mochte. Über Jahre hat die amerikanische Tabakindustrie die wissenschaftlichen Beweise für die Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen als "Junk Science" diskreditiert.

Dieser Begriff wird mittlerweile also auch in der Wissenschaftsgemeinde genutzt, um wiederum Pseudowissenschaften als "Junk Science" zu bezeichnen. Vermutlich der unglückliche Versuch, sich mit der Strategie des Gegners als seriöse Wissenschaft darzustellen. Im öffentlichen Bild entsteht bei solchen Debatten allerdings viel zu oft das Bild zweier Meinungen, beziehungsweise der Beliebigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse, mit dem Gefühl, die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Das ist schade. Denn bei zwei wissenschaftlichen Bildern, wie Passivrauchen ist schädlich und Passivrauchen ist nicht schädlich, gibt es ja kein Zwischending. Selbst "ein bisschen schädlich" wäre immernoch schädlich und nicht nicht schädlich. Genauso wenig befinden wir uns in einem bisschen Klimawandel, auf die der Mensch ein bisschen Einfluss nimmt. Der Konsens ist sehr eindeutig. Rauchen ist schädlich, ob nun aktiv oder passiv. Und seit der Mensch fossile Energieträger in rauen Mengen verbrät, steigt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Erste Arbeiten zu den Treibhausgasen, wie Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid und Ozon führte Joseph Fourier, französischer Mathematiker und Physiker, Mitte des 19. Jahrhunderts durch. 1896 sagte Svante Arrhenius, schwedischer Physiker und Chemiker, als Erster eine globale Erwärmung aufgrund der anthropogenen Kohlendioxid-Emission voraus. Eine böse Verschwörung müsste also schon von sehr langer Hand geplant sein.

Intelligent Design befindet sich zumindest mit dem Begriff "Junk Science" in wenig rühmlicher Begleitung. Mit der Kategorisierung zu den Pseudowissenschaften ist es ebenso in Gesellschaft, die man eigentlich meiden möchte, wie Astrologie, Homöopathie, Rutengängern, Telepathie und so weiter. Wie kam es aber zu Intelligent Design? Wie ist diese Denkrichtung entstanden?

Kurzum: als Antwort auf das Urteil des United States Supreme Court im Fall Edwards vs. Aguillard im Jahr 1987, bei dem es um die Trennung von Staat und Kirche ging.
Der ursprüngliche Verhandlungsinhalt war, ob man den Kreationismus an staatlichen Schulen lehren darf. Die Befürworter argumentierten mit einem Gesetz aus Louisiana, dass das Equality-State verlangte, dass wenn man die Evolutionstheorie lehrte, auch den Kreationismus lehren müsse. Eben um beide Seiten "anzuhören". Vorrausgegangen war der Fall Aguillard v. Treen des Amtsgericht und der United States Court of Appeals for the Fifth Circuit, Aguillard v. Edwards.

Wie sah die Ausgangslage damals aus?

Der moderne amerikanische Kreationismus entstand aus der theologischen Spaltung über modernistische höhere Kritik und seine Ablehnung durch die fundamentalistische christliche Bewegung, die den biblischen Literalismus förderte und nach 1920 die von William Jennings Bryan angeführte Anti-Evolutions-Sache aufnahm. Die Evolutionslehre war ein fester Bestandteil des Lehrplans der öffentlichen Schulen geworden, aber sie basierte auf der Idee, dass der "Darwinismus" den deutschen Militarismus verursacht hatte und eine Bedrohung für die traditionelle Religion und Moral darstellte. Mehrere Staaten haben Gesetze erlassen, um die Evolutionslehre zu verbieten oder einzuschränken. Der Tennessee Butler Act wurde im Scopes Trial von 1925 getestet und in Kraft führte dazu, dass Evolution in vielen Schulen nicht gelehrt wurde.
Als die Vereinigten Staaten in den 1960er Jahren mit neuen Lehrstandards, die die Evolution wieder einführten, versuchten, in der Wissenschaft aufzuholen, entstand die Schöpfungswissenschaftsbewegung, die angeblich wissenschaftliche Beweise für den Kreationismus der jungen Erde vorlegte. Es wurden Versuche unternommen, gesetzliche Verbote wieder einzuführen, aber der Oberste Gerichtshof entschied 1968 in Epperson v. Arkansas, dass Verbote des Lehrens der Evolutionsbiologie verfassungswidrig sind, da sie gegen die Gründungsklausel des 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten verstoßen, die der Regierung verbietet, eine bestimmte Religion zu fördern.

