Rezension: Jw.org - Wie hat alles angefangen?https://www.jw.org/de/biblische-lehren/wissenschaft/wie-hat-alles-angefangen/Ach, die Zeugen ... Meister der Rhetorik. Nicht so wirklich Meister der Fakten, aber Meister der Rhetorik.
Auf ihrer Webseite kann man das gern nachschauen. Den Link findet ihr gleich unter der Überschrift, die den Titel des zu renzensierenden Artikels enthält. Es ist eine Überarbeitung eines Artikels aus dem Erwachet Januar 2015.
Kostprobe gefällig?
Wie würden Sie den folgenden Satz vervollständigen?
DAS LEBEN ENTSTAND DURCH ...
EVOLUTION
SCHÖPFUNG
Überraschung: Keines von beiden stimmt. Evolution, als die Evolution, wie sie in der Biologie verstanden wird, kann nicht Ursache der Lebensentstehung gewesen sein, da sie nur mit Lebewesen funktioniert. Die chemische Evolution, die bei Kreationisten mit der biologischen in einen Topf geworfen wird, werde ich einmal an anderer Stelle erläutern. Wissenschaftlich orientierte Personen, werden also Evolution sagen, Wissenschaftler werden differenzierter Antworten.
Tatsache ist aber auch, dass Sätze, die mit "Tatsache ist ..." beginnen, dennoch am Ende einen verdrehten Sinn ergeben können. Natürlich stellen Naturwissenschaftler die Evolutionstheorie infrage. Das ist deren Job. In der Wissenschaft wird nichts als gegeben hingestellt, sondern mit jedem neuen Experiment auf Herz und Nieren geprüft. Ulkigerweise hat die Evolutionstherie bislang jede Prüfung absolviert, wurde hier und da angepasst, Einzeltheorien umgewichtet und den neuen Erkenntnissen untergeordnet. Das alles findet in dogmatischen Glaubenssystemen nicht statt.
Auch Gerard Hertel macht da keine Ausnahme.
Rama Singh wurde ebenfalls schon uminterpretiert, schrieb dazu dann aber einen offiziellen Brief im Netz: "Contrary to what you imply, I do not support a creationist view, nor do I suggest that even a minority of scientist support such a view. Anyone who reads my article can see that I fully support the theory of evolution (Sign 2011) ... Your misquotation amounts to intellectual dishonesty and reflects on your character and dignity as editor as well as a man of God. I can unterstand that you do not accept evolution as an explanation for the biodiversity on this planet, but I cannot unterstand why you whould knowingly misuse a scientist's work to make him appear supporting the creationist point of view."
Übersetzung: "Im Gegensatz zu dem, was Sie meinen, unterstütze ich weder eine kreationistische Sichtweise, noch schlage ich vor, dass selbst eine Minderheit von Wissenschaftlern eine solche Sichtweise unterstützt. Jeder, der meinen Artikel liest, kann sehen, dass ich die Evolutionstheorie voll und ganz unterstütze (Singh 2011) ... Ihr falsches Zitat ist eine intellektuelle Unehrlichkeit und spiegelt Ihren Charakter und Ihre Würde als Herausgeber sowie als Mann Gottes wider. Ich kann verstehen, dass Sie die Evolution nicht als Erklärung für die Artenvielfalt auf diesem Planeten akzeptieren, aber ich kann nicht verstehen, warum Sie die Arbeit eines Wissenschaftlers wissentlich missbrauchen, um diesen den kreationistischen Standpunkt unterstützen zu lassen."Wie kam also die Wachtturm-Gesellschaft auf diese Idee? In dem Artikel, den Singh angibt, schreibt er viel über die Ursachen, warum Evolutionstheorie nicht gleich Quantenmechanik oder dergleichen ist. Und er meint damit nicht, dass sie unwissenschaftlich wäre, sondern dass es in der breiten Öffentlichkeit im Gegensatz zu physikalischen Theorien keine Übereinkunft, kein einheitliches Bild gibt. Er sucht die Ursachen darin aber nicht im Intellekt der Personen, die die unterschiedlichen Sichtweisen unterstützen und auch nicht in der Religion. Er sagt auch ganz klar, warum auch "schlaue" Leute, die Evolutionstheorie ablehnen oder für eine unbefriedigende Antwort halten (#1). Seine Antwort: Sie verstehen sie schlichtweg nicht.
