Rezension: Werner Gitt - Der Mensch: Eine geniale Konstruktion (Teil 2 - Ingenieure stürmen voran)
Es gibt eine hohe Anzahl von Ingenieuren unter den Kreationisten. Und auch unter Klimaleugnern finden sie sich.
Das hat Wissenschaftler dazu bewogen, mehr augenzwinkernd die so genannte Salem-Hypothese aufzustellen. Dieser Hypothese zufolge gibt es eine Korrelation zwischen der Arbeit in einem technischen Fachgebiet und einer Vorliebe für den Schöpfungsmythos.
Es kann jetzt auch eine selektive Stichprobe sein, aber ein paar augenfällige Kandidaten gibt es da schon.
Henry M. Morris, der Begründer des Institute for Creation Research hat einen Abschluss in Bauingenieurswesen. Und erst nach dem Abschluss seines Studiums wurde er zum Kreationisten und gründete später die Creation Research Society. Der Zusammenhang ist auch bei Dr.-Ing. Walter Weiblen gegeben, dem Bundesvorsitzenden der Partei Bibeltreuer Christen (PBC) hier in Deutschland. An Harold Camping wird sich hierzulande vermutlich niemand mehr erinnern. Wer meinen Nibiru-Thread damals verfolgt hat, wird ihn eventuell noch auf dem Schirm haben. Auch Camping prophezeite 2012 den Weltuntergang. Nicht jedoch durch einen Zusammenprall mit einem braunen Zwerg oder Planeten oder der Versklavung durch Außerirdische, sondern durch Gottes Zorn. Wenn ihr diesen Prediger also nicht mehr auf dem Schirm habt, er wird sicherlich auf andere Art und Weise versuchen, die Menge zu verarschen.
Und hier zulande ist es eben Werner Gitt.
Der Geschäftsführer von Wort und Wissen, Reinhard Junker, studierte Biologie und Mathematik für das Lehramt an Gymnasien. Der ehrenamtliche Vorsitzende Henrik Ullrich schloss an der Technischen Universität Dresden ein Medizinstudium sowie die Facharztausbildung für Diagnostische Radiologie an. 1998 wurde er promoviert. Von 2005 bis 2012 war Ullrich leitender Oberarzt im Zentrum für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Klinikum Riesa-Großenhain. Seit 2013 ist er ärztlicher Leiter der Radiologie an der Collm Klinik in Oschatz. Schwerpunkt seiner klinischen Tätigkeit ist die Interventionelle Radiologie. Von der Berufsakademie Sachsen, an der er als nebenberuflicher Dozent im Studiengang Labor- und Verfahrenstechnik tätig ist, wurde Ullrich im Oktober 2015 zum Honorarprofessor ernannt. Sein Vorgänger Siegfried Scherer studierte von 1974 bis 1979 Biologie, Chemie und Physik an der Universität Konstanz. 1977 legte er das Staatsexamen in Chemie und Physik ab, 1980 Diplom und Staatsexamen in Biologie. 1983 promovierte er im Fach Pflanzenphysiologie. Von 1983 bis 1988 war er Arbeitsgruppenleiter am Lehrstuhl für Physiologie und Biochemie der Pflanzen an der Universität Konstanz. Scherer forscht mit gentechnischen Methoden an Krankheitserregern in Lebensmitteln.
Wort und Wissen ist also eigentlich ganz gut aufgestellt. Ein Lehrer, ein Arzt und ein Biochemiker. 2 von Ihnen noch im aktiven Dienst in Forschungs-, Lehr- und Lerninstituten. Da wirkt Werner Gitt ja schon fast deplatziert.
Man darf jetzt auch nicht von einer generellen Ablehnung ausgehen, wenn man das Wort Evangelikale und Fundamentalismus zusammenbringt.
In einem Rundschreiben spricht Peter Strauch (1991 bis 2008 Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, 1986 bis 2006 im Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz, 2000 bis 2006 erster Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz) Klartext: "Es ist eigenartig, sobald Christen mit Ihrem Glauben Ernstmachen [sic!] (nichts anderes wollen Evangelikale), ist schnell vom Fanatismus und Extremismus die Rede."
Tatsächlich ist daran überhaupt nichts eigenartig, denn genau so lautet nun einmal die Definition von Fundamentalismus: Die wörtliche Auslegung eines "heiligen" Buches wird für die unumstößliche, Gott gegebene Wahrheit gehalten.