In den frühen 1980er Jahren versuchten mehrere Staaten, den Kreationismus neben der Evolutionslehre einzuführen, und die gesetzgebende Körperschaft von Louisiana verabschiedete ein Gesetz mit dem Titel "Balanced Treatment for Creation-Science and Evolution-Science Act", das von State Senator Bill P. Keith von Caddo Parish verfasst wurde. Kreationisten setzten sich aggressiv für das Gesetz ein. Der erklärte Zweck des Gesetzes war der Schutz der "akademischen Freiheit". "Sie könnten stattdessen ein grundlegendes Konzept der Fairness im Sinn gehabt haben, nämlich alle Beweise zu lehren.“ Gouverneur David C. Tree unterzeichnete das Gesetz 1981.
Das Amtsgericht in Aguillard v. Treen, 634 F. Supp. 426 (ED La.1985) und der Fifth Circuit Court of Appeals, 765 F.2d 1251 (CA5 1985), entschieden gegen Louisiana und stellten fest, dass der eigentliche Zweck bei der Verabschiedung des Statuts darin bestand, die religiöse Doktrin der "Schöpfungswissenschaft" zu fördern. Ein Bezirksgericht in Arkansas entschied zuvor in einer Entscheidung von 1982 im Fall McLean v. Arkansas, dass ein ähnliches Gesetz zur "ausgewogenen Behandlung" gegen die Gründungsklausel des ersten Zusatzartikels verstoße. Arkansas legte gegen den Verlust keine Berufung ein. Kreationisten glaubten, dass das in Edwards v. Aguillard strittige Gesetz eine bessere Chance hatte, die verfassungsmäßige Musterung zu bestehen, und so legte Louisiana seinen Verlust vor dem Hauptgericht und den Berufungsgerichten beim Obersten Gerichtshof ein.

Was war das Ergebnis?

Am 19. Juni 1987 entschied der Oberste Gerichtshof in einem von Richter William J. Brennan verfassten Urteil mit einer Mehrheit von sieben zu zwei, dass das Gesetz einen verfassungswidrigen Verstoß gegen die Gründungsklausel des ersten Verfassungszusatzes darstelle, gemäß dem "Lemon-Test" (aus der Supreme Court Verhandlung Lemon v. Kurtzman):
  • Das Handeln der Regierung muss einen legitimen weltlichen Zweck haben;
  • Das Handeln der Regierung darf nicht die primäre Wirkung haben, die Religion zu fördern oder zu hemmen; und
  • Das Handeln der Regierung darf nicht zu einer "übermäßigen Verschränkung" von Regierung und Religion führen.
Der Oberste Gerichtshof entschied, dass das Gesetz als Verstoß gegen die Gründungsklausel des ersten Verfassungszusatzes äußerlich ungültig ist, da ihm ein klarer säkularer Zweck fehlt (erster Teil des obigen Tests), das Gesetz seine erklärte Ziel des "Schutzes der akademischen Freiheit" selbst verletzt und das Gesetz im Grunde auch zielgerichtet einen bestimmten Kreationismus (nämlich den Christlichen) unterstützt und damit in unzulässiger Weise die Religion fördert, dass ein übernatürliches Wesen die Menschheit geschaffen hat.
Dabei schloss man explizit nicht aus, dass man alternative wissenschaftliche Theorien lehren dürfe:
We do not imply that a legislature could never require that scientific critiques of prevailing scientific theories be taught. ... Teaching a variety of scientific theories about the origins of humankind to schoolchildren might be validly done with the clear secular intent of enhancing the effectiveness of science instruction.
(Übersetzung: Wir implizieren nicht, dass ein Gesetzgeber niemals verlangen könnte, dass wissenschaftliche Kritik an vorherrschenden wissenschaftlichen Theorien gelehrt wird. ... Die Vermittlung verschiedener wissenschaftlicher Theorien über die Ursprünge der Menschheit an Schulkinder könnte mit der klaren säkularen Absicht erfolgen, die Wirksamkeit des naturwissenschaftlichen Unterrichts zu verbessern.)

Das Gericht stellte fest, dass, obwohl der Gesetzgeber von Louisiana erklärt hatte, dass sein Zweck darin bestand, "die akademische Freiheit zu schützen", dieser Zweck zweifelhaft war, da das Gesetz den Lehrern in Louisiana keine Freiheit einräumte, die sie nicht bereits besaßen, und stattdessen ihre Fähigkeit einschränkte, zu bestimmen, welche wissenschaftlichen Prinzipien unterrichtet werden sollten. Man war vom "religiösen Zweck" dieses Gesetzes überzeugt.

Dem widersprach Richter Antonin Scalia, unterstützt vom oberstem Richter William Rehnquist, und akzeptierte den erklärten Zweck des Gesetzes, den "Schutz der akademischen Freiheit" als aufrichtigen und legitimen weltlichen Zweck. Sie interpretierten den Begriff "akademische Freiheit" so, dass er sich auf die "Freiheit der Studenten von Indoktrination" bezieht, in diesem Fall auf ihre Freiheit, "auf der Grundlage einer fairen und ausgewogenen Darstellung der wissenschaftlichen Erkenntnisse selbst zu entscheiden, wie das Leben begann". Sie kritisierten jedoch auch den ersten Satz des Lemon Tests und stellten fest, dass "die Suche nach dem einzigen Zweck auch nur eines einzigen Gesetzgebers wahrscheinlich darin besteht, nach etwas zu suchen, das nicht existiert".

Nachwirkung

Das Urteil war eines in einer Reihe von Entwicklungen, die sich mit Fragen der amerikanischen kreationistischen Bewegung und der Trennung von Kirche und Staat befassten. Der Geltungsbereich des Urteils betraf öffentliche Schulen und umfasste nicht unabhängige Schulen, Heimschulen, Sonntagsschulen und christliche Schulen, denen es weiterhin frei blieb, Kreationismus zu unterrichten.