Es ist ein Fehler anzunehmen, nur weil jemand einen Doktortitel hat oder Professor ist, hätte er die Weisheit mit Löffeln gefressen. Er ist aber im Gegensatz zu Superhelden-Genies im Marvel- oder DC-Universum kein Universalgenie, sondern Spezialist auf irgendeinem Gebiet. Und das muss nicht mal periphär irgendwie die Biologie streifen.
Gerard Hertels Zitat verliert ebenfalls an Gewicht, beachtet man, dass er ein Zeuge Jehovas ist und die Frage um Evolution oder Schöpfung gar nicht unbefangen beantworten kann und selbstverständlich nur dann im Erwachet erscheinen kann, wenn er die Position desselben unterstützt. Warum sollte der Erwachet auch etwas abdrucken, was nicht der Werbung neuer Mitglieder dienlich ist?
Dass Gerard bereits seit 2001 in den Ruhestand gegangen ist, wird auch nicht erwähnt und dass er davor 35 Jahre an der Universität von Wisconsin lehrte auch nicht. Warte mal, dann hat der seinen Abschluss ja schon 1975/1976 gemacht. Selbstverständlich war die Molekularbiologie bei weitem nicht so weit, wie sie es heute ist. Es gab nicht ein einziges vollständig sequenziertes Genom. Man wusste um den Aufbau von Molekülen, konnte das Urey-Miller-Experiment nachstellen und immer wieder bestätigen und man hatte einen riesigen Fundus an Fossilien. Mit deutlich weniger haben Darwin und Wallace die Theorie der Mutation und der Selektion aufgestellt und daraus die Evolutionstheorie unabhängig voneinander hervorgebracht. Was machen also tausende Forscher falsch, wenn sie an die Evolution "glauben"?
Gehen wir den Fragen nach, die der Artikel stellt. "Wie hat das Leben angefangen?" ist die erste davon.
Aktuell gibt es noch eine große Kluft zwischen Leben und Nicht-Leben. Aber es gab auch Klüfte zwischen Kambrium und Prä-Kambrium und mit jedem neuen Fossil werden diese Lücken kleiner. Der Vorläufer der heutigen DNA kann die RNA gewesen sein, dazu habe ich in der DNA-Serie geschrieben:
... 055, 13.10.2018:
Rezension: Die DNA: Bibliothek des Lebens - Teil 5: Mögliche Entwicklung und Vorläufer der DNA (2013).
Und auch für die RNA gibt es mögliche Vorläufer und selbstverständlich wird dieses Wissen nie 100% valide sein. Kann es nicht. Dafür muss es beobachtet worden sein. Aber der verpackte Erwartungsdruck eines Beweises fühlt sich schon komisch an, wenn in den letzten 3500 Jahren (also von Mose bis heute) für die Behauptung, Gott habe alles geschaffen nicht nur keine Beweise erbracht wurden, sondern mitunter behauptet wird, sie seien nicht notwendig, um zu glauben.
Funfact: Die Wissenschaft, und diese Bemühungen werden hier sogar kurz angerissen, bemüht sich wenigstens um einen solchen Beweis, bzw. wissenschaftlich korrekter, um eine Bestätigung der zugrundeliegenden Mechanismen.
