Cottmos - Elric, der Erlöser




Unterhaltungsliteratur in ihren verschiedenen Formen, wie beispielsweise Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten, Berichte, Märchen und Sagen

Cottmos - Elric, der Erlöser

Beitragvon Nikita LaChance » So 4. Sep 2011, 09:07

Kapitel I


Cottmos war seit Anbeginn eine kleine friedliche Insel, in einem meist stürmischen Meer. Die Insel war die meiste Zeit über grün und fruchtbar gewesen. Selbst die vielen Berge und sogar die Steilküsten im Westen waren grün. Und selbst die Moore, die einen Großteil des Ostens bedeckten, waren in farbiger Pracht und leuchteten im Sommer violett. Der Süden war über und über nur mit einem prächtigen Laubwald bewachsen. Der Norden hingegen war recht steinig und dennoch von Blumen bedeckt.

Fünf Völker teilten sich die Insel. Friedlich herrschten gemeinsam. Jeder in seinem Land.
So lag im Norden, in Varhos, das Königreich der Drachen. Alten Legenden zufolge, waren sie einst aus dem Berg Carrantyl entschlüpft, dem höchsten Berg der ganzen Insel. So war der Berg auch lange Zeit ihr Nest und ihr Unterschlupf.
In Thair hatten sich die Zwerge ihr Königreich geschaffen. Sie bewirtschafteten die Gebirge im Westen und im Landesinneren. Sie bauten Erze und Edelsteine ab, die sie mit den anderen Völkern teilten. Einige ihrer Städte waren unter der Erde, aber noch viel lieber lebten sie über Tage und genossen das Sonnenlicht.
Die Menschen hatten sich in Vardis niedergelassen. Sie hatten sich eine Heimat zwischen den Mooren und Seen erbaut.
Eliargis, das Reich im Südwesten, gehörte den Magiern. Dank ihrer Zauberkünste und der drei großen Flüsse war das hügelige Land immer grün.
Das Elfenvolk hatte sich in dem hügeligen und stark bewaldeten Südosten zurückgezogen. Sie nannten ihr Reich Abadhi, ein alter elfischer Name, dessen wahre Bedeutung kaum noch einer kannte.

Alle lebten glücklich und friedlich zusammen.

Die Mächtigsten, wenngleich nicht die ältesten Bewohner der Insel, waren die Magier. Jahrtausende lang hatten sie die magischen Künste aller Völker Cottmos studiert. Sie waren auch die Hüter der Kultur und Geschichten aller. Sie hatten es sich zu ihrer Aufgabe gemacht, mit ihrem Wissen und ihrer Magie den Bewohnern Cottmos zu dienen und in Zeiten der Not zu helfen.
Nur mit der Zeit, als ihnen immer stärker bewusst war, welche Macht sie besaßen wurden sie immer selbstsüchtiger. So halfen sie nicht mehr den schwächeren und nutzten die Magie nur noch für eigene Zwecke.
Aber irgendwann wollten sie untereinander wissen, wer von ihnen der Mächtigste war und begannen einen magischen Wettstreit. Sie fingen an, sich darüber zu streiten, wer wirklich über Cottmos herrschen sollte. Sie waren immer die jenigen gewesen, die überall mit ihrer Magie geholfen hatten und nun wollten sie endlich ihren Lohn dafür.
Mehrere hundert Jahre dauerte der Krieg, den die Magier untereinander austrugen und der Cottmos in fast unendliche Dunkelheit stürzte.
Aber es waren nicht die Magier, die am meisten darunter zu leiden hatten. Die Opfer waren hauptsächlich die anderen vier Völker.

Dracold, ein recht unscheinbarer Magier, brachte eine Entscheidung in dem lang andauernden Wettstreit.
Er ging recht listig an die Sache heran und nutzte, im Gegensatz zu seinen Kameraden nicht die Magie, um den Sieg zu erringen. Er redete auf die Magier einzeln ein und hetzte sie mit einfachen Worten weiter gegeneinander auf. Und leichtgläubig wie sie waren vertrauten sie ihm. Er hatte ihnen Unterstützung zugesprochen, doch als es zum Kampf kam, hielt er sich im Hintergrund.
Dann rief Dracold den Rat Cottmos ein. Einst bestand er aus den Vertretern aller fünf Völker, aber seit dem Magierkrieg hatte der Rat nicht mehr getagt.
Aber wieder schaffte Dracold es die anderen mit einer großen Rede zu überzeugen. Die Drache, Elfen, Zwerge und Menschen glaubte ihm, als er ihnen Hilfe gegen seine Magierkollegen anbot.
Er sprach davon, wie sie alle gemeinsam die Magier bezwingen könnten und damit Cottmos wieder Frieden zu bringen.

Ein Bündnis aus Drachen, Menschen, Zwergen und Elfen entstand und gemeinsam zogen sie in die Schlacht gegen die Magier. Sie alle wollten nun endlich etwas gegen die Übermächtigen tun und nun, da sie einen auf ihre Seite wussten, hatten sie auch genug Mut dazu.
Und obwohl er dem Bündnis seine Hilfe angeboten hatte, hielt er sich erneut im Hintergrund. Er lies die anderen alle den großen Kampf austragen.

Die Magier waren überrascht, durch den Angriff des Bündnisses und so kämpften sie nicht mehr nur gegeneinander. Der Krieg weitete sich immer weiter aus und nun waren es nicht nur die Magier, die einen Sieg wünschten. Opfer gab es auf beiden Seiten, auf Seiten der Magier und auf der des Bündnisses.
Und erst nach einem recht langem und hartem Kampf gelang es ihnen einen Sieg zu erringen.
Die Magier, obwohl sonst immer so mächtig und stark, unterlagen dem Vereinigung aus Drachen, Menschen, Zwergen und Elfen.
Und während sich das Bündnis über den Sieg freute, war es doch Dracold, der am lautesten feierte.
Er hatte sich bedeckt gehalten und im Geheimen seinen Plan verfolgt, der nun aufgegangen war.
Was seine Kameraden und das Bündnis nicht wusste, war dass er einen Zauber angewendet hatte, der die anderen Magier schwächte. Erst dadurch hatten die Krieger die Chance bekommen, etwas gegen die Magier auszurichten.
Doch der Zauber hatte noch etwas anderes bewirkt. Er hatte Dracolds einstige Kameraden nicht nur geschwächt. Vielmehr wurde ihnen ihre Magie geraubt und an jemand anderen übertragen.
Und dieser Jemand war niemand anderer als Dracold selbst.
Keiner aus dem Bündnis ahnte etwas. Sie alle waren froh, dass die selbstsüchtigen und vor allem machtgierigen Magier besiegt worden war.
Alle bis auf einen.

Dracold hatte sie hintergangen und den Kampf der Magier und auch das Bündnis für sich genutzt um nun selbst die alleinige Macht zu erhalten. Und jetzt, wo es keinen mehr gab, der so stark war wie er, kürte er sich selbst als Herrscher über Cottmos.
Das Bündnis, betrogen, rebellierte. Aber sie alle waren ihm nicht gewachsen. Er war zu mächtig geworden.

Eathril, die riesige Burg in Eliargis, war einst ein Hort magischen Wissens gewesen und war einst der Thronsitz des Königs der Magier gewesen. Nun aber wurde er zum Thron des Königs von ganz Cottmos.
Dracolds allererste Handlung als Herrscher war es, das Bündnis wieder aufzulösen. Und obwohl sie alle wussten, was er ihnen angetan hatte, ließen sie sich von ihm beeinflussen. Unruhe brach unter der Allianz aus und Misstrauen machte sich breit.
Der Magier wusste, wie er sie wieder entzweien konnte.
Den Menschen redete er ein, dass die Elfen über Magie herrschten. Sie waren scheinbar unverwundbar und besaßen ewiges Leben sowie das Wissen, wie sie die Natur für sich nutzten konnten. Und die Menschen überkam Neid über die Macht der Elfen.
Die Elfen überzeugte Dracold mit der Vorstellung, dass die Zwerge mit ihrem Bergbau der Natur schadeten und dass sie in den Elfen nur dumme, eitle Geschöpfe sähen.
Auch die Zwerge glaubten Dracold, als er ihnen sagte, dass sich die Elfen für etwas besseres hielten. Für schlauer und besser, in allem was sie tun. Und ihre Naturmagie machte sie für die Zwerge nicht freundlicher.
Über die Menschen brauchte der neue König kaum ein böses Wort fallen lassen. Alle sahen in den Menschen den Ursprung des Übels, die Schuld am Magierkrieg. Denn einst waren die Magier selbst Menschen gewesen, denen die Gabe und das Wissen der Zauberei gegeben wurde.
Und während sich die drei Völker anfingen zu streiten und zu verachten, blieben die Drachen ruhig.
Sie waren die ältesten Geschöpfe Cottmos, hatten viel erlebt und gesehen. Sie ließen sich nicht auf Dracolds verschwörerischen Worten ein und enthielten sich dem aufkeimenden Streit.
Sie hatten lange Zeit friedlich mit allen anderen gelebt und hatten ihnen geholfen. Aber nun, da die ganze Insel und deren Bewohner sich uneins waren, wollten sie sich wieder in ihre Heimat zurückziehen und schworen sich, sich nie wieder einzumischen.
Ihre Wahl war weise, aber dennoch war sie töricht.

Der Magierkönig sah Verrat darin, dass sich die Drachen ihm und den anderen abwandten. Sie die mit ihrer Stärke gleich nach ihm kamen. Er konnte es nicht zulassen, dass die Drachen sich ihm widersetzten. Also lies er die Drachen jagen und töten.
Kaum einer entkam. Einige versuchten sich zu retten, indem sie sich Dracold unterwarfen und die wenigen, die nicht geflohen waren und die Jagt überlebt hatten, versteckten sich in den Bergen. Und irgendwann wurde das Gerücht laut, als man keinen einzigen Drachen mehr sah, dass sie ausgestorben seien, oder dass es zumindest keine freien Drachen mehr gäbe.

