Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 5 - Heidelberg-Initiative)
Grundbegriffe, Vordenker, Schwierigkeiten, Varianten und Gründe für diese Hypothese hatten wir nun bereits.
Doch nun wollen wir zurück zum Anfang.
Hier geht es nochmal zu den bereits erschienenen Artikeln:
... 087, 22.01.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 1 - Heidelberg-Initiative und Grundbegriffe)
... 096, 02.03.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 2 - Geschichte der Hypothese)
... 105, 14.04.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 3 - Probleme und Varianten der Hypothese)
... 110, 30.04.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 4 - Für und Wider der Hypothese)
Wir schlagen nun also den Bogen zurück zur Heidelberg-Initiative, die im 1. Teil ja der Aufhänger für das Thema "Panspermie" war. Diese hat es sich ja zur Aufgabe gemacht, zu ergründen, unter welchen Bedingungen leben überhaupt entsteht. Auslöser war ja die Entdeckung immer neuer Gesteinsplaneten bei anderen Sternen, wovon es nach Hochrechnungen wohl mehrere Milliarden allein in unserer Galaxie geben soll. Vielleicht haben auch ein paar davon Leben hervorgebracht oder zumindest die dafür nötigen Bedingungen. Den Heidelbergern um Thomas Henning ging es also nicht nur darum, herauszufinden, wie Leben auf der Erde entstanden sein könnte, sondern wie ganz allgemein die Bedingungen sein müssen, damit so etwas passiert. Eben auch auf extrasolaren Planeten.
Ausgangspunkt ist die vor rund 30 Jahren von Walter Gilbert aufgestellt Hypothese der RNA-Welt.
Zu den Vorläufern der DNA hatte ich schon einmal etwas verfasst, weshalb ich da einfach hinverweise:
... 055, 13.10.2018: Rezension: Die DNA: Bibliothek des Lebens - Teil 5: Mögliche Entwicklung und Vorläufer der DNA (2013)
Kurz:
Die RNA-Welt-Hypothese besagt, dass die allerersten irdischen Lebensformen auf Ribonukleinsäuren (RNA) basierten. Vom Aufbau her ähnelt die RNA dem Informationsträger heutigen Lebens, der DNA: Beide bestehen aus vier organischen Basen, wobei Adenin, Guanin und Cytosin in beiden vorkommen. Die RNA hingegen enthält statt Thymin die Base Uracil. Außerdem ist die RNA, anders als die doppelsträngige DNA, meistens einsträngig. Auch diese Hypothese verdient ihren ganz eigenen Beitrag.
Es gibt aber noch weitere Gemeinsamkeiten: RNA-Moleküle können ebenfalls genetische Information übertragen und auch katalytische Funktionen ausüben. In der Mehrzahl der Lebewesen spielt die RNA jedoch als Informationsträger eine der DNA untergeordnete Rolle, lediglich in Viren fungiert sie als Speichermedium. Hat sich folglich aus der einfacheren RNA die komplexere DNA entwickelt?
Sterne und Planeten werden in Wolken aus Gas und Staub geboren.
Das Bild zeigt gleich drei solcher Gebiete,
den Omega- und den Adlernebel sowie den Komplex Sharpless 2-54 (von links).
Dieser Entstehungsprozess brachte nicht nur vor ungefähr 4,6 Milliarden Jahren unser Sonnensystem hervor,
sondern er spielt sich noch immer an vielen Orten im All ab.
2009 gelang es britischen Forschern in einem chemischen Experiment RNA-Bausteine entstehen zu lassen. Dafür müssen bestimmte Moleküle unter speziellen Bedingungen miteinander reagieren. Doch sobald dies experimentell gelang, stellte sich die Frage, diese günstigen Bedingungen in der Natur vorlagen.
Seit Langem werden hydrothermale Quellen am Grund der Tiefsee, auch Schwarze oder Weiße Raucher genannt, als Orte der Entstehung von Leben vermutet. Es ist aber unklar, ob hier der für die Synthese nötige Stickstoff in ausreichender Konzentration existiert. Außerdem verdünnen sich die Stoffe in dem ständig strömenden Wasser, was komplexe chemische Reaktionen behindert.
