Evolution oder Schöpfung




Religion, Esoterik, Verschörungstheorien und andere Dinge.

Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Do 1. Apr 2021, 08:43

Rezension: Das Leben: Reiner Zufall (2019) (mit Video, 16:17min, engl.)

Link zur gleichnamigen Broschüre:
https://wol.jw.org/de/wol/d/r10/lp-x/1102010241

Diese Broschüre wollte ich eigentlich erst so viel später bearbeiten, aber ich habe gerade ein so gutes Video gesehen, dass genau auf diese eingeht und die "Fakten" Stück für Stück widerlegt gesehen, dass ich es sofort online stellen wollte.

Jehovah's Witnesses' Evolution - Debunked


https://m.youtube.com/watch?v=2wKrd1dl--M

Eigentlich sollte ja jetzt kein Video folgen, da auf dieser Beitragsseite schon so viele sind, aber seht es einfach als Auftakt für eine Reihe an Rezensionen, die in den nächsten Wochen folgen werden.

Und ich muss mich mit der Broschüre nicht selbst rumschlagen.

(Ey, wir haben es tatsächlich geschafft. Das Thema (8572 Klicks) hat Chuck Norris (8526 Klicks) abgehangen. Nächstes Ziel "Lösung: Firefox müllt RAM voll" (12179 Klicks) überfügeln. Es fehlen noch schlappe 3607 Klicks. Das sind 132 weniger als beim 10-Jahres-Spezial (12170-8425=3745) bzw. 463 weniger als zum Jahresanfang (12136-8166=4070).)
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"If the biggest problem that you're having in the twenty-first century involves
what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
priorities." - Forrest Valkai


("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
Erwachsener mit deren Einverständnis machen, musst du möglicherweise deine
Prioritäten neu bewerten.")

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von Anzeige » Do 1. Apr 2021, 08:43

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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Di 6. Apr 2021, 20:19

Rezension: Jw.org - Wie hat alles angefangen?

https://www.jw.org/de/biblische-lehren/wissenschaft/wie-hat-alles-angefangen/

Ach, die Zeugen ... Meister der Rhetorik. Nicht so wirklich Meister der Fakten, aber Meister der Rhetorik.
Auf ihrer Webseite kann man das gern nachschauen. Den Link findet ihr gleich unter der Überschrift, die den Titel des zu renzensierenden Artikels enthält. Es ist eine Überarbeitung eines Artikels aus dem Erwachet Januar 2015.
Kostprobe gefällig?
Wie würden Sie den folgenden Satz vervollständigen?

DAS LEBEN ENTSTAND DURCH ...

EVOLUTION

SCHÖPFUNG

Überraschung: Keines von beiden stimmt. Evolution, als die Evolution, wie sie in der Biologie verstanden wird, kann nicht Ursache der Lebensentstehung gewesen sein, da sie nur mit Lebewesen funktioniert. Die chemische Evolution, die bei Kreationisten mit der biologischen in einen Topf geworfen wird, werde ich einmal an anderer Stelle erläutern. Wissenschaftlich orientierte Personen, werden also Evolution sagen, Wissenschaftler werden differenzierter Antworten.

Tatsache ist aber auch, dass Sätze, die mit "Tatsache ist ..." beginnen, dennoch am Ende einen verdrehten Sinn ergeben können. Natürlich stellen Naturwissenschaftler die Evolutionstheorie infrage. Das ist deren Job. In der Wissenschaft wird nichts als gegeben hingestellt, sondern mit jedem neuen Experiment auf Herz und Nieren geprüft. Ulkigerweise hat die Evolutionstherie bislang jede Prüfung absolviert, wurde hier und da angepasst, Einzeltheorien umgewichtet und den neuen Erkenntnissen untergeordnet. Das alles findet in dogmatischen Glaubenssystemen nicht statt.
Auch Gerard Hertel macht da keine Ausnahme.
Rama Singh wurde ebenfalls schon uminterpretiert, schrieb dazu dann aber einen offiziellen Brief im Netz: "Contrary to what you imply, I do not support a creationist view, nor do I suggest that even a minority of scientist support such a view. Anyone who reads my article can see that I fully support the theory of evolution (Sign 2011) ... Your misquotation amounts to intellectual dishonesty and reflects on your character and dignity as editor as well as a man of God. I can unterstand that you do not accept evolution as an explanation for the biodiversity on this planet, but I cannot unterstand why you whould knowingly misuse a scientist's work to make him appear supporting the creationist point of view."
Übersetzung: "Im Gegensatz zu dem, was Sie meinen, unterstütze ich weder eine kreationistische Sichtweise, noch schlage ich vor, dass selbst eine Minderheit von Wissenschaftlern eine solche Sichtweise unterstützt. Jeder, der meinen Artikel liest, kann sehen, dass ich die Evolutionstheorie voll und ganz unterstütze (Singh 2011) ... Ihr falsches Zitat ist eine intellektuelle Unehrlichkeit und spiegelt Ihren Charakter und Ihre Würde als Herausgeber sowie als Mann Gottes wider. Ich kann verstehen, dass Sie die Evolution nicht als Erklärung für die Artenvielfalt auf diesem Planeten akzeptieren, aber ich kann nicht verstehen, warum Sie die Arbeit eines Wissenschaftlers wissentlich missbrauchen, um diesen den kreationistischen Standpunkt unterstützen zu lassen."

Wie kam also die Wachtturm-Gesellschaft auf diese Idee? In dem Artikel, den Singh angibt, schreibt er viel über die Ursachen, warum Evolutionstheorie nicht gleich Quantenmechanik oder dergleichen ist. Und er meint damit nicht, dass sie unwissenschaftlich wäre, sondern dass es in der breiten Öffentlichkeit im Gegensatz zu physikalischen Theorien keine Übereinkunft, kein einheitliches Bild gibt. Er sucht die Ursachen darin aber nicht im Intellekt der Personen, die die unterschiedlichen Sichtweisen unterstützen und auch nicht in der Religion. Er sagt auch ganz klar, warum auch "schlaue" Leute, die Evolutionstheorie ablehnen oder für eine unbefriedigende Antwort halten (#1). Seine Antwort: Sie verstehen sie schlichtweg nicht.
Es ist ein Fehler anzunehmen, nur weil jemand einen Doktortitel hat oder Professor ist, hätte er die Weisheit mit Löffeln gefressen. Er ist aber im Gegensatz zu Superhelden-Genies im Marvel- oder DC-Universum kein Universalgenie, sondern Spezialist auf irgendeinem Gebiet. Und das muss nicht mal periphär irgendwie die Biologie streifen.
Gerard Hertels Zitat verliert ebenfalls an Gewicht, beachtet man, dass er ein Zeuge Jehovas ist und die Frage um Evolution oder Schöpfung gar nicht unbefangen beantworten kann und selbstverständlich nur dann im Erwachet erscheinen kann, wenn er die Position desselben unterstützt. Warum sollte der Erwachet auch etwas abdrucken, was nicht der Werbung neuer Mitglieder dienlich ist?
Dass Gerard bereits seit 2001 in den Ruhestand gegangen ist, wird auch nicht erwähnt und dass er davor 35 Jahre an der Universität von Wisconsin lehrte auch nicht. Warte mal, dann hat der seinen Abschluss ja schon 1975/1976 gemacht. Selbstverständlich war die Molekularbiologie bei weitem nicht so weit, wie sie es heute ist. Es gab nicht ein einziges vollständig sequenziertes Genom. Man wusste um den Aufbau von Molekülen, konnte das Urey-Miller-Experiment nachstellen und immer wieder bestätigen und man hatte einen riesigen Fundus an Fossilien. Mit deutlich weniger haben Darwin und Wallace die Theorie der Mutation und der Selektion aufgestellt und daraus die Evolutionstheorie unabhängig voneinander hervorgebracht. Was machen also tausende Forscher falsch, wenn sie an die Evolution "glauben"?

Gehen wir den Fragen nach, die der Artikel stellt. "Wie hat das Leben angefangen?" ist die erste davon.

Aktuell gibt es noch eine große Kluft zwischen Leben und Nicht-Leben. Aber es gab auch Klüfte zwischen Kambrium und Prä-Kambrium und mit jedem neuen Fossil werden diese Lücken kleiner. Der Vorläufer der heutigen DNA kann die RNA gewesen sein, dazu habe ich in der DNA-Serie geschrieben:
... 055, 13.10.2018: Rezension: Die DNA: Bibliothek des Lebens - Teil 5: Mögliche Entwicklung und Vorläufer der DNA (2013).
Und auch für die RNA gibt es mögliche Vorläufer und selbstverständlich wird dieses Wissen nie 100% valide sein. Kann es nicht. Dafür muss es beobachtet worden sein. Aber der verpackte Erwartungsdruck eines Beweises fühlt sich schon komisch an, wenn in den letzten 3500 Jahren (also von Mose bis heute) für die Behauptung, Gott habe alles geschaffen nicht nur keine Beweise erbracht wurden, sondern mitunter behauptet wird, sie seien nicht notwendig, um zu glauben.
Funfact: Die Wissenschaft, und diese Bemühungen werden hier sogar kurz angerissen, bemüht sich wenigstens um einen solchen Beweis, bzw. wissenschaftlich korrekter, um eine Bestätigung der zugrundeliegenden Mechanismen.
Und natürlich werden verschiedene Möglichkeiten in Betracht gezogen, ob nun Vulkane, Meeresböden oder aus den Weiten des Alls. Man schöpft die naturalistischen Möglichkeiten aus, bevor man sich Zauberei hingibt. Genau damit war Wissenschaft in den letzten 400 Jahren seit der Emanzipation von den Religionen so verdammt erfolgreich. Das nennt sich Falsifizierbarkeit. Das können Theologie und Kreationimus beides nicht bieten.

Es ist daher unerheblich, wie komplex der genetische Code ist oder ob Wissenschaftler bereits Fragen diesbezüglich empirisch beantworten können. Es ist auch egal, wie komplex die Struktur von Zellen ist und wie sie gefaltet sein müssen. Nicht egal ist es jedoch, wenn man Leute wie Paul Davies vor den kreationistischen Karren zieht, als wäre er selbst einer, man aber von ihm auch Paper im Netz findet, in denen er Krebs als evolutionären Atavismus einzelligen Lebens bezeichnet, also eine vererbte Eigenschaft aus der Frühzeit des sich entwickelnden Lebens.
Der Physiker Paul Davies schreibt dazu: "Da eine funktionierende Zelle Tausende unterschiedliche Proteine erfordert, ist es unlogisch anzunehmen, dass diese ausschließlich ein Produkt des Zufalls sind."

So wird er zitiert. Man beachte, dass er die Proteine keinen AUSSCHLIESSLICHEM Zufall zuspricht. Und da ist ein weiterer Denkfehler. Evolution ist nicht gleich Zufall. Die Entstehung neuer Merkmale durch Mutation ist es sehr wohl. Die Selektion aber hat ihre Regeln. Es ist nicht bloßer Zufall, welches Lebewesen überlebt, auch wenn unvorhergehenes, wie z.B. ein Virus oder ein Asteroid, auch zufällig die besser Angepassten treffen könnte.

Auch wie komplexe Zellen entstanden sind, lässt sich an Modellen ganz gut erklären. Zum Beispiel bei den Mitochondrien. Die führen ihre eigene DNA mit, was darauf schließen lässt, dass dies mal eigenständige Wesen waren, assimiliert wurden und nun als "Kraftwerk" fungieren. Bereits durch die Assimilierung wird die Zelle komplexer und deutlich effizienter. Die erste Arbeitsteilung der Weltgeschichte: Einer frisst, der andere übernimmt die "Verdauung" und Umsetzung der Energie, beide profitieren.