Das Land war zwar noch immer grün und reich an Leben. Doch unter der Fassade einer schönen und heilen Welt mit seinen saftigen Wiesen, riesigen Gebirgen und farbigen Mooren war das Land so schwarz und finster, wie das Herz des Herrschers.
Zuletzt geändert von Nikita LaChance am Fr 9. Sep 2011, 07:52, insgesamt 1-mal geändert.
Nikita LaChance
Ritter
Ritter
 
Beiträge: 143
Registriert: So 27. Mär 2011, 09:30

von Anzeige » So 4. Sep 2011, 09:07

Anzeige
 

Re: Cottmos - Elric, der Erlöser

Beitragvon Nikita LaChance » So 4. Sep 2011, 09:07

Kapitel II


Die Sonne stand hoch am Himmel, bracht das saftige Grüne der Wiesen zum leuchten. Der Duft von frisch geschlagenem Gras lag in der Luft und die Kühe und Schafe bildeten die einzigen Farbtupfer in dem Meer aus Grün.
Es war ein viel zu schönes Wetter, bei der man die Arbeit viel lieber ruhen lassen und faulenzen wollte. Einfach nur den Tag genießen.
Doch dazu war keine Zeit. Es gab immer irgendetwas zu tun, da konnte das Wetter noch so schön sein.

An einem Baum spielten Kinder. Sie trugen zwar Lumpen am Leib, doch dies störte sie nicht. Sie spielten irgendeinen Schwertkampf nach, wobei viel weniger darum ging, wer der Stärker war, als vielmehr um den Spaß, den es machte.
Eine Weile beobachtete er sie. Die spielenden Kinder. Vor vielen Jahren hatte er ebenso ausgelassen gespielt. Aber für ihn waren die Zeiten des Spielens längst vorbei und im Gegensatz zu den Kindern wusste er auch viel mehr von dem was geschehen war und noch geschehen sollte.

„Hey, Elric! Wo bleibst du?“
Er erschrak und riss sich von den spielenden Kinder los.
Ein alter Freund stand vor ihm und wartete. Mit ihm hatte er einst als Kind auch Ritter und Held gespielt und auch bei ihnen war es vielmehr um den Spaß als um den Sieg gegangen.
Elric nickte ihm zu.
„Ich komm schon!“
„Beeile dich lieber! Meine Schwester sucht dich schon!“ meinte sein Freund nur lachend zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.
Gemeinsam gingen sie den steinigen Weg zum Dorf und unterhielten sich über dies und das.
Im Dorfzentrum herrschte wie immer reger Betrieb. Die jungen Mädchen liefen schnatternd über den Markt, die älteren Herren redeten lautstark über die vergangenen Tage und junge Burschen vertrieben sich die Zeit damit, den Mädchen Streiche zu spielen und ihnen hinterher zu pfeifen.
Als Elric mit seinem Freund auf dem Marktplatz ankamen, begannen die Mädchen zu tuscheln und zu kichern. Immer wieder warfen sie Elric Blicke zu.
Eines der Mädchen aber lächelte ihm besonders schüchtern zu, was Elrics Freunde, die auf ihn gewartet hatten, lautstark kommentierten. Das Mädchen wurde rot und tat so, als sei nichts gewesen.
Und während Elrics Freunde immer wieder versuchten die Mädchen anzuflirten und sich einen neuen Streich für sie auszudenken, saß Elric einfach nur bei ihnen und lauschte stumm.
Er mochte zwar einer von ihnen zu sein, aber er wusste viel mehr als sie und seine Aufgabe war auch eine andere als Felder zu bewirtschaften.
Der Tag verging wie im Fluge und Elric hatte nichts anderes getan, als bei seinen Freunden zu sitzen und die meiste Zeit zu lauschen. Jeder tat so, als gäbe es nichts anderes als ihr Dorf und ihre Feldarbeit. Sie dachten nicht an den Tyrannen, der in Eliargis saß und mit harter Hand über sie alle regierte.
Sie alle versuchten es zu verdrängen, was geschehen war und genossen die Ruhe, so trügerisch sie auch war. Sie wussten, dass überall um sie herum Gefahren lauerten. Aber niemand wollte daran denken.
Und auch Elric dachte nicht daran, was wirklich war, sondern vielmehr an das was sein könnte oder sogar sollte.

Am Morgen hatte ihn ein alter Bekannter aufgesucht und Elric wünschte sich, obwohl der Bekannte ein guter Freund war, dass er nie aufgetaucht wäre.
Sein Erscheinen bedeutete nichts Gutes.
Gunter, war einst ein hoher Ritter gewesen. Hatte im Diensten des Menschenkönigs gestanden. Doch seit einer verlorenen Schlacht hatte er sich zu ruhe gesetzt.
Er war es gewesen, der aus dem Bauernsohn Elric einen Krieger gemacht hatte. Nicht das er eine andere Wahl gehabt hätte.
Elric kannte ihn schon seit vielen Jahren und wenngleich er sich über das Wiedersehen freute, so war es doch das gewesen, was Gunter ihm am Morgen gesagt hatte.
Es hatte wie ein Märchen geklungen.
„Du musst noch heute aufbrechen!“ hatte Gunter ihm befohlen. Woraufhin Elric ihn nur verwirrt angesehen hatte.
„Du bist der Erlöser!“ hatte Gunter dann gebrummt, „Es ist deine Bestimmung gegen ihn anzutreten!“
Gunter hatte in seinen Erzählungen immer vermieden den Namen zu nennen, wenn er von ihm sprach. Ihm dem König.
„Ich weiß!“ war das einzige was Elric ihm daraufhin geantwortet hatte.
Er kannte die Geschichte zu genüge, hatte man sie ihm doch immer wieder erzählt.


Bevor Dracold den letzten Drachen hinrichten lies, hatte dieser ihm eine Prophezeiung gemacht, die das Leben des Königs und das von Elric nachhaltig verändern sollte.
„Ein junger Knabe wird dein Untergang sein!“ hatte der Drache unter Schmerzen gezischt.
Dracold hatte darüber gelacht. Er glaubte nicht daran und setzte seine Folter fort.
Bevor der Drache sein Leben aushauchte, brachte er erneut die Warnung an Dracold heraus und nannte sogar einen Namen.
„Elric aus Varhos!“
Der Drache starb und ungläubig hatte Dracold das riesige Geschöpf angesehen. Weshalb sollte sich das Tier so eine Geschichte ausdenken, wenn es dem Tode so nahe war? Dachte er sich.
Und obwohl er ein wenig Misstrauen an der Prophezeiung des Drachens hegte, schickte er seine Männer den ominösen Elric zu finden. Aber in Varhos gab es niemanden mit diesem Namen.
Daraufhin lies Dracold sich von einer alten Hexe, die sich sehr gut aufs Wahrsagen verstand, die Zukunft deuten.
Die Hexe sah ebenfalls das Ende des Königs durch einen Knaben besiegelt. Und als der König wild anfunkelte, dass man keinen Knaben namens Elric gefunden habe, meinte sie zu ihm, dass er noch nicht geboren sei. Der Knabe würde erst in fünfzig Jahren Dracolds Weg und das Schwert mit ihm kreuzen.
Dracold hielt die Deutung für eine Lüge. Er hätte sie töten lassen, hätte sie ihm nicht Treue geschworen. Dennoch fand er, sollte sie wissen, wo ihr Platz war und so verwandelte er sie in eine faulige und verrunzelte Gestalt, deren wahres Aussehen nun nicht einmal mehr zu erahnen war.
Die Hexe wusste, wie kostbar ihr Leben für sich und für andere noch war, allenfalls wäre sie viel lieber in den Tod gegangen, als alles zu verraten, woran sie selbst glaubte.
In der Laufe der Jahre rief Dracold die alte Hexe immer wieder zu sich, um sich die Zukunft immer wieder neu deuten zu lassen. Aber immer wieder sagte sie ihm, dass ein Knabe namens Elric für seinen Untergang sorgen würde.
Mit der Zeit jedoch verlor Dracold immer mehr den Glauben und die Geduld daran, ihrer Prophezeiung zu lauschen. So langsam glaubte er, dass ihn einst der Drache nur verspotten wollte und die Hexe diesen Streich nur noch weiter trieb.
Doch eines Tages erwähnte die Hexe, dass Elric nun geboren sei. Dass sie dies so beiläufig gesagt hatte, machte Dracold ein wenig misstauisch. Aber dennoch lies er seine Männer nach Elric suchen.
Und wieder kamen sie mit der Botschaft zurück, niemanden namens Elric in Varhos gefunden zu haben.
Er hätte ihnen auch Glauben geschenkt, doch deutlich hatte er es gespürt. Es war wie ein großer Druck in seinem Magen und er spürte, wie sich eine magische Kraft in Cottmos ausbreitete. Mitten in Varhos.
Aber konnte es wirklich sein? Seit der Prophezeiung des Drachens waren gerade mal sechsundvierzig Jahre vergangen.
Und während Dracold erneut seine Männer auf die Suche nach seinem Widersacher nach Varhos schickte, hatte man dort bereits reagiert und den Jungen in Sicherheit gebracht.
Als Dracolds Männer in Varhos ankamen, war Elric längst verschwunden und so sehr sich Dracold auch bemühte ihn zu finden, schien der Knabe unter einem elfischen Zauber zu stehen. Er konnte ihn einfach nicht ausfindig machen. Und zu seinem Entsetzten erschwerte sich die Suche, denn es gab plötzlich nicht nur einen Elric. Viele Männer und Jungen in ganz Cottmos besaßen mit einem Male den Namen, so als wollte man den König damit verärgern.