Während des Verfahrens arbeiteten Kreationisten an einem kreationistischen Biologielehrbuch, in der Hoffnung auf einen riesigen Markt, wenn die Appellation erfolgreich war. Entwürfe erhielten verschiedene Titel, darunter "Biologie und Schöpfung". Nach dem Urteil Edwards v. Aguillard änderten die Autoren die Begriffe "Schöpfung" und "Kreationisten" im Text in "intelligentes Design" und "Designbefürworter" und das Buch wurde als "Of Pandas and People" veröffentlicht. Dieses ergänzende Lehrbuch für den Schulgebrauch greift die Evolutionsbiologie an, ohne die Identität des "intelligenten Designers" zu erwähnen. Die Förderung des Intelligent-Design-Kreationismus durch die Intelligent-Design-Bewegung führte schließlich dazu, dass die Verwendung des Lehrbuchs in einem Schulbezirk in einem anderen Gerichtsverfahren angefochten wurde. Kitzmiller v. Dover Area School District wurde am 26. September 2005 vor Gericht verhandelt und am 20. Dezember 2005 vor dem US-Bezirksgericht zugunsten der Kläger entschieden, die vorwarfen, dass auch intelligentes Design zu lehren, eine verfassungswidrige Begründung der Religion sei. Die 139-seitige Stellungnahme von Kitzmiller v. Dover wurde als wegweisende Entscheidung gefeiert, die feststellte, dass Kreationismus und intelligentes Design religiöse Lehren und keine Bereiche legitimer wissenschaftlicher Forschung sind. Da die Schulbehörde von Dover keine Berufung einlegte, gelangte der Fall nie vor ein Bezirksgericht oder den Obersten Gerichtshof der USA.
Wendell Bird war in diesem Fall als Special Assistant Generalstaatsanwalt für Louisiana tätig und wurde später Mitarbeiter des Instituts für Schöpfungsforschung und der Association of Christian Schools International. Bird verfasste später Bücher, die den Kreationismus förderten und ihn an öffentlichen Schulen lehrten.

Diese Niederlage führte also lediglich zu einer Umstellung der Begrifflichkeiten:
Man stellt die Schöpfungsgeschichte im Gewand des Intelligent Design nicht mehr als Glaubensinhalt oder Religionsinhalt dar, sondern als wissenschaftliche Lehre. Reichlich Bücher folgten in den 90er Jahren und die Vertreter des Intelligent Designs sammelten sich nach und nach im Umfeld Discovery Institute. Durch die zentrale Rolle, die das Discovery Institute und sein Center for Science and Culture bei Organisation und Finanzierung spielte, drang die Intelligent-Design-Bewegung in den späten 1990ern und den frühen 2000ern verstärkt in die Öffentlichkeit

Der vorsitzende Bezirksrichter John E. Jones III im Fall Kitzmiller vs. Dover Area School District entschied, Intelligent Design sei keine Wissenschaft und könne sich "nicht von seinen kreationistischen und daher religiösen Wurzeln lösen". Wieder geht es um die Verletzung der Gründungsklausel des ersten Verfassungszusatzes.

Der Begriff "intelligent Design" ist aber schon deutlich älter.
Vor der modernen Verwendung ab den 1980er Jahren wurde der Ausdruck Intelligent Design bereits einige Male in ähnlichem Sinne verwendet, diese Verwendungen blieben aber vereinzelt und ohne öffentliche Resonanz. Immerhin taucht der Begriff bereits 1861 in einem Brief Darwins an John Herschel auf. Lord Kelvin, Anhänger einer theistisch gesteuerten Evolution, verwendete "intelligent and benevolent design" etwa 1871 in einem Bericht des 41. Zusammentreffens der British Association for the Advancement of Science, in dem er gegen die darwinsche Evolutionstheorie argumentierte. Ebenfalls auf einem Jahrestreffen der British Association for the Advancement of Science im Jahr 1873 verwendete der Botaniker George James Allman den Begriff "intelligent design", da er die Entwicklung des Protoplasmas durch Evolution für unmöglich hielt.
Die Verwendung des Begriffs wurde von dem emeritierten Rechtswissenschaftler Phillip E. Johnson mit seinem Buch "Darwin on Trial" (1991) breiter in der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Er sprach sich dafür aus, die Naturwissenschaft so umzudefinieren, dass sie Behauptungen einer übernatürlichen Schöpfung zuließe. Johnson, im Allgemeinen als der Vater der Intelligent-Design-Bewegung angesehen, arbeitete in der Folge mit Meyer zusammen.
Heute wird der Begriff Intelligent Design oft mit der gleichnamigen Bewegung gleichgesetzt. Der Marketing-Experte Brian Collins sprach hier von gezieltem Branding, einer modernen Marketing-Strategie, welche die Bewegung in seinen Augen anwende, um bestimmte Begriffe für sich zu vereinnahmen.

Neben der Verwendung innerhalb der Intelligent-Design-Bewegung wurde der Begriff und das Konzept zum Beispiel auch von der Neuen Religiösen Bewegung der Raelianer (#2) aufgegriffen.

#1 - Zit. nach: David Michaels, Celeste Monforton: Manufacturing Uncertainty: Contested Science and the Protection of the Public’s Health and Environment. In: American Journal of Public Health. Band 95, Supplement 1, 2005, S. S39–S48, doi:10.2105/AJPH.2004.043059 (englisch).