Schematische Darstellung der Endosymbiontentheorie (#2) (schwarz: Zell- oder Organellmembran; rosa: eukaryotische DNA; grün: cyanobakterielle DNA; rot: proteobakterielle oder mitochondriale DNA).


Ebenso ein rhetorischer Kniff ist es, den wissenschaftlichen Konsens als "WAS EINIGE SAGEN" zu bezeichnen. Gut, gesehen auf die Gesamtbevölkerung dieses Planeten sind es definitiv nur "einige", aber der wissenschaftliche Diskurs beschäftigt sich nicht damit, OB komplexes Leben aus einfachen Zellen entstanden ist, sondern WIE. Und freilich ist die einzig bislang solide Antwort "durch Mutation". Der Komplexitätsgrad hat wieder keine Relevanz für die Aussage selbst, denn die Alternative versucht gar nicht erst zu erklären.
Wie es das Schaubild zeigt, sind Zwischenschritte ein gangbarer Weg und ich habe dies in diesem Forum immer wieder an einzelnen Beispielen aufgezeigt. Dinge, die wir heute so sehen, müssen nicht immer schon so gewesen sein. Das gilt für die Form und die Position der Kontinente genauso, wie für Lebewesen und bis Wegeners und Darwins Theorien auf der Weltbühne erschienen, wollte man nicht so recht an die Veränderlichkeit der Welt glauben. Aber so ist es nunmal.
Über die Chemische Evolution wird ein separates Stück geben, irgendwann anders.

Warum der Bauplan, wann aktiv wird, damit Lebewesen aussehen wie ihre Eltern, ist auch aktuelle Frage der Wissenschaft, die dabei Stück für Stück voran kommt. Ich kenne tatsächlich den aktuellen Stand der Forschung nicht, werde das aber schnellstmöglich nachholen.
Der nächste Absatz gesteht die Artentwicklung ein, verdreht aber Aussagen. Tiere "verwandeln" oder "entwickeln" sich ja nicht aus Jux und Tollerei in eine andere Art. Zumal es hier klingt, als würde aus einer Katze ein Hund werden oder umgekehrt. Das ist ja nicht der Fall. Der Artübergang ist ja graduell, veränderte Nachkommen von ihren Vorfahren kaum zu unterscheiden, so wie Kinder oft ihren Eltern ähnlich sehen, mit zunehmenden Generationsunterschied aber immer stärker von ihren Vorfahren abweichen.
Michael Behe ... eine weitere schwierige Quelle. Selsbtverständlich wird dieser Intelligent Designer vor den Karren gespannt, wenn es um die Verteidigung kreationistischer Ansichten geht. Sein Auftauchen in diesem Text ist also nicht sonderlich überraschend. Aber seine Ansichten unterstützen nicht wirklich, die Aussage des Absatzes in dem er steht. Glaubt ihr nicht? Schauen wir mal rein:

"Evolution is a controversial topic, so it is necessary to address a few basic questions at the beginning of the book. Many people think that questioning Darwinian evolution must be equivalent to espousing creationism. As commonly understood, creationism involves belief in an earth formed only about ten thousand years ago, an interpretation of the Bible that is still very popular. For the record, I have no reason to doubt that the universe is the billions of years old that physicists say it is. Further, I find the idea of common descent (that all organisms share a common ancestor) fairly convincing, and have no particular reason to doubt it. I greatly respect the work of my colleagues who study the development and behavior of organisms within an evolutionary framework, and I think that evolutionary biologists have contributed enormously to our understanding of the world. Although Darwin's mechanism – natural selection working on variation – might explain many things, however, I do not believe it explains molecular life. I also do not think it surprising that the new science of the very small might change the way we view the less small."
- Darwin's Black Box, pp 5–6.

Hervorhebung von mir.
Aber das er annimmt, die heutigen Lebewesen hätten einen gemeinsamen Vorfahren ... Kann ja ein Ausrutscher gewesen sein.
"For example, both humans and chimps have a broken copy of a gene that in other mammals helps make vitamin C. ... It's hard to imagine how there could be stronger evidence for common ancestry of chimps and humans. ... Despite some remaining puzzles, there's no reason to doubt that Darwin had this point right, that all creatures on earth are biological relatives."
- The Edge of Evolution, pp. 71–72

Hey, darüber schrieb ich doch auch schon:
... 022, 28.12.2017: Vitamin C - Fehlende Synthetisierung als Selektionsvorteil
Offenbar ist Behe dieser Umstand bekannt und er zweifelt die erarbeiteten Daten diesbezüglich nicht an. Die Evolutionsmechanismen sind für ihn also eindeutig real, Artenübergang, die Entwicklung des Lebens gar nicht diskutabel.
Und genauso muss man auch den letzten Satz des Absatzes lesen: "In der Frage, wie sich eine solche Komplexität ohne Einwirkung von Intelligenz herausbilden konnte, sei man jedoch überhaupt nicht weitergekommen." Michael Behe versucht die theistische Evolution in wissenschaftlichem Gewand zu kleiden. Er nimmt die Entwicklung von Arten hin, belegt sie sogar (Vitamin C) und geht völlig einher mit der Aussage, dass es einen gemeinsamen Ursprung gibt. Er sagt lediglich, dass Gott das ganze lenkt. Auch wenn er ihn nicht so nennt. Dieser Mann stützt also mitnichten die Position dieses Erwachet-Artikels. Aber diese Taktik kennen wir ja schon. Leider.

Zum Bewusstsein hatte ich auch schon einmal etwas:
... 075, 07.11.2020: Video: Wie entstand unser Bewusstsein? (feat. Simplicissimus) (8:35 min)
... 076, 25.11.2020: Video: Wie Elon Musk unser Gehirn aufrüsten will (feat. kurzgesagt) (10:36 min)

Denken und Schlussfolgern sind keine rein menschlichen Eigenschaften, Selbsterkenntnis offenbar auch nicht.
... 063, 02.07.2020: Video: Eine überschätzte Spezies -ARTE (29:59 min)

Auch die hochbeschworenen sittlichen Werte, die offenbar recht schnell auch ausgeschaltet werden können, sind nicht von weit her.
Wir haben uns in Millionen Jahren zu sozialen Tieren entwickelt, die sich gegenseitig unterstützen, um das gemeinsame Ziel "Überleben" zu sichern. Diese einfache Theorie erklärt bereits einen großen Teil der Moral und des Lebenszweckes, den wir sehen, ohne dass uns eine göttliche Gegenwart offenbart werden muss. Ich bin irgendwie gegen den Gedanken, dass der Mensch zu blöd ist, moralisch zu handeln, wenn kein Gott eingreift. Ich brauche keine Religion um zu wissen, dass Mord falsch ist. Beachten wir bitte auch, dass es Gesetzessammlungen gibt, die, je nach Datierung des Auszugs aus Ägypten und der Wüstenwanderung, Jahrhunderte vor Moses 10 Geboten datiert werden:
  • etwa 2370 v.u.Z Reformtexte des Urukagina (Uruinimgina: Sumer, Mesopotamien)
  • etwa 2100 v.u.Z Codex Ur-Nammu (Ur-Nammu, Urnammu, Ur-Namma; Sumer, Mesopotamien)
  • etwa 1930 v.u.Z Codex Lipit-Ištar (Lipit-Ištar, Babylonien, Mesopotamien)
  • 18. Jahrhundert v.u.Z Codex Ešnunna (Babylonien, Mesopotamien)
  • etwa 1750 v.u.Z Codex Hammurapi (Hammurapi, Babylonien, Mesopotamien)
  • 1749 bis 1712 v.u.Z Edikt des Šamšu-iluna (Babylonien, Mesopotamien
  • etwa 1630 v.u.Z Edikt des Ammi-ṣaduqa (Babylonien, Mesopotamien).
  • 1500 bis 1200 v.u.Z Hethitischen Gesetze (Hethiterreich, Anatolien)
  • 13. Jahrhundert v.u.Z Erlass des Tudhalija IV. (Verfassung des Tudhalija; Hethiterreich, Anatolien)
  • 12. Jahrhundert v.u.Z Mittelassyrischen Gesetze (Assyrien, Mesopotamien)
Ich habe kein Problem damit, wenn Menschen ihre moralische Führung oder ihren Lebenssinn in der Bibel suchen, aber ich finde es etwas befremdlich, wenn sie eindeutig unmoralische Teile davon ignorieren (http://skepticsannotatedbible.com/int/long.html).
Die Suche nach einer übergeordneten Instanz für die moralischen Werte, ein universelles Richtig oder Falsch setzt Gott ja bereits voraus, ohne ihn jedoch zu beweisen.

Ich kann dem rezensierten Artikel nur zustimmen: "Es lohnt sich, die Antwort selbst zu prüfen"

Antony Flew, war tatsächlich lange Zeit aktiver Atheist, der alte Denkansatz führt aber, entgegen der Implizierung des Artikels, nicht zu dem Gott, den die Wachtturm-Gesellschaft gerne hätte.

"My one and only piece of relevant evidence [for an Aristotelian God] is the apparent impossibility of providing a naturalistic theory of the origin from DNA of the first reproducing species... [In fact] the only reason which I have for beginning to think of believing in a First Cause god is the impossibility of providing a naturalistic account of the origin of the first reproducing organisms."
- The Secular Web (#4)

Das Universum hat damit also erstmal herzlich wenig zu tun, ein aktiver Gott übrigens auch nicht.

"I'm quite happy to believe in an inoffensive inactive god."
- Humanist Studies (#5)

Antony Flew war ab seiner Abkehr vom Atheismus bis zum Tod Deist. Dieser deistische Gott sei nicht mit dem christlichen, jüdischen oder islamischen Gott identisch und interessiere sich nicht für den Glauben der Menschen oder deren Tun. Oder mit den Worten Flews:

"[Islam is] best described in a Marxian way as the uniting and justifying ideology of Arab imperialism."
- Habermas 2004 (#6)

Oder das hier. Auch ganz nett:
""I'm thinking of a God very different from the God of the Christian and far and away from the God of Islam, because both are depicted as omnipotent Oriental despots, cosmic Saddam Husseins".
- Interview mit Richard N. Ostling (#7)

Flew ist also nicht wirklich eine Referenz für den Glauben an eine biblische Schöpfung. Übrigens auch nicht für ein Leben nach dem Tod, eine Auferstehung und für die Behauptung Gott wäre gut (siehe letztes Zitat). Und wie Hertel bei der Erforschung von Insekten, die zwar sehr alt sind, aber eben nicht am Anfang des Lebens stehen, als Fachmann für chemische Evolution herhalten soll, ist mir auch schleierhaft. Hertel verfällt im Grunde ebenso wie es jedem gehen kann, dem kosmologischen Gottesbeweis. Weil da etwas ist, muss es jemand geschaffen haben.