Während die Nacht allmählich herein brach, herrschte noch immer reges Treiben im Dorf. Einzig die Kinder lagen bereits in ihren Betten und schliefen. Die Alten saßen bei der Taverne.
Elric saß bei seinen Freunden und während diese lautstark miteinander sprachen, wobei irgendwie jeder den anderen zu übertönen versuchte, saß er nur still zwischen ihnen und lauschte.
Obwohl jeder im Dorf von seiner Bürde wusste und dass es für ihn der letzte friedliche Tag in trauter Runde war, redete niemand darüber. Zum einen, um ihm den Abschied nicht unnötig zu erschweren und zum anderen, da die Soldaten von Dracold immer wieder durch die Lande zogen und jeden, der schlechtes über ihren König sprach, gefangen nahmen.
Elric war dankbar für ihr Schweigen und so gern er auch bei ihnen war, so musste er aufbrechen. Auch ihretwegen.
Er, der große Erlöser. Er, der nichts weiter als ein Bauer war von knapp zwanzig Jahren. Ein junger Kerl, der immer auf der Hut sein musste, da man ihn suchte.
Elric konnte sich lange Zeit, eigentlich seit er die Geschichte, dass ausgerechnet er der Erlöser sein sollte, nicht vorstellen, weswegen. Was sollte ein einsamer Bauer auch schon gegen einen großen Magier ausrichten können?

Noch vor Tagesanbruch verließ er sein kleines Haus. Er hatte nun knapp vier Jahre, seit seiner Flucht aus Varhos, hier gelebt. Es war zwar klein und durch die hölzernen Bretterwände zog öfters der Wind hindurch oder sogar der oftmals peitschende Regen, aber er mochte das Haus.
Es war so wie er. Unscheinbar und dennoch mit einem gewissen Charme.
Elric hatte sich ein kleines Bündel gepackt, in dem er nur einen alten Brief seiner Eltern, sein einziges Erinnerungsstück an sie, etwas Brot und Trockenfleisch hatte. Mehr konnte er auf seine Reise nicht mitnehmen.
„Du kommst zu Fuß! Ich werde dich dann bis zu den Tueris bringen!“ hatte Gunter ihm gesagt. Auch dass er zum Morgengrauen am Waldrand mit einem Pferd auf ihn warten würde.
Leise, obwohl dies nicht nötig war, da er allein lebte, stahl sich Elric aus seinem Haus.
Er wollte gerade los laufen, als ihn jemand ansprach.
„Elric?“ Es war eine junge Mädchenstimme und wäre es nicht noch so dunkel gewesen, hätte er gesehen, wie das Gesicht des Mädchens errötete.
„Mina? Was machst du hier?“ fragte er erschrocken und besorgt.
„Ich wünschte, du müsstest nicht gehen!“ stotterte sie leise.
Elric wusste, wer sie war. Sie war die jüngere Schwester seines Freundes und hätte er nicht so eine schwierige Aufgabe zu meistern, hätte er sie längst um eine Verabredung gebeten.
„Ja!“ seufzte er kaum hörbar, „Es tut mir leid!“
„Du wirst doch zurückkommen? Versprich es!“ bettelte sie mit fester Stimme und Elric musste schmunzeln. Er konnte sich vorstellen, wie viel Überwindung sie es gekostet hatte, ihn mitten in der Nacht anzusprechen.
„Ich werde zurückkommen! Ich kann doch nicht deinem Bruder mein Haus überlassen!“ scherzte er.
Auch ihr huschte ein Lächeln übers Gesicht.
„Ich werde zurückkommen, denn hier gibt es ja noch etwas, was ich mir wünsche!“ meinte Elric.
Für einen Moment verstand Mina nicht, was er meinte.
„Wenn ich zurückkomme, werde ich um deine Hand bitten. Wenn du mich dann noch willst!“sprach er.
Mina schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn.
„Aber vergiss mich nicht!“ mahnte sie und lies ihn wieder los.
Elric nickte.
Langsam ging die Sonne auf und färbte den Himmel rot.
„Jetzt geh!“ meinte sie zu ihm und stieß ihn sanft voran.
„Ich werde aufpassen, dass mein Bruder dein Haus heil lässt!“ rief sie ihm nach.
Elric winkte nur kurz, ohne sich noch einmal nach ihr umzusehen. Er war sich sicher, dass sie weinte. Doch er wusste nicht, ob er sein Versprechen auch wirklich einhalten konnte. Er hoffte es.


Gunter wartet ungeduldig mit zwei Pferden am Waldrand. Er war nicht der Typ, der gerne lange auf irgendetwas oder irgendjemanden wartete. Auch war es ihm nicht recht, einen jungen Bauern zu einem aussichtslosen Kampf abzuholen. Wie gern hätte er Elric gesagt, dass die ganze Prophezeiung nur eine Lüge sei und er in Sicherheit. Wie gern hätte er selbst das Schwert mit König Dracold gekreuzt.
Für ihn gab es nichts mehr zu verlieren.

„Gunter?“ Elric hatte ihn endlich erreicht.
„Wird auch Zeit!“ brummte Gunter nur und reichte ihm die Zügel eines grauen Schecken.
Elric schwang sich in den Sattel, warf noch einmal einen kurzen Blick auf sein Dorf, welches in die Morgenröte getaucht war, und ritt Gunter hinterher.
Vieles ging Elric durch den Kopf. Zuviel.
„Wie weit ist es?“ wollte Elric wenig später von seinem Begleiter wissen.
„Die Tueris erwarten uns nur knapp einen Tagesritt entfernt. Wir werden uns mit ihnen beraten, wie wir weiter vorgehen!“ antwortete Gunter und warf ihm einen etwas mitleidigen Blick zu.
Elric nickte nur knapp und verfiel wieder in Schweigen.
So ritten beide dahin, größtenteils schweigend.
Gunter kannte Elric bereits seit einigen Jahren. Er war mit seinem Schutz beauftragt worden und seiner Ausbildung als Schwertkämpfer, wobei sich Elric anfangs noch etwas schwer tat.
Elric hingegen wusste nicht viel über Gunter. Außer, dass dieser einst ein Ritter gewesen sein musste. Gunter hatte auch nie viel über sich selbst erzählt. Selbst wenn er betrunken seine Geschichten herunterleierte.
Wie Gunter es gesagt hatte, warteten die Tueris bereits auf sie.
Die Tueris waren eine Rebellengruppe, die hauptsächlich aus dem Menschenvolk stammte. Es waren zum Teil Männer über dreißig, fast alle schon kampferprobt und von vielen Schlachten gezeichnet. Die wenigen jungen Männer schienen fast alles Bauern zu sein. Auch waren Frauen unter den Rebellen, wenn auch nur knapp zwei Hand voll. Aber auch sie scheuten einen Kampf nicht.
Sie alle kämpften für den Frieden Cottmos.
„Willkommen!“ grüßte ein dunkelhäutiger Hüne und verbeugte sich vor Elric. All die anderen taten es ihm nach.
Elric wusste nicht, was er tun sollte und sah Gunter verwirrt an. Dieser gab aber keine passende Antwort.
Der Hüne, gekleidet in einer braunen mit einzelnen Goldmünzen und Ringen verzierte Lederrüstung, lächelte Elric freundlich an.
„Ich bin Latis!“ stellte er sich vor und gab Elric die Hand.
Elric, noch immer verwirrt, nannte seinen Namen, obwohl ihn wohl schon jeder wusste, und alle schienen erfreut darüber ihn nun endlich persönlich kennen zu lernen.
„Warum treffen wir uns hier und nicht im Dorf?“ wollte Gunter wissen. Ihm war die ganze Freundlichkeit und Vorfreude der anderen egal.
Latis wandte sich ihm zu: „Wir haben eine Armee Dracolds ausgemacht. Sie haben das Dorf Pavog, welches nur knapp zehn Meilen entfernt von hier liegt, dem Erdboden gleichgemacht.“
Gunter sah ihn finster an.
„Sie machen Jagt auf uns Rebellen und töten jeden, der einen von uns beherbergt oder anderweitig geholfen hat.“ mischte sich eine Frau ein und alle begannen zu schimpfen. Sie waren alle erbost darüber, dass des Königs Soldaten jeden angriffen.
Latis hob seine Hand und schlagartig kehrte Ruhe ein.
„Wir sollten die Chance nutzen und sie jetzt angreifen!“ entfuhr es der Frau.
„Raya, still jetzt!“ rief Latis ihr scharf zu. Dann wandte er sich wieder Elric zu:
„Wir haben auf dich gewartet und dir deine Rüstung sowie dein Schwert mitgebracht!“
Elric nickte nur. Ihm war flau im Magen. Er hatte nicht gedacht, dass er so schnell in den Kampf ziehen müsste.
„Du solltest dich erst ein wenig ausruhen! Ich werde mich mit Gunter beraten!“ meinte Latis und auf seinen Wink hin, führte Raya Elric in ein kleines Zeltlager.
„Hier!“ sagte sie nur und klang dabei nicht mehr so rau wie zuvor, sondern fast mütterlich.
Im Zelt war eine kleine Decke auf dem Boden ausgebreitet. Elric, zu müde vom Reiten, legte sich hin und war auch sofort eingeschlafen.