Und natürlich werden verschiedene Möglichkeiten in Betracht gezogen, ob nun Vulkane, Meeresböden oder aus den Weiten des Alls. Man schöpft die naturalistischen Möglichkeiten aus, bevor man sich Zauberei hingibt. Genau damit war Wissenschaft in den letzten 400 Jahren seit der Emanzipation von den Religionen so verdammt erfolgreich. Das nennt sich Falsifizierbarkeit. Das können Theologie und Kreationimus beides nicht bieten.
Es ist daher unerheblich, wie komplex der genetische Code ist oder ob Wissenschaftler bereits Fragen diesbezüglich empirisch beantworten können. Es ist auch egal, wie komplex die Struktur von Zellen ist und wie sie gefaltet sein müssen. Nicht egal ist es jedoch, wenn man Leute wie Paul Davies vor den kreationistischen Karren zieht, als wäre er selbst einer, man aber von ihm auch Paper im Netz findet, in denen er Krebs als evolutionären Atavismus einzelligen Lebens bezeichnet, also eine vererbte Eigenschaft aus der Frühzeit des sich entwickelnden Lebens.
Der Physiker Paul Davies schreibt dazu: "Da eine funktionierende Zelle Tausende unterschiedliche Proteine erfordert, ist es unlogisch anzunehmen, dass diese ausschließlich ein Produkt des Zufalls sind."
So wird er zitiert. Man beachte, dass er die Proteine keinen AUSSCHLIESSLICHEM Zufall zuspricht. Und da ist ein weiterer Denkfehler. Evolution ist nicht gleich Zufall. Die Entstehung neuer Merkmale durch Mutation ist es sehr wohl. Die Selektion aber hat ihre Regeln. Es ist nicht bloßer Zufall, welches Lebewesen überlebt, auch wenn unvorhergehenes, wie z.B. ein Virus oder ein Asteroid, auch zufällig die besser Angepassten treffen könnte.
Auch wie komplexe Zellen entstanden sind, lässt sich an Modellen ganz gut erklären. Zum Beispiel bei den Mitochondrien. Die führen ihre eigene DNA mit, was darauf schließen lässt, dass dies mal eigenständige Wesen waren, assimiliert wurden und nun als "Kraftwerk" fungieren. Bereits durch die Assimilierung wird die Zelle komplexer und deutlich effizienter. Die erste Arbeitsteilung der Weltgeschichte: Einer frisst, der andere übernimmt die "Verdauung" und Umsetzung der Energie, beide profitieren.
Schematische Darstellung der Endosymbiontentheorie (#2) (schwarz: Zell- oder Organellmembran; rosa: eukaryotische DNA; grün: cyanobakterielle DNA; rot: proteobakterielle oder mitochondriale DNA).Ebenso ein rhetorischer Kniff ist es, den wissenschaftlichen Konsens als "WAS EINIGE SAGEN" zu bezeichnen. Gut, gesehen auf die Gesamtbevölkerung dieses Planeten sind es definitiv nur "einige", aber der wissenschaftliche Diskurs beschäftigt sich nicht damit, OB komplexes Leben aus einfachen Zellen entstanden ist, sondern WIE. Und freilich ist die einzig bislang solide Antwort "durch Mutation". Der Komplexitätsgrad hat wieder keine Relevanz für die Aussage selbst, denn die Alternative versucht gar nicht erst zu erklären.
Wie es das Schaubild zeigt, sind Zwischenschritte ein gangbarer Weg und ich habe dies in diesem Forum immer wieder an einzelnen Beispielen aufgezeigt. Dinge, die wir heute so sehen, müssen nicht immer schon so gewesen sein. Das gilt für die Form und die Position der Kontinente genauso, wie für Lebewesen und bis Wegeners und Darwins Theorien auf der Weltbühne erschienen, wollte man nicht so recht an die Veränderlichkeit der Welt glauben. Aber so ist es nunmal.
Über die Chemische Evolution wird ein separates Stück geben, irgendwann anders.
Warum der Bauplan, wann aktiv wird, damit Lebewesen aussehen wie ihre Eltern, ist auch aktuelle Frage der Wissenschaft, die dabei Stück für Stück voran kommt. Ich kenne tatsächlich den aktuellen Stand der Forschung nicht, werde das aber schnellstmöglich nachholen.