Aber auch das, hatte ich schon einmal erörtert:
... 018, 13.12.2017: Grundlagen: Gottesbeweise - Teil 1: Die klassischen Gottesbeweise

Der Rest ist im Grunde wieder die alt bekannte Werbung für die Bibel, deren Aussagen von der Mehrheit der hier zitierten Personen nicht so ausgelegt, bzw. sogar offen widersprochen wird. Es bleibt daher nicht viel übrig vom Artikel, außer den bekannten Bibelstellen, die sich alle auf den kosmologischen Gottesbeweis berufen. Unter dem Abschnitt "Es lohnt sich, die Antwort selbst zu prüfen" kommen sowohl Antony Flew als auch Professor Hertel noch einmal vor. Ihre "Expertise" soll uns zu dem Schluss führen, dass diese beiden cleveren Leute aus dem großen Pool der Wissenschaftler und Philosophen ja nicht irren können. Sie haben sich eingehend mit der sie umgebenden Natur und den physikalischen Gesetzen beschäftigt und sind dann zu dem Schluss gekommen, dass eine höhere Intelligenz dahinter stehen muss. Warum die Mehrheit der Naturwissenschaftler Gott nicht aus ihren Beobachtungen ableitet, wird uns nicht verraten. Das würde auch nicht ins Bild passen. Aber Selberdenken ist auch nicht in der gleichen Kategorie wie der wissenschaftliche Konsens (siehe hier: Ich denke halt noch selber!)
Außerdem hat die Überschrift nichts mit dem Text danach zu tun. Wie prüfe ich denn nun, wer recht hat? Indem ich einfach diesen beiden in ihrer Argumentation folge (die hier übrigens einfach mit "Alles ist so geordnet und ich kann mir keinen natürlichen Prozess vorstellen, der das bewerkstelligen kann, also gibt es ihn auch nicht." zusammengefasst werden kann)? Dann renne doch wieder nur anderen hinterher. Professor Hertel wird ja wie folgt zitiert: "Ich habe keinen Beweis dafür gefunden, dass das Leben aus unbelebter Materie von selbst entstanden ist." Und weiter? Welchen Beweis hat er denn für Gottes Wirken entdeckt? Hat er Fotos aus der Zeit der Schöpfung, die niemand sonst kennt? Es gibt keine Beweise für A, deshalb glaube ich B, obwohl dafür auch nichts vorliegt? Was ist denn das für ein Vorgehen?
Ob ich zufrieden mit den (vorläufigen) Antworten der Wissenschaft oder den Antworten (bzw. der Auslegung) der Bibel bin, ändert doch nichts daran, ob etwas wahr ist oder nicht. Wie sehr jedoch die Bibel mit wissenschaftlichen Tatsachen übereinstimmt, wie es der anschließende Kasten "Schon gewusst" schreibt, könnt ihr in über 100 Artikeln hier und im Thread "Kritisches Denken" nachlesen. Die Ausbeute ist für ein göttlich inspiriertes Werk schon recht dürftig.
Dass die Bibel die wörtliche Auslegung der Genesis ablehnt, wird nicht mit irgendwelchen Bibelstellen belegt. Die hier dargestellte Zeitalter-Erklärung heißt in Fachkreisen "Konkordanzhypothese". Die Vertreter dieser (übrigens kreationistischen) Richtung berufen sich auf das Wort "yôm" in der hebräischen Bibel, welches nach ihrer Ansicht im Kontext der Genesis zur Bedeutung "Zeitalter" gedehnt werden könne. Natürlich kann das Wort hebräische Wort "yôm", das hier mit Tag wiedergegeben wird, eine unbestimmte Zeitspanne sein. Dazu gehört es aber auch dieses Wort im Kontext zu lesen, wie Sprachwissenschaftler bestätigen. Allerdings lässt die Formulierung "es wurde Abend und wieder Morgen" recht wenig Spielraum für diese Idee. Und wenn Gott Zeitalter gemeint hat, dann hätte er bei der Übersetzung seinen "Heiligen Geist" über den Übersetzern kreisen lassen sollen, damit es korrekt übersetzt wird. Man kann einem Zweifler aufgrund dieser Wortwahl und Formulierung ja dann auch nicht vorwerfen, er verstehe es falsch. Der Wortsinn selbst lässt (zunächst) nur diese Interpretation zu: 24-Stunden-Tage.

Weiter oben im rezensierten Text lesen wir ja auch, dass Wissenschaftler auch nach jahrelanger Forschung gar nicht so recht wissen, wie sie Leben beschreiben, abgrenzen sollen. Was ist Leben? Doch im letzten Kasten sehen wir, dass Leben nur aus Leben kommt mit folgendem Vers begründet: "Bei dir [Gott] ist der Quell des Lebens" (Psalm 36:9). Also lebt Gott? Ist das Leben? Leben reproduziert sich. Das Produkt ist nach einer entsprechenden Reifungsphase dem Erschaffer ebenbürtig. Das Kind einer Katze wird zu einer ausgewachsenen Katze, die auch wieder reproduzieren kann. Leben reproduziert sich selbst. Wenn Gott also lebt, müsste er in der Lage sein, etwas zu erschaffen, dass ihm gleichwertig ist. Leben interagiert mit der Umgebung. Wie macht Gott das? Leben hat einen Energie- und Stoffwechsel. Was und wie verdaut Gott? Wir könnten solche Fragen für alle derzeitigen Definitionsbegriffe für Leben suchen.

  • Energie- und Stoffwechsel und damit Wechselwirkung der Lebewesen mit ihrer Umwelt.
  • Organisiertheit und Selbstregulation (Homöostase).
  • Kommunikation, Lebewesen koordinieren und organisieren alle Lebensprozesse mit Signalen.
  • Reizbarkeit, das heißt Lebewesen sind fähig, auf chemische oder physikalische Änderungen in ihrer Umwelt zu reagieren.
  • Fortpflanzung, das heißt Lebewesen sind zur Reproduktion fähig.
  • Vererbung, das heißt Lebewesen können Informationen (Erbgut) an ihre Nachkommen übermitteln.
  • Wachstum und damit die Fähigkeit zur Entwicklung.
Und selbst wenn diese Definition von Leben nicht stimmt, immerhin wird dies den Wissenschaftlern im rezensierten Text (Absatz 2 unter Teilüberschrift "Wie hat das Leben angefangen?") abgesprochen, wie kann man dann sagen, dass Gott lebt? Und wie kann man dann sagen, dass Leben nur aus Leben kommt?
Ein unvollkommenes Erdenwesen erzeugt bei der Vermehrung ein Individuum gleichen Ranges. Es steht nur in der Phase der Erziehung unter dem Elterntier. Was sagt uns dass über Jesus, der ja Sohn Gottes sein soll? Wann endet seine Reifephase?

Das der Artbegriff in der Bibel nicht genau erklärt wird, lässt nicht Raum für Variation in den Arten, es lässt Raum für pseudowissenschaftliche Behauptungen, was eine Art sein soll. Vage Aussagen machen weniger angreifbar, aber sie sind deswegen nicht richtig. Großkatzen und Kleinkatzen haben eine genetische Gemeinsamkeit von "lediglich" 95 %. Dennoch gehen die meisten Kreationisten damit einher, dass Wissenschaftler diese in einer Gattung zusammenfassen und innerhalb dieser untergliedern. Der mittlere Unterschied ("mean nucleotid divergences") beträgt 1,75 % zwischen Gorilla und Mensch und 1,37 % zwischen Mensch und Schimpanse (#8). Hier aber darf man nicht von der gleichen Gattung sprechen. Woran macht man also eine Art fest, wenn sogar die Genetik gegen die Deutung der Wachtturmgesellschaft spricht?

.


Bleibt zum Schluss zu sagen:
Die Methodik, wie hier "Fakten" generiert werden, behagt mir nicht.

#1 - Darwin's legacy: why biology is not physics, or why evolution has not become a common sense
Rama S Singh. Genome. 2011 Oct.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21942430/

#2 - Die Endosymbiontentheorie (altgriechisch éndon 'innen' und symbíōsis 'Zusammenleben') besagt, dass Eukaryoten (sind eine Domäne der Lebewesen, deren Zellen (Eucyten) einen echten Kern und eine reiche Kompartimentierung (verschiedenartige Räume innerhalb einer Zelle bezeichnet) haben) aus einer Endosymbiose prokaryotischer Vorläuferorganismen hervorgegangen sind. Demnach sind chemo- und phototrophe Bakterien von Archaeen aufgenommen worden, in denen sie sich zu Zellorganellen ihrer Wirtszellen entwickelt haben, darunter Mitochondrien und Plastiden. Allerdings gibt es auch Eukaryoten, die weder Zellatmung noch Photosynthese betreiben und keine derartigen Organellen haben, wobei angenommen wird, dass diese Zellbestandteile nachträglich verloren gegangen sind.

#3 - Behe, Michael (October 29, 1996). "Darwin Under the Microscope". The New York Times (Final ed.). p. A25. Retrieved November 2, 2007.

#4 - Richard Carrier. "Antony Flew Considers God...Sort Of". The Secular Web. Archived from the original on 21 May 2014 (Archivlink zuletzt aufgerufen von mir am 25.03.2021).

#5 - Duncan Crary. "No longer atheist, Flew stands by "Presumption of Atheism"". Humanist Studies. Archived from the original on 19 July 2007 (Archivlink zuletzt aufgerufen von mir am 25.03.2021).

#6 - Habermas, Gary R. (9 December 2004), "My Pilgrimage from Atheism to Theism: An Exclusive Interview with Former British Atheist Professor Antony Flew", Philosophia Christi, Biola, 6 (2), archived from the original on 30 October 2005.

#7 - Ostling, Richard N. (10 December 2004), Atheist Philosopher, 81, Now Believes in God, Mail archive, Associated Press.

#8 - Aylwyn Scally et al.: Insights into hominid evolution from the gorilla genome sequence. In: Nature. Band 483, 2012, S. 169–175, (hier: S. 170), doi:10.1038/nature10842
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Di 13. Apr 2021, 11:33

Rezension: Jw.org - Die Schöpfung: Wie es wirklich war

https://www.jw.org/de/bibliothek/zeitschriften/g201403/schoepfung-wie-es-wirklich-war/

Auch dieser Online-Artikel war schon in einem Erwachet (März 2014).
Auf jedenfall ist die Überschrift schon mal ziemlich markig. Es ist ja nicht die erste Rezension in diesem Thread. Von daher erhoffe ich mir jetzt nicht wirklich sonderlich neue "Fakten", die mir die Schuhe ausziehen und mich von der Echtheit des biblischen Schöpfungsmythos überzeugen. Dafür hat die Wachtturm-Gesellschaft zu oft dieses Versprechen aufgestellt und es dann nicht gehalten. Stürzen wir uns also in die Textanalyse.

Bereits der zweite Satz enthält eine unbewiesene Annahme, nämlich dass Mose himself die Genesis verfasst hat und vor 3500 Jahren lebte. Die meisten Bibelwissenschaftler gehen von einer Entstehung und Fertigstellung des Pentateuchs um die 700-500 v.Chr. aus. Aber das tut dem Thema selbst ja keinen Abbruch.
Man distanziert sich in gewohnter Manier von Kreationisten und Fundamentalisten und erklärt deren wörtliche Auslegung sei der Grund, warum Leute annehmen, dass eine bronzezeitliche Erzählung über die Erschaffung der Welt ... nunja ... etwas realitätsfern anmutet.
Das sie als mythische Allegorie ausgelegt wird, liegt aber vermutlich nicht zuletzt daran, dass man auf 3 Seiten nicht viel mehr als eine literarische Kurzfassung von etwas so kompliziertem wie die Entstehung des Weltalls und die Entstehung von Leben packen kann. Wie die Schöpfung also genau erfolgt sein soll, steht demnach nicht einmal in der Bibel. Selbst wenn sie recht hätte.