„Steh auf, Junge!“ brummte jemand vor dem Zelt und tippte Elric gegen den Fuß.
Er schreckte hoch und kroch verschlafen aus dem Zelt.
Gunter stand vor ihm, ungeduldig wie immer.
„Latis gibt dir jetzt deine Rüstung!“ brummte Gunter nur und ging voran.
Gunter sah etwas müde aus, so als habe er die wenigen Stunden kein Auge zugetan.
Ein paar Zelte weiter stand Raya und winkte ihnen zu, ihr zu folgen. Sie führte die beiden zum höchsten aller Zelte, indem mindestens fünf Mann gleichzeitig hätten schlafen können.
Nur war dieses Zelt, wie sich herausstellte, kein Nachtlager, sondern vielmehr eine Waffenkammer, wo Latis bereits auf sie wartete.
Auf einer Seite lagen lange hölzerne Lanzen, auf der anderen Bögen mit vollen Köchern und Schwerter in unterschiedlichsten Arten und Größen.
Mitten im Zelt stand eine Art Kleiderpuppe aus Holz, auf der ein schwarzer Lederharnisch hing. Er war verziert mit zahlreichen Silbernieten und einer silbernen Zeichnung eines vogelartigen Wesens. Davor stand ein Schwert von circa 1,20 Metern Länge. Der Griff des Schwertes war komplett in blau gehalten und wies ein sonderbares Relief auf, welches Schuppen glich. Zum Griffende wuchs eine fünffingerige Drachenklaue heraus, die einen klaren runden Kristall umschlossen hielt.
Elric war fasziniert von dem Schwert.
„Dies ist Solith. Der Griff ist aus den Knochen eines mächtigen Drachens. Es ist ein starkes Schwert!“ erzählte Raya fast schon schwärmerisch.
„Jedes Schwert ist nur so stark, wie der, der es führt!“ meinte Gunter und schob Raya aus dem Zelt.
„Du solltest deine Rüstung anlegen!“ Latis wies auf den Lederharschnisch und das Schwert, „Und dies hier!“
Er reichte Elric ein Hemd, eine dunkle Lederhose und Stiefel.
Danach verließ Latis das Zelt und stellte sich vor den Zelteingang, sodass niemand hineinsehen konnte.
Elric zog sich um. Das Leder war anfangs kühl auf seiner Haut, aber wie er schnell feststellte, wärmte es ungemein. Viel besser als seine alte Leinenhose.
Als er neu gekleidet und gerüstet heraustrat, das Schwert in der Hand, sahen die Tueris, die sich neugierig vor dem Zelt versammelt hatten, überrascht aus.
Der blonde Mann vor ihnen, hatte nun nichts mehr mit dem Bauern gemein, der er vorher noch gewesen war. Er sah nun vielmehr einem Prinzen gleich. Einem jungen freundlichen Herrscher.
Elric spürte, wie ihn die Gewandung veränderte. Er fühlte sich stark und seiner Aufgabe gewachsen.
Gunters besorgten Gesichtsausdruck bemerkte er nicht. Und wenn, hätte er diesen Blick nicht zu deuten gewusst.
Mit einem Mal jubelten alle lautstark. Immer wieder riefen sie seinen Namen, so als würden sie sich damit Glück wünschen. Einzig Gunter schwieg.
Es kam ihm wie ein Verrat vor. Er hatte Elric unterrichtet. Er hatte ihm die Wahrheit über seine Bestimmung gesagt. Er hatte Elric um sein friedliches Leben als Bauer betrogen. Ein Leben mit Frau und Kindern.
Er hatte ihm eine vielleicht wunderschöne Zukunft genommen und ihm dafür diese kalte und raue Wirklichkeit gegeben. Einen Kampf, den Elric für Menschen austrug, die er nicht einmal kannte. Einen Kampf, der entscheidend war für alles Leben auf Cottmos.
„Ich werde jetzt aufbrechen und wir treffen uns bald wieder. In Ankuni!“ sagte Gunter und riss Elric von seinen Bewunderern los.
„Wieso musst du gehen? Ich dachte, du kämpfst mit uns?“ meinte Elric etwas enttäuscht.
„Nein! Meine Aufgabe war es, dich zu den Tueris zu bringen. Nun muss ich zum Dorf zurück und die anderen auf die baldige Schlacht vorbereiten.“ antwortete Gunter und lies sich sein Pferd bringen.
Elric sah ihn etwas hilflos und verwirrt an.
„Keine Angst! Latis wird auf dich achten und dir zur Seite stehen!“ meinte Gunter, „Auch wenn er vielleicht nicht so streng ist wie ich!“
Elric schmuzelte und reichte Gunter die Hand.
„Dann sehen wir uns in Ankuni!“ meinte Elric mit einem stolzen Lächeln.
Gunter ergriff die Hand und umarmte Elric kurz. Für Gunter war es, als würde er sich von seinem Sohn verabschieden.
„Wir sehen uns in Ankuni! Paß auf dich auf, Junge!“ flüsterte Gunter, lies Elric wieder los und schwang sich auf sein herbeigeholtes Pferd. Er winkte Latis noch einmal zu und ritt davon.

Wenig später rissen auch die Tueris ihr Lager ab und rüsteten sich für die bevorstehende Auseinandersetzung mit dem Feind.
Latis gab das Signal zum Aufsitzen und seine Mannen taten wie befohlen.
Auch Elric stieg auf ein Pferd. Man hatte ihm einen prächtigen Schimmel, mit edlem Zaumzeug und nach frischen Leder duftendem Sattel, gegeben.
Etwas nervös ritt er an Latis Seite, während der Rest ihnen folgte.
Elric versuchte sich zu beruhigen, indem er sich vorstellte, er sei daheim. Daheim bei seinem Häuschen und seinem Feld. Längst stand das Getreide in vollen Ähren und es wurde langsam Zeit für die Ernte.
Elric dachte daran, wie er vor ein paar Tagen noch mit seinem Freund, Minas Bruder, durchs Dorf geritten war. Daran wie die Mädchen ihn angesehen hatten. Er hatte das genossen.
Auch sein Freund war stolz gewesen, denn dass er bei Elric war, bescherte auch ihm sehnsüchtig schmachtende Blicke. Auch war er stolz darauf, dass Elric ausgerechnet ihn gebeten hatte, auf sein Haus und sein Feld zu achten, bis er wieder käme.
Dann erinnerte Elric sich an Mina und plötzlich fragte er sich, weswegen er sie nicht viel früher angesprochen hatte.

„Wir sind bald da!“ weckte Latis ihn aus seinen Gedanken.
„Du solltest wachsam sein!“ meinte Raya, die hinter den beiden Männern ritt. Sie war bewaffnet mit einem Langbogen und ein voller Köcher hing auf ihrer Schulter.
„Sie hat recht!“ meinte Latis ruhig zu Elric, „Du solltest mit deinen Gedanken beim Kampf sein! Über Vergangenes kannst du später noch immer nachsinnen. Doch eine Unachtsamkeit jetzt, könnte dich den Kopf kosten!“
Elric nickte nur stumm. Es war nicht einfach für ihn. Er war nicht der geborene Krieger. Nur ein Bauer.


Schon von weitem hörte man das Kampfgeschrei des Feindes. Wieder machten sie ein Dorf dem Erdboden gleich.
Als die Tueris näher heran waren, konnten sie die feindliche Armee sehen.
Mit ihren roten Rüstungen ähnelten sie wilden Feuerflammen. Blut war an ihren Rüstungen kaum erkennbar. Erbarmungslos töteten sie jeden Dorfbewohner und ließen sich von den Neuankömmlingen nicht weiter stören.

Elric riss sein Schwert nach oben, hielt es hoch über sich und schrie laut:
„Für den Frieden Cottmos!“
Es war ihm spontan eingefallen, dass er irgendetwas sagen musste. Unter anderem, um sich selbst zu motivieren.
„Für Cottmos!“ stimmten die Tueris mit ein und schon ritten alle auf den Gegner zu.
Pfeile surrten durch die Luft, Schwerter trafen aufeinander und Lanzen stachen aufeinander ein.
Während die Tueris ein bunt gemischter Haufen von Kriegern, Bauern und anderen Dörflern waren, die wohl fast aus allen möglichen Ecken Cottmos stammten, und somit auch ihre Kleidung und Rüstung bunt war, waren die Feinde alle in der selben Farbe gewandet. Von Kopf bis Fuß rot.
Elric schlug sich gut. So gut er eben konnte. Er hatte seine Gedanken aufs Kämpfen umgestellt und er hätte auch nicht die Zeit gehabt an irgendetwas anderes zu denken.
Wieder zog ein Pfeil nur knapp an ihm vorbei. Doch er selbst konnte sich nicht mit dem Bogenschützen befassen, dafür aber Raya, die noch immer wild um sich schoss und hoffte, dass ihr Köcher nicht zu früh leer werden würde.
Ein neuer und gefährlicherer Gegner stellte sich Elric entgegen. Auf einem schwarzen Hengst kam ein besonders prunkvoll gerüsteter Krieger auf ihn zu. Der Rüstung nach musste er der Anführer der finsteren Krieger sein. Wild entschlossen nur gegen Elric anzutreten, ignorierte der Reiter alle anderen Feinde, die sich ihm entgegenstellten. Seine Soldaten würden sich schon um sie kümmern. Sein Interesse galt einzig und allein Elric.
Noch ehe Elric seinen ersten Angriff gegen den neuen Gegner starten konnte, hatte dieser mit dem Schwert nach ihm geschlagen. Nur mit viel Mühe konnte Elric den Schwerthieb abwehren. Sofort entbrannte zwischen Elric und dem Krieger ein harter Schwertkampf hoch zu Pferde. Immer wieder griff der Gegner mit harten und schnellen Schwertstreichen an und Elric hatte alle Mühe dem etwas entgegenzusetzten.
Der rote Reiter machte mit einem Male überraschend einen Satz von seinem Pferd und riss Elric zu Boden, wo der Kampf nur weiter stattfinden sollte.
Elric erkannte erst jetzt, dass sein Gegner fast einen Kopf kleiner und viel schlanker als er war. Dennoch durfte er dessen Stärke nicht unterschätzen. Aggressiv kämpfte der Krieger.
Noch gelang es Elric alle Schwerthiebe abzuwehren und größeren Schaden zu verhindern. Auch schaffte er es, den Spieß umzudrehen und seinen Gegner anzugreifen.
Das Geschehen um sich herum, nahmen weder Elric noch sein Angreifer wahr. Sie kämpften zu erbittert gegeneinander, waren sich sogar fast ebenbürtig. Denn Elric konnte es deutlich spüren, dass sein Gegner über deutlich mehr Kampferfahrung verfügte als er selbst. Zudem liesen seine Kräfte allmählich nach, während der kleinere Feind noch immer wild weiter kämpfte.
Elric sammelte noch einmal seine gesamte Kraft und schaffte es den Gegner zu Fall zu bringen. Elric stellte sich siegessicher über ihn, wollte ihm das Schwert drohend an den Hals halten und ihm die Wahl zwischen Tod und Aufgabe lassen.
Doch er erstarrte und hielt mitten ihn seinem Angriff an.