Der nächste Absatz gesteht die Artentwicklung ein, verdreht aber Aussagen. Tiere "verwandeln" oder "entwickeln" sich ja nicht aus Jux und Tollerei in eine andere Art. Zumal es hier klingt, als würde aus einer Katze ein Hund werden oder umgekehrt. Das ist ja nicht der Fall. Der Artübergang ist ja graduell, veränderte Nachkommen von ihren Vorfahren kaum zu unterscheiden, so wie Kinder oft ihren Eltern ähnlich sehen, mit zunehmenden Generationsunterschied aber immer stärker von ihren Vorfahren abweichen.
Michael Behe ... eine weitere schwierige Quelle. Selsbtverständlich wird dieser Intelligent Designer vor den Karren gespannt, wenn es um die Verteidigung kreationistischer Ansichten geht. Sein Auftauchen in diesem Text ist also nicht sonderlich überraschend. Aber seine Ansichten unterstützen nicht wirklich, die Aussage des Absatzes in dem er steht. Glaubt ihr nicht? Schauen wir mal rein:
"Evolution is a controversial topic, so it is necessary to address a few basic questions at the beginning of the book. Many people think that questioning Darwinian evolution must be equivalent to espousing creationism. As commonly understood, creationism involves belief in an earth formed only about ten thousand years ago, an interpretation of the Bible that is still very popular. For the record, I have no reason to doubt that the universe is the billions of years old that physicists say it is.
Further, I find the idea of common descent (that all organisms share a common ancestor) fairly convincing, and have no particular reason to doubt it. I greatly respect the work of my colleagues who study the development and behavior of organisms within an evolutionary framework, and I think that evolutionary biologists have contributed enormously to our understanding of the world. Although Darwin's mechanism – natural selection working on variation – might explain many things, however, I do not believe it explains molecular life. I also do not think it surprising that the new science of the very small might change the way we view the less small."
- Darwin's Black Box, pp 5–6.
Hervorhebung von mir.
Aber das er annimmt, die heutigen Lebewesen hätten einen gemeinsamen Vorfahren ... Kann ja ein Ausrutscher gewesen sein.
"For example, both humans and chimps have a broken copy of a gene that in other mammals helps make vitamin C. ... It's hard to imagine how there could be stronger evidence for common ancestry of chimps and humans. ... Despite some remaining puzzles, there's no reason to doubt that Darwin had this point right, that all creatures on earth are biological relatives."
- The Edge of Evolution, pp. 71–72
Hey, darüber schrieb ich doch auch schon:
... 022, 28.12.2017:
Vitamin C - Fehlende Synthetisierung als SelektionsvorteilOffenbar ist Behe dieser Umstand bekannt und er zweifelt die erarbeiteten Daten diesbezüglich nicht an. Die Evolutionsmechanismen sind für ihn also eindeutig real, Artenübergang, die Entwicklung des Lebens gar nicht diskutabel.
Und genauso muss man auch den letzten Satz des Absatzes lesen: "In der Frage, wie sich eine solche Komplexität
ohne Einwirkung von Intelligenz herausbilden konnte, sei man jedoch überhaupt nicht weitergekommen." Michael Behe versucht die theistische Evolution in wissenschaftlichem Gewand zu kleiden. Er nimmt die Entwicklung von Arten hin, belegt sie sogar (Vitamin C) und geht völlig einher mit der Aussage, dass es einen gemeinsamen Ursprung gibt. Er sagt lediglich, dass Gott das ganze lenkt. Auch wenn er ihn nicht so nennt. Dieser Mann stützt also mitnichten die Position dieses Erwachet-Artikels. Aber diese Taktik kennen wir ja schon. Leider.