#2 - Die Rael-Bewegung, auch Raelismus oder Raelistische Religion genannt, ist eine Neue Religiöse Bewegung, die einen Ufoglauben verfolgt. Sie ist dafür bekannt, dass sie das Klonen von Menschen ermöglichen will. Die Gruppe finanziert sich aus der Abführung von 3 % des Nettoeinkommens, das Anhänger abzugeben haben. Eine weitere Einkommensquelle sind Erbschaften. Außerdem verfügt sie über eine eigene Ära, wobei Raëls (Claude Vorilhon) Geburtsjahr 1946 als Jahr 1 gezählt wird.
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"If the biggest problem that you're having in the twenty-first century involves
what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
priorities." - Forrest Valkai


("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mi 8. Dez 2021, 14:27

Sechs unnütze Dinge am eigenen Körper, die wir der Evolution verdanken

Evolution ist nicht immer perfekt. "Nicht immer" ist die falsche Bezeichnung. Eigentlich nie.
Evolution baut Dinge um, die schon da waren, aber anders genutzt wurden. Das ist der Grund, warum Federn das Fliegen für Vögel ermöglichen, obwohl sie im Prinzip nur aufgefächerte Schuppen sind, die sich mit jeder Auffaltung besser für die Wärmeisolation eignet. Der Mensch hat auch Baustellen, die einfach noch da sind, obwohl wir sie nicht mehr brauchen oder er hat Baustellen, die noch lange nicht abgeschlossen sind. Das hier ist nur eine kurze Aufzählung. Ihr habt ja schon ein paar weitere Sachen hier im Forum gelesen, die eine sehr eindeutige Sprache sprechen.

Weisheitszähne

Der Klassiker, wenn es um un-intelligentes Design geht.
... 035, 09.02.2018: Warum gibt es Weisheitszähne?
In diesem Artikel wurde schon alles Wesentlich über die Unnötigkeit von Weisheitszähnen. Allerdings waren sie ja mal nützlich. Diese kräftigen Backenzähne halfen uns, faseriges Gemüse zu zerkleinern. Dann wurde das Feuer "gezähmt" und man begann Fleisch zu kochen. Die Nahrung wurde deutlich besser aufgespalten, besonders das Eiweiß. Dies führte zu einem größer werdenden Hirn. Die Menge an aufgenommener Nahrung konnte verringert werden, der Kiefer schrumpfte. Ebenso der Darm. Auf den kürzeren Kiefer passten die Nachweise aus alter Zeit nicht mehr rein. Wenn sie jedoch durchbrechen, machen sie oft Rabatz und müssen operativ entfernt werden. Und heute leiden wir unter den Folgen: Zahnfleischentzündungen, Karies und sogar Tumore.

Knochige Füße

Alle Primaten, einschließlich der Menschen, haben etwas gemeinsam: Wir haben unglaublich knochige Füße. Jeder von ihnen besteht aus 26 Knochen. Zusammen sind das fast ein Viertel aller Knochen in unserem Körper. Für unsere Vorfahren, die Primaten, war diese Fußkonstruktion absolut sinnvoll, denn all diese winzigen beweglichen Teile machten ihre Füße flexibel genug, um sich an Ästen festzuhalten.
Aber hier ist das Problem: Als unsere Vorfahren die Bäume verließen und begannen, aufrecht zu gehen, brauchten wir einen steiferen, stabileren Fuß, um das Gleichgewicht zu halten und uns von einem Schritt zum nächsten zu bewegen. Wir haben jedoch keinen einzigen Knochen verloren. Das Ergebnis? Unsere Füße sind zu flexibel und können sich leicht in die falsche Richtung verdrehen, was zu allen möglichen Fußbeschwerden wie Verstauchungen, Stressfrakturen und Sehnenentzündungen führt.

Die Wirbelsäule

Der aufrechte Gang ist aber nicht nur für unsere Füße ein Problem.
Bei Tieren, die auf allen Vieren gehen, wölbt sich die Wirbelsäule wie eine Brücke, die das Gewicht der darunter baumelnden inneren Organe tragen kann. Dann, vor sechs Millionen Jahren, standen unsere Vorfahren zum ersten Mal auf und zwangen diesen sanften Bogen in eine S-Form. Nicht willentlich und wissentlich, versteht sich.
Der obere Teil ist nach außen gewölbt, um das Gewicht unseres Kopfes zu tragen, und der untere Teil ist nach innen gewölbt, um unseren Oberkörper in einer Linie mit unseren Füßen zu halten, damit wir das Gleichgewicht halten können. Leider ist diese Konstruktion nicht sehr solide. Diese Biegung im unteren Rückenbereich übt einen enormen Druck auf unsere Wirbelsäule aus. Kein Wunder also, dass 60 bis 70 Prozent der Menschen weltweit irgendwann in ihrem Leben unter Schmerzen im unteren Rückenbereich leiden.