Vor Elrics Füßen lag der Helm seines Gegners. Er war ihm beim Sturz wohl verloren gegangen.
Verwirrt sah Elric auf die rot gepanzerte Gestalt vor ihm.
„Aber ... Du bist ein Mädchen!“ entfuhr es Elric entsetzt.
In dem Moment, indem er seine Entdeckung geäußert hatte, hatte ihm sein Gegner das Schwert in die Brust gerammt.
Elric lies sein Schwert fallen und ging auf die Knie. Heißer Schmerz durchzog seinen ganzen Körper und ihm war als sei all seine Kraft auf einmal verloren gegangen.
Das Mädchen vor ihm lächelte kalt und riss sein Schwert aus Elrics Brust.
„Und du willst der Erlöser sein!“ spottete sie und stieß ihn mit einem Fußtritt um.
Elric sah zum Himmel.
Eine riesige Regenwolke öffnete ihre Tore und es schien als wolle der Regen all das Blut von eben wegspülen.
Allmählich drifteten Elrics Gedanken ab und der Kampf schien vergessen. In seinen Gedanken verließ er das Schlachtfeld, ging zurück. Zurück bis nach hause. Zu Mina. Er sah sie bei seiner Hütte auf ihn warten und winken.
Dann wurde alles schwarz.


Die rote Kriegerin triumphierte lautstark und ihre Armee, ganz gleich, dass sie fast alle noch im Kampf waren, taten es ihr gleich. Ihr Jubelruf konnte nur eines bedeuten. Sie hatte gesiegt.
Und ihrer Armee war es gelungen, mehr als die Hälfte der Rebellen zu töten.
So als wäre der Tod Elrics das Zeichen, den Kampf aufzugeben, endeten die Schlachten.
Der rote Feind jubelte und grölte siegessicher, während die Tueris entsetzt und geschwächt zur Kriegerin und dem Toten zu ihren Füßen blickten. Die Kriegerin hatte ihnen alles genommen. Sämtliche Hoffnung.
Einzig Raya, die ebenfalls schon mehr tot als lebendig war, hatte noch ein wenige Kampfgeist inne. Sie zog den letzten Pfeil aus ihren Köcher und schoss ihn auf die Kriegerin. Aber der Pfeil war zu schwach und verfehlte nur knapp sein Ziel.

Ein Signal ertönte, von dem unklar war, woher es kam. Die feindliche Armee, von denen ebenfalls nur die Hälfte überlebt hatte, machte sich zum Rückzug bereit. Nicht, dass sie aufgaben. Nein, sie hatten ihren Auftrag bestens erfüllt und wurden nun zurückgerufen.
Ein paar Tage später würden sie erneut angreifen und mit Sicherheit hätten sie keine gefährlichen Gegner mehr. Denn den gefährlichsten hatten sie gerade besiegt.
Elric, den Erlöser.
Zuletzt geändert von Nikita LaChance am Fr 9. Sep 2011, 07:54, insgesamt 1-mal geändert.
Nikita LaChance
Ritter
Ritter
 
Beiträge: 143
Registriert: So 27. Mär 2011, 09:30

Re: Cottmos - Elric, der Erlöser

Beitragvon Nikita LaChance » So 4. Sep 2011, 09:08

Kapitel III

Laut waren die Jubelrufe der Sieger. Laut die Trauer der Besiegten.
Kalter Regenschauer wie ein riesiges Tränenmeer.
Sie hatten verloren. Ihre einzige Hoffnung und bald ihr Leben.
Latis, Raya und die anderen Überlebenden versammelten sich um Elric.
Keiner sprach auch nur ein einziges Wort.
Latis kniete sich zu Elric, kreuzte dessen Hände zum Gebet gefaltet auf der Brust und legte das Schwert Solith auf den toten Körper.
„Wir müssen zurück nach Ankuni! Wir müssen sie auf das Schlimmste vorbereiten!“ sagte Latis leise. Selbst jetzt, trotz der Trauer, wirkte er noch immer wie der geborene Anführer.
Raya wandte sich zu ihren Kameraden um:
„Sammelt die Waffen ein und helft den Verletzten!“
„Wir werden unsere Freunde bestatten. Wir sollten ihnen diese letzte Ruhe gewähren!“ meinte Latis zu Raya und sie nickte.
„Elric aber, nehmen wir mit uns!“
Während die Männer die Waffen einsammelten und ihre toten Kameraden zu einem Leichenberg auftürmten, hüllten Latis und Raya Elrics toten Körper fest in Tücher ein.
„Wir sind bereit!“ berichtete ein vernarbter alter Mann.
Die Waffen waren unter den Überlebenden aufgeteilt worden, sodass nun ein Kämpfer zwei oder mehr Schwerter trug oder auch zwei Bögen.
Die Tueris hatten sich vor dem Leichenberg versammelt, neigten die Köpfe und versanken in ein stilles Gebet. Latis trat als einziger einen Schritt näher an die Toten heran.
Und während Raya ein Trauergebet in einer alten Sprache vortrug, flüsterte Latis nur ein Wort den Toten zu:
„Singi!“
Flammen entzündeten sich wie von allein und verschlangen die Toten.
Die trauernden Krieger fielen mit in Rayas Gebet ein und einzig die Flammen übertönten den leisen Chor.
„Wir sollten aufbrechen!“ sagte Latis leise und löste sich vom Begräbnisfeuer, welches ungehindert vom Regen weiter brannte.
Die wenigen Tueris schwangen sich auf die Pferde, welche noch nicht vom Schlachtfeld geflohen waren.
Elrics Körper hing leblos verhüllt über dem Sattel seines Schimmels. Latis hatte dessen Schwert an sich genommen, um den Transport des Toten nicht unnötig zu erschweren.
Geschlossen traten sie den Heimweg an. Sie trauerten. Denn mit Elric hatten sie neben ihrer Hoffnung auch die Chance verloren, gegen Dracold anzukommen.


Die rote Armee ritt ebenfalls zurück zur Heimat. Zurück zur Burg Eathril. Dracolds Burg.
Ihnen lag wenig daran ihre Toten zu beerdigen oder sich groß um die Verletzten zu sorgen. Das einzige was von Bedeutung war, war ihr Sieg.
Es war ein langer Ritt, über die Wiesen und den Pass im Maorneygebirge, welches zwischen Eliargis, Vardis und Thair lag. Ein alter Tunnel, den vor Jahrhunderten die Zwerge durch das Gebirge geschlagen hatten, ersparte ihnen einen langen Umweg, der nur viel Zeit und Kraft in Anspruch genommen hätte.
Sie waren stolz und erfreuten sich ihres Sieges. Zwanzig Mann mit entstellten Fratzen, riesigen Narben und einer Kriegsbemalung, die sie noch furchteinflößender machte.
An ihrer Spitze ritt eine schlanke Gestalt. Das Mädchen, das Elric getötet hatte.
Sein Blut klebte noch immer an ihrer Rüstung und schien diese fast zum Leuchten zu bringen.
Ein triumphierendes Lächeln lag in ihrem Gesicht und ihre grünen Augen leuchteten unter dem kurzen schwarzen Haar hervor.
Sie war jung und wirkte mit ihrer mageren Gestalt zerbrechlich, aber sie war viel stärker, als die Männer hinter sich und sie war deren Anführer. Sie war einer der obersten Generäle Dracolds.
Nach viel Tagesritten, wobei sie kaum rasteten, kam sie in Eathril an. Bei ihrem Eintreffen wurden sie bejubelt. Ihr Sieg hatte sich bereits herum gesprochen.

„Jupain, der König will euch sprechen!“
Eine graue Gestalt, deren ursprüngliches Aussehen man nur noch erahnen konnte, stellte sich in den Weg der roten Kriegerin.
Angewidert sah sie vom Pferd auf die Gestalt herab. Sie mochte ihn nicht. Er roch streng nach Schwefel und Moder und seine Haut hing fast in Fetzen an ihm. Sie konnte sich schwer vorstellen, weswegen Dracold diese Gestalt so geschaffen hatte. Aber zweifelsohne war dies sein Werk.
Das Mädchen stieg vom Pferd, klopfte ihm liebevoll auf den Rücken und sah finster auf das graue Etwas.
„Kümmere dich um mein Pferd!“
Sie sagte das so drohend und barsch, dass die Gestalt vor ihr zusammen zuckte, obwohl diese um einiges stärker aussah als das Mädchen.
„Jawohl, Jupain!“
Hastig und ängstlich ergriff die Gestalt die Zügel des schwarzen Hengstes und führte ihn davon, während das Mädchen den Weg ins Burginnere einschlug.
Unterwegs jubelten ihr die zahllosen Männer zu, die nicht minder furchteinflößend waren, wie die Krieger, die sie angeführt hatte. Die Männer waren fast schon Riesen, hatten fremdartige Körperzeichnungen und Narben. Sie erschienen wie das Dunkle der Tiefe. Die Grobheit und ihren Hass ins Gesicht geschrieben. Sie erschienen wie das genaue Gegenteil der Tueris.
Das Mädchen lief die Gänge entlang, ungeachtet der Männer, die ihr zujubelten. In den Nebengängen und Gräben tummelten sich sonderbare Gestalten. Gestalten mit Klauen und Hörnern. Wild grunzend und grölend.
Sie kannte dies alles und zeigte sich daher wenig beeindruckt. Jeder andere wäre vor Schreck geflohen.
Endlich kam sie vor die Tür zum Thronsaal. Zwei dunkel verhüllte Männer mit groben Äxten öffneten ihr das Tor, sodass sie eintreten konnte.
Kalt und schwach beleuchtet war der Raum. Auf dem Steinboden hockte ein junge Frau, die ein wenig älter als das Mädchen zu sein schien. Hinter ihr stand ein muskelbepackter Kerl mit braunem Haar. Er genoss den jammervollen Anblick der Frau zu seinen Füßen.
Als er das Mädchen erblickte, wurden seine Gesichtszüge hart und mit finsterem Ausdruck in den Augen musterte er sie.
„Du lebst also noch!“ kam knurrig von ihm. Ein wenig Enttäuschung war in seiner Stimme zu hören.
Das Mädchen antwortete ihm nicht, auch ignorierte sie die junge Frau, die sich hilfesuchend nach ihr umsah.
Sie schritt weiter und vor dem Thron kniete sie nieder, mit gesenkten Blick.
„Du warst siegreich, wie ich hörte!“
Ein alter Mann in dunkler Gewandung kam auf sie zu. Seine grauen Haare nach hinten gekämmt, die Haut recht blass und die Augen dunkel und finster blickend.
Sie hob ihren Kopf um ihm in die Augen zu blicken.
„Dann wird es für uns ein leichtes sein, die restlichen Verräter zu vernichten!“ freute sich der Mann.
„Ja, Vater!“ antwortete das Mädchen ihm.
„Und du bist dir sicher, dass du den Knaben erwischt hast?“ mischte sich der dunkelhaarige Kerl ein und stieß die Frau, die vor seinen Beinen hockte, zur Seite.
„Es war Elric!“ fauchte ihn das Mädchen an.
„Und der Beweis?“ entgegnete der Mann ihr.
„Nardae, nicht so misstrauisch!“ sprach der Alte und sah den Mann finster an.
„Verzeiht!“ brummte dieser nur und senkte den Blick. Der Alte stand in seiner Macht über ihm und war auch viel stärker und finsterer als er, auch wenn er auf den ersten Blick nicht so wirkte.
„Ich habe es gespürt. Seit Elrics Erscheinen war die Magie im Ungleichgewicht. Jetzt aber herrscht Ruhe!“ erklärte der Alte in ruhigem Ton.
Nardae, der muskelbepackte Kerl, verstand nicht, was der Alte damit meinte.
„Wir werden in ein paar Tagen das Rebellenlager direkt angreifen und alle Rebellen auf einmal vernichten!“ meinte das Mädchen stolz.
„Gut, Jupain!“ meinte der Alte und schickte die Kriegerin fort.
Sie ging, um sich vom Kampf zu erholen und die nächste Schlacht vorzubereiten.


