Der unsichtbare Mann
Ich bin von vielen gesehen worden, doch ich bin der unsichtbare Mann. Und dies ist meine Geschichte. Und es ist die Geschichte vieler Königreiche.
Ich werde für euch der Hexagon sein. Doch mein Name tut nichts zur Sache.
Meine Unsichtbarkeit ist keine physische. Sehr wohl kann man mich sehen, man sieht wo ich stehe, wo ich gehe, wo ich sitze, wo ich liege. Meine Unsichtbarkeit ist eine gesellschaftliche. Ich bin an vielen markanten Punkten der Geschichte aktiv gewesen, doch ich werde nicht mehr wahrgenommen. Meine Geschichte erzähle ich euch hier als Rückblick.
Ich sitze in einem Keller in einem Stadthaus der Dogenstadt Verona. Ich war überall unterwegs, doch ich bin fast wieder daheim.
Diesen Keller habe ich erleuchtet mit 69 Talg- und Wachskerzen, Öllampen und Fackeln. Meine Widersacher sollen sich wundern, wenn sie diesen Raum betreten. Sie sollen erschlagen werden vom Licht und der Wärme. Ich selbst werde mich nicht wehren. Zu viele werden es sein, zu wenig Kraft ist mir verblieben.
Von diesem hellsten Punkt in ganz Verona aus, will ich in dieser Nacht das ewige Dunkel des Todes sehen. Von hier beleuchte ich dir mein Leben.
Ich war Student an den Universitäten Rhomäas. Ich war Hersteller von weißer Kalkfarbe. Ich war Installateur von Thermen. Ich war Redner während eines Sklavenaufstandes. Ich war Hausbesetzer. Ich war Hausberäumer. Ich war Beamter. Ich war Bettler. Ich war in Bruderschaften und Bünden. Ich war eins mit ihren Leitlinien. Ich war im Konflikt mit den Vorstellung der Parteiführung. Ich wurde umjubelt. Ich wurde fallen gelassen. Ich war Lehrer. Ich war Schüler. Ich war weise. Ich war dumm. Ich hatte Freunde. Ich hatte Feinde. Ich war der wütende Mob. Ich war Opfer des wütenden Mobs. Ich war Fanatiker. Ich war Geerdeter. Ich habe verfolgt. Ich bin geflohen. Ich habe erschlagen. Ich bin schon viele Male beinahe ums Leben gekommen.
Ich spüre die Hand schon an meiner Kehle. Das Messer in meiner Brust.
Sollte ich tatsächlich noch einmal das Tageslicht sehen, ich werde meine Geschichte binden und einem Verlag vorlegen.
Ihr nun müsst leider mit einer unsortierten, unvollständigen Machart Vorlieb nehmen.
Über allem aber schwebt die Frage:
Wenn ich so viele Leben gelebt habe und so viele Jahre das Kommen und Gehen von Großen und Kleinen gesehen habe, das Ändern ganzer Systeme, das Kommen und Gehen von Königreichen - wer bin ich?
Immer wieder beeinflußt - was ist von mir? Was kam von außen?
Fortwährend sah ich mich allzu oft genötigt, die eigene Identität stets wieder neu zu entwerfen und in der Konfrontation mit der Realität zu korrigieren. Stehts auch darum bemüht, mich denen zu entziehen, die über mich bestimmen wollen. Doch habe ich immer wieder versucht, meiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht auszuweichen.
Wer bin ich?
Bin ich der unsichtbare Mann? (#1)
Inhaltsverzeichnis:
VÖ: 22.09.2012: Die dreckige Seite Agrippinas (#2)
VÖ: 15.06.2018: Die Insel Iser - Teil 1: Prolog (#3)
VÖ: 17.08.2021: Die Insel Iser - Teil 2: Pelagius (#4)
#1 - Diese Geschichte stammt vom 17. August 2021, wurde aber thematisch vor die anderen Geschichten gestellt, da diese sein "Buch" einleitet. Am gleichen Tag wurde das Inhaltsverzeichnis geschaffen.