Henning und sein Team haben sich gefragt, welche anderen möglichen geochemischen Bedingungen geherrscht haben könnten, damit diese RNA-Synthese ablaufen konnte. Ihre Idee: Die wichtigsten Bausteine kamen aus dem All auf die Erde.
Wie im 3. Teil dieser Artikelserie erklärt, ist das nicht so weit hergeholt. Tatsächlich wurden die Nukleinbasen Adenin, Guanin und Uracil sowie Aminosäuren im Innern von Meteoriten nachgewiesen. Sie entstehen bei Anwesenheit von Wasser aus den einfachen Molekülen Cyanwasserstoff, Kohlenmonoxid und Ammoniak. Das reicht für die Synthese aber noch nicht.
Aber es findet sich in Meteoriten auch das Mineral Schreibersit, das in Wasser Phosphorgruppen freisetzt. Tada ... Denn auch die werden für die RNA-Synthese benötigt. Zu behaupten, diese Bausteine gebe es schon in den Staubscheiben, aus denen später die Planeten entstehen, ist daher nicht so unrealistisch. Astronomische Beobachtungen und Spektralanalysen bestätigen das für Staubscheiben anderer Sternensysteme. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit machte unser Sonnensystem dabei keine Ausnahme, als es vor 4,6 Milliarden Jahren aus einer solchen Wolke entstand. Doch wie und wann gelangten die organischen Bausteine auf die Erde? Und wie sah es hier aus?
Aus der ganz frühen Phase, in der unser Planet von einem Glutball zu einem Gesteinsplaneten erkaltete, gibt es fast keine Überreste mehr. Lediglich winzige Zirkonkristalle, die vermutlich bis zu 4,4 Milliarden Jahre alt sind, deuten darauf hin, dass sich schon recht früh eine feste Kruste bildete. Gleichzeitig wurde die Erde deutlich häufiger Meteoriten getroffen als heute. Der Mond, der diesem Beschuss in gleicher Weise ausgesetzt war, belegt das eindrucksvoll, da seine Krater keiner Erosion ausgesetzt sind. Diese kosmischen Geschosse brachten vermutlich sowohl Wasser als auch organische Moleküle auf unseren Planeten.
Wie die Land- und Wasserflächen in der Urzeit verteilt waren, ist ebenso unbekannt wie etwa die für chemische Reaktionen sehr wichtige Temperatur. Daher hat die Gruppe Modelle berechnet, in denen sie die wichtigsten Parameter der sich entwickelnden Erdkruste über einen großen Bereich variieren. Sicher gab es damals wie heute eine weite Größenverteilung der Wasserflächen.
Die Grafik zeigt die vielen Einflüsse, die in solchen Kleinstgewässern auf chemische Verbindungen einwirkten.
© Mc Master University
Große Seen und Meere eigneten sich vermutlich nicht als Brutstätten der RNA, weil die Vorläuferstoffe konzentriert vorliegen müssen, damit sie miteinander reagieren können. Hingegen waren kleine Tümpel mit wenigen Metern Durchmesser und gerunger Tiefe nach dem Modell optimal: Sie waren groß genug, um nicht zu schnell auszutrocknen, und klein genug, um rasch eine hohe Nukleobasen-Konzentration zu ermöglichen. Schon tut sich die nächste Frage auf: Wie haben die Biomoleküle die zersetzenden Angriffe überstanden? Im Wasser bedrohte sie die Elektrolyse, im Freien die intensive UV-Strahlung der Sonne.
Nun, schon in einem Meter Wassertiefe werden 95 Prozent der UV-Strahlung absorbiert. Ein mit den Jahreszeiten schwankender Füllstand der Tümpel durch Regen und Austrocknen durch Verdunsten und Versickern scheint nach den Szenarien optimal gewesen zu sein. Die Zyklen, in denen flache Teiche erst austrocknen und dann wieder mit Wasser gefüllt werden, begünstigten möglicherweise die Entstehung längerer RNA-Ketten.