„Sie wird zunehmend gefährlicher!“ brummte Nardae, „Eine Frau sollte nicht soviel Macht besitzen!“
Der Alte hatte sich auf seinen steinernen Thron niedergelassen, die Hände verschränkt. Er sah Nardae verwundert an. Noch nie hatte er von der Kriegerin als Frau gesprochen.
„Unterstellt sie mir!“ bat Nardae, wobei es sich fast schon wie ein Befehl anhörte.
Noch immer kroch die junge Frau zu seine Füßen auf den kalten Steinboden umher. Zu schwach um aufzustehen und wegzulaufen.
„Jupain dir unterstellen?“ fragte der Alte.
Nardae bemerkte den sarkastischen Unterton.
„Mein König! Jupain hat bereits jetzt zuviel Macht. Sie führt die Männer in die Schlacht und bringt sie dazu jeden Befehl auszuführen. Sie könnte euch damit Schaden zufügen!“ erklärte Nardae und machte einen großen Schritt über die Frau zum König hin.
„Deine Besorgnis in allen Ehren! Aber Jupain wird niemals zuviel Macht haben, um mich anzugreifen. Ebenso fehlt es ihr dazu an nötigem Mut!“ konterte der König ruhig, „Aber du sollst sie haben!“
Nardae befiel ein triumphierendes Lächeln, welches jedoch sofort wieder verschwand, als er die Bedingung des Königs hörte:
„Sie soll dir gehören, wenn du sie im Kampf besiegst!“
Diese Idee gefiel Nardae weniger. Er war ein kräftiger und gestandener Mann und nun sollte er im Wettkampf gegen ein mageres Mädchen antreten.
Verlieren durfte er nicht. Er würde zum Gespött seiner Männer werden.
„Heute Abend wäre es doch passend!“ fiel dem König ein und er erhob sich, „Bei unserer Siegesfeier zu Jupains Ehren!“
Verbissen blickte Nardae seinen König an, so als bezweifelte er dessen Geisteszustand.
„Sie wird tun, was ich sage und kämpfen!“
Der König schritt an ihm vorbei, wollte den Thronsaal in Richtung Kerker verlassen, als er sich noch einmal nach Nardae umsah.
„Beseitige das da!“ meinte der König und wies auf die Frau am Boden, „Ich kann solchen Unrat hier nicht gebrauchen!“
Mit diesen Worten entschwand der König und machte sich auf den Weg zum Kerker, indem er seine abscheuliche Armee züchtete.
Auf Nardaes Gesicht erschien ein teuflisches Grinsen. Er zog sein Messer und schritt zur Frau. Diese sah ihn entsetzt an, war aber selbst zu schwach um zu schreien. Nardae riss sie an den Haaren nach oben und stieß ihr das Messer in die Brust. Da die Frau nicht gleich ihr Leben aushauchte, sondern noch immer versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, wurde er ungeduldig. Also schnitt er ihr einfach die Kehle durch und lies sie fallen. Ein Schwall von Blut floss sogleich aus ihr über den Boden.
Für Nardae, den Barbaren, gab es nichts schöneres. Genüsslich sog er den Geruch des Blutes ein.
Erst als die Frau endlich verstorben und alles Blut aus ihr heraus geflossen war, rief er einen Diener herein, der aufräumen sollte. Nardae wusste, dass der Diener den Blutfleck niemals vollkommen beseitigen könnte. Doch das war ihm egal. Ebenso war ihm egal, dass der Körper nun als Fraß für die Monster in den unterirdischen Gängen enden würde.
Für ihn zählte nur noch der baldige Sieg über Jupain und dass sie ihm gehören würde. Er würde ihr schon ihren Platz zeigen. Zeigen, dass sie ihn zu respektieren hatte.


Jupain, die Kriegerin, hatte sich in ihre spärlich mit einem hölzernen Feldbett und einer Wäschetruhe möblierten Kammer zurückgezogen. Dort hatte sie sich den Schmutz und das Blut der letzten Tage abgewaschen.
Frisch eingekleidet in eine knielange rote Wolltunika lag sie auf dem Bett und dachte nach.
Sie dachte über ihren Kampf nach und über Elric. Es war merkwürdig gewesen. Sie hatte sich den großen Erlöser der Tueris größer, älter und vor allem stärker vorgestellt. Es war zu einfach gewesen, ihn zu besiegen.
Am meisten aber beschäftigte Jupain, dass Elric gezögert hatte, nachdem sie ihre Maske verloren hatte. Er hatte sie nicht wie jeder andere für einen Knaben gehalten.
Es klopfte an der Tür und sofort verfiel Jupain wieder in ihre herrische Rolle.
„Ja?“ knurrte sie genervt.
„Der König bittet euch, euch kurz nach Sonnenuntergang auf dem Hof vor dem Thronsaal einzufinden. Er möchte mit euch über die nächste Schlacht reden!“ drang eine dumpfe Stimme durch die Tür.
„Ich werde da sein!“ antwortete Jupain nur und sie konnte hören, wie der andere von ihrer Tür wegging.

Kurz nach Sonnenuntergang erschien Jupain auf dem Hof. Gekleidet in ihrer kurzen Wolltunika, einer braunen Lederhose darunter, sowie dunklen Lederstiefeln. Das kurze schwarze Haar ungezähmt wie immer.
König Dracold stand vor dem Thronsaal, neben ihm Nardae, der wie immer gefährlich blickte.
Jupain fiel auf, dass rings um sie herum die menschliche Armee bewaffnet und gerüstet bereit stand. Keiner der Soldaten aber machte Anstalten seine Waffe auf sie zu richten.
Unsicher und angespannt wartete Jupain auf das, was ihr Dracold zu sagen hatte.
„Nardae hat um deine Hand gebeten!“ begann der König gemächlich zu erklären.
Jupain hatte dafür nur ein spöttisches Grinsen übrig.
„Ich versprach ihm, er solle dich haben!“
Jupains Augen wurden größer.
„Wenn er dich im Kampf besiegt!“ fügte der König hinzu.
Finster sah Jupain in Nardaes teuflisches Grinsen. Er war sich seine Sieges sicher.
Gemächlich schritt Nardae vor Jupain und zog sein Schwert.
Jupain wollte nach dem Messer in ihrem Stiefel greifen, als der König dagegen Einwände erhob:
„Da du ohne Probleme unseren größten Feind besiegen konntest, dürfte es für dich ein Leichtes sein, Nardae zu schlagen!“
Wut kochte in ihr hoch. Ihr Sieg über Elric war vielmehr Zufall gewesen. Doch ohne Waffen hätte sie keine Chance gegen den brutalen Krieger vor sich, der fürs Töten lebte.
„Wirf das Messer weg und zeig uns deine Stärke!“ befahl König Dracold mit fester Stimme.
Jupain zögerte nur kurz. Dann griff sie in ihren rechten Stiefel, holte ihr Messer hervor und warf es auf das Schild eines Soldaten. Zitternd blieb das Messer darin stecken.
Dracold gefiel die Loyalität, so dumm sie auch sein mochte. Zudem wollte er einen Kampf sehen und ihm war egal, wer Sieger sein würde. Er mochte beide, ihrer Führungsstärke und Kraft wegen. Aber genau aus diesen Gründen hasste er sie auch.
Dracold hob die Hand und alle Soldaten zogen den Kreis um Nardae und Jupain, sodass keiner der beiden davonlaufen könnte.
„Kämpft!“ befahl Dracold.