Alle Punkte, die unter der Zwischenüberschrift des unerschaffenen Erschaffers zu finden sind, lassen sich nicht beweisen. Wie ein immaterielles, "geistiges" Wesen mit der materiellen Welt interagiert, wird ebenso wenig erklärt, wie der Umstand, dass es keine objektive Messvorrichtung gibt, die das bezeugen könnte. So bleibt Gott für jeden etwas von außen herangetragenes, dass aber nur persönlich und damit subjektiv "wahrnehmbar" ist. So schleichen sich die bekannten Fehler ein, gegen die nur gute Wissenschaft hilft. Diese versucht die subjektive Wahrnehmung durch Fallstudien, Messungen und Kontrollen unabhängiger Dritter zu gewährleisten. All diese Instanzen gibt es in der Religion nicht.
So kommt es auch zum Confirmation Bias, dem Bestätigungsfehler, wenn man ein Wesen vorraussetzt und Komplexität als sein Ergebnis ansieht. Das ist nicht die einzige Erklärung dafür, aber eine die nahe liegt und bequem ist. Auch für seine zeitliche Unbegrenztheit kann es prinzipiell keine Beweise oder Belege geben. Es wird auf ewig unbestätigt bleiben. Selbst, wenn seine Gläubigen einmal ewig leben sollten, gibt es keinen Grund zu glauben, dass er schon ewig existiert hat und ewig existieren wird. Beweisbar wäre dies erst am Ende der Ewigkeit. Und das könnte etwas dauern.
Das Gott einen Namen hat und ausgerechnet für das Menschengeschlecht sorgt, entspricht dem Gedanken, dass man sich den Gott schafft, der man selbst gern wäre bzw. den man gern an seiner Seite hätte. Ein mächtiger Beschützer und Versorger. Was könnte mehr Herzenswärme erzeugen? Katzenbabies vielleicht, aber das ist ein unfairer Vergleich, die gewinnen immer.

Wie lange die Erschaffung des Universums dauerte bzw. wie alt es ist, lässt der Artikel lieber aus und arbeitet weiter an der Distanzierung zum Jung-Erde-Kreationismus. Der ist ja nun leider nicht die einzige Variante, aber tatsächlich die, die am wenigsten mit den empirischen Daten in Einklang zu bringen ist. Das heißt natürlich nicht, dass die anderen kreationistischen Sichtweisen durch Auslassung von Erklärungen für irgendeinen Vorgang plausibler werden. Sie werden lediglich schlechter angreifbar. Nicht aber weil sie besser da stehen, sondern weil sie den Konflikt meiden.
In den Naturwissenschaften finden demnach grundsätzlich alle Göttervorstellungen mit all ihren getanen Wundern wenig Platz. Ob es ein Pantheon ist oder ein einziger Gott ist dabei ebenso unerheblich, wie der Zeitraum, in dem das stattgefunden haben soll. Durch das Weglassen der Erklärung für den Vorgang selbst entzieht man sich selbst aber auch die Beweisgrundlage. Man muss es einfach blind glauben, weil man es nicht prüfen kann.

Wie das Wort "Tag" nun auch immer übersetzt werden mag (die wiederholte Beschreibung "neuer Morgen ... neuer Abend" in 1. Mose Kapitel 1 lassen eigentlich wenig Raum für Spekulation), der Begriff "Tausende von Jahren" ist auch grob irreführend. Ich bin auch Tausende von Sekunden alt. Aber meine Altersangabe in dieser Form ist halt einfach schwammig. Demnach widerspricht diese Aussage auch nicht den "wissenschaftlichen" Daten meines Personalausweises, auf dem mein Geburtsdatum steht. Aber präzise ist die Aussage nicht, aussagekräftig auch nicht.

Dennoch zäumt man hier das Pferd von hinten auf. Das Universum ist 13 Milliarden Jahre alt, die Erde 4,5 Milliarden Jahre. Und das alles soll passiert sein, damit Adam vor ca. 6.000 Jahren hier rumspazieren kann? Auf dieser kleinen blauen Murmel, in den weiten des Sonnensystems, dass offenbar sehr lebensfeindlich ist, in einer Galaxie, die an den meisten Stellen soviel radioaktive kosmische Strahlung freisetzt, in einem Universum, dass an den meisten Stellen so unglaublich dünn besiedelt ist, dass man selbst mit der Geschwindigkeit einer Saturnrakete keine Galaxie mehr erreicht, da diese in unglaublicher Geschwindigkeit auseinanderdriften. Dieses riesige Universum das 90 Milliarden mal größer als unser bereits gewaltiges Sonnensystem ist nur zu unserer Unterhaltung geschaffen? Das wäre der Gipfel der Anmaßungen. Ebenso, wie es bereits eine Anmaßung ist, zu behaupten, dass dieser Planet für uns hier ist. Es gibt keinen Anhaltspunkt, der bestätigt, dass wir mehr Zeit eingeräumt bekommen, als irgendeine andere Spezies auf diesem Planeten. Irgendeine der Spezies, von denen im Laufe der Erdgeschichte bereits wieder über 99,9% gegangen sind. Die Dinos sind nur die berühmtesten der fossilen Arten, es gibt ungezählte mehr. Und das alles für uns Menschen?

Natürlich ist es zufriedenstellender, das ein Gott uns das hier alles eingerichtet hat. Aber doch nicht, weil es den Fakten entspricht, sondern weil es sich wichtig anfühlt, sinnvoll, bedeutsam. Was aber hat dieses Bauchgefühl mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun?

Es sind aber nicht nur Kritiker der Bibel, die die Evolutionstheorie befürworten. Der Fossilbericht, der in unterschiedlich alten Gesteinsschichten unterschiedliche Arten hervorbringt, zeugt davon, dass der heutige Ist-Zustand in der Biodiversität eben nur ein momemtaner ist. Da sich die Erde durch geologische und klimatische Bedingungen ständig ändert, Meere wachsen und schrumpfen, Kontinente in unterschiedliche Klimazonen driften (das subtropische Indien war mal am Südpol), Eis- und Warmzeiten sich abwechseln, ist es im Grunde indiskutabel, ob sich Lebensformen ändern und anpassen. Da sollte es unter logisch denkenden Menschen eigentlich keine zwei so grundlegend unterschiedliche Meinungen geben.

Die künstliche Dehnung des in der Bibel verwendeten Begriffes "Art" ist ebenfalls als Rückzugsgefecht zu verstehen. Der statische Zustand, wie ihn Kreationisten noch im 19. Jahrhundert proklamierten, wird aufgeweicht in einen schwammigen Begriff gestreckt, der unterschiedliche biologische Arten zusammenfassen will. Einfachere Erklärung: Es war nicht der mächtige Mann in den Wolken, der dieses "Wissen" an die Hirten in diesem Randstreifen der Welt gab, es waren Menschen ihrer Zeit, die so etwas wie eine Veränderung in den Arten, außer bei gezielter Züchtung nicht sehen konnten. Wie auch, selbst 20, 50 oder 100 Generationen von Menschen reichen nicht aus, um die Entstehung einer neuen Art zu beobachten. Evolution findet über gigantische Zeiträume statt, oder wie es dieser Artikel sagt über "Tausende von Jahren".

An die Evolutionstheorie glauben auch viele, die angeblich die Bibel als das Wort Gottes anerkennen. Sie denken, Gott habe das Leben auf der Erde irgendwann in Gang gesetzt und dann den Ablauf der Evolution nur noch beobachtet und vielleicht gesteuert. Die Bibel sagt das jedoch nicht.

Ergänzt werden sollte: "Dennoch zitieren wir aus dem Kontext gerissen, Zitate von diesen, um unseren Standpunkt zu unterstreichen.". So geschehen z.B. bei Paul Davies, Michael Behe und Antony Flew in der letzten Rezension. Der Deismus, den Antony Flew zum Beispiel am Ende seines Lebens vertrat, würde ganz gut zur Theistischen Evolution passen, wie sie hier vom JW.org-Artikel beschrieben wird. Das macht sie nicht plausibler, sondern lediglich komplizierter. Denn plötzlich ist da ein Aufsatz, den man zusätzlich erklären muss, z.B. die oben gestellte Frage, wie Gott denn in die Evolution eingreift und wie wir diese Prozesse von natürlichen unterscheiden.

Der biblische Schöpfungsbericht steht nicht im Widerspruch zu der wissenschaftlichen Beobachtung, dass es innerhalb der Arten Variationen gibt

Da gibt es ganz sicher abweichende Ansichten. Dass Gott etwa die "grundlegenden Arten" und nicht einfach die "Arten" geschaffen habe, ist eine zusätzliche Interpretation, denn die Bibel spricht davon, dass er sie "nach ihrer Art" schuf.
Es gibt keine archeologische oder paläontlogische Bestätigung für die Behauptung, der Mensch sei erst 6.000 Jahre alt. Selbst wenn verschiedene radiometrische und andere Messungen deutliche Schwankungen im geprüften Material ermitteln, kann man durch phylogenetische und andere Methoden ein vollständigeres Bild machen. So finden sich domestizierte Hunde seit mehr als 100.000 Jahren, der erste Pfotenabdruck findet sich in der Chauvet-Höhle mit einem ermittelten Alter von 23.000 Jahren, der erste Canidenschädel, der nach morphologischen Kriterien als Fossil eines Hundes gilt ist auf 33.000 Jahre datiert. Die genetische Differenzierung zwischen Wolf und Hund fast vor 135.000 Jahren statt, Hauskatzen sind seit 9.000 Jahren nachweisbar.
Domestizierte Nutztiere, wie Schafe, Rinder und Ziegen sind auf Zypern bis zu einem Alter von 10.300 Jahren nachweisbar. Kastrierte Stiere, die ersten domestizierten Zugtiere hielt man vor 7.500 Jahren. Schweine sind seit 11.000 Jahren steter Begleiter des Menschen.
In der Dendrochronologie gibt es sogenannte Jahresringtabellen, so dass man bestimmte Ringsysteme zweifelsfrei einem bestimmten Abschnitt zuordnen kann, da der Vergleich der charakteristischen Ringabstände ein Muster für verschiedene Zeitabschnitte erlaubt.
  • Hohenheimer Jahrringkalender: im April 2004 lückenlose 12.483 Jahre zurück bis 10.480 v. Chr. in die Jüngere Dryas
  • ostmediterrane Kurve (Aegean Dendrochronology Project) bis 1800 v. Chr., Bronzezeit (Stand 2003)
  • Belfast-Chronologie 5474 v. Chr. (2006)
  • Englische Standardkurve bis 5012 v. Chr. (2006)
Um nur ein paar zu nennen. Mit Hilfe der Jahrringanalyse bei verbauten Hölzern können Bauzeiten von Gebäuden sehr genau ermittelt werden. Sie leistet dabei einen sehr wichtigen Beitrag für die Bauforschung und Kulturgeschichte von Gebäuden. So konnten Pfahlbausiedlungen in den Alpen (z.B. Haut Vully und Eoglzweil (Schweiz), Marigny, Doucier und Fontenu (Ostfrankreich), Polpenazze del Garda (Norditalien), Feldafing (Bayern) und viele andere) ziemlich gut auf Bauzeiten von 5000 v.u.Z. datiert werden.
Man kann zeitliche Abfolgen und Wanderungen von Kulturen anhand ihrer Hinterlassenschaften nachverfolgen und so herausfinden, wann diese oder jene Kultur in welchen Ortschaften aktiv war, durch kunsthistorische Untersuchungen von Keramiken aber auch durch die archäologische Stratigrafie, die sich mit Ablagerungen menschlicher Kulturen beschäftigt.

Man kann es natürlich halten, wie alle anderen Kreationisten auch, und die Altersbestimmungen alle verwerfen, die wissenschaftlichen Beobachtungen, Experimente und Messungen also einem 3000 Jahre alten Buch unterordnen. Aber auf was will man sich dann berufen, wenn es um die Bestätigung biblischer Begebenheiten geht? Warum ist die Altersbestimmung steinzeitlicher Funde zu irgendwelchen neolithischen Siedlungen Schmarn, wenn man ähnliche oder sogar die gleichen Messmethoden für die Schriftrollen vom Toten Meer (Qumran) hochhält?