In den Modellen wurden aber auch die idealen Größen der Meteoriten und ihre Einschlagsrate ermittelt. Sind sie zu klein, verglühen sie vollständig in der Atmosphäre, sind sie zu groß, schlagen sie mit zu großer Wucht auf. Das Optimum waren Meteoriten im Größenbereich zwischen 40 und 80 Meter Radius.
Der genannte Bereich ist zwei- bis viermal so groß wie der Meteorit, der im Februar 2013 über der russischen Stadt Tscheljabinsk explodierte. Wie dieses Ereignis eindrucksvoll demonstrierte, erreichen Meteorite dieser Größenordnung nicht unversehrt den Erdboden. Sie zerbrechen in viele kleine Fragmente und gehen über einem großen Bereich nieder. So können kleine, wenige Zentimeter große Splitter in den Tümpeln landen. Darin geben sie, abhängig von der Größe, innerhalb von Tagen bis Monaten die Nukleobasen ab. Nun müssen die Nukleotide und die daraus entstehenden RNA-Moleküle sich innerhalb weniger Jahre synthetisieren.
Diese Simulationen zeigen, dass Meteoriten eine ausreichende Menge an Nukleobasen zu Tausenden in kleine Teiche auf der Erde transportiert haben könnten und damit die Entstehung von RNA-Molekülen in mindestens einem dieser Teiche anstießen. Die RNA-Welt könnte innerhalb von 200 bis 300 Millionen Jahren entstanden sein, nachdem die Erdoberfläche bewohnbar geworden war, also vor mehr als vier Milliarden Jahren.
Basierend auf dem, was über die Planetenbildung und die Chemie des Sonnensystems bekannt ist, wurde von der Forschergruppe ein konsistentes Szenario für die Entstehung des Lebens auf der Erde vorgeschlagen. Jetzt muss in Experimenten herausgefunden werden wie das Leben unter diesen ganz spezifischen frühen Bedingungen tatsächlich entstanden sein könnte.
Denn die Nukleobasen sind nur ein erster Schritt. Weitere Prozesse sind nötig, wie die Entstehung von komplexen RNA-artigen Molekülen, von Zellmembranen und schließlich die Bildung der DNA-Protein-Welt heutiger Organismen.
Wenn es um chemische Experimente zur Entstehung des Lebens geht, darf das berühmte Miller-Urey-Experiment aus den 50ern nicht fehlen. Stanley Miller und Harold Clayton Urey hatten in einem Reaktionsgefäß einfache chemische Substanzen unter einer hypothetischen frühen Erdatmosphäre elektrischen Entladungen ausgesetzt, um die Energiezufuhr durch Gewitterblitze nachzubilden. Nach einiger Zeit konnten sie mit einem Chromatografen organische Moleküle nachweisen, darunter auch Aminosäuren.
Evolution im Labor:
Zusammen mit Harold Clayton Urey gelang es Stanley Miller (im Bild) in den 1950er-Jahren,
in einem Reaktionsgefäß organische Moleküle zu erzeugen, darunter auch Aminosäuren.
Das berühmte Experiment inspiriert Forscher heute zu weiterführenden Versuchen.
Allerdings gehen Forscher heute davon aus, dass die Uratmosphäre der Erde anders zusammengesetzt war, als von Miller und Urey angenommen. Sie enthielt weniger Methan, stattdessen mehr Wasserstoff, Kohlendioxid, Stickstoff und Wasser. Unter diesen Bedingungen war die Synthese der für die RNA notwendigen Bausteine wahrscheinlich schwieriger.
Das es wohl trotzdem möglich war, besprechen wir im abschließenden Teil der Artikelserie.
Quelle:
Ben K. D. Pearce, Ralph E. Pudritz, Dmitri Semenov, Thomas K. Henning. Origin of the RNA World: The Fate of Nucleobases in Warm Little Ponds. Proc. Nat. Acad. Sci,114,11327 (2017). Die Arbeit ist unter https://arxiv.org/pdf/1710.00434.pdf frei zugänglich.
Weiterführende Links:
Ursprung des Lebens (02.07.2018) Podcast, 22:45 min. https://www.mpg.de/podcasts/ursprung-des-lebens
Heidelberg Initiative for the Origins of Life – HIFOL. http://www.mpia.de/HIFOL
Grundbegriffe, Vordenker, Schwierigkeiten, Varianten und Gründe für diese Hypothese hatten wir nun bereits.