Sofort ging Nardae mit dem Schwert auf Jupain los. Was er an Stärke innehatte, hatte sie an Schnelligkeit. Ohne Waffe aber, könnte sie nichts weiter tun, als ausweichen und hoffen, dass er sein Schwert verlieren würde.
„Zeig, wie du den Jungen besiegt hast und tanze nicht so herum!“ schimpfte Dracold lautstark.
„Ein Mädchen wie du könnte mich niemals besiegen!“ spottete Nardae mitten im Kampf. Immer wieder versuchte er Jupain mit dem Schert zu erwischen, doch immer wieder konnte sie ihm ausweichen.
Blitzschnell zog Jupain an Nardae und seiner Klinge vorbei, schnellte zu dem Soldat in dessen Schild ihr Messer steckte.
Um Nardae zu schlagen, brauchte sie eine Waffe.
„Du sollst mit bloßen Händen kämpfen!“ protestierte Dracold wütend. Er zeigte mit dem Finger auf das Messer und noch bevor Jupain es greifen konnte, war es aus dem Schild verschwunden und in Dracolds Hand wieder aufgetaucht.
Nicht nur dass Jupain es für ungerecht hielt, gegen einen bewaffneten Krieger anzutreten, so war es auch gemein, dass genau das Dracold forderte und sie somit auf die Probe stellte.
„Du sollst kämpfen!“ schrie der König wütend und seine Stimme hallte donnernd über den Hof.
„Gegen mich kommst du nicht an! Gib auf!“ spottete Nardae und holte erneut mit dem Schwert aus.
„Ich werde mich aber nicht mit so einem Holzkopf wie dir einlassen!“ fauchte Jupain ihn an und sprintete auf ihn zu.
Ihr Angriff kam ebenso schnell wie überraschend. Mit einem einzigen Stoß gegen die Brust hatte sie ihren Gegner zu Fall gebracht. Ihm das Schwert zu entreißen war ihr nicht gelungen. Sie hatte lediglich die Klinge zu fassen bekommen und sich ihre Hand daran verletzt.
Die Soldaten ringsum verharrten still, obwohl wohl einige den beiden Kämpfern zujubelt und sie anfeuern wollten. Der Kampf, den sie geboten bekamen, war so brutal, wie auch spannend.
Nur König Dracold war er nicht spannend genug. Grimmig sah er sich das Schauspiel um. Es juckte ihn sichtlich in den Fingern mitzukämpfen.

Jupain versuchte einen neuen Angriff, gleich nachdem Nardae sich aufgerichtet hatte. Doch diesmal schaffte sie es nicht, ihn zu Fall zu bringen.
Nardae sprang zur Seite und schlug gleichzeitig mit der Schwertklinge nach ihr. Er erwischte Jupain am Rücken und hinterlies eine lange Schnittwunde, die noch viel tiefer geworden wäre, wenn Jupain nicht versucht hätte auszuweichen.
Es schien ein endloser und langwieriger Kampf zu werden, denn beide waren sich ebenbürtig.
„Jetzt kämpf endlich!“ schrie Dracold zornig. Ihm dauerte es viel zu lange.
Gerade wollte Nardae einen Frontalangriff wagen. Mit gezogenem Schwert rannte er auf Jupain zu. Im Visier ihren Brustkorb. Ein Treffer und er hätte endgültig gewonnen.
Finster sah Jupain ihn an. Sah ihn auf sich zukommen. Aber es war als habe sich das Tempo um sie herum verringert, sodass Nardaes Sprint nicht mal mehr einem Sprint als vielmehr einem Possenspiel eines Narren ähnelte.
Wütend hob Jupain ihre rechte Hand nach vorn, so als wolle sie Nardaes Lauf stoppen.
Ein blauer Lichtblitz schoss aus ihrer Hand, traf Nardaes Brust und stieß ihn durch die Reihen der Soldaten. Genau vor die Füße des Königs.
Nardae hatte sein Bewusstsein verloren.
Jupain fühlte sich etwas schwach auf den Beinen und sah finster zu Dracold.
Entsetzt sah dieser ihr entgegen.


Da war er wieder. Dieser unerträgliche Druck im Magen. So als habe er einen Schlag verpasst bekommen.
Dracold fühlte sich, als würde etwas an seinen Kräften zerren. Seine Magie rauben.
„Nehmt sie fest und bringt sie in den Kerker!“ befahl er harsch und wies auf Jupain.
Zornig sah sie ihn an. Sagte aber nichts.
„Die Augen ihrer Mutter!“ zischte Dracold leise.

Die Soldaten packten Jupain und führten sie hinab zum Kerker. Zwar verstanden sie den Grund dafür nicht, doch sie waren nicht so dumm Dracolds Pläne zu hinterfragen.
Mürrisch ging Dracold seinen Soldaten hinterher.
„Macht sie an den Ketten fest und geht!“ schrie er seine Männer an, die schnellstens seine Befehle ausführten und sich zurückzogen.
Jupain lies alles über sich ergehen. Mit den Armen über dem Kopf festgemacht stand sie vor dem König. Noch immer sah sie ihn finster an.
Dracold holte aus und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige, die einen roten Abdruck auf ihrem Gesicht hinterlies.
„Sieh mich nicht so an!“ keifte er und griff in Jupains Haare und zerrte daran.
Jupain verbarg ihre Schmerzen so gut es ging.
„Ich will wissen, wie du ihn getötet hast!“ fauchte Dracold und riss Jupains Kopf nach hinten. „Woher kommt die Magie? Hast du sie ihm abgenommen?“
„Ich habe ihn mit dem Schwert getötet!“ gab Jupain unter Schmerzen zu.
„Und die Magie?“ Noch einmal zerrte Dracold an ihren Haaren und riss ihr einen Büschel heraus.
„Ich besitze keinerlei magische Kraft!“ antwortete sie ihm schwach.
Dracold starrte entgeistert auf das schwarze Haarbüschel in seiner Hand.
„So!“ stammelt er nur. Dann bemerkte er, dass der Druck in seinem Magen wieder fort war und auch konnte er nirgends eine andere magische Quelle ausmachen.
Dracold wandte sich zum Gehen um.
„Die Verlobung zu Nardae steht. Er hat dich besiegt!“ meint Dracold im Gehen.
„Er hat mich nicht besiegt!“ entgegenete Jupain ihm zornig.
Dracold drehte sich abermals zu ihr um, holte mit der Hand aus und ein unsichtbarer Peitschenschlag traf Jupain am Bauch.
„Wage es nicht mir zu wiedersprechen!“ zischte Dracold, „Morgen wirst du gemeinsam mit ihm in die Schlacht ziehen!“
„Ja, Vater!“ antwortete Jupain leise. Sie wusste, dass sie gegen Dracold niemals eine Chance hätte.
Dracold verließ den Kerker und ließ seine Tochter Jupain angekettet zurück. Seinen Männern gab er erst Stunden später den Befehl, sie los zu machen.
Er fühlte sich unwohl. Er verstand nicht, was seine Magie hatte erzittern lassen. Wie konnte es passieren?
Auch dass nun seine eigene Tochter magisch veranlagt schien, beunruhigte ihn. Selbst wenn sie nur so wenig magisch begabt war wie ihre Mutter, so konnte sie dennoch eine Menge Ärger bereiten.

Bereits nach dem Morgengrauen versammelte sich Dracolds Armee zum Aufbruch.
Jupain trug ihre rote Rüstung, mit der sie bereits gegen Elric angetreten war. Einzig ihre zierliche Gestalt unterschied sie von ihren Männern, etwa zwanzig gefährlich aussehende Barbaren. Nardaes Truppe hingegen bestand aus zwanzig Grauds, einer unmenschlichen Rasse. Gezüchtet in den unterirdischen Verliesen und Höhlen Eathrils.
Die Grauds waren weit aus gefährlicher als ihre menschlichen Kameraden. Sie hatten eine dunkle fast schwarze Haut, auf denen sie Symbole eingeritzt trugen. Jeder trug ein anderes Muster, so als wäre es ihr Ausweis. Die Augen waren grau und lagen tief in den Höhlen. Einige der Wesen hatten keine Haare, andere umso mehr. Zwei riesige geschwungene Hörner wuchsen ihnen aus ihren Schläfen und dreckige spitze Zähne in ihren Mäulern.
Vermutlich waren sie nur eines von Dracolds Experimenten oder auch Opfer. Jupain hatte einmal ihre Männer reden gehört, dass Dracold seine Gefangenen, wenn sie ihm die Treue schworen, jegliche Menschlichkeit entzog und sie verwandelte. In brutale und hirnlose Wesen, die er kontrollieren konnte. Jupain wusste nicht, ob dies stimmte, aber es war ihr auch egal.
Dracold besah sich seine Armee. So klein sie auch war, stark war sie. Allein die Grauds waren so stark wie über einhundert Mann und sie besaßen keinerlei Gewissen oder auch Furcht. Sie waren die perfekten Krieger, wie Dracold fand.

Nardae ritt mit seinen Kriegern, den Grauds, voran und Jupain folgte mit den ihren. Ihr Ziel war das Lager der Tueris, welches nicht weit vom letzten Schlachtfeld entfernt liegen sollte.
Jupain fühlte Unbehagen. Etwas stimmte nicht. Nur wusste sie nicht, was es war.
Immer wieder warf Nardae ihr grimmige Blicke zu. Er war sauer, dass sie ihn außer Gefecht gesetzt hatte. Ein Mädchen hatte ihn besiegt.


Während Nardae und Jupain ihre Krieger den weiten Weg zur nächsten Schlacht führten, die über vier Tagesritte von Eathril stattfinden sollte, saß Dracold auf seinem Thron und lauschte der Wahrsagung der Hexe, die ihn bereits mehrfach vor Elric gewarnt hatte.
„Was ist nun mit dem großen Erlöser?“ lachte er und amüsierte sich über die faulige Gestalt, in die er die Hexe einst verwandelt hatte.
„Elric ist nicht mehr!“ kam etwas betrübt von ihr. Die Hexe versuchte anhand von Edelsteinen, die sie aus einem kleinen Säckchen auf den Boden schüttete, Dracolds Zukunft zu lesen.
Ihr Zeigefinger schwebte immer wieder über die Steine, so als würde sie die Zeilen in einem Buch lesen.
„Euer größter Gegner wurde gerichtet, noch ehe er zur Gefahr werden konnte!“ meinte sie und zeigte auf einen roten Stein auf dem ein grau-schwarzer lag.
Dracold wartete geduldig darauf, was ihm die Edelsteine noch weissagen würden.
„Ein wenig Ärger steht euch unmittelbar bevor und es kommt zu Unstimmigkeiten unter deinen Getreuen!“
Dracold sah sie erstaunt und wütend zugleich an.
„Was redest du da, alte Hexe!“ schimpfte er lautstark. Die Hexe aber lies sich nicht beeindrucken.
„Es wird nur kurz Probleme mit einem deiner Diener geben, doch dein Problem wird schnellstens gelöst werden.“
Unwissend, was ihm die Hexe für ein Märchen auftischte, starrte Dracold auf die Edelsteine, die wild durcheinander vor ihm lagen.
Die Hexe sah ebenfalls auf die Steine, fuhr mit dem Zeigefinger in der Luft die Steine nach, so als würde sie die Route auf der Landkarte nachfahren. Dann hielt sie inne und bemerkte eine kleinen hellgrünen Stein, vielmehr ein Splitter, der weit entfernt von den anderen lag.
Dracold bemerkte ihr Zögern und sah die Hexe wütend an.
„Was bedeutet das?“ wollte er wissen und deutete auf den Splitter.
Die Hexe sah von den Steinen auf und dem König ins Gesicht.
„Das bedeutet nichts! Es ist nur ein Steinsplitter.“
Der König war mit der Antwort nicht zufrieden.
„Der grüne Stein steht für die Hoffnung. Doch wie ihr seht, ist er zerbrochen. Der Splitter steht also für die verlorene Hoffnung deiner Gegner.“
Irritiert zog Dracold die Augenbrauen nach oben.
„Wage es nicht, mich zum Narren zu halten!“ fauchte er und warf die Edelsteine durcheinander.
Die Hexe ging in Deckung, aus Furcht Dracold könne sie schlagen. Einige ihrer Steine waren entzwei gebrochen.
„Verschwinde aus meinen Augen!“ zischte der König und verließ den Thronsaal.
„Die Hoffnung schwindet!“ murmelte die Hexe und sammelte ihre Edelsteine ein.
Der hellgrüne Stein war in noch viel kleinere Stücke zerbrochen.