Alfred Russel Wallace, der im gleichen Jahr wie Charles Darwin die gleiche Theorie zur Entwicklung der Arten veröffentlichte, im Nachruhm aber auch gern übergangen wird - von beiden Seiten - kann das ja gern gesagt haben, womit er hier zitiert wird (Obacht: selbst der JW.org-Artikel schreibt "soll gesagt haben"), aber es ändert nichts an seiner Theorie, die nunmal naturalistisch ist und auf Übernatürliches verzichtet. Das muss sie auch, will sie überprüfbar sein. Es wird bei solchen Aussagen selten zwischen dem Wissenschaftler, der eine Theorie aufstellt, und der Person dahinter, die ganz eigene Gefühle und Ansichten hat, unterschieden. Und selbstverständlich hatte Wallace diese zwei Seiten ebenfalls, so wie Newton, Einstein und Darwin auch. Das ändert nichts an der Richtigkeit ihrer Theorien. Römer 1:20 ist ein weiterer klassischer, kosmologischer Gottesbeweis. Den habe ich schon in zahlreichen anderen Artikeln zerlegt.

Anschließend geht es um die Mitgliederwerbung und danach um ein Schaubild, dass die Schöpfungstage noch einmal aufreiht.
Für das "fliegende" Wasser der oberen Ausdehnung, wie es in 1. Mose 1:6-8 beschrieben steht, und wie es zur Sintflut heruntergekommen sein soll, um weltweit alles unter sich zu begraben, gibt keine Nachweise.
Weiterhin: Es gibt keinen Nachweis dafür, dass "Pflanzen" älter sind als "Tiere", die Wahrscheinlichkeit steht aber hoch, dass sie vor den Tieren an Land gingen. Es gibt auch keinen Nachweis dafür, dass die Flugtiere vor den Landlebewesen da waren. Der aktuelle Fossilbericht geht sogar von einer anderen Reihenfolge aus: Wasser -> Land -> Luft.

All zu genau scheint man es also mit den wissenschaftlichen Beobachtungen nicht zu halten, wenn man sich auf diese stützt, diese aber die eigenen Glaubensansichten nicht bestätigen.

Vielleicht muss die Wissenschaft da mal wieder nachbessern. Das Buch der Bücher kann ja nicht fehlgehen.
Man beschäftigt sich aber wieder nur damit, die Evolutionstheorie und andere abweichende Weltanschauungen zu widerlegen. Scheitert dabei aber kläglich. Und zudem verliert man das Ziel aus den Augen, dass man sich in der Überschrift gegeben hat: Wie war es denn nun wirklich, bei der Schöpfung?

Das Böse in der Welt rührt fast immer von der Unwissenheit her, und der gute Wille kann so viel Schaden anrichten wie die Bosheit.
Albert Camus, französischer Schriftsteller und Nobelpreisträger (1913-1960)
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mi 14. Apr 2021, 15:19

Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 3 - Probleme und Varianten der Hypothese)

Grundbegriffe, Vordenker und Geschichte der Hypothese hätten wir jetzt. Aber wie der Cliffhanger des letzten Beitrags dieser Reihe aufzeigt, sind viele Fragen ungeklärt. Denn, ich wiederhole,...

... jede Theorie der Panspermie stößt grundsätzlich auf fünf Probleme:
  • Das Leben muss irgendwo anders entstehen.
  • Das Leben muss in den interstellaren Raum gelangen.
  • Das Leben muss dort überleben.
  • Das Leben muss in den Einfangquerschnitt eines bewohnbaren Planeten geraten.
  • Das Leben muss dort unversehrt in die Biosphäre geraten.

Hier geht es nochmal zu den beiden bereits erschienenen Artikeln:
... 087, 22.01.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 1 - Heidelberg-Initiative und Grundbegriffe)
... 096, 02.03.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 2 - Geschichte der Hypothese)

Da beide Artikel schon ein bisschen her sind, lohnt es sich dort nochmal einzulesen, da ich mich oft auf Namen und Begebenheiten beziehe, die dort schon erläutert wurden. Entgegen der Planung sind halt leider doch einige Beiträge dazwischen verfasst worden.

Beginnen wir mit der ersten Frage, wie das Leben überhaupt in das All gekommen sein soll, damit es die Erde befruchten kann.

Svante Arrhenius schlug 1908 vor, dass Mikroben, die durch atmosphärische Prozesse in die äußeren Schichten befördert wurden, durch den Lichtdruck der Sonne oder durch enge Begegnungen mit Meteoroiden das Gravitationsfeld ihres Planeten verlassen können. Alternativ könnte Material mit eingebetteten Mikroben bei Meteoriteneinschlägen ins All geschleudert worden sein.
Der Elektroingenieur Tom Dehel von der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA vermutete nach Berechnungen elektromagnetischer Felder in der Erdatmosphäre, dass Bakterien und andere Mikroben durch elektrische Felder ins All getragen wurden.
Bisher glaubten Wissenschaftler, dass ein solcher Austausch von Leben nur durch den Einschlag eines Meteoriten möglich ist, bei dem mikrobenhaltiger Staub ins Weltall geschleudert wird.
Indische Untersuchungen fanden Bakterien in der Stratosphäre in 40 Kilometern Höhe und damit deutlich höher als bisher angenommen (#1)
Simulationen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln ergaben, dass Organismen den Einschlag überleben können, der nötig ist, um Gestein vom Ursprungskörper zu trennen.

Es wird auch spekuliert, dass Leben nicht allein auf Planeten gedeiht: Immerhin wurden im ausgehenden 20. Jahrhundert auf Kometen beziehungsweise in ihrer Koma verschiedene Grundbausteine des Lebens wie etwa Aminosäuren gefunden. Allerdings gibt es bisher keine Hinweise auf Lebensformen.

Kurzum: Zumindest die Bausteine des Lebens können quer durch's All rasen. Aber könnte Leben da draußen überhaupt überleben?
Immerhin herrscht das Vakuum, Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, eine gewaltige Belastung durch ungefilterte UV-Strahlung, in interstellaren Bereichen kommt die ungebremste kosmische Strahlung noch dazu.
Selbst im Inneren von größeren Körpern, wo die kosmische Strahlung weitgehend abgeschirmt ist, sollte DNA durch die Strahlung radioaktiver Elemente, die in geringer Menge in jedem natürlich vorkommenden Gestein vorhanden sind, über längere Zeiträume zerstört werden.

Es gibt jedoch Hinweise, dass Bakterien unter diesen Bedingungen längere Zeit überleben können:


Charles Conrad Jr., Apollo 12 Commander, untersucht das unbemannte Surveyor III-Raumschiff (engl. für "Vermesser III") während der zweiten extravehikulären Aktivität (EVA-2).
Das Lunar Module (LM) "Intrepid" (engl. für "Unerschrockene") befindet sich im rechten Hintergrund.
Dieses Bild wurde vom Astronauten Alan L. Bean, Pilot der Mondlandefähre, am 20. November 1969 aufgenommen.
Die "Interprid" landete auf dem Mond-Ozean der Stürme, nur 200 Meter von Surveyor III entfernt.
Die Fernsehkamera und mehrere andere Komponenten wurden Surveyor III entnommen und zur wissenschaftlichen Analyse auf die Erde zurückgebracht.
Surveyor III landete bereits am 19. April 1967 sanft auf dem Mond.

  • Mit der US-amerikanischen Mondmission Surveyor 3 wurden versehentlich Bakterien der Art Streptococcus mitis auf den Mond gebracht. Nach ihrem Rücktransport zur Erde 31 Monate später war ein Großteil der Sporen in der Lage, den normalen Lebenszyklus fortzusetzen.
  • Die BIOPAN-Experimente des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln-Porz untersuchen die Widerstandsfähigkeit unter definierten Bedingungen. Auf russischen Foton-Satelliten wurden Behälter mit der Bakterienart Bacillus subtilis in eine Erdumlaufbahn gebracht und dort für zwei Wochen geöffnet. Nach der Rückkehr zur Erde hatten mehrere Promille der Ausgangspopulation die Zeit im Orbit ohne jedwede Abdeckung oder Schutzfolie überlebt. Weitere Experimente ergaben, dass lebende Organismen, die von der UV-Strahlung zum Beispiel durch eine Staubschicht abgedeckt sind, einige Jahre im Weltall überleben können. Sie könnten eventuell aber auch mehrere Millionen Jahre überdauern, sofern sie in einem mehrere Meter großen Gesteinskörper von der kosmischen Strahlung abgeschirmt sind.
  • Es gibt eine besondere Gruppe von Organismen, die in der Lage sind, auch an sehr lebensfeindlichen Orten zu überleben: Dabei handelt es sich um Cyanobakterien der Gattung Chroococcidiopsis und insbesondere um das extremophile Bakterium Deinococcus radiodurans, das nur wenig empfindlich gegenüber ionisierender Strahlung ist. Es wurde in Anlagen gefunden, die Lebensmittel durch Bestrahlung haltbar machen sollen (#2).
  • In einem Experiment an Bord der ISS wurde gezeigt, dass Deinococcus radiodurans, drei Jahre lang im All überleben kann (#3, #4).
  • Das Bakterium Desulforudis audaxviator lebt allein im Grundwasser einige Kilometer tief im Gestein und kann seine Energie einzig aus Wasserstoffperoxid und Wasserstoff beziehen, die in dieser Tiefe nur durch natürliche Radioaktivität im Gestein gebildet werden. Unter diesen Bedingungen würde eine Zellteilung eine Zeit in der Größenordnung von 100 bis 1000 Jahren beanspruchen.
  • Manche mehrzellige Organismen, beispielsweise Bärtierchen, sind zur Kryptobiose fähig. Das erlaubt einigen von ihnen, Weltraumbedingungen zu überstehen (#5).

Es gibt sie also, die Lebewesen, die zumindest eine Zeit lang da draußen überleben können. Damit diese aber einen Planeten kolonisieren können, muss gewährleistet sein, dass sie sich nicht zu weit von einem bewohnbaren Planeten entfernt befinden. So eine Reise durch den interstellaren Raum kann im günstigsten Falle "nur" hunderttausende von Jahren dauern.
Nach ihrer kosmischen Passage müssen die Lebensformen den Weg durch die Erdatmosphäre auf die Planetenoberfläche überleben, der mit Belastungen durch starke Gezeitenkräfte und große Hitzeentwicklung verbunden ist. Meteoroiden, welche die irdische Atmosphäre durchdringen und als Meteoriten die Erdoberfläche erreichen, werden nur an der Oberfläche erhitzt und geschmolzen. Bereits ab einem Zentimeter Tiefe wird das Material kaum erhitzt, so dass ein Überleben von Mikroorganismen möglich scheint (#6, #7).
Meteoriten werden in der Atmosphäre unterhalb einer bestimmten Größe auf Freifallgeschwindigkeit abgebremst, sodass die Einschlagenergie nicht ausreicht, um ein Überleben auszuschließen. Die Menge an Marsmaterie, die in den vergangenen vier Milliarden Jahren auf dem Weg zur Erde nicht über 100 °C erhitzt wurde, beträgt etwa vier Milliarden Tonnen (#8).

Mitlerweile sind zahlreiche Lebensformen unter sehr "lebensfeindlichen" Bedingungen auf der Erde gefunden worden, unter denen man Leben vorher nicht für möglich gehalten hätte. Es sind viele Bakterienstämme bekannt, die nicht auf die Sonne als Energielieferant angewiesen sind, sondern andere chemische Prozesse nutzen, zum Beispiel in Vulkanen, den Schloten heißer Quellen in der Tiefsee (Black Smoker) und unterirdischen Seen. So wurde inzwischen Leben bei Temperaturen von mehreren hundert Grad Celsius (#9), in stark sauren Umgebungen oder auch in mehr als 1.000 Meter tiefen Bohrkernen im antarktischen Eis gefunden. Diese Funde bestätigen die Vermutung, dass Leben weitaus widerstandsfähiger ist als noch vor Jahrzehnten gedacht wurde. Forscher des Deep Carbon Observatory schätzten 2018, dass rund 70 Prozent der Gesamtzahl der Bakterien und Archaeen der Erde in der Erdkruste leben (#10).