Doch nun wollen wir zurück zum Anfang.
Hier geht es nochmal zu den bereits erschienenen Artikeln:
... 087, 22.01.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 1 - Heidelberg-Initiative und Grundbegriffe)
... 096, 02.03.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 2 - Geschichte der Hypothese)
... 105, 14.04.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 3 - Probleme und Varianten der Hypothese)
... 110, 30.04.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 4 - Für und Wider der Hypothese)
Wir schlagen nun also den Bogen zurück zur Heidelberg-Initiative, die im 1. Teil ja der Aufhänger für das Thema "Panspermie" war. Diese hat es sich ja zur Aufgabe gemacht, zu ergründen, unter welchen Bedingungen leben überhaupt entsteht. Auslöser war ja die Entdeckung immer neuer Gesteinsplaneten bei anderen Sternen, wovon es nach Hochrechnungen wohl mehrere Milliarden allein in unserer Galaxie geben soll. Vielleicht haben auch ein paar davon Leben hervorgebracht oder zumindest die dafür nötigen Bedingungen. Den Heidelbergern um Thomas Henning ging es also nicht nur darum, herauszufinden, wie Leben auf der Erde entstanden sein könnte, sondern wie ganz allgemein die Bedingungen sein müssen, damit so etwas passiert. Eben auch auf extrasolaren Planeten.
Ausgangspunkt ist die vor rund 30 Jahren von Walter Gilbert aufgestellt Hypothese der RNA-Welt.
Zu den Vorläufern der DNA hatte ich schon einmal etwas verfasst, weshalb ich da einfach hinverweise:
... 055, 13.10.2018: Rezension: Die DNA: Bibliothek des Lebens - Teil 5: Mögliche Entwicklung und Vorläufer der DNA (2013)
Kurz:
Die RNA-Welt-Hypothese besagt, dass die allerersten irdischen Lebensformen auf Ribonukleinsäuren (RNA) basierten. Vom Aufbau her ähnelt die RNA dem Informationsträger heutigen Lebens, der DNA: Beide bestehen aus vier organischen Basen, wobei Adenin, Guanin und Cytosin in beiden vorkommen. Die RNA hingegen enthält statt Thymin die Base Uracil. Außerdem ist die RNA, anders als die doppelsträngige DNA, meistens einsträngig. Auch diese Hypothese verdient ihren ganz eigenen Beitrag.
Es gibt aber noch weitere Gemeinsamkeiten: RNA-Moleküle können ebenfalls genetische Information übertragen und auch katalytische Funktionen ausüben. In der Mehrzahl der Lebewesen spielt die RNA jedoch als Informationsträger eine der DNA untergeordnete Rolle, lediglich in Viren fungiert sie als Speichermedium. Hat sich folglich aus der einfacheren RNA die komplexere DNA entwickelt?
Sterne und Planeten werden in Wolken aus Gas und Staub geboren.
Das Bild zeigt gleich drei solcher Gebiete,
den Omega- und den Adlernebel sowie den Komplex Sharpless 2-54 (von links).
Dieser Entstehungsprozess brachte nicht nur vor ungefähr 4,6 Milliarden Jahren unser Sonnensystem hervor,
sondern er spielt sich noch immer an vielen Orten im All ab.
2009 gelang es britischen Forschern in einem chemischen Experiment RNA-Bausteine entstehen zu lassen. Dafür müssen bestimmte Moleküle unter speziellen Bedingungen miteinander reagieren. Doch sobald dies experimentell gelang, stellte sich die Frage, diese günstigen Bedingungen in der Natur vorlagen.
Seit Langem werden hydrothermale Quellen am Grund der Tiefsee, auch Schwarze oder Weiße Raucher genannt, als Orte der Entstehung von Leben vermutet. Es ist aber unklar, ob hier der für die Synthese nötige Stickstoff in ausreichender Konzentration existiert. Außerdem verdünnen sich die Stoffe in dem ständig strömenden Wasser, was komplexe chemische Reaktionen behindert.