Zum Bewusstsein hatte ich auch schon einmal etwas:
... 075, 07.11.2020:
Video: Wie entstand unser Bewusstsein? (feat. Simplicissimus) (8:35 min)... 076, 25.11.2020:
Video: Wie Elon Musk unser Gehirn aufrüsten will (feat. kurzgesagt) (10:36 min)Denken und Schlussfolgern sind keine rein menschlichen Eigenschaften, Selbsterkenntnis offenbar auch nicht.
... 063, 02.07.2020:
Video: Eine überschätzte Spezies -ARTE (29:59 min)Auch die hochbeschworenen sittlichen Werte, die offenbar recht schnell auch ausgeschaltet werden können, sind nicht von weit her.
Wir haben uns in Millionen Jahren zu sozialen Tieren entwickelt, die sich gegenseitig unterstützen, um das gemeinsame Ziel "Überleben" zu sichern. Diese einfache Theorie erklärt bereits einen großen Teil der Moral und des Lebenszweckes, den wir sehen, ohne dass uns eine göttliche Gegenwart offenbart werden muss. Ich bin irgendwie gegen den Gedanken, dass der Mensch zu blöd ist, moralisch zu handeln, wenn kein Gott eingreift. Ich brauche keine Religion um zu wissen, dass Mord falsch ist. Beachten wir bitte auch, dass es Gesetzessammlungen gibt, die, je nach Datierung des Auszugs aus Ägypten und der Wüstenwanderung, Jahrhunderte vor Moses 10 Geboten datiert werden:
- etwa 2370 v.u.Z Reformtexte des Urukagina (Uruinimgina: Sumer, Mesopotamien)
- etwa 2100 v.u.Z Codex Ur-Nammu (Ur-Nammu, Urnammu, Ur-Namma; Sumer, Mesopotamien)
- etwa 1930 v.u.Z Codex Lipit-Ištar (Lipit-Ištar, Babylonien, Mesopotamien)
- 18. Jahrhundert v.u.Z Codex Ešnunna (Babylonien, Mesopotamien)
- etwa 1750 v.u.Z Codex Hammurapi (Hammurapi, Babylonien, Mesopotamien)
- 1749 bis 1712 v.u.Z Edikt des Šamšu-iluna (Babylonien, Mesopotamien
- etwa 1630 v.u.Z Edikt des Ammi-ṣaduqa (Babylonien, Mesopotamien).
- 1500 bis 1200 v.u.Z Hethitischen Gesetze (Hethiterreich, Anatolien)
- 13. Jahrhundert v.u.Z Erlass des Tudhalija IV. (Verfassung des Tudhalija; Hethiterreich, Anatolien)
- 12. Jahrhundert v.u.Z Mittelassyrischen Gesetze (Assyrien, Mesopotamien)
Ich habe kein Problem damit, wenn Menschen ihre moralische Führung oder ihren Lebenssinn in der Bibel suchen, aber ich finde es etwas befremdlich, wenn sie eindeutig unmoralische Teile davon ignorieren (
http://skepticsannotatedbible.com/int/long.html).
Die Suche nach einer übergeordneten Instanz für die moralischen Werte, ein universelles Richtig oder Falsch setzt Gott ja bereits voraus, ohne ihn jedoch zu beweisen.
Ich kann dem rezensierten Artikel nur zustimmen: "Es lohnt sich, die Antwort selbst zu prüfen"
Antony Flew, war tatsächlich lange Zeit aktiver Atheist, der alte Denkansatz führt aber, entgegen der Implizierung des Artikels, nicht zu dem Gott, den die Wachtturm-Gesellschaft gerne hätte.
"My one and only piece of relevant evidence [for an Aristotelian God] is the apparent impossibility of providing a naturalistic theory of the origin from DNA of the first reproducing species... [In fact] the only reason which I have for beginning to think of believing in a First Cause god is the impossibility of providing a naturalistic account of the origin of the first reproducing organisms."