Es gibt aber auch kosmische Indizien. Nach der Entdeckung immer komplexerer Moleküle in interstellaren Wolken konnte 2002 auch die einfachste Aminosäure Glycin nachgewiesen werden. Im 1969 gefallenen, sehr primitiven Meteoriten Murchison wurden Aminosäuren, Diaminosäuren und andere organische Verbindungen gefunden.

Merkmale des in der Antarktis gefundenen Mars-Meteoriten ALH 84001 werden von manchen Forschern sogar als Spuren fossiler Bakterien gedeutet. Diese Interpretation ist allerdings hochgradig umstritten.

Bild
Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Details des Meteoriten ALH 84001

Möglich scheint also die Übertragung von Leben oder zumindest dessen Bausteinen von einem Himmelskörper auf den anderen. Vielleicht hat sich das Leben auch im All selbst gebildet, bevor es auf Planeten "niederrieselte". Welche Varianten der Hypothese gibt es?

Die gerichtete Panspermie

Sie klingt ein wenig nach Science Fiction. Francis Crick und Leslie Orgel formulierten 1973 die Hypothese, dass die Sporen des Lebens nicht zufällig ins Weltall geraten, sondern absichtlich von einer außerirdischen Zivilisation losgeschickt worden sind. Das Versenden von kleinen Körnern mit Bakterien ist nach Crick der kostengünstigste und effektivste Weg, um Leben auf einen potentiell lebensfähigen Planeten zu transportieren. Als Grund wird zum Beispiel angesehen, dass die Zivilisation einer unausweichlichen Katastrophe entgegensah, oder auf ein Terraforming anderer Planeten für eine spätere Kolonisation hoffte. Es gibt erste Überlegungen, wie gerichtete Panspermie Leben auf Exoplaneten fördern könnte (#11).

Die gerichtete Transspermie

In den späten 1990er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurden einige Überlegungen angestellt, die den Transport nicht zwischen Planetensystemen, sondern nur zwischen benachbarten Planeten untersuchen. Dieser Vorgang wird Transspermie (engl. transpermia) genannt. Auch diese Form der Panspermie gilt als spekulativ, wird jedoch als Möglichkeit wesentlich stärker in Betracht gezogen als die gerichtete Panspermie, die ja zusätzlich zur Annahme, dass Leben andernorts entstanden ist, auch noch eine hochentwickelte Zivilisation vorraussetzt, die zusätzlich auch noch willens ist, fremde Welten zu kolonisieren. Auch ist die Reise im stellaren Raum deutlich kürzer als zwischen verschiedenen Sternensystemen.

Wie bereits im 3. Teil erwähnt, gelangten in der Erdgeschichte mehr als vier Milliarden Tonnen Marsmaterial auf die Erde, das bei diesem Prozess nicht über 100 °C erhitzt wurde. Auch den umgekehrten Weg von der Erde zum Mars nahm eine zwar kleinere, aber doch erhebliche Materialmenge. Sollte auf dem Mars Leben gefunden werden, könnte es demnach möglich sein, dass eine enge Verwandtschaft mit irdischem Leben besteht. Die Frage wäre dann allerdings, wo das Leben entstanden ist, auf der Erde oder auf dem Mars.

Die starke Panspermie

Von Fred Hoyle initiiert, geht diese Hypothese, im Gegensatz zur "schwachen" Panspermie, davon aus, dass nicht nur einfachstes Leben aus dem Weltall auf die Erde gelangte, woraus sich dann gemäß der Evolutionstheorie die biologische Vielfalt und speziell die genetische Struktur der modernen Organismen neu entwickelten. Er postulierte, dass diese Vielfalt schon in "genetischen Programmen" der aus dem Weltall kommenden Lebenskeime angelegt war. Im Besonderen lehnt die starke Panspermie die Makroevolution ab und akzeptiert nur die Mikroevolution als Feinanpassung an die Umwelt. Das Leben wäre demnach schon immer Bestandteil eines unendlich alten Universums gewesen. Leider hat das Universum aber offenbar einen Anfang, weshalb auch das Leben irgendwo angefangen haben muss.

Cosmic Ancestry

Die als Cosmic Ancestry propagierte Version erweitert die starke Panspermie, indem sie Hypothesen aus dem Gaia-Umfeld mit einbezieht, nach denen die Biosphäre die Umweltbedingungen eines Planeten aktiv kontrolliert, um möglichst günstige Bedingungen für das Leben herzustellen.
Auch diese, ich nenne es mal Idee, ist höchst spekulativ und bezieht Vorbedingungen mit ein, die jede für sich schon schwer nachzuweisen sein wird.

Wie ordnet die Wissenschaft die Theorien der Panspermie nun ein. Nun, zu Beginn des 21. Jahrhunderts arbeiten nur wenige Menschen systematisch an der Theorie der Panspermie, auch wenn sie von vielen Wissenschaftlern und Institutionen wie der US-amerikanischen Raumfahrt-Organisation NASA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nicht grundsätzlich abgelehnt wird. Insbesondere die Transspermie-Hypothese in Bezug auf Erde und Mars wird zumindest als Möglichkeit in Betracht gezogen.

Quellen:

#1 - Abraham Loeb: Did Life from Earth Escape the Solar System Eons Ago? In: Scientific American. 4. November 2019, zuletzt abgerufen am 13.04.2021 (englisch).

#2 - Yuko Kawaguchi, Mio Shibuya, Iori Kinoshita, Jun Yatabe, Issay Narumi: DNA Damage and Survival Time Course of Deinococcal Cell Pellets During 3 Years of Exposure to Outer Space. In: Frontiers in Microbiology. Band 11, 26. August 2020, ISSN 1664-302X, doi:10.3389/fmicb.2020.02050 (frontiersin.org), zuletzt abgerufen am 13.04.2021 (englisch).

#3 - Ashley Strickland: Bacteria from Earth can survive in space and could endure the trip to Mars, according to new study. In: CNN News, 26. August 2020. Zuletzt abgerufen am 13.04.2021 (englisch).

#4 - Yuko Kawaguchi, et al.: DNA Damage and Survival Time Course of Deinococcal Cell Pellets During 3 Years of Exposure to Outer Space. In: Frontiers in Microbiology. 11, 26. August 2020. doi:10.3389/fmicb.2020.02050, zuletzt abgerufen am 13.04.2021 (englisch).

#5 - Bärtierchen trotzen kosmischer Strahlung orf.at; Bärtierchen überleben Weltraumspaziergang wissenschaft-online.de, September 2008, zuletzt abgerufen am 13.04.2021 (deutsch).

#6 - Viable Transfer of Microorganisms in the Solar System and Beyond. (PDF) dlr.de, zuletzt abgerufen am 14.04.2021 (englisch).

#7 - Harvard study suggests asteroids might play key role in spreading life. In: Harvard Gazette. 8. Juli 2019, zuletzt abgerufen am 14.04.2021 (englisch).

#8 - Curt Mileikowsky et al.: Natural Transfer of Viable Microbes in Space: 1. From Mars to Earth and Earth to Mars. In: Icarus. Band 145, Nr. 2, 2000, S. 391–427, doi:10.1006/icar.1999.6317, zuletzt abgerufen am 14.04.2021 (englisch).

#9 - Dirk Schulze-Makuch: Turn Up the Heat: Bacterial Spores Can Take Temperatures in the Hundreds of Degrees. Zuletzt abgerufen am 14.04.2021 (englisch).

#10 - Life Deep Underground Is Twice the Volume of the Oceans: Study. Zuletzt abgerufen am 14.04.2021 (englisch).

#11 - Claudius Gros: Developing ecospheres on transiently habitable planets: the genesis project. In: Astrophysics and Space Science. Band 361, Nr. 10, 5. September 2016, ISSN 0004-640X, doi:10.1007/s10509-016-2911-0. Zuletzt abgerufen am 14.04.2021 (englisch).
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Sa 17. Apr 2021, 21:41

Es lebe die Revolution! (Link)

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen.
So wird er auf futurezone vorgestellt.

In dem vorliegenden Meinungsbeitrag geht es darum, warum alte Theorien nicht gleich unbrauchbar sind, nur weil eine neuere vielleicht mehr erklären kann.

https://futurezone.at/meinung/es-lebe-die-revolution/401043757

Ich hatte vor fast 3 Jahren schon einmal etwas von ihm verknüpft:

... 026, 21.06.2018: Grundlagen: Wie geht Wissenschaft? - Teil 6: Erngard - Können esoterisch-übernatürliche Phänomene wissenschaftlich geprüft werden? (Link) (ursprünglich in Evolution oder Schöpfung veröffentlicht)

(Das Thema nimmt stark an Fahrt auf. Seit dem 1. April, als der letzte Vergleich stattfand, sind 190 Klicks dazu gekommen (vormals 8572, jetzt 8762). Das ist kaum weniger als in den ersten 3 Monaten dieses Jahres zusammen. In der gleichen Zeit klickte man lediglich 3x auf die Chuck Norris Witze (vormals 8526, jetzt 8529) und auch nur 4x auf die Firefox-RAM-Lösung (vormals 12179, jetzt 12183). Das heißt der Vorsprung von "Lösung: Firefox müllt RAM voll" schmilzt von 4070 Klicks zum Jahresanfang, über 3745 Klicks zum 10-Jahres-Spezial, über 3607 Klicks am 1. April, auf 3421 zum aktuellen Zeitpunkt. Nach momentaner Wachstumsrate wäre Das Firefox-Thema zwischen 30. Januar und 15. Februar nächsten Jahres überholt. An ein Einholen von Evelins Gedicht "Es ist alles nur geliehen" ist nicht zu denken, vielleicht zum 20-Jahres-Spezial, wenn überhaupt.
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mo 19. Apr 2021, 16:03

Video: Gibt es einen Gott? | Harald Lesch (8:02min)


https://m.youtube.com/watch?v=6fziMlDCjRE

Am 08.06.2016 veröffentlicht

Es ist die Frage aller Fragen: Gibt es ein höheres Wesen, das alles erschaffen hat und das steuert, was auf der Welt passiert? Harald Lesch mit einer Antwort aus wissenschaftlichen Sicht. Dieses Video ist eine Produktion des ZDF, in Zusammenarbeit mit objektiv media.
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Do 22. Apr 2021, 10:10

Video: Was war vor dem Urknall? | Harald Lesch (6:56min)


https://m.youtube.com/watch?v=ffLW-FS8rxk

Am 07.10.2018 veröffentlicht

Wie ist unser Universum entstanden? Existierte es schon immer oder gab es einen Anfang? Und wenn ja, was war dann vor diesem Anfang? Die Ursprünge unseres Universum beschäftigen Physiker wie Albert Einstein und Georges Lemaître seit langer Zeit. Harald Lesch zeigt uns, welche Theorien sich in den vergangenen Jahrhunderten entwickelt haben und was den Beginn des Universums, wie wir es kennen, ausgemacht haben könnte.

Mehr zum Thema gibt es in der ganzen Doku mit Harald Lesch "Der Urknall – Das Rätsel des Anfangs":
https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/faszination-universum-der-urknall-das-raetsel-des-anfangs-100.html#xtor=CS3-82
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"If the biggest problem that you're having in the twenty-first century involves
what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Mo 26. Apr 2021, 15:12

Rezension: Kollegah zerlegt die Evolution ... nicht! (mehrere Videos)

Was Rapper Kollegah, der übrigens einen kanadischen Vater und eine deutsche Mutter hat, in Hessen geboren und im Hunsrück auf’s Gymnasium ging, zu den Themen Frauen, Religion und Weltherrschaft zu sagen hat, kann man seinen Liedtexten entnehmen. Wenn man es denn möchte.