Betont wird bei Christen, bei Evangelikalen wie bei den Zeugen auch die Bedeutung des freien Willens, er soll das sein, was den Menschen von den Tieren unterscheidet, ein Geschenk Gottes. Ohne ihn wären wir nur Maschinen und Roboter. Und das sagen mir Leute, die so viel Wert auf die "letzte Ölung" legen. Ich glaube nicht an den freien Willen und habe trotzdem keine Ähnlichkeit mit R2D2.
Aber genau aus solchen Positionen heraus gewinnen Kreationisten ihre Fangemeinde: Wer Doktor ist, hat sowieso erstmal Recht. Die Titulierung ist wichtig und sie wird vorangetragen, wie ein Schild. Es ist wichtig, dass alle Welt weiß, wer dieses Paper verfasst hat und wer die Website hosted. Möglichst ein Professor oder ein Doktor. Egal in was.
Gott hat einen nicht zu unterschätzenden Pluspunkt: Er vereint Menschen, auch unterschiedlicher Ethnien. Gemeinsame Gospelgesänge schweißen zusammen. Man kann den Reiz einer solchen Gemeinschaft schon verstehen, mit regelmäßigen gemeinsamen Unternehmungen und der vereinenden Aufgabe, die Seelen von möglichst vielen Menschen zu retten. Mit der gleichen Betonung des Wir-Gefühls unternehmen Regionalgruppen der NPD gemeinsame Wanderungen oder "Hilfseinsätze". Bei denen würde es mir aber deutlich weniger gefallen.
Auch wenn der Vergleich wohl etwas schroff anklingen mag: Genau hier setzen Fanatiker und Fundamentalisten aller Couleur an: Am Schwachpunkt der liberalen Gesellschaft, welche darauf basiert, dass sich alle schön aus dem Weg gehen, damit niemandem etwas passiert. Der Mensch ist ein soziales Wesen und existiert nicht im Vakuum, die Fanatiker erkennen das und nutzen es für sich aus.
Das alternative Konzept zu Evolutionsmechanismen besteht für Professor Gitt in Informationen und Verhaltensprogrammen, die Lebewesen von Gott eingegeben werden. Es handle sich also nicht um Zufall (was eigentlich kein Mensch behauptet), sondern um Information von einem "Intelligenten Sender". Der DNS-Code enthält Information und daher muss es einen Sender für die Information geben. Und weil dieser Code so komplex ist, muss der Sender hochintelligent sein.
Sogar wenn Gitts Thesen wahr wären, bräuchte man keinen Intelligenten Sender - ein intelligenter Empfänger, der einem natürlichen Ereignis Information als Sinn zuordnet, würde ausreichen. Die meisten seiner Definitionen würden sogar selbstorganisierte Systeme zulassen, die Information darstellen. Es gibt auch keinen erkennbaren Grund, warum er Mikroevolution zulässt, Makroevolution aber nicht. Werner Gitt denkt sich also ein umfangreiches Thesengebäude aus, um die Schöpfung zu beweisen, entwickelt aber tatsächlich ein Thesengebäude, welches zum Großteil genauso gut die Evolution zulassen würde und insofern doppelt überflüsssig ist.
Angesichts des wissenschaftlichen Analphabetismus, der einen großen Teil der Bevölkerung heimsucht, könnte das Konzept für Kreationisten trotzdem aufgehen. Es führt kein Weg daran vorbei: Wer sich vor dem Einfluss von Fundamentalisten schützen möchte, der muss sich einfach mal zusammenreißen und sich ein naturwissenschaftliches Grundwissen aneignen. Ein sehr interessantes Thema eigentlich, bedauerlicherweise wird Lernen dank unseres Schulsystems noch immer mit Qual gleichgesetzt.
Auf YouTube findet man reichlichPredigten ... Vorträge von ihm, Werner Gitt.
Bestimmt sind auch ein paar gute Argumente dabei. Aber heute und die kommenden Tage wollen wir uns mit dem im ersten Beitrag veranschaulichsten Flyer beschäftigen.
Das Faltblatt ist in verschiedene Abschnitte unterteilt:
- Der Mensch
- Der Tastsinn
- Das Ohr
- Das Blut
- Die Zellen
- Die DNS
- Das Gehirn
- Die Wahrnehmung
- Ein Fazit
Diese einzelnen Abschnitte werden wir in den nächsten Artikeln abarbeiten.