- The Secular Web (#4)
Das Universum hat damit also erstmal herzlich wenig zu tun, ein aktiver Gott übrigens auch nicht.
"I'm quite happy to believe in an inoffensive inactive god."
- Humanist Studies (#5)
Antony Flew war ab seiner Abkehr vom Atheismus bis zum Tod Deist. Dieser deistische Gott sei nicht mit dem christlichen, jüdischen oder islamischen Gott identisch und interessiere sich nicht für den Glauben der Menschen oder deren Tun. Oder mit den Worten Flews:
"[Islam is] best described in a Marxian way as the uniting and justifying ideology of Arab imperialism."
- Habermas 2004 (#6)
Oder das hier. Auch ganz nett:
""I'm thinking of a God very different from the God of the Christian and far and away from the God of Islam, because both are depicted as omnipotent Oriental despots, cosmic Saddam Husseins".
- Interview mit Richard N. Ostling (#7)
Flew ist also nicht wirklich eine Referenz für den Glauben an eine biblische Schöpfung. Übrigens auch nicht für ein Leben nach dem Tod, eine Auferstehung und für die Behauptung Gott wäre gut (siehe letztes Zitat). Und wie Hertel bei der Erforschung von Insekten, die zwar sehr alt sind, aber eben nicht am Anfang des Lebens stehen, als Fachmann für chemische Evolution herhalten soll, ist mir auch schleierhaft. Hertel verfällt im Grunde ebenso wie es jedem gehen kann, dem kosmologischen Gottesbeweis. Weil da etwas ist, muss es
jemand geschaffen haben.
Aber auch das, hatte ich schon einmal erörtert:
... 018, 13.12.2017:
Grundlagen: Gottesbeweise - Teil 1: Die klassischen GottesbeweiseDer Rest ist im Grunde wieder die alt bekannte Werbung für die Bibel, deren Aussagen von der Mehrheit der hier zitierten Personen nicht so ausgelegt, bzw. sogar offen widersprochen wird. Es bleibt daher nicht viel übrig vom Artikel, außer den bekannten Bibelstellen, die sich alle auf den kosmologischen Gottesbeweis berufen. Unter dem Abschnitt "Es lohnt sich, die Antwort selbst zu prüfen" kommen sowohl Antony Flew als auch Professor Hertel noch einmal vor. Ihre "Expertise" soll uns zu dem Schluss führen, dass diese beiden cleveren Leute aus dem großen Pool der Wissenschaftler und Philosophen ja nicht irren können. Sie haben sich eingehend mit der sie umgebenden Natur und den physikalischen Gesetzen beschäftigt und sind dann zu dem Schluss gekommen, dass eine höhere Intelligenz dahinter stehen muss. Warum die Mehrheit der Naturwissenschaftler Gott nicht aus ihren Beobachtungen ableitet, wird uns nicht verraten. Das würde auch nicht ins Bild passen. Aber Selberdenken ist auch nicht in der gleichen Kategorie wie der wissenschaftliche Konsens (siehe hier:
Ich denke halt noch selber!)
Außerdem hat die Überschrift nichts mit dem Text danach zu tun. Wie prüfe ich denn nun, wer recht hat? Indem ich einfach diesen beiden in ihrer Argumentation folge (die hier übrigens einfach mit "Alles ist so geordnet und ich kann mir keinen natürlichen Prozess vorstellen, der das bewerkstelligen kann, also gibt es ihn auch nicht." zusammengefasst werden kann)? Dann renne doch wieder nur anderen hinterher. Professor Hertel wird ja wie folgt zitiert: "Ich habe keinen Beweis dafür gefunden, dass das Leben aus unbelebter Materie von selbst entstanden ist." Und weiter? Welchen Beweis hat er denn für Gottes Wirken entdeckt? Hat er Fotos aus der Zeit der Schöpfung, die niemand sonst kennt? Es gibt keine Beweise für A, deshalb glaube ich B, obwohl dafür auch nichts vorliegt? Was ist denn das für ein Vorgehen?