Die Hoden

Fast komplett ungeschützt gegen Angriffe von Außen ist der Hoden das einzige Organ, dass außerhalb des Körpers liegt. Die Eierstöcke und der Eileiter der Frau sind wiederum gut geschützt durch Knochen, Muskeln und Fettgewebe, wie es sich für Organe gehört. Warum also hängt der Hoden an der frischen Luft? Und nicht nur wir, sondern viele andere Säugetiere auch haben diese riskante, verletzliche Konstruktion?
Es hat sich herausgestellt, dass Spermien am gesündesten sind, wenn sie an einem kühlen Ort gelagert werden. Also halten wir sie so weit wie möglich vom Körper entfernt, um sie ein paar Grad unter der Körpertemperatur zu halten. Und der Mensch hat es besonders schwer. Da wir aufrecht gehen, zieht die Schwerkraft an unseren freiliegenden Hoden, was zu einem potenziell qualvollen Zustand namens Leistenbruch führen kann.

Luft- und Speiseröhre

Andere evolutionäre Eigenheiten können sogar tödlich sein. Zum Beispiel die Art und Weise, wie unser Hals aufgebaut ist. Er enthält zwei wichtige Röhren, die Luftröhre, durch die die Luft kommt, und die Speiseröhre, durch die die Nahrung fließt. Diese Röhren liegen so eng beieinander, dass es schnell gefährlich werden kann. Denn beim Schlucken kann Nahrung in die Luftröhre rutschen und den Luftstrom blockieren, sodass man ersticken kann.
Jedes Jahr sterben allein in den USA 5.000 Menschen am Verschlucken von Nahrung. Andere Tiere haben hingegen eine sicherere Anordnung, bei der die Luftröhre und die Speiseröhre weit voneinander entfernt liegen. Warum sind sie dann bei uns so angeordnet? Da die Röhren aneinander liegen, konnte in unserer Kehle zusätzlicher Raum geschaffen werden. Dieser wirkt wie eine Echokammer, die den Schall verstärkt, damit wir sprechen können. Also keine Win-Win-Situation.

Vitamin C

Ausführlich hatte ich ja schon darüber geschrieben:
... 022, 28.12.2017: Vitamin C - Fehlende Synthetisierung als Selektionsvorteil
Fische können kein Vitamin C synthetisieren, Vögel auch nicht. Säugetiere im Allgemeinen schon. Nur Meerschweine, Fledermäuse, sowie einige Affenarten kriegen das nicht hin. Darunter auch der Mensch. Allen fehlt das Enzym L-Gulonolactonoxidase, dass wir für die Synthetisierung brauchen. Jedesmal ist es ein Gendefekt, der zu dem Fehlen des Enzyms führt. Aber es ist nicht immer der gleiche Defekt. Merkwürdigerweise ist der genetische Aufbau des Fehlers bei den Affenarten, die Vitamin C nicht synthetisieren können, und dem Menschen identisch. Was das wohl auszusagen hat?
Das wussten die Leute in früheren Jahrhunderten natürlich nicht, litten aber trotzdem an der schrecklichen Krankheit namens Skorbut. Ihr Zahnfleisch schwoll an und blutete, während sich ihre Haut auflöste und ihr Gehirn verfaulte. Appetitlich. Doch wie kam es dazu? Die Seeleute waren monatelang auf See und hatten dort keinen Zugang zu frischem Obst und Gemüse. Den wichtigsten Vitamin-C-Quellen also, die eine entscheidende Rolle dabei spielen, wie unser Körper beschädigtes Gewebe, Knochen und Nerven repariert. In den Gegenden, wo die betroffenen Lebewesen ihr Zuhause haben, fällt dieser Fehler nicht ins Gewicht, da um sie herum Obst und Gemüse vorhanden ist.
Das war auch bei unseren Vorfahren so. Sie lebten inmitten von Bäumen, die reichlich Vitamin C lieferten. Diese saßen ja auch nicht monatelang ohne frisches Obt und Gemüse auf Schiffen fest.

Überflüssige Zähne, die außer Schmerzen und Blutungen nichts bringen? Füße, die beim aufrechten Gehen leicht verdrehen oder umknicken? Eine Wirbelsäule mit eingebauter Rückenschmerzgarantie? Ein Hoden, der leicht verletzt werden kann? Ersticken durch Essen? Sterben durch Synthetisierungsfehler?

What the f**** hat der große Schöpfer mit uns vor?

Es kann natürlich auch einfach sein, dass Anpassungen an neue Situationen und Gegebenheiten einfach nicht perfekt sind. Es wird das Vorhandene für den jeweiligen neuen Zweck eben dem alten Zweck entfremdet. Also zweckentfremdet. Das obige Beispiel von den Vogelfedern passt ganz gut. Bestärkt wird dieser Eindruck auch dadurch, dass wir Vögel kennen, die sehr wohl ein Gefieder haben, aber nicht fliegen können. Der Vogel Strauß, beispielsweise.

Ich mussjetzt nicht lange überlegen, was für mich die logischere Erklärung ist. Es ist aber durchaus so, dass andere, warum auch immer, zu anderen Schlüssen kommen.
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mo 13. Dez 2021, 17:04

Rezension: Werner Gitt - Der Mensch: Eine geniale Konstruktion (Teil 4 - Der Tastsinn)

Werner Gitt verliert keine Zeit in seinem kleinen Flyer und beginnt mit dem Tastsinn.