Ich jedenfalls freue mich darauf, mich einmal mit Ansichten auseinanderzusetzen, die mal nicht von der Wachtturm-Gesellschaft stammen.
Es gibt eine hohe Anzahl von Ingenieuren unter den Kreationisten. Und auch unter Klimaleugnern finden sie sich.
Das hat Wissenschaftler dazu bewogen, mehr augenzwinkernd die so genannte Salem-Hypothese aufzustellen. Dieser Hypothese zufolge gibt es eine Korrelation zwischen der Arbeit in einem technischen Fachgebiet und einer Vorliebe für den Schöpfungsmythos.
Es kann jetzt auch eine selektive Stichprobe sein, aber ein paar augenfällige Kandidaten gibt es da schon.
Henry M. Morris, der Begründer des Institute for Creation Research hat einen Abschluss in Bauingenieurswesen. Und erst nach dem Abschluss seines Studiums wurde er zum Kreationisten und gründete später die Creation Research Society. Der Zusammenhang ist auch bei Dr.-Ing. Walter Weiblen gegeben, dem Bundesvorsitzenden der Partei Bibeltreuer Christen (PBC) hier in Deutschland. An Harold Camping wird sich hierzulande vermutlich niemand mehr erinnern. Wer meinen Nibiru-Thread damals verfolgt hat, wird ihn eventuell noch auf dem Schirm haben. Auch Camping prophezeite 2012 den Weltuntergang. Nicht jedoch durch einen Zusammenprall mit einem braunen Zwerg oder Planeten oder der Versklavung durch Außerirdische, sondern durch Gottes Zorn. Wenn ihr diesen Prediger also nicht mehr auf dem Schirm habt, er wird sicherlich auf andere Art und Weise versuchen, die Menge zu verarschen.
Und hier zulande ist es eben Werner Gitt.
Der Geschäftsführer von Wort und Wissen, Reinhard Junker, studierte Biologie und Mathematik für das Lehramt an Gymnasien. Der ehrenamtliche Vorsitzende Henrik Ullrich schloss an der Technischen Universität Dresden ein Medizinstudium sowie die Facharztausbildung für Diagnostische Radiologie an. 1998 wurde er promoviert. Von 2005 bis 2012 war Ullrich leitender Oberarzt im Zentrum für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Klinikum Riesa-Großenhain. Seit 2013 ist er ärztlicher Leiter der Radiologie an der Collm Klinik in Oschatz. Schwerpunkt seiner klinischen Tätigkeit ist die Interventionelle Radiologie. Von der Berufsakademie Sachsen, an der er als nebenberuflicher Dozent im Studiengang Labor- und Verfahrenstechnik tätig ist, wurde Ullrich im Oktober 2015 zum Honorarprofessor ernannt. Sein Vorgänger Siegfried Scherer studierte von 1974 bis 1979 Biologie, Chemie und Physik an der Universität Konstanz. 1977 legte er das Staatsexamen in Chemie und Physik ab, 1980 Diplom und Staatsexamen in Biologie. 1983 promovierte er im Fach Pflanzenphysiologie. Von 1983 bis 1988 war er Arbeitsgruppenleiter am Lehrstuhl für Physiologie und Biochemie der Pflanzen an der Universität Konstanz. Scherer forscht mit gentechnischen Methoden an Krankheitserregern in Lebensmitteln.
Wort und Wissen ist also eigentlich ganz gut aufgestellt. Ein Lehrer, ein Arzt und ein Biochemiker. 2 von Ihnen noch im aktiven Dienst in Forschungs-, Lehr- und Lerninstituten. Da wirkt Werner Gitt ja schon fast deplatziert.
Man darf jetzt auch nicht von einer generellen Ablehnung ausgehen, wenn man das Wort Evangelikale und Fundamentalismus zusammenbringt.
In einem Rundschreiben spricht Peter Strauch (1991 bis 2008 Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, 1986 bis 2006 im Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz, 2000 bis 2006 erster Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz) Klartext: "Es ist eigenartig, sobald Christen mit Ihrem Glauben Ernstmachen [sic!] (nichts anderes wollen Evangelikale), ist schnell vom Fanatismus und Extremismus die Rede."
Tatsächlich ist daran überhaupt nichts eigenartig, denn genau so lautet nun einmal die Definition von Fundamentalismus: Die wörtliche Auslegung eines "heiligen" Buches wird für die unumstößliche, Gott gegebene Wahrheit gehalten.