Über die Evolution habe ich bisher nix gelesen, auch nichts in seiner Discografie. Sein Wikipedia-Eintrag ist aber verstörend erhellend. Ulkige Wortkombination, aber vielleicht umschreibt es am Besten, womit sich Felix Martin Andreas Matthias Blume (bürgerlicher Name) sonst noch so geistig befasst. Ihr werdet staunen.

Es gibt aber tatsächlich Menschen, die glauben, er habe in 6 Minuten die Evolutionstheorie zerlegt.
Ich schreibe ja oft über Zeugen Jehovas und deren Ansichten über dieses Thema, aber das Feuerwerk, dass Kollegah hier abzieht, lässt jeden noch so feststehenden Kreationisten wie einen Leuchtturm der Vernunft erscheinen.

Gefunden habe ich das Video, über die Irrwege der Internetrecherche.
In einem Tresengespräch bei "Letzte Runde" hat er aber 2014 Gott sei Dank schon der Nachwelt hinterlassen, wie er über dieses Thema denkt.


https://www.youtube.com/watch?v=aW-nHy5r0QE

Der Youtube-Kanal StolzerSystemling hat die Sache humoristisch aufgearbeitet:

https://m.youtube.com/watch?v=awG3xRBM4Zc

Und der Kanal Die Atheisten hat schon 2015 faktenbasierte Video-Antwort geliefert:

https://www.youtube.com/embed/iITmaJ0WYXQ

Was man meisten stört bzw. eher nebenher geschiet: Er begründet seine Sicht religiös. Das ist an sich nicht schlimm, sagt aber wenig darüber aus, wieso die Evolutionstheorie so wenig überzeugend sein soll. Man sollte sich immer fragen, welche neuen Informationen einen theoretisch von seiner bisherigen Meinung abbringen könnten. Wenn es auch schon theoretisch keine gibt, braucht man gar nicht erst über das Thema nachzudenken oder diskutieren. Wenn das Ergebnis schon vor dem Nachdenken feststeht, ist es kein ehrliches Nachdenken.

Man sollte naturwissenschaftliche Fragen von religiösen Anschauungen entkoppeln. Die großen Kirchen akzeptieren die Evolutionstheorie und sind dadurch nicht weniger fromm als vorher. Man muss also nicht aufhören, an Gott zu glauben, wenn einen die Evolutionstheorie überzeugt. Wie man diese Sichtweisen in Übereinstimmung bringt, ist Aufgabe der Religion.
Völlig unabhängig davon kann man sich überlegen, ob denn die Natur so aussieht, als gäbe es eine Evolution. Was das dann für die eigene Weltanschauung bedeutet, ist eine völlig unabhängige Frage. Es gibt meiner Meinung nach keinen Grund, warum man nicht erst mal unvoreingenommen und neugierig an wissenschaftliche Theorien herangehen sollte.

Sein Argument, dass Sandstürme aus Körnern keine Schlösser bilden, kennen wir bereits zur Genüge:
... 036, 20.01.2018: Grundlagen: Uhrmacher-Analogie - Was ist Leben?

Das Moleküle durch Zufall komplexe Strukturen aufbauen, behauptet die Theorie aber auch gar nicht. Mutationen, also kleine Änderungen sind in der Tat zufällig. Die Selektion sorgt dafür, dass sie fixiert werden, wenn sie eine Verbesserung darstellen. So kann man schrittweise kleine Veränderungen erreichen, die dann insgesamt ziemlich schnell ziemlich komplex werden.

Das Prinzip wird z.B. auch im Maschinenbau verwendet. Wenn ein Flugzeugflügel aerodynamischer werden soll, wird er im Computermodell in einem virtuellen Windtunnel getestet. Dann macht der Computer kleine, zufällige Änderungen. Wird der Flügel schlechter, wird die letzte Änderung verworfen. Wird der Flügel besser, wird die Änderung behalten und die nächste zufällige Änderung ausprobiert. So wird der Flügel immer aerodynamischer. Nicht durch reinen Zufall. Aber trotzdem war kein Planer nötig, der das Endprodukt schon vorausgesehen hat.
Ein total beeindruckend aerodynamischer Flügel ist eben kein Beweis für ein Aerodynamik-Genie, das dahinter stecken muss. Ein auf kleinen Änderungen und konsequenter Selektion basierender Mechanismus kann das genauso gut bzw. sogar noch besser, sonst würden Ingenieure diese Algorithmen ja nicht benutzen.

Nehmen wir das "Fisch-Argument", dass nicht sinnvoller ist, als das erste.
[...]wenn ich lauter Fische an Land schmeiße, fangen die ja nicht plötzlich an zu laufen und zu atmen[...]
- Kollegah, Die letzte Runde

In der Evolution passieren immer nur kleine, schrittweise Veränderungen. Ein Fisch entwickelt nicht plötzlich eine Lunge. In einer Fischart gibt es viele verschiedene Exemplare. Wenn sich die Lebensbedingungen ändern (entweder weil die Umgebung anders wird, oder es einen Fisch woanders hin verschlägt), haben manche Fische mehr Glück als andere. Etwas, das vorher ganz egal war, macht auf einmal einen großen Unterschied.
Nehmen wir z.B. an, Kollegah würde regelmäßig lauter Fische ans Ufer schmeißen. Wenn einige davon Besonderheiten hätten, die ihnen nur ein paar Sekunden mehr Zeit verschafften - z.B. schließen ihre Kiemendeckel besser, so dass die Kiemen nicht so schnell austrocknen – würde das ihre Chance erhöhen, zurück ins Wasser zu springen.
Selbst wenn es die Überlebenswahrscheinlichkeit nur geringfügig erhöhen würde, würde das ziemlich schnell dafür sorgen, dass die Fische mit den weniger landtauglichen Kiememdeckeln einen immer kleineren Anteil an der Population hätten (vorrausgesetzt, Kollegah würde fleißig weiter schmeißen und es gäbe insgesamt genug von diesen Fischen).

Theorien hinterfragen ist eine gute Sache. Das machen Wissenschaftler die ganze Zeit. Man sollte sich nur erstmal die Mühe machen zu verstehen, was eine Theorie überhaupt besagt, bevor man sie ablehnt.

Meine Meinung steht fest. Bitte verwirr mich nicht mit Tatsachen.
T-Shirt-Spruch auf emp-Shirt
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Fr 30. Apr 2021, 14:54

Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 4 - Für und Wider der Hypothese)

Grundbegriffe und Vordenker hatten wir schon, die Geschichte auch. Im 3. Teil wurde auch über die Schwierigkeiten geschrieben, die jede Hypothese zur Panspermie hat. Nun soll es darum gehen, was es für Spielarten dieser Hypothese gibt.

Hier geht es nochmal zu den bereits erschienenen Artikeln:
... 087, 22.01.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 1 - Heidelberg-Initiative und Grundbegriffe)
... 096, 02.03.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 2 - Geschichte der Hypothese)
... 104, 14.04.2021: Panspermie - Bausteine, die vom Himmel fallen (Teil 3 - Probleme und Varianten der Hypothese)

Die Hauptmotivation für Panspermie ist die Tatsache, dass Leben auf der Erde schon sehr früh nachweisbare Spuren hinterlassen hat. Auf einer extrem "lebensfeindlichen" Erde.

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Modellartig ausgebildeter, kognakfarbener Zirkonkristall (Größe: 1,0 cm) auf Calcit aus Gilgit, Region Gilgit-Baltistan, Pakistan

Die ältesten bekannten Minerale der Erdkruste sind etwa 4,4 Milliarden Jahre alte Zirkone, die auf eine erste Abkühlung der jungen Erde schließen lassen. Vermutlich durch den Einschlag vieler Asteroiden und Kometen und anderer geologischer Prozesse wurde jedoch die damals vorhandene Kruste vollständig zerstört. Die ältesten Gesteine der Erde, die auf knapp vier Milliarden Jahre datiert werden, konnten erst vor etwa 3,8 Milliarden Jahren eine zum Teil bis heute erhaltene feste Kruste bilden, nachdem vor etwa 3,9 Milliarden Jahren die Einschlagshäufigkeit von Meteoriten deutlich nachgelassen hatte, wie Untersuchungen an Mondkratern bestätigen. Gewöhnlich wird vor diesem Zeitpunkt die chemische Evolution von den einfachsten Molekülen über komplexere Biomoleküle bis hin zu kompletten Organismen als unwahrscheinlich angesehen.


An diesen Stromatolithen aus den östlichen Anden südlich der bolivianischen Stadt Cochabamba ist der feinlagige Aufbau deutlich zu erkennen. Alter: Maastrichtium, Kreide, etwa 70 mya

Die ältesten Fossilien sind möglicherweise 3,54 bis 3,56 Milliarden Jahre alte Stromatolithen, die in Australien und Südafrika gefunden wurden. Geochemische Isotopenanalysen zeigen sogar schon Anomalien in den ältesten Gesteinen, die ebenfalls auf Leben hindeuten.
Diese Datierungen werden allerdings gegenwärtig wieder neu diskutiert, da es Hinweise darauf gibt, dass Organismen aus späteren geologischen Epochen in das ältere Gestein eingedrungen sein könnten, beziehungsweise dass die geochemischen Anomalien auch rein anorganische Ursachen haben könnten.
Sollten sich die ursprünglichen Datierungen bestätigen, scheint das Leben auf der Erde nahezu sofort mit dem Vorhandensein des ersten flüssigen Wassers beziehungsweise der ersten Ozeane existiert zu haben. Sauerstoffisotopenanalysen in den ältesten Zirkonen werden von einigen Wissenschaftlern allerdings so gedeutet, dass bereits zu deren Kristallisationszeit vor 4,4 Milliarden Jahren sowohl kontinentale Kruste als auch Ozeane auf der Erdoberfläche existiert haben könnten.

Eine mögliche Erklärung dieses beinahe "frühestmöglichen" Nachweises von Leben ist, dass seine Entstehung ein beinahe selbstverständlicher Prozess im Universum ist, der fast schlagartig abläuft, sobald es die Umweltbedingungen zulassen.

Bei einer solchen Zwangsläufigkeit wäre die Befruchtung durch "Außerirdische" natürlich überflüssig. Es ginge ja wie von selbst. Und genau hier setzt die Panspermie an:

Panspermie-Theoretiker weisen darauf hin, dass die Urzeugung notwendigerweise nur chemisch-physikalische Prozesse beinhalten könne. Logisch biologisch kann ja nichts ablaufen, wenn es keine Lebewesen gibt.
Gerade die Bildung der unabdingbaren langkettigen Moleküle (wie RNA und DNA) und die ausgeprägte Vorherrschaft einer Chiralität (siehe folgendes Bild) bei den Lebewesen auf der Erde sei jedoch innerhalb der zugestandenen Zeitskala nicht durch eine derzeit bekannte chemische oder physikalische Wechselwirkung erklärbar. Es existierten zwar Mechanismen, die Lebewesen unterschiedlicher Chiralität trennen können, es bleibe aber ungeklärt, wie Umweltbedingungen eine Chiralität bevorzugen können

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Die beiden Möleküle unterscheiden sich räumlich voneinander im Aufbau, da sie spiegelverkehrt angeordnet sind, ähnlich wie rechte und linke Hand.