Aber ich habe etwas Zeit aufzuholen. Mitte Oktober waren die ersten 3 Artikel aus dieser Serie veröffentlicht. Zu Auffrischung gibt es daher hier erstmal die Links zu diesen.
... 151, 17.10.2021: Rezension: Werner Gitt - Der Mensch: Eine geniale Konstruktion (Teil 1 - Evangelikale und Werner Gitt)
... 152, 20.10.2021: Rezension: Werner Gitt - Der Mensch: Eine geniale Konstruktion (Teil 2 - Ingenieure stürmen voran)
... 153, 22.10.2021: Rezension: Werner Gitt - Der Mensch: Eine geniale Konstruktion (Teil 3 - Einführung ins Faltblatt)

Das mag erstmal passen. Da dies der erste Sinn ist, der sich beim Menschen schon ab dem zweiten Schwangerschaftsmonat der Embryonalentwicklung im Mutterleib entwickelt. Alle anderne Sinne kommen erst deutlich später. So kann ein neugeborenes Baby nur etwa 30 cm weit sehen und der Gehörsinn ist erst nach vier Wochen voll ausgereift. Aber mit der Geburt empfindet ein Kind Temperaturunterschiede, trockene Luft und Bewegung durch die Pflegepersonen. Dieser Tastsinn ist besonders in den Lippen, der Zunge und den Fingerspitzen ausgeprägt. Berührungen zu erkennen und einzuordnen ist von daher die erste Sprache, die Menschen erlernen. Dabei ist die Unterscheidung von Selbst- und Fremdberührung ein erster wichtiger Schritt (#1).

In der Wissenschaft unterscheidet man zwischen der eher passiven taktilen Wahrnehmung und der aktiven haptischen Wahrnehmung. Unterschieden wird auch in Oberflächensensibilität und Tiefensensibilität. Ersteres bestimmt unsere Wahrnehmung der Außenwelt, letzteres dient damit der Wahrnehmung aus dem Körperinneren. Zuständig für diese Sinneswahrnehmung ist die Gesamtheit aller Tast-, Wärme- und Kälterezeptoren.

Die taktile Wahrnehmung dient der Wahrnehmung von Druck, Berührung, Vibrationen und Temperatur. Das zuständige Sinnesorgan ist die Haut, und zwar sowohl deren Tast- als auch Wärme- und Kälterezeptoren. Die von ihnen ausgelösten Reizimpulse werden mit hoher Geschwindigkeit durch die taktilen Nervenfasern über das Rückenmark an das Gehirn weitergeleitet, um bei drohender Gefahr – beispielsweise einer Verletzung – unverzüglich reagieren zu können (#2, #3, #4).
Neben den taktilen Nervenfasern für die Weiterleitung von Schmerz-, Druck-, Vibrations- und Temperaturreizen sind seit den 1990er Jahren auch in der Haut befindliche C-taktile Fasern bekannt, welche bei Reizung die Informationen eher langsam an das Gehirn weiterleiten und nur für das Spüren von sanfter, zärtlicher Berührung ausschlaggebend sind (#5, #6). Die Haut ist also als ein soziales Organ anzusehen (#7).
Nachdem der Berührungsreiz im Gehirn angekommen ist, wird er in Abhängigkeit von der eigenen Erwartung und dem jeweiligen Umfeld (Kontext) bewertet und dann gegebenenfalls als angenehm oder unangenehm empfunden (#7). So wird eine physische Berührung, ob zärtlich oder nicht, von einer völlig unbekannten oder gar abgelehnten Person beziehungsweise einem derartigen Tier in der Regel als unangenehm empfunden und der/die Berührte verspürt unmittelbar den verstärkten Wunsch nach Abstand. Diese bei allen gesunden Menschen angelegte und damit natürliche psychologische Reaktion dient dem Selbstschutz.

Die trigeminale Wahrnehmung dient der taktilen Wahrnehmung im Gesicht (beispielsweise des Windes) und unterstützt den Geruchssinn (Olfaktorische Wahrnehmung) und das Schmecken (Gustatorische Wahrnehmung). Für diese Sinneswahrnehmung ist der Nervus trigeminus zuständig, dessen freie Nervenenden in der Gesichtshaut und den Schleimhäuten der Nase, der Mundhöhle und der Augen enden.

Die Tiefensensibilität der Wahrnehmung der Stellung der Körperglieder zueinander und damit der Körperhaltung. Anstatt eines einzelnen Organs ist eine Vielzahl von Rezeptoren in Gelenken, Muskeln und Sehnen für die Reizaufnahme zuständig, die meistens unter dem Begriff Muskelsinn zusammengefasst werden. Zu diesem System wird außerdem die propriozeptive Wahrnehmung gerechnet, die die Wahrnehmungen der eigenen Organe umfasst.