Betont wird bei Christen, bei Evangelikalen wie bei den Zeugen auch die Bedeutung des freien Willens, er soll das sein, was den Menschen von den Tieren unterscheidet, ein Geschenk Gottes. Ohne ihn wären wir nur Maschinen und Roboter. Und das sagen mir Leute, die so viel Wert auf die "letzte Ölung" legen. Ich glaube nicht an den freien Willen und habe trotzdem keine Ähnlichkeit mit R2D2.
Aber genau aus solchen Positionen heraus gewinnen Kreationisten ihre Fangemeinde: Wer Doktor ist, hat sowieso erstmal Recht. Die Titulierung ist wichtig und sie wird vorangetragen, wie ein Schild. Es ist wichtig, dass alle Welt weiß, wer dieses Paper verfasst hat und wer die Website hosted. Möglichst ein Professor oder ein Doktor. Egal in was.
Gott hat einen nicht zu unterschätzenden Pluspunkt: Er vereint Menschen, auch unterschiedlicher Ethnien. Gemeinsame Gospelgesänge schweißen zusammen. Man kann den Reiz einer solchen Gemeinschaft schon verstehen, mit regelmäßigen gemeinsamen Unternehmungen und der vereinenden Aufgabe, die Seelen von möglichst vielen Menschen zu retten. Mit der gleichen Betonung des Wir-Gefühls unternehmen Regionalgruppen der NPD gemeinsame Wanderungen oder "Hilfseinsätze". Bei denen würde es mir aber deutlich weniger gefallen.
Auch wenn der Vergleich wohl etwas schroff anklingen mag: Genau hier setzen Fanatiker und Fundamentalisten aller Couleur an: Am Schwachpunkt der liberalen Gesellschaft, welche darauf basiert, dass sich alle schön aus dem Weg gehen, damit niemandem etwas passiert. Der Mensch ist ein soziales Wesen und existiert nicht im Vakuum, die Fanatiker erkennen das und nutzen es für sich aus.
Das alternative Konzept zu Evolutionsmechanismen besteht für Professor Gitt in Informationen und Verhaltensprogrammen, die Lebewesen von Gott eingegeben werden. Es handle sich also nicht um Zufall (was eigentlich kein Mensch behauptet), sondern um Information von einem "Intelligenten Sender". Der DNS-Code enthält Information und daher muss es einen Sender für die Information geben. Und weil dieser Code so komplex ist, muss der Sender hochintelligent sein.
Sogar wenn Gitts Thesen wahr wären, bräuchte man keinen Intelligenten Sender - ein intelligenter Empfänger, der einem natürlichen Ereignis Information als Sinn zuordnet, würde ausreichen. Die meisten seiner Definitionen würden sogar selbstorganisierte Systeme zulassen, die Information darstellen. Es gibt auch keinen erkennbaren Grund, warum er Mikroevolution zulässt, Makroevolution aber nicht. Werner Gitt denkt sich also ein umfangreiches Thesengebäude aus, um die Schöpfung zu beweisen, entwickelt aber tatsächlich ein Thesengebäude, welches zum Großteil genauso gut die Evolution zulassen würde und insofern doppelt überflüsssig ist.
Angesichts des wissenschaftlichen Analphabetismus, der einen großen Teil der Bevölkerung heimsucht, könnte das Konzept für Kreationisten trotzdem aufgehen. Es führt kein Weg daran vorbei: Wer sich vor dem Einfluss von Fundamentalisten schützen möchte, der muss sich einfach mal zusammenreißen und sich ein naturwissenschaftliches Grundwissen aneignen. Ein sehr interessantes Thema eigentlich, bedauerlicherweise wird Lernen dank unseres Schulsystems noch immer mit Qual gleichgesetzt.
Auf YouTube findet man reichlich
Bestimmt sind auch ein paar gute Argumente dabei. Aber heute und die kommenden Tage wollen wir uns mit dem im ersten Beitrag veranschaulichsten Flyer beschäftigen.
Das Faltblatt ist in verschiedene Abschnitte unterteilt:
- Der Mensch
- Der Tastsinn
- Das Ohr
- Das Blut
- Die Zellen
- Die DNS
- Das Gehirn
- Die Wahrnehmung
- Ein Fazit
Diese einzelnen Abschnitte werden wir in den nächsten Artikeln abarbeiten.
Ich jedenfalls freue mich darauf, mich einmal mit Ansichten auseinanderzusetzen, die mal nicht von der Wachtturm-Gesellschaft stammen.