Henning und sein Team haben sich gefragt, welche anderen möglichen geochemischen Bedingungen geherrscht haben könnten, damit diese RNA-Synthese ablaufen konnte. Ihre Idee: Die wichtigsten Bausteine kamen aus dem All auf die Erde.
Wie im 3. Teil dieser Artikelserie erklärt, ist das nicht so weit hergeholt. Tatsächlich wurden die Nukleinbasen Adenin, Guanin und Uracil sowie Aminosäuren im Innern von Meteoriten nachgewiesen. Sie entstehen bei Anwesenheit von Wasser aus den einfachen Molekülen Cyanwasserstoff, Kohlenmonoxid und Ammoniak. Das reicht für die Synthese aber noch nicht.
Aber es findet sich in Meteoriten auch das Mineral Schreibersit, das in Wasser Phosphorgruppen freisetzt. Tada ... Denn auch die werden für die RNA-Synthese benötigt. Zu behaupten, diese Bausteine gebe es schon in den Staubscheiben, aus denen später die Planeten entstehen, ist daher nicht so unrealistisch. Astronomische Beobachtungen und Spektralanalysen bestätigen das für Staubscheiben anderer Sternensysteme. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit machte unser Sonnensystem dabei keine Ausnahme, als es vor 4,6 Milliarden Jahren aus einer solchen Wolke entstand. Doch wie und wann gelangten die organischen Bausteine auf die Erde? Und wie sah es hier aus?
Aus der ganz frühen Phase, in der unser Planet von einem Glutball zu einem Gesteinsplaneten erkaltete, gibt es fast keine Überreste mehr. Lediglich winzige Zirkonkristalle, die vermutlich bis zu 4,4 Milliarden Jahre alt sind, deuten darauf hin, dass sich schon recht früh eine feste Kruste bildete. Gleichzeitig wurde die Erde deutlich häufiger Meteoriten getroffen als heute. Der Mond, der diesem Beschuss in gleicher Weise ausgesetzt war, belegt das eindrucksvoll, da seine Krater keiner Erosion ausgesetzt sind. Diese kosmischen Geschosse brachten vermutlich sowohl Wasser als auch organische Moleküle auf unseren Planeten.
Wie die Land- und Wasserflächen in der Urzeit verteilt waren, ist ebenso unbekannt wie etwa die für chemische Reaktionen sehr wichtige Temperatur. Daher hat die Gruppe Modelle berechnet, in denen sie die wichtigsten Parameter der sich entwickelnden Erdkruste über einen großen Bereich variieren. Sicher gab es damals wie heute eine weite Größenverteilung der Wasserflächen.
Die Grafik zeigt die vielen Einflüsse, die in solchen Kleinstgewässern auf chemische Verbindungen einwirkten.
© Mc Master University
Große Seen und Meere eigneten sich vermutlich nicht als Brutstätten der RNA, weil die Vorläuferstoffe konzentriert vorliegen müssen, damit sie miteinander reagieren können. Hingegen waren kleine Tümpel mit wenigen Metern Durchmesser und gerunger Tiefe nach dem Modell optimal: Sie waren groß genug, um nicht zu schnell auszutrocknen, und klein genug, um rasch eine hohe Nukleobasen-Konzentration zu ermöglichen. Schon tut sich die nächste Frage auf: Wie haben die Biomoleküle die zersetzenden Angriffe überstanden? Im Wasser bedrohte sie die Elektrolyse, im Freien die intensive UV-Strahlung der Sonne.
Nun, schon in einem Meter Wassertiefe werden 95 Prozent der UV-Strahlung absorbiert. Ein mit den Jahreszeiten schwankender Füllstand der Tümpel durch Regen und Austrocknen durch Verdunsten und Versickern scheint nach den Szenarien optimal gewesen zu sein. Die Zyklen, in denen flache Teiche erst austrocknen und dann wieder mit Wasser gefüllt werden, begünstigten möglicherweise die Entstehung längerer RNA-Ketten.