Neuere Forschungen von Rebecca Böhme, Francis McGlone u.a: haben ergeben, dass auf neuronaler Ebene querverbindende Interneuronen im dorsalen Horn des Rückenmarks zwischen den langsamen C-taktilen Nervenfasern und den für die Weiterleitung von Druck-, Vibrations- und Temperaturreizen verantwortlichen schnellen taktilen Nervenfasern existieren. Deshalb kann bei gleichzeitiger Signalweiterleitung in beiden unterschiedlichen Nervenfasern beispielsweise die Schmerzweiterleitung in Richtung Gehirn nach und nach abgeschwächt werden. Unmittelbar nach einer Verletzung leiten die taktilen Fasern den Schmerzreiz in hoher Geschwindigkeit an das Gehirn, damit der Körper gegebenenfalls unverzüglich Maßnahmen zur Gefahrenabwehr auslösen kann. Werden jedoch nach erfolgter Verletzung durch sanfte, zärtliche Berührungen auf der verletzungsnahen Hautumgebung die für diese Berührungsart empfänglichen C-taktilen Fasern erregt, gelangt dieser Reiz bei langsamer Weiterleitung zunächst bis ins Rückenmark, wo er einerseits autonom über die Interneuronen schon auf dieser Ebene die Schmerzweiterleitung der Taktilen Fasern abschwächen kann. Ein weiterer Teil des Berührungsreizes kommt vom Rückenmark jedoch auch in das Gehirn, wo eine Bewertung des Berührungsreizes stattfindet. Fällt diese Bewertung positiv aus, so sendet das Gehirn Signale in umgekehrter Richtung zu den auch für diese Rücksignale empfänglichen Interneuronen im Rückenmark, die daraufhin die Schmerzsignale der taktilen Fasern verstärkt abschwächen können (#6, #8, #9, #10). Diese neuronale Regulation würde bedeuten, dass beispielsweise nach einer kleinen Hautverletzung bei einem Kind das leichte Bepusten der Verletzungsstelle und/oder ein sanftes, zärtliches Streicheln der verletzungsnahen Hautbereiche nicht nur auf psychologischer Ebene Trost spenden, sondern sogar auf neuronaler Ebene die Schmerzempfindung bei dem Verletzten verringern kann.

Das ist jetzt alles etwas tiefer drin. Zusätzlich zu den Angaben des Herrn Werner Gitt mit diesen ziemlich großen Zahlen auf kleinem Raum wirkt das schon alles sehr erhaben.
Aber der Spruch "... kann nicht von allein / durch Zufall entstanden sein ..." ist ja kein Beleg für irgendetwas. Es ist nichts weiter als eine Behauptung.

Die in folgendem, verlinkten Video wiedergegebene Reihenfolge der Entwicklung des Bewusstseins muss so nicht stattgefunden haben, aber sie zeigt einen gangbaren Weg, wie auch der Tastsinn entstanden sein könnte:
... 075, 07.11.2020: Video: Wie entstand unser Bewusstsein? (feat. Simplicissimus) (8:35 min)

Es stellt sich mir auch die Frage, was das Ganze mit dem Menschen zu tun hat. Tastsinne hat ja so ziemlich jedes Lebewesen.
Schon Einzeller haben ein Tastsinnessystem. Wenn man eine wenige Mikrometer große Amöbe anpikst, reagiert sie und versucht dem Reiz zu entkommen. Das funktioniert ohne Nervenzellen oder Nervensystem. Um fliehen zu können, aber auch für die Nahrungsaufnahme benötigt der Einzeller ein "Bewusstsein" über die eigene Körperlichkeit. Mit Hilfe von Sensoren an seinen Grenzflächen registriert die Amöbe, dass es ein Innen und ein Außen, den eigenen Körper und die Welt außerhalb des eigenen Körpers gibt.

Ohne Tastsinn also offenbar kein Leben.
Im Gegensatz zu Sehen, Riechen und Hören ist der Tastsinn (und auch das Schmecken) eine unmittelbare Erfahrung. Sehen, Riechen und Hören helfen uns, die Welt aus der Distanz zu verstehen. Tasten und Schmecken analysieren Objekte direkt an unserer Körpergrenze. Tasten ist die persönlichste Sinneswahrnehmung überhaupt und eine die immer aktiv ist. Wir sehen und hören nicht immer, wir riechen auch nicht immer und beim Schmecken ist es ebenso. Es gibt Menschen, die sind blind oder taub geboren. Aber einen Tastsinn hat jeder. Mit dem Ertasten grenzen wir uns und unsere Umgebung voneinander ab. Es ist der unmittelbarste Reiz. Man denke an die heiße Herdplatte, einen Nadelstich oder ein Stein auf dem Fuß. Wir wollen uns dieser Dinge entziehen.

Diese Reizwahrnehmung, die in allen Lebewesen vorhanden ist, zeigt ganz eindeutig, dass das Leben Schmerzen bereit hält und wir mit einem System ausgestattet sind, diese Situationen zu erkennen, uns von ihnen zu entfernen oder sie zu vermeiden. Wieso benötigen wir so etwas im Himmel? Natürlich gibt es auch Berührungen, die angenehm sind, die uns guttun. Doch wozu benötigen das Geistwesen ohne physischen Körper (Engel)?
Die ersten Primaten, unsere Urahnen, lebten, so legt es der Fossilbericht nahe, vor ca. 55 Millionen Jahren. Sie waren Vierbeiner, ihre Vorderbeine waren aber bereits so geformt, dass sie damit Dinge umgreifen konnten. Die große Zehne war von den anderen Zehen abgewandt (so wie unser Daumen den anderen Fingern gegenübersteht). Das ist ein Merkmal, dass wir mit allen Affen und sonstigen Primaten teilen. Die Krallen waren bereits Nägeln gewichen und es gab schon so etwas, wie Rillen im Fingerprofil, ähnlich unserem heutigen Fingerabdruck. Da es noch keine Spurensicherung gab, und man die Funktion dieser Rillen schon sehr gut verstanden hat, sind folgende Vorteile daran geknüpft: Die Rillen erhöhen die nutzbare Oberfläche durch Auffaltung, womit mehr Nervenenden dort reinpassen, die Habtik also verbessert wird. Außerdem helfen die Rillen, ähnlich wie Saugnäpfe dabei, sich beim Klettern festzuhalten. Sie sind der Grund, dass wir so etwas Glattes wie ein Glas halten können.

