Maxi war wie so oft bei der Oma zu Besuch. Es war schon so gegen 19:00 Uhr. Draußen war es dunkel und es regnete in Strömen. Dann kann noch ein Gewitter dazu. Der Regen peitschte an die Fensterscheiben und es donnerte und blitzte. Plötzlich ging überall das Licht aus. Es hatte wohl in der Nähe eingeschlagen.
Eigentlich wollten Sie noch das hübsche Geschenk fertig basteln, doch daran war nun erstmal nicht mehr zu denken.
Oma stellte einige Kerzen auf damit sie wenigstens etwas Licht hatten.
Maxi fragte Oma was sie stattdessen jetzt machen wollen. Sie überlegte eine Weile. Dann sagte Oma „was hältst du davon wenn wir bei diesem Kerzenschein ein paar schöne alte Volkslieder singen?“ Das haben sie manchmal gemacht.
Doch so richtige Lust dazu hatte Maxi heute nicht. Auf einmal kam Maxi die Idee, dass Oma eine Geschichte erzählen könnte solange der Strom weg ist.
„Ja, mein Kind“ sagte Oma, das kann ich machen.
„Ich muss nur mal bisschen nachdenken, welche Geschichten ich dir schon erzählt habe, nicht das ich zweimal die Gleiche erzähle.“
„Das macht doch nichts Oma. Ganz im Gegenteil. Die Geschichte von dem Mädchen die du mir letztens schon mal erzählt hast, die würde ich gern noch einmal hören. Ja, bitte Omilein, bitte, ich gehe danach auch gleich artig zu Bett.“
„Also gut. “
„Du weißt aber schon welche ich meine? - Ich meine die mit den Zöpfen, die die anderen Kinder immer geärgert haben.“
„Ja ich weiß. Komm setz dich zu mir in unsere Kuschelecke. Ich habe uns da schon für jeden eine Tasse Kakao und paar Kekse hingestellt.“
„Danke Omi, du bist die Beste.“
Die Geschichte vom Mädchen mit den langen geflochtenen Zöpfen
Als das Mädchen noch klein war hatte ihre Mutti immer ihr langes glattes Haar zu zwei geflochtenen Seitenzöpfen gemacht. So wie bei Pippi Langstrumpf. Manchmal hat sie die langen geflochtenen Zöpfe zu so genannten „Affenschaukeln“ gemacht oder auch wie Ohrmuscheln gelegt und festgesteckt. Mit langen Haaren konnte man so viele verschiedene Frisuren machen. Wenn man die frisch gewaschenen Haare noch feucht geflochten hat und sie später wenn sie trocken waren, aufgemacht hat, da hatte man wunderschöne Locken.
Eigentlich haben ihr die langen Haare immer gut gefallen, bis ….. naja, bis sie alt genug war um in die Schule zu gehen. Da fing der ganze Ärger an.
Sie erinnerte sich noch daran als wenn es erst gestern gewesen wäre, obwohl es nun schon einige Jahrzehnte her ist.
Schon bei der Schuleinführung gab es Grund zum Ärger. Alle Kinder ihrer Klasse hatten eine Zuckertüte bei der Feierstunde in der Schule dabei. Nur sie hatte Keine! Nicht das ihre Eltern keine Zuckertüte für sie gemacht hätten – nein das war es nicht! Nur haben sie diese eben nicht mit zur Feierstunde in die Schule gebracht. Sie hat sie später zu Hause bekommen.
An diesem Tag gab es auch gleich noch einen Zweiten Grund zum Ärgern.
Nach der kurzen Ansprache und den Programm der Feierstunde wurde den Kindern ihr Klassenzimmer gezeigt. Da fast alle Kinder sich schon aus dem Kindergarten kannten, hatten sie schon Freundschaften miteinander geschlossen, nur sie war allein und kannte niemanden.
Da ihre Mutti nicht arbeiten ging, haben ihre Eltern sie nicht im Kindergarten angemeldet. Sie wuchs also mit ihren Geschwistern zu Hause streng behütet auf.
Am ersten richtigen Schultag setzte sie sich also ganz hinten allein an eine Bank. Fast alle anderen Kinder hatten einen Sitznachbarn, außer der eine Junge und sie saßen allein.
Sie war sehr schüchtern und auch ein bisschen ängstlich.