In den Modellen wurden aber auch die idealen Größen der Meteoriten und ihre Einschlagsrate ermittelt. Sind sie zu klein, verglühen sie vollständig in der Atmosphäre, sind sie zu groß, schlagen sie mit zu großer Wucht auf. Das Optimum waren Meteoriten im Größenbereich zwischen 40 und 80 Meter Radius.
Der genannte Bereich ist zwei- bis viermal so groß wie der Meteorit, der im Februar 2013 über der russischen Stadt Tscheljabinsk explodierte. Wie dieses Ereignis eindrucksvoll demonstrierte, erreichen Meteorite dieser Größenordnung nicht unversehrt den Erdboden. Sie zerbrechen in viele kleine Fragmente und gehen über einem großen Bereich nieder. So können kleine, wenige Zentimeter große Splitter in den Tümpeln landen. Darin geben sie, abhängig von der Größe, innerhalb von Tagen bis Monaten die Nukleobasen ab. Nun müssen die Nukleotide und die daraus entstehenden RNA-Moleküle sich innerhalb weniger Jahre synthetisieren.
Diese Simulationen zeigen, dass Meteoriten eine ausreichende Menge an Nukleobasen zu Tausenden in kleine Teiche auf der Erde transportiert haben könnten und damit die Entstehung von RNA-Molekülen in mindestens einem dieser Teiche anstießen. Die RNA-Welt könnte innerhalb von 200 bis 300 Millionen Jahren entstanden sein, nachdem die Erdoberfläche bewohnbar geworden war, also vor mehr als vier Milliarden Jahren.
Basierend auf dem, was über die Planetenbildung und die Chemie des Sonnensystems bekannt ist, wurde von der Forschergruppe ein konsistentes Szenario für die Entstehung des Lebens auf der Erde vorgeschlagen. Jetzt muss in Experimenten herausgefunden werden wie das Leben unter diesen ganz spezifischen frühen Bedingungen tatsächlich entstanden sein könnte.
Denn die Nukleobasen sind nur ein erster Schritt. Weitere Prozesse sind nötig, wie die Entstehung von komplexen RNA-artigen Molekülen, von Zellmembranen und schließlich die Bildung der DNA-Protein-Welt heutiger Organismen.
Wenn es um chemische Experimente zur Entstehung des Lebens geht, darf das berühmte Miller-Urey-Experiment aus den 50ern nicht fehlen. Stanley Miller und Harold Clayton Urey hatten in einem Reaktionsgefäß einfache chemische Substanzen unter einer hypothetischen frühen Erdatmosphäre elektrischen Entladungen ausgesetzt, um die Energiezufuhr durch Gewitterblitze nachzubilden. Nach einiger Zeit konnten sie mit einem Chromatografen organische Moleküle nachweisen, darunter auch Aminosäuren.
Evolution im Labor:
Zusammen mit Harold Clayton Urey gelang es Stanley Miller (im Bild) in den 1950er-Jahren,
in einem Reaktionsgefäß organische Moleküle zu erzeugen, darunter auch Aminosäuren.
Das berühmte Experiment inspiriert Forscher heute zu weiterführenden Versuchen.
Allerdings gehen Forscher heute davon aus, dass die Uratmosphäre der Erde anders zusammengesetzt war, als von Miller und Urey angenommen. Sie enthielt weniger Methan, stattdessen mehr Wasserstoff, Kohlendioxid, Stickstoff und Wasser. Unter diesen Bedingungen war die Synthese der für die RNA notwendigen Bausteine wahrscheinlich schwieriger.
Das es wohl trotzdem möglich war, besprechen wir im abschließenden Teil der Artikelserie.
Quelle:
Ben K. D. Pearce, Ralph E. Pudritz, Dmitri Semenov, Thomas K. Henning. Origin of the RNA World: The Fate of Nucleobases in Warm Little Ponds. Proc. Nat. Acad. Sci,114,11327 (2017). Die Arbeit ist unter https://arxiv.org/pdf/1710.00434.pdf frei zugänglich.
Weiterführende Links:
Ursprung des Lebens (02.07.2018) Podcast, 22:45 min. https://www.mpg.de/podcasts/ursprung-des-lebens
Heidelberg Initiative for the Origins of Life – HIFOL. http://www.mpia.de/HIFOL