#2 - Diese Geschichte wurde bereits mehrfach neu aufgelegt. Die aktuelle Fassung stammt vom 15. Juni 2018. Mit der Zusammenführung von "Sacra Tibia: Hexagon - Der unsichtbare Mann" und "Sacra Tibia: Hexagon - Die Insel Iser" am 27. September 2021 wurde diese Geschichte den beiden Kapiteln der Iser-Geschichte vorangestellt. Daher ergibt sich ein deutlich älteres Datum.
#3 - Ursprünglich am 11. August 2011 erschienen. Da so sowohl das eingeleitete Inhaltsverzeichnis als auch die Agrippina-Geschichte dieser vorangesetzt wurden, erhält sie das deutlich spätere Datum.
#4 - Ursprünglich am 22. September 2012 erschienen. Da so sowohl das eingeleitete Inhaltsverzeichnis als auch die Agrippina-Geschichte dieser vorangesetzt wurden, erhält sie das fast 9 Jahre jüngere Datum.
niedergeschrieben von Hexagon
Erst vor 3 Wochen ist der Erzbischof von Ravenna verstorben und vor 1 Woche der Bischof von Pomesanien.
Auch der König von Sverige und die Fürstin der Provence sind verschieden. Ebenso die Königin von Leonien.
Der magrebische Mathematiker Ibn al-Banna' al-Marrakuschi hat ebenso wenig mit seinem eigenen Tod gerechnet, wie der italienische Kardinal Niccolò Alberti darauf gehofft hat.
Doch zum Scherzen ist mir nicht zu Mute. Denn ich sehe meinem eigenen Ende entgegen.
Darum verfasse ich dieses Vorwort. Auf das meine Schriften von dir Leser gefunden werden und du lernen kannst, von einem, der schon ewig lebt und doch nicht sterben will. Wenn ihr nur sehen könntet, wie ich diesen letzten Moment lebe. Mit einem Leben, alt wie ein Baum, aber eingeschüchtert, wie ein kleines Kind, dass seine Holzpuppe nicht loslassen will. Ich habe viele Leben gelebt. Aber das eine will ich nicht vergehen lassen.
Auch der König von Sverige und die Fürstin der Provence sind verschieden. Ebenso die Königin von Leonien.
Der magrebische Mathematiker Ibn al-Banna' al-Marrakuschi hat ebenso wenig mit seinem eigenen Tod gerechnet, wie der italienische Kardinal Niccolò Alberti darauf gehofft hat.
Doch zum Scherzen ist mir nicht zu Mute. Denn ich sehe meinem eigenen Ende entgegen.
Darum verfasse ich dieses Vorwort. Auf das meine Schriften von dir Leser gefunden werden und du lernen kannst, von einem, der schon ewig lebt und doch nicht sterben will. Wenn ihr nur sehen könntet, wie ich diesen letzten Moment lebe. Mit einem Leben, alt wie ein Baum, aber eingeschüchtert, wie ein kleines Kind, dass seine Holzpuppe nicht loslassen will. Ich habe viele Leben gelebt. Aber das eine will ich nicht vergehen lassen.
Ich bin von vielen gesehen worden, doch ich bin der unsichtbare Mann. Und dies ist meine Geschichte. Und es ist die Geschichte vieler Königreiche.
Ich werde für euch der Hexagon sein. Doch mein Name tut nichts zur Sache.
Meine Unsichtbarkeit ist keine physische. Sehr wohl kann man mich sehen, man sieht wo ich stehe, wo ich gehe, wo ich sitze, wo ich liege. Meine Unsichtbarkeit ist eine gesellschaftliche. Ich bin an vielen markanten Punkten der Geschichte aktiv gewesen, doch ich werde nicht mehr wahrgenommen. Meine Geschichte erzähle ich euch hier als Rückblick.
Ich sitze in einem Keller in einem Stadthaus der Dogenstadt Verona. Ich war überall unterwegs, doch ich bin fast wieder daheim.