Das kam wahrscheinlich daher, weil sie als kleines Mädchen - sie war noch nicht ganz zwei Jahren alt – für drei Monate in einem Kinderheim untergebracht war. Ihre Eltern haben sie zusammen mit ihren Bruder vorübergehend dort untergebracht, weil die Mutter eine Risikoschwangerschaft hatte und bis zur Geburt ihres jüngsten Kindes ins Krankenhaus sein musste. Für ihren Vater wäre es zu viel gewesen wenn er alle drei Kinder allein hätte versorgen müssen. So war nur die große Tochter, die damals etwa sechs Jahre alt war, bei ihm zu Hause geblieben.
Obwohl das kleine Mädchen schon einige wenige Worte sprechen konnte, hat sie die ganzen drei Monate die sie in dem Heim verbringen musste kein einziges Wort gesprochen. Das Personal dachte bestimmt, dass das Mädchen noch nicht sprechen konnte. Auch hat sie das Essen verweigert, ganz egal was das Pflegepersonal versucht hatte, bis sie dann eine Ausnahme gemacht hatten und ihren Bruder zu den Mahlzeiten mit zu ihr ins Zimmer durfte. Sie hatte wahrscheinlich Angst, dass ihre Eltern sie einfach dort zurückgelassen haben.
Sie sprach erst wieder als ihre Eltern sie nach etwa drei Monaten dort abgeholt haben.
Ihre ersten Worte waren: „ Hause gehn, nell weg“. Das auch erst als sie ein kleines Stück des Weges vom Heim weg in Richtung nach Hause waren.
Natürlich kann sich das Mädchen nicht bewusst daran erinnern, denn dazu war sie noch viel zu jung. So scheint es doch für immer in ihrem Unterbewusstsein als ein traumatisches Erlebnis gespeichert zu sein.
Die Schulzeit
Der Weg zur Schule war für sie wie ein Abendteuer, denn sie musste etwa 30 Minuten zu Fuß laufen. Das schlimmste war, dass sie über eine Eisengitterbrücke musste die über die Zugschienen führte. Besonders im Winter hatte sie richtige Angst darüber zu gehen, weil das Eisengitter in der Kälte glitzerte und auch weil man durch das Gitter nach unten sehen konnte. Wenn dann zufällig gerade auch noch ein Zug durch die Brücke fuhr, war es besonders schlimm. So kam es dass sie, wenn sie noch viel Zeit hatte, manchmal lieber einen riesigen Umweg gelaufen ist, nur um nicht über diese „böse“ Brücke gehen zu müssen.
Nun zurück zu den langen Haaren. Zu ihren Zöpfen die sie immer so schön fand. Aber das hat sich schlagartig in der Schulzeit geändert, da es ihren Mitschülern und anderen Kindern oft Spaß gemacht hat sie an ihren Zöpfen zu ziehen. Immer und immer wieder! So das sie eines Tages zu Hause ihren Eltern sagte, dass sie ihre Haare lieber kurz geschnitten haben möchte, damit sie nicht mehr daran ziehen können. Doch ihre Eltern gingen auf den Wunsch des Mädchens nicht ein. So wurde sie ständig weiter geärgert und an den Zöpfen gezogen.
Überhaupt hatte es das Mädchen in der Schule nicht leicht. Da sie sehr ruhig und schüchtern war haben die anderen Kinder sie immer wieder geärgert und gehänselt. Aber auch bei manchen Lehrern hatte sie keinen leichten Stand. Wie zum Beispiel beim Sportlehrer.
Es war vorgeschrieben, dass die Sportkleidung eine bestimmte Farbe haben sollte. Es sollte ein grünes Oberteil und eine schwarze Hose sein. Wer das nicht an hatte bekam gleich eine schlechtere Note. Das war total ungerecht. Denn darauf hatte das Mädchen doch keinen Einfluss, denn sie musste die Sportkleidung ihrer älteren Geschwister anziehen, egal welche Farbe sie hatte. Klar war das Mädchen da jedes Mal traurig und es gab für die Mitschüler wieder einen Grund mehr das arme Mädchen zu verspotten. Auch sollten in der Schule Hausschuhe getragen werden, doch ihre Eltern haben ihr keine Hausschuhe mitgegeben, weil sie meinten dass dies nicht nötig sei. Denn da hätten sie ja zwei Paar kaufen müssen. Einmal für zu Hause und einmal für die Schule. So musste das Mädchen ihre Straßenschuhe anlassen, was natürlich von den Lehrern nicht gern gesehen war und deswegen auch immer mal wieder Stress gab.