Ob ich zufrieden mit den (vorläufigen) Antworten der Wissenschaft oder den Antworten (bzw. der Auslegung) der Bibel bin, ändert doch nichts daran, ob etwas wahr ist oder nicht. Wie sehr jedoch die Bibel mit wissenschaftlichen Tatsachen übereinstimmt, wie es der anschließende Kasten "Schon gewusst" schreibt, könnt ihr in über 100 Artikeln hier und im Thread "Kritisches Denken" nachlesen. Die Ausbeute ist für ein göttlich inspiriertes Werk schon recht dürftig.
Dass die Bibel die wörtliche Auslegung der Genesis ablehnt, wird nicht mit irgendwelchen Bibelstellen belegt. Die hier dargestellte Zeitalter-Erklärung heißt in Fachkreisen "Konkordanzhypothese". Die Vertreter dieser (übrigens kreationistischen) Richtung berufen sich auf das Wort "yôm" in der hebräischen Bibel, welches nach ihrer Ansicht im Kontext der Genesis zur Bedeutung "Zeitalter" gedehnt werden könne. Natürlich kann das Wort hebräische Wort "yôm", das hier mit Tag wiedergegeben wird, eine unbestimmte Zeitspanne sein. Dazu gehört es aber auch dieses Wort im Kontext zu lesen, wie Sprachwissenschaftler bestätigen. Allerdings lässt die Formulierung "es wurde Abend und wieder Morgen" recht wenig Spielraum für diese Idee. Und wenn Gott Zeitalter gemeint hat, dann hätte er bei der Übersetzung seinen "Heiligen Geist" über den Übersetzern kreisen lassen sollen, damit es korrekt übersetzt wird. Man kann einem Zweifler aufgrund dieser Wortwahl und Formulierung ja dann auch nicht vorwerfen, er verstehe es falsch. Der Wortsinn selbst lässt (zunächst) nur diese Interpretation zu: 24-Stunden-Tage.
Weiter oben im rezensierten Text lesen wir ja auch, dass Wissenschaftler auch nach jahrelanger Forschung gar nicht so recht wissen, wie sie Leben beschreiben, abgrenzen sollen. Was ist Leben? Doch im letzten Kasten sehen wir, dass Leben nur aus Leben kommt mit folgendem Vers begründet: "Bei dir [Gott] ist der Quell des Lebens" (Psalm 36:9). Also lebt Gott? Ist das Leben? Leben reproduziert sich. Das Produkt ist nach einer entsprechenden Reifungsphase dem Erschaffer ebenbürtig. Das Kind einer Katze wird zu einer ausgewachsenen Katze, die auch wieder reproduzieren kann. Leben reproduziert sich selbst. Wenn Gott also lebt, müsste er in der Lage sein, etwas zu erschaffen, dass ihm gleichwertig ist. Leben interagiert mit der Umgebung. Wie macht Gott das? Leben hat einen Energie- und Stoffwechsel. Was und wie verdaut Gott? Wir könnten solche Fragen für alle derzeitigen Definitionsbegriffe für Leben suchen.
- Energie- und Stoffwechsel und damit Wechselwirkung der Lebewesen mit ihrer Umwelt.
- Organisiertheit und Selbstregulation (Homöostase).
- Kommunikation, Lebewesen koordinieren und organisieren alle Lebensprozesse mit Signalen.
- Reizbarkeit, das heißt Lebewesen sind fähig, auf chemische oder physikalische Änderungen in ihrer Umwelt zu reagieren.
- Fortpflanzung, das heißt Lebewesen sind zur Reproduktion fähig.
- Vererbung, das heißt Lebewesen können Informationen (Erbgut) an ihre Nachkommen übermitteln.
- Wachstum und damit die Fähigkeit zur Entwicklung.
Und selbst wenn diese Definition von Leben nicht stimmt, immerhin wird dies den Wissenschaftlern im rezensierten Text (Absatz 2 unter Teilüberschrift "Wie hat das Leben angefangen?") abgesprochen, wie kann man dann sagen, dass Gott lebt? Und wie kann man dann sagen, dass Leben nur aus Leben kommt?
Ein unvollkommenes Erdenwesen erzeugt bei der Vermehrung ein Individuum gleichen Ranges. Es steht nur in der Phase der Erziehung unter dem Elterntier. Was sagt uns dass über Jesus, der ja Sohn Gottes sein soll? Wann endet seine Reifephase?
Das der Artbegriff in der Bibel nicht genau erklärt wird, lässt nicht Raum für Variation in den Arten, es lässt Raum für pseudowissenschaftliche Behauptungen, was eine Art sein soll. Vage Aussagen machen weniger angreifbar, aber sie sind deswegen nicht richtig. Großkatzen und Kleinkatzen haben eine genetische Gemeinsamkeit von "lediglich" 95 %. Dennoch gehen die meisten Kreationisten damit einher, dass Wissenschaftler diese in einer Gattung zusammenfassen und innerhalb dieser untergliedern. Der mittlere Unterschied ("mean nucleotid divergences") beträgt 1,75 % zwischen Gorilla und Mensch und 1,37 % zwischen Mensch und Schimpanse (#8). Hier aber darf man nicht von der gleichen Gattung sprechen. Woran macht man also eine Art fest, wenn sogar die Genetik gegen die Deutung der Wachtturmgesellschaft spricht?

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Bleibt zum Schluss zu sagen:
Die Methodik, wie hier "Fakten" generiert werden, behagt mir nicht.
#1 - Darwin's legacy: why biology is not physics, or why evolution has not become a common sense
Rama S Singh. Genome. 2011 Oct.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21942430/
#2 - Die Endosymbiontentheorie (altgriechisch éndon 'innen' und symbíōsis 'Zusammenleben') besagt, dass Eukaryoten (sind eine Domäne der Lebewesen, deren Zellen (Eucyten) einen echten Kern und eine reiche Kompartimentierung (verschiedenartige Räume innerhalb einer Zelle bezeichnet) haben) aus einer Endosymbiose prokaryotischer Vorläuferorganismen hervorgegangen sind. Demnach sind chemo- und phototrophe Bakterien von Archaeen aufgenommen worden, in denen sie sich zu Zellorganellen ihrer Wirtszellen entwickelt haben, darunter Mitochondrien und Plastiden. Allerdings gibt es auch Eukaryoten, die weder Zellatmung noch Photosynthese betreiben und keine derartigen Organellen haben, wobei angenommen wird, dass diese Zellbestandteile nachträglich verloren gegangen sind.
#3 - Behe, Michael (October 29, 1996). "Darwin Under the Microscope". The New York Times (Final ed.). p. A25. Retrieved November 2, 2007.
#4 - Richard Carrier. "Antony Flew Considers God...Sort Of". The Secular Web. Archived from the original on 21 May 2014 (Archivlink zuletzt aufgerufen von mir am 25.03.2021).
#5 - Duncan Crary. "No longer atheist, Flew stands by "Presumption of Atheism"". Humanist Studies. Archived from the original on 19 July 2007 (Archivlink zuletzt aufgerufen von mir am 25.03.2021).
#6 - Habermas, Gary R. (9 December 2004), "My Pilgrimage from Atheism to Theism: An Exclusive Interview with Former British Atheist Professor Antony Flew", Philosophia Christi, Biola, 6 (2), archived from the original on 30 October 2005.
#7 - Ostling, Richard N. (10 December 2004), Atheist Philosopher, 81, Now Believes in God, Mail archive, Associated Press.
#8 - Aylwyn Scally et al.: Insights into hominid evolution from the gorilla genome sequence. In: Nature. Band 483, 2012, S. 169–175, (hier: S. 170), doi:10.1038/nature10842