Diesen Keller habe ich erleuchtet mit 69 Talg- und Wachskerzen, Öllampen und Fackeln. Meine Widersacher sollen sich wundern, wenn sie diesen Raum betreten. Sie sollen erschlagen werden vom Licht und der Wärme. Ich selbst werde mich nicht wehren. Zu viele werden es sein, zu wenig Kraft ist mir verblieben.
Von diesem hellsten Punkt in ganz Verona aus, will ich in dieser Nacht das ewige Dunkel des Todes sehen. Von hier beleuchte ich dir mein Leben.
Ich war Student an den Universitäten Rhomäas. Ich war Hersteller von weißer Kalkfarbe. Ich war Installateur von Thermen. Ich war Redner während eines Sklavenaufstandes. Ich war Hausbesetzer. Ich war Hausberäumer. Ich war Beamter. Ich war Bettler. Ich war in Bruderschaften und Bünden. Ich war eins mit ihren Leitlinien. Ich war im Konflikt mit den Vorstellung der Parteiführung. Ich wurde umjubelt. Ich wurde fallen gelassen. Ich war Lehrer. Ich war Schüler. Ich war weise. Ich war dumm. Ich hatte Freunde. Ich hatte Feinde. Ich war der wütende Mob. Ich war Opfer des wütenden Mobs. Ich war Fanatiker. Ich war Geerdeter. Ich habe verfolgt. Ich bin geflohen. Ich habe erschlagen. Ich bin schon viele Male beinahe ums Leben gekommen.
Ich spüre die Hand schon an meiner Kehle. Das Messer in meiner Brust.
Sollte ich tatsächlich noch einmal das Tageslicht sehen, ich werde meine Geschichte binden und einem Verlag vorlegen.
Ihr nun müsst leider mit einer unsortierten, unvollständigen Machart Vorlieb nehmen.
Über allem aber schwebt die Frage:
Wenn ich so viele Leben gelebt habe und so viele Jahre das Kommen und Gehen von Großen und Kleinen gesehen habe, das Ändern ganzer Systeme, das Kommen und Gehen von Königreichen - wer bin ich?
Immer wieder beeinflußt - was ist von mir? Was kam von außen?
Fortwährend sah ich mich allzu oft genötigt, die eigene Identität stets wieder neu zu entwerfen und in der Konfrontation mit der Realität zu korrigieren. Stehts auch darum bemüht, mich denen zu entziehen, die über mich bestimmen wollen. Doch habe ich immer wieder versucht, meiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht auszuweichen.
Wer bin ich?
Bin ich der unsichtbare Mann? (#1)
Inhaltsverzeichnis:
VÖ: 22.09.2012: Die dreckige Seite Agrippinas (#2)
VÖ: 15.06.2018: Die Insel Iser - Teil 1: Prolog (#3)
VÖ: 17.08.2021: Die Insel Iser - Teil 2: Pelagius (#4)
#1 - Diese Geschichte stammt vom 17. August 2021, wurde aber thematisch vor die anderen Geschichten gestellt, da diese sein "Buch" einleitet. Am gleichen Tag wurde das Inhaltsverzeichnis geschaffen.
#2 - Diese Geschichte wurde bereits mehrfach neu aufgelegt. Die aktuelle Fassung stammt vom 15. Juni 2018. Mit der Zusammenführung von "Sacra Tibia: Hexagon - Der unsichtbare Mann" und "Sacra Tibia: Hexagon - Die Insel Iser" am 27. September 2021 wurde diese Geschichte den beiden Kapiteln der Iser-Geschichte vorangestellt. Daher ergibt sich ein deutlich älteres Datum.
#3 - Ursprünglich am 11. August 2011 erschienen. Da so sowohl das eingeleitete Inhaltsverzeichnis als auch die Agrippina-Geschichte dieser vorangesetzt wurden, erhält sie das deutlich spätere Datum.
#4 - Ursprünglich am 22. September 2012 erschienen. Da so sowohl das eingeleitete Inhaltsverzeichnis als auch die Agrippina-Geschichte dieser vorangesetzt wurden, erhält sie das fast 9 Jahre jüngere Datum.