Bislang ist die chemische Evolution mit zahlreichen Fragezeichen gesegnet. So gibt es aktuell keine Hinweise, dass die Bildung von Lebewesen bei günstigen Bedingungen automatisch stattfinde. Im Gegenteil. Es ist bis heute nicht gelungen, unter frei wählbaren Umständen (Laborexperimente) lebensähnliche Strukturen herzustellen, auch wenn Lebensgrundbausteine aus einfachen anorganischen Anordnungen unter Zuhilfenahme von Energie bereits hergestellt wurden.
Vertreter der Panspermie-Hypothese weisen auch auf eine weitere Diskrepanz hin. Die zeitliche Abfolge der Entwicklungen geht immer schneller von statten. Auf der geologischen Skala betrachtet, ist die Entwicklung "höherer" Taxen geradezu explosionsartig, während die Entwicklung vom Einzeller zum Vielzeller riesige Zeiträume beansprucht. Die Entwicklung von Cyanobakterien zu anderen Einzellern hat sogar etwa eine Milliarde Jahre gedauert. Also kurzum, je früher wir uns in der Entwicklung befinden, desto länger sind die Zeiträume, die das System "unverändert" erscheint. Und genau da, soll die Urzeugung - also der komplizierteste aller Schritte - in hundert Millionen Jahren stattgefunden haben?
Die Panspermie würde durch den deutlich größeren möglichen Zeitraum dieses Rätsel lösen. Und durch einen Transfer durch das All stünden eine Unzahl von Planeten für die Bildung von Leben zur Verfügung.
Eine einfache Rechnung ergebe, dass jeder Punkt der Milchstraße selbst bei relativ geringen kosmischen Geschwindigkeiten innerhalb von 20 bis 50 Millionen Jahren erreichbar sei. Der Nachweis von Leben auf Planeten außerhalb des Sonnensystems mit Spektralanalysen ist derzeit wegen der viel zu schwachen Rückstrahlung der Planeten nicht möglich. Ein behaupteter Sonderstatus der Erde entbehre also jeglicher Grundlage.

Die Panspermie erklärt bewusst nicht die Entstehung des Lebens selbst, die auf andere Orte und Zeiten verlegt wird oder sogar nach Ansicht einiger ihrer Vertreter niemals stattgefunden hat. In letzterem Fall wird davon ausgegangen, dass das Universum kein endliches Alter besitzt und das Leben neben Raum, Zeit und Materie zu den fundamentalen Bestandteilen des Kosmos gehört. Diese Vorstellung steht allerdings im Gegensatz zum heute allgemein anerkannten Urknall-Modell, nach dem das Universum etwa 13,7 Milliarden Jahre alt ist. Die Anhänger dieser Panspermie-Variante sind somit gezwungen, auf alternative Modelle des Kosmos wie das Steady-State-Modell auszuweichen.

Weniger extrem ist die Vorstellung, dass das Leben an einem anderen Ort im Universum entstanden sei, von wo aus es sich im Universum ausgebreitet habe und schließlich auch auf die Erde gelangt sei. Sie hat gegenüber der oben erwähnten Variante den Vorteil, nicht im Widerspruch zu etablierten kosmologischen Theorien zu stehen, bietet aber nach Ansicht ihrer Anhänger immer noch deutliche Vorteile gegenüber der vorherrschenden Auffassung, die ersten Lebensformen hätten sich auf der Erde gebildet, da zumindest potentiell wesentlich mehr Zeit für die Entstehung des Lebens zur Verfügung stehe.

Scheint wohl alles ganz klar zu sein. Oder?

Naja, ganz so einfach ist das Ganze dann doch nicht. Es gibt begründete Kritik.

Das beginnt bereits bei dem mannigfaltigen Spektrum der Vertreter dieser Hypothese. In diesem finden sich seriöse Wissenschaftler, die die Panspermie zwar als sehr spekulativ, aber durchaus wissenschaftlich behandelbar betrachten. Dann gibt es da die interessierten Laien. Ich bin zwar auch einer von diesen, halte die Panspermie auch für ein interessantes Feld, aber sicherlich zu spekulativ, um sie ernsthaft in Betracht zu ziehen. Vermutlich wird sie noch lange unüberprüfbar sein. Dann gibt es da natürlich auch die Pseudowissenschaftler oder auch die religiös beeinflussten Personen.
Ich teile meine skeptische Position mit vielen Vertretern aus der Wissenschaft, speziell den Evolutionsbiologen. Auch für diese sind die meisten Versionen der Panspermie schlicht unwissenschaftlich, weil sie nur schwer oder überhaupt nicht wissenschaftlich überprüfbar sind.
Insbesondere die radikale Vorstellung, Leben habe immer schon existiert, gilt mehrheitlich durch das heute vorherrschende Urknall-Modell der Kosmologie mit dem daraus folgenden endlichen Alter des Universums als widerlegt.

Aber auch die weniger radikalen Vorstellungen werden kritisiert, da die einzigen Möglichkeiten der Verifizierung darin bestünden, Sonden auf fremde Planeten zu schicken und in Meteoriten oder Kometen eindeutige und extraterrestrische Lebensspuren zu finden. Dies sei entweder extrem aufwändig oder mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Demgegenüber sei die Panspermie schwer falsifizierbar, da es wenig Informationen über die Bedingungen auf der Erde zum Zeitpunkt der Entstehung des Lebens gibt. Gerade der Kreationismus (ich hab den Bogen wieder) zeigt ja, dass dessen Befürworter bei wissenschaftlichen Erfolgen in der Überwindung offenbar schwieriger Hürden weitere Hürden aufstellten. Dadurch bleibe immer eine Hintertür offen.

Auch die Entdeckung organischen Materials in Meteoriten, Kometen oder sonst wo im Weltall ändert nichts an der zweifelhaften Stellung der Panspermie. Wenn dieses organische Material "da draußen" entstehen kann und den widrigen Umständen trotzt, warum sollte eine parallele Entwicklung auf der Erde unwahrscheinlicher sein, wenn die Dichte der zur Verfügung stehenden Grundbausteine exorbitant größer ist? Die Erde hat eine deutlich vielfältigere Chemie. Wenn die Entstehung "da draußen" möglich ist, dann doch erst recht hier. Diese Möglichkeit wurde durch verschiedene Versuche, darunter das berühmt gewordene Urey-Miller-Experiment, nachgewiesen. Daher gilt auch die so genannte Pseudo-Panspermie, das heißt die Auffassung, dass nicht einfaches Leben, sondern nur die grundlegenden Lebensbausteine (organischen Verbindungen) aus dem Weltall stammen, für die Erklärung des Ursprungs irdischen Lebens nicht als notwendig.

In organisierter Form wird die Panspermie gegenwärtig beispielsweise von der Interstellar Panspermia Society vertreten. Diese Organisation hat es sich offiziell zur Aufgabe gemacht, wissenschaftliche Forschung speziell zur gerichteten Panspermie zu fördern und deren Durchführung zu ermöglichen. Gleichzeitig verbreitet diese Organisation einen als "Astrobioethic" bezeichneten Ethikkatalog.
Letzteres wird oft so gedeutet, dass es sich doch um mehr als nur eine Vereinigung handele, die außergewöhnliche Projekte fördern will, sondern auch um eine weltanschauliche Vereinigung. Panspermia-Gegner üben wegen der religiösen Züge heftige Kritik an dieser Organisation. Daneben weist auch der Einfluss der Gaia-Hypothese innerhalb der Cosmic-Ancestry-Panspermie darauf hin, dass Panspermie-Weltbilder wegen ihrer Faszination religiöse Züge, etwa vergleichbar mit Scientology oder dem Raelismus (Bewegung für den Empfang der Außerirdischen, Schöpfer der Menschheit), annehmen können.

Und jetzt wird ganz verrückt: Denn obwohl mit Lord Kelvin einer der ersten Vertreter der Panspermie einen antidarwinistischen Standpunkt vertrat, der auch religiöse Beweggründe hatte, wird die Panspermie von Kreationisten gegenwärtig im Allgemeinen als weiteres naturalistisches Weltbild neben der Evolutionstheorie abgelehnt.
Panspermie-Vertreter wiederum betrachten die Panspermie gewöhnlich als dritten Weg zwischen Evolutionstheorie und Kreationismus. Es gibt sogar gewisse Berührungspunkte: So lehnen viele Vertreter der Panspermie-Hypothese die moderne Evolutionstheorie, insbesondere die Makroevolution, unter Nutzung scheinwissenschaftlicher Argumente, ab. So verwendet etwa Brig Klyce, ein Vertreter der "Cosmic Ancestry" genannten Form der Panspermie, den ursprünglich aus dem Kreationismus stammenden Begriff der "irreduziblen Komplexität", um gegen die Evolutionstheorie zu argumentieren. Warum das Quatsch ist, könnt ihr ja nochmal nachlesen.

... 006, 09.11.2017: Grundlagen: Was bedeutet Komplexität?
... 023, 29.12.2017: Was ist nicht reduzierbare Komplexität?

Auch ist denkbar, dass manche Versionen der Panspermie, wie gerade die "Cosmic-Ancestry"-Version, in abgewandelter Form von Kreationisten adaptiert werden. Es ist ein Geben und ein Nehmen.

Die Idee der Panspermie wurde in mehreren Science-Fiction-Romanen aufgegriffen. Häufig wird die Panspermie auch als fiktive Erklärung für die meist humanoiden Außerirdischen und ihre meist erdähnlichen Heimatplaneten genutzt. Zum Beispiel in der Star-Trek-Serie, wo Urhumanoide genannte Außerirdische bewusst die Evolution intelligenter Spezies auf Basis ihres eigenen Erbguts provozieren (#1). Auch das PC-Spiel Spore, bei dem es hauptsächlich darum geht, eigene Biosysteme durch Evolution zu "kreieren", beginnt, nach dem Auswählen eines Planeten, immer mit dem Einfall von Mikroorganismen von außerhalb.

Mit Ausnahme einiger prominenter Wissenschaftler wie Francis Crick und Fred Hoyle spielt die Panspermie in ihrer allgemeinen Form gegenwärtig nur eine sehr marginale Rolle in der Wissenschaft. Nur in Form der Transspermie wird sie durchaus in der Planetologie und der Astrobiologie seriös in Betracht gezogen. Sollten außerhalb der Erde auf einem der Planeten oder Monde innerhalb des Sonnensystems Lebensformen gefunden werden, die Ähnlichkeiten zu irdischem Leben aufweisen, die nicht allein durch Zufall oder konvergente Evolution zu erklären sind, würde die Transspermie allerdings neue Aktualität gewinnen.

Wie das aussehen könnte, haben die im 1. Part erwähnten Kollegen der Heidelberg-Initiative erforscht.

#1 - Star-Trek-Datenbank
http://de.memory-alpha.org/wiki/Urhumanoide

(Seit dem letzten Vergleich sind fast 200 Klicks hinzugekommen. Der Zähler bei diesem Thread steht bei 8981 Klicks (zuvor 8792). Dadurch erhört sich der Vorsprung zu Chuck Norris (damals 8529, heute 8535) von 263 auf 446 und der Rückstand zum Firefox-Thema (damals 12183, heute 12192) schrumpft von 3391 auf 3211.)
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Re: Evolution oder Schöpfung

Beitragvon almafan » Fr 7. Mai 2021, 08:59

Video: Wie Tiere fühlen | Doku | ARTE (+ Link) (52:09 min)

Vielleicht ist meine Sicht auf den Sender ARTE kulturell überflügelt geprägt, so dass ich ihn, völlig überbewertet, für einen der besten Kanäle halte, den es so gibt.
Aber ich halte ihn nunmal, noch vor Phoenix für den besten Sender, den man im deutschen Fernsehen zu sehen bekommt.

Auf eben jenem habe ich eine Dokumentation über Intelligenz, Einfühlungsvermögen und Selbsterkenntnis bei Tieren gesehen.

Wie Tiere fühlen | ARTE

https://m.youtube.com/watch?v=nW3gQwaYUks
(Re-Upload von "Dokus in deutsch und HD")

Es scheint immer mehr Hinweise darauf zu geben, dass immer mehr Einzigartigkeiten des Menschen gar keine sind.

Aber schaut selbst.

Einen guten Übersichtsartikel zu diesem Thema mit anschließendem Buchtipp findet ihr hier:
https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/2011/wie-tiere-fuehlen-100.html

(9000 Klicks überschritten!)
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