So vergingen die ersten drei Schuljahre.
Ein Mädchen aus ihrer Klasse, sie hieß Andrea, hat sich langsam mit dem Mädchen angefreundet, weil es ihr leid tat wie die meisten sie geärgert haben. Eines Tages hat Andrea ein paar Hauspantoffeln für das Mädchen mit in die Schule gebracht, denn Sie hatte am Abend zuvor mit ihren Eltern über das Mädchen gesprochen.
Das Mädchen hat sich sehr gefreut darüber und hat sie auch gleich angezogen. Natürlich hat das Mädchen davon zu Hause nichts erzählt, damit es nicht gleich neuen Ärger gab.
Mit der Zeit wurde sie nicht mehr so oft ärgerten und an den Zöpfen gezogen. Aber drei Jungen und zwei Mädchen aus der Schule konnten es einfach nicht lassen. Sobald sie das Mädchen sahen ging es los. Manchmal haben dann auch noch andere Kinder mitgemacht.
So war es auch an einen Tag Anfang Oktober.
Der Zusammenstoß mit einen Motorrad
Einmal auf den Nachhauseweg von der Schule war es ganz schlimm. Sie haben das Mädchen wie so oft gehänselt, geschupst und auch an meinen Zöpfen gezogen. Die Tränen rollten schon über ihre Wangen. Aber sie haben einfach weitergemacht. Sie wollte ausweichen und ihnen entkommen damit „es“ endlich aufhört. Dass da gerade ein Motorrad kam hat sie vor lauter Tränen in den Augen nicht gesehen. Es kam wie es kommen musste. Das Motorrad hatte sie erfasst. Es war nicht sehr schlimm, nur eine leichte Schramme am Knie und Ellebogen, aber ihre Strumpfhose hatte ein Loch.
Da ihre Eltern immer sehr streng waren, hatte sie Angst den Zusammenstoß mit dem Motorrad zu erzählen, weil sie ja selbst Schuld war, denn sie hatte nicht Obacht gegeben bevor sie über die Straße rannte. Zum Glück war ja nicht viel passiert.
Also beschloss sie wegen der Schrammen und den Loch in der Strumpfhose nur zu sagen das sie gestolpert und hingefallen ist. Das stimmte ja auch irgendwie. Soweit, so gut.
Die Überraschung kam den Tag darauf.
Sie hatte ja auch nicht ahnen können, dass genau dieser Motorradfahrer ihren Vater von der Arbeit her kannte und wusste das es seine Tochter war die er angefahren hatte.
An diesem Abend hatten sie auch noch gemeinsam Nachtschicht. Er hatte natürlich ihren Vater von den Zusammenstoß mit dem Motorrad erzählt und gesagt das er beim besten Willen nicht hätte ausweichen können, da das Mädchen so plötzlich über die Fahrbahn rannte. Nachdem er sich entschuldigt hatte, fragte er seinen Kollegen - den Vater des Mädchens - ob es seiner Tochter gut geht und mit ihr alles in Ordnung sei.
Ihr Vater wusste nicht was er dazu sagen sollte, den von einen Zusammenstoß mit einem Motorrad wusste er natürlich nichts, weil sie davon zu Hause nichts erzählt hatte.
Als das Mädchen am nächsten Tage nichts ahnend aus der Schule kam, hat sie sofort von ihrer Mutti erstmal ein paar Ohrfeigen bekommen, ehe sie überhaupt etwas sagen konnte. Sie wusste gar nicht recht was ihr geschah. Das alles nur weil sie das mit den Motorradfahrer verschwiegen hatte. Ihr Vater hatte es natürlich gleich seiner Frau erzählt als er von der Nachtschicht nach Hause kam.
Also war das Mädchen wiedermal mehrfach bestraft. Erst haben die Kinder sie an den Zöpfen gezogen, dann hat sie der Motoradfahrer erfasst und sie fiel hin so dass ihr das Knie tat weh, und zu guterletzt bekommt sie auch noch von der Muter die Ohrfeige. So ungerecht kann das Leben manchmal sein.
„Es ist schon spät geworden. Nun aber marsch ins Bett mit dir meine Kleine.“
„Ja Omi, nur noch schnell Zähne putzen und dann bin ich soweit.“
„Kannst du mir morgen erzählen wie es mit dem Mädchen weiter geht?“
„Wir werden sehn. Vielleicht haben wir noch etwas Zeit wenn wir mit dem Basteln fertig sind“.