Nardae, Jupain und ihre Krieger waren nach tagelangem Reiten angekommen. Immer wieder hatte es Streitereien unter Jupains Männern und den Grauds gegeben und nur mühsam konnte Jupain beide Gruppen trennen. Was würde es nutzen, wenn sich die Krieger gegenseitig vernichteten, anstatt ihre eigentlichen Gegner, die Tueri?
„Das muss einer ihrer Vorposten des Lagers sein!“ berichtete ein Krieger Jupain.
Vor ihnen lag ein kleines Lager inmitten einer Waldlichtung. Kaum ein paar Stunden vom letzten Kampfplatz entfernt.
„Wir sollten sie überraschen!“ fand einer der Barbaren.
Jupain nickte und setzte sich ihren Helm auf, der ihr Gesicht verhüllte. Ihre Männer taten es ihr gleich. Erfreut von der Chance auf einen Kampf.
Nardae sah sie grimmig an. Er verstand nicht, weswegen ihre Männer so auf ihre Befehle reagierten. Doch er sagte nichts und legte dann auch seine Rüstung an.
Jupain zog ihr Schwert, ritt an die Spitze ihrer Truppe und gab laut den Angriffsbefehl.
„Tötet jeden, der sich euch entgegenstellt!“
Die Männer zogen ebenfalls ihre Schwerter und gemeinsam mit ihrer Anführerin ritten sie auf das Tuerilager zu.
Einen kurzen Moment zögerte er, doch dann gab auch Nardae seinen unmenschlichen Kriegern den Befehl zum Angriff und so stürmten auch sie auf den Feind zu.
Das Lager der Tueris hatte nicht mit solch einem Angriff gerechnet. Dennoch waren die knapp fünfzig Mann kampfbereit. Bereit ihr Versteck und somit die vielen weiteren Rebellenkrieger und Familien zu beschützen. Bereit, dafür ihr Leben zu geben.

Es war ein harter Kampf, in dem die Grauds jeden an griffen, auch die eigenen Männer. Jupains Männer.
Sie hatte keine Zeit sich darum zu kümmern. Sie hoffte, dass sie ihre Mission, das Lager zu vernichten und weiter zum geheimen Stützpunkt zu gelangen, nicht fehlschlug. Sie hatte es Dracold geschworen, ihm den Sieg über die Tueris zu bringen.
Nardae schlug mit dem Schwert um sich. Töten war seine Leidenschaft, soviel hatte er mit seinen Kriegern gemeinsam.
Einem Tueri schlug er den Kopf ab und entriss dem Toten den Langbogen und halbvollen Köcher.
Während Jupain sich tapfer schlug, wobei sie sich wie ihre Männer auch gegen die Grauds wehren musste, sah sich Nardae nach ihr um. Er nahm einen Pfeil aus dem Köcher, den er sich auf die Schulter gehangen hatte.
Mit einem Male interessierte ihn nicht der Kampf ringsum. Er hatte ein anderes Ziel im Sinn.

„Töte sie!“ hatte Dracold ihm befohlen. Dabei hatte er wie immer ruhig gesprochen, wo als sei es etwas banales, was er verlangte.
„Sie ist mir nicht mehr treu und daher nicht von nutzen!“
Nardae hatte ihm darauf nichts geantwortet. Im Grunde war es ihm egal, weswegen, Dracold ihm diesen Befehl gegeben hatte.

Er spannte den Bogen, zielte und schoss. Der Pfeil zog über die Köpfe der Kämpfer hinweg, so als habe er seinen eigenen Verstand.
Dennoch traf er nicht sein Ziel.
Jupains schwarzer Hengst bäumte sich auf. Ein Pfeil steckte ihm im Brustkorb und lies ihn straucheln.

Ein zweiter Pfeil wurde von Nardae abgeschossen. Diesmal traf er.
Sein Ziel war nicht das Pferd gewesen. Sein eigentliches Ziel war Jupain gewesen.
Der König hatte es ihm aufgetragen und nie würde er einen Befehl des Königs unausgeführt lassen. Zudem hasste er sie, denn sie hatte ihn, den großen Krieger im Zweikampf besiegt.

Noch ehe Jupain ausmachen konnte, von wem der Pfeil stammte, wobei sie wusste, dass dieser nicht vom Feind kam, stürzte ihr Hengst rückwärts und begrub sie unter sich.
Nardae ritt näher heran, um sich zu vergewissern. Er musste sich sicher sein.

Jupains Hengst versuchte sich aufzurichten. Doch es gelang ihm nicht. Durch seine Bemühungen allerdings schadete er mehr seiner Reiterin, als das es ihm etwas nütze.
Jupain schrie unter Schmerzen auf. Nicht nur das Gewicht des Pferdes auf sich, auch der Pfeil, schmerzten sehr. Der Pfeil steckte in ihrer Seite, etwas weiter nach unten und der Pfeil hätte ihre Niere getroffen und sie wäre bereits verblutet.

Nardae hatte sie erreicht. Sie lag inmitten der Schlacht.
Er stieg von seinem Pferd, lies Köcher und Bogen fallen und zog sein Schwert.
Es amüsierte ihn. Die stolze Kriegerin, hilflos am Boden.
„Du bist nichts weiter als ein dummes Mädchen!“ spottete Nardae.
Jupain versuchte sich zu befreien.
Nardae hob sein Schwert und stieß es mit voller Kraft in ihre Brust. Ohne weiteres durchdrang das Schwert die Rüstung.
Noch einmal schrie Jupain unter Schmerzen auf. Dann spürte sie die Kälte, die nach ihr griff.
„Viel zu schwach!“ lachte Nardae und zog sein Schwert aus Jupains Körper.
„Närrin!“

Nardae blieb noch einige Minuten neben Jupain stehen so als erwarte er noch immer, dass sie sich wehrte. Doch nichts geschah. Selbst als der Hengst sich schmerzhaft aufgerafft und sie somit freigegeben hatte. Sie lag da als schliefe sie. Das Gesicht schmerzvoll verzehrt. Blut überall.
Nardae löste sich von Jupain und sah sich um.

Die Grauds standen über ihren Opfern und spielten mit ihnen. Sie rissen ihnen die Waffen aus der Hand. Einer der Grauds hatte den Arm eines Rebellen im Maul und kaute genüsslich darauf herum.
Dass von den Grauds gerade mal sieben noch am Leben waren, interessierte Nardae wenig. Viel wichtiger war, dass sie gesiegt hatten und vor allem, dass Jupain und ihre Krieger tot waren, wofür hauptsächlich die Grauds gesorgt hatten.
Triumphierend bestieg Nardae sein Pferd, noch immer schmunzelnd über den Tod Jupains, und rief seine Krieger zusammen. Sie traten die Heimreise an. Um zu berichten und neue Befehle einzuholen.
Dieses kleine Lager anzugreifen, war nur ein kleiner Vorwand gewesen, Jupain in einen Hinterhalt zu locken und sie zu töten. Fast so wie es Dracold gewünscht hatte.


Der schwarze Hengst Jupains blieb neben ihr stehen. Er wieherte unruhig. Er würde ewig stehen bleiben.
Doch Jupain regte sich nicht. Sie lag inmitten der toten Tueri und ihrer eigenen Soldaten.
Nikita LaChance
Ritter
Ritter
 
Beiträge: 143
Registriert: So 27. Mär 2011, 09:30

Re: Cottmos - Elric, der Erlöser

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 9. Sep 2011, 07:55

Kapitel IV

Eine junge Frau irrte durch den Wald. Sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte. Deutlich spürte sie die Gefahr, die ihr folgte.
Der Wald wurde immer unheimlicher. Die Vögel verstummten und selbst der Wind verschwand. Dunkelheit und Kälte umgab sie mit einem Male.
Ängstlich sah sie sich um und ging immer langsamer voran. Wurzeln, wie Stolperfallen, zogen sich über den Boden dahin. Zwischen ihnen kleine Rinnsale mit trüben Wasser.
Vor ihr tat sich ein See auf. Nebelschwaden zogen darüber.
Die Flucht beendet?
Sie würde um Hilfe rufen, wenn die Stimme ihr nicht versagt hätte. Sie würde sich wehren, auch wenn sie ihren Gegner nicht sehen konnte.
Das Wasser des Sees schlug plötzlich Wellen und der Nebel gab eine Stelle frei.
Sie konnte einen Blick auf ihr Spiegelbild werfen.
Ein junges Frauengesicht blickte sie an. Wilde rote Haare und grüne Katzenaugen. Sanft und wild zugleich.
„Du musst fliehen!“ erklang eine Stimme und sie sah sