Sa 6. Jul 2013, 10:14
Mein liebster Jeschua,
keine Sorge, ich habe nicht vergessen, daß gestern der fünfte des Monats war. Leider war am Abend, als mich diesem Brief an dich widmen wollte, bei uns keine Internetverbindung mehr gewesen. Über Tag hatte sie funktioniert, doch gegen Abend ging dann nichts mehr. Deswegen kann ich dir erst jetzt diesen Brief an dich online setzen. Ich weiß, mein Jeschua, daß auch so einige andere liebe Menschen bestimmt schon auf meinen Brief an dich gewartet haben, da sie ihn mitlesen.
In der letzten Woche war ich im Urlaub in der Sächsischen Schweiz gewesen und auch Klettern in Oybin. All diese Stille der Natur und das stundenlange Laufen, hat mich mir selbst wieder näher gebracht und ich lerne immer mehr zu verstehen. Ich begreife immer mehr und mehr, was mir persönlich wichtig ist - vor allem, was mir noch wichtig ist. Du, mein geliebtes Kind, warst für mich der Mittelpunkt meines Lebens, all die Zeit, die du bei mir warst. Wir haben zusammen so viel erlebt. Es gab nur dich und mich. Alles andere war zweitranig. Ich habe für dich gelebt und du, so erscheint es mir heute, für mich. Durch dich, mein Jeschua, habe ich so viel gelernt. Du hast mich innerlich extrem wachsen lassen. Als du dann vor eineinhalb Jahren verstorben bist, brach für mich meine Welt zusammen. Zwar hat mich der Mann, den du, so erscheint es mir, für mich ausgesucht hast, nach besten Kräften aufgefangen, doch dieses Gefühl der Leere, dieses Wissen, dich nicht mehr in meine Arme schließen zu können oder deine Stimme zu hören, dein Lächeln zu sehen, gefangen genommen. Ich fiel, trotz liebevoller Umsorgung des Mannes, den du für mich ausgesucht hast, und des Lächelns, was er auf mein Gesicht zaubern konnte, in ein dunkles Loch der besonderen Einsamkeit und wußte nichts mehr mit mir anzufangen.
Ich weiß, mein Jeschua, du hast dies nie so gewollt. Du hast gekämpft und bist bei mir geblieben, so lange deine Kraft dafür ausreichte und, so erscheint es mir, darüber hinaus. So oft stand es zwischen Leben und Tod bei dir und immer und immer wieder bist du dem Tod entronnen. Ich bin so stolz auf dich. Ich liebe dich mehr, als Worte es je sagen können.
Eben diese Liebe ist das ganz Besondere, was ich durch dich erfahren habe. Es ist eine Liebe ohne ... tja...ohne zu fordern, ohne Bedingungen, immer während. Als ich dich verlor und mir bewußt wurde, daß ich nie wieder deinen Atem lauschen könnte, brach mein Herz und auch ich selbst in mir zusammen. Ich wurde, wie orientierungslos. Was sollte ich ohne dich anfangen? Wozu das Leben? Die Liebe des Mannes, den du für mich ausgesucht hast, stützte mich. Wahrscheinlich wäre ich noch tiefer gefallen - falls dies denn noch geht - hättest du dich nicht so gut um mich gekümmert, mein Kind.
Was ich dir damit sagen wollte ist, daß ich durch den letzten Urlaub langsam anfange zu verstehen. Ich beginne zu begreifen und ich danke dir so sehr, daß du bei mir warst und mich gelehrt hast. Für mich bist du der Held in meinem Leben, dem ich alles war und der mir alles bedeutete. Diese pure Erfahrung mit dir gemacht zu haben, möchte ich nicht missen, auch wenn ich dich gern weiterhin bei mir haben würde. Dieser, mein Wunsch, verschwindet nie und dies ist auch voll in Ordnung so. Die Hoffnung in mir bleibt lebendig, dich eines Tages wieder zu sehen.
Jetzt habe ich schon so viele Zeilen geschrieben und dir noch gar nicht weiter aus deinem Leben und unserer gemeinsamen Zeit geschrieben. Ich habe dir ja zuletzt davon berichtet, daß wir nach Dresden umgezogen sind bzw Pläne dafür gemacht haben, daß wir zuvor unsere Familie besucht haben, die damals alle in der Nähe von Dresden wohnten - jedefalls von Niederlande aus gesehen - und immer die Gottesdienste besucht haben. ich möchte dir daher nun auch verraten, daß wir, also du und ich, im Frühjahr des Jahres 2009, nach Dresden-Neustadt gezogen sind. Ich habe für uns eine große eineinhalb Zimmer Wohnung ausgesucht mit offener Küche. In der Wohnung lagen viele alte Holzdielen, die immer mal knarten, wenn man darüber lief. Ich war mir sicher, daß diese Wohnung uns beiden, für eine ganze Weile genügen würde.
Dein Vater ist zwar auch mit aus der Näher der Niederlanden weg gezogen, aber eben, wie zuvor schon einmal erwähnt, in die ca. 20 Kilometer entfernte Nachbarstadt. Seine Zusage, daß er uns jeden Tag besuchen kommen würde und die paar Kilometer ihm, dank seines Fahrrades, nichts ausmachen würden, löste sich sehr schnell in Luft auf. Damals, als wir noch in der Nähe der Niederlande lebten und über den Umzug sprachen, vermutete ich dies schon und nun, nachdem wir umgezogen waren, bestätigte sich meine Vermutung. So waren, du und ich, endgültig auf uns allein gestellt, obschon wir es denn zuvor nicht auch schon großteils waren. Jedenfalls zerfiel die Beziehung zwischen deinem Vater und mir mehr und mehr, etwas, was sie vorher schon zu tun schien, einfach durch unsere zwei getrennten Ortschaften nur noch schneller. Jedenfalls wurden die Besuche deines Vaters immer seltener und dienten meistens nicht unserer Erbauung und Erholung sondern oftmals in Streitigkeiten und Auseinandersetzungen, von denen du bestimmt auch so einiges mitbekommen hast, auch wenn ich dies niemals gewollt hätte. Ich weiß noch, daß ich deinen Vater bat, wenigstens in deiner Nähe nicht laut zu werden mir gegenüber, damit du geschohnt wirst, doch meinte er, du würdest es eh nicht verstehen, zum einen, weil du ein sehr kleines Kind bist und zum anderen, weil du ja schwer krank bist und es daher nicht begreifen könntest. Ich will deinen Vater nicht schlecht reden. Sicherlich hat er dich auch sehr lieb gehabt, doch fiel es ihm schwer mit dir umzugehen, wodurch die angeknachste Beziehung zwischen ihm und mir natürlich weiterhin litt und ich mich dann eines Tages dazu entschloß, nicht mehr meine Energie in diese Beziehugn zu stecken, nur weil er dein Vater ist und du deinen Vater ja brauchst, sondern ich meine Energie noch mehr dir zur Verfügung Stelle, um noch mehr nur für dich da zu sein, so daß ich eines Tages, als dein Vater die Beziehung zwischen ihm und mir mal wieder als beendet erklärte, ich keine Kraft mehr investierte, ihn doch noch zu halten, sondern ließ ihn ziehen. Ich werde dir später, im Laufe meiner Erzählungen, noch von jenem Tag berichten, denn eben jener Tag hatte auch sehr viel mit dir und deiner Gesundheit zu tun.
Vorerst aber genug davon. Nur noch so viel: Ich habe deinen Vater all die Dinge, die geschehen sind verziehen, auch wenn er nicht so viel für mich und vor allem für dich da war. Es bringt nichts es anders zu sehen und auch deswegen war es mir, zu der Zeit als du lebend unter uns weiltest, für mich wichtig, daß du niemals ein negatives vorgefertigtes Bild von mir vermittelt bekommst, welches deinen Vater ins schlechte Licht rückt. Er mußte und muß mit all den Geschehnissen selbst lernen umzugehen und es ist nicht meine Aufgabe zu urteilen, warum etwas wie gewesen ist. So war es mir auch wichtig, deinen Vater dir niemals als einen solchen vorzustellen, der kein Interesse für dich hat oder irgendwie "böse" ist und so soll es auch zukünftig bleiben, auch wenn ich hier über die eine oder andere Sache sachlich und wahrheitsgemäß berichte, die deinen Vater nicht als den großen Helden da stehen lassen, sondern als jemanden, der scheinbar mit sich selber zu tun hatte. Er war uns beiden in vielen Dingen auch sehr nützlich und hat mich auch hier und da unterstützt. Auch davon werde ich dir immer wieder mal berichten. Ich schreibe all diese Dinge - positive wie nicht ganz so positive, da ich weiß, daß du sie miterlebt hast. Außerdem schreibe ich sie dir nur in so weit, wie es zum Verstehen für dich für unsere damalige Lebenssituation notwendig ist. Ich hoffe sehr, daß dies nachvollziehbar ist.
Darum hier zum Abschluß noch etwas positives über deinen Vater. Sehr unterstützt hat er uns nämlich, wenn wir zu den Gottesdiensten wollten, denn dafür kam er oftmals extra die 20 Kilometer bis zu uns mit dem Fahrrad gefahren und hat sich auch während des Gottesdienstes immer mal wieder mit dir beschäftigt, so daß ich den Gedanken des Vortragenden gut folgen konnte und dadurch im Glauben gestärkt wurde, sowie neue Kraft tanken konnte, um die kommenden Zeiten gut zu meistern.
Mein Brief ist diesmal sehr lang geworden, mein geliebter Jeschua. Man merkt, so glaube ich, richtig, daß ich in meinem Kopf sehr beschäftigt bin. Ich weiß auch schon, mein geliebtes Kind, von was ich dir in meinem nächsten Brief berichten werde - nälich davon, wie es zur ersten Feststellung kam, daß du schwer krank bist. Dies hat man tatsächlich nämlich erst in Dresden festgestellt. Zu einem Zeitpunkt, als du bereits 10 Monate alt warst.
Ich liebe dich, mein Kind, mein Jeschua. Mögest du dies niemals vergessen, denn auch die Liebe in meinem Herzen wird niemals für dich enden.
In ewig währender Liebe,
Deine Mama
Tausend Küsse für dich, mein Kind.