Und je weiter man dem Fossilbericht in die Gegenwart folgt, desto unterschiedlicher sind Vorderfuß und Hinterfuß.
Es ist ziemlich offensichtlich, dass unser Tastsinn von den Tieren abstammt, die diesen ja ebenso besitzen.

Unser stiller, oft unterschätzter, bereichernder Tastsinn erfüllt viele Funktionen – warnend, forschend, emotional, sexuell und sozial. Und wo es am reichsten ist, in unseren Händen, sehen wir es am deutlichsten als einen Sinn, der aus der Lebensweise eines Tieres hervorgegangen ist. Dank der Dichte und Vielfalt der sensorischen Rezeptoren, die wir besitzen, und der Gehirnleistung, die sie antreibt, ist die Berührung entscheidend, um uns in unserer Welt zurechtzufinden.

Sicher sind die letzten Fragen nicht geklärt.
Da wir uns in diesem Punkt aber nicht von Tieren unterscheiden, müssen wir Modell B den Punkt aberkennen, den Werner Gitt ihm zuspielt.

Modell A : Modell B - 0:1

Modell A : Modell B - 1:0


#1 - Rebecca Boehme, Steven Hauser, Gregory Gerling, Markus Heilig: Distinction of self-produced touch and social touch at cortical and spinal cord levels. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. (PNAS) Band 116, Nr. 6, Januar 2019, S. 2290–2299, doi:10.1073/pnas.1816278116 (Volltext online).

#2 - Francis P. McGlone, Johan Wessberg, Håkan Olausson: Discriminative and Affective Touch: Sensing and Feeling. In: Neuron. Band 82, Nr. 4, 21. Mai 2014, S. 737–755, doi:10.1016/j.neuron.2014.05.001.

#3 - S. C. Walker, Francis P. McGlone: The social brain: Neurobiological basis of affiliative behaviours and psychological well-being. In: Neuropeptides. Band 47, Nr. 6, Dezember 2013, S. 379–393, doi:10.1016/j.npep.2013.10.008.

#4 - Charles Spence, Francis P. McGlone: The cutaneous senses: Touch, temperature, pain/itch, and pleasure. In: Neuroscience & Biobehavioral Reviews. Band 34, Nr. 2, Februar 2010, S. 145–147, doi:10.1016/j.neubiorev.2009.08.008.

#5 - A. A. Varlamov, G. V. Portnova, Francis P. McGlone: The C-Tactile System and the Neurobiological Mechanisms of “Affective” Tactile Perception: The History of Discoveries and the Current State of Research. In: Neuroscience and Behavioral Physiology. Band 50, 2020, S. 418–427, doi:10.1007/s11055-020-00916-z (link.springer)

#6 - A. G. Marshall, Francis P. McGlone: Affective Touch: The Enigmatic Spinal Pathway of the C-Tactile Afferent. In: Neuroscience Insights. Band 15, 1. Juni 2020, doi:10.1177/2633105520925072 (journal.sagehub)

#7 - Rachel C. Clary, Rose Z. Hill, Francis P. McGlone, Lan A. Li, Molly Kulesz-Martin, Gil Yosipovitch: Montagna Symposium 2016-The Skin: Our Sensory Organ for Itch, Pain, Touch, and Pleasure. In: Journal of Investigative Dermatology. Nr. 137, 2017, S. 1401–1404, doi:10.1016/j.jid.2017.03.015 (Volltext online).

#8 - R. Boehme, S. Hauser, G. Gerling, M. Heilig, H. Olausson: Distinction of self-produced touch and social touch at cortical and spinal cord levels. In: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) Band 116, Nr. 6, 5. Februar 2019, S. 2290–2299, doi:10.1073/pnas.1816278116 (Volltext online).

#9 - Saad S. Nagi1, Andrew G. Marshall, Adarsh Makdani, Francis P. McGlone et. al.: An ultrafast system for signaling mechanical pain in human skin. In: Science Advances. Band 5, Nr. 7, 3. Juli 2019, Artikel. eaaw1297, doi:10.1126/sciadv.aaw1297.

#10 - Andrew G. Marshall, Manohar L. Sharma, Kate Marley, Hakan Olausson, Francis P. McGlone: Spinal signalling of C-fiber mediated pleasant touch in humans. short report, 24. Dezember 2019, doi:10.7554/eLife.51642.

Mehr über die Habtik:
Haptik-Forschungslabor: Website / Publikationen.

Tastsinn: Fühlen, begreifen und lernen:
https://www.dasgehirn.info/wahrnehmen/fuehlen/die-welt-begreifen

Evolution der Menschenhand:
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-1-4939-3646-5_18 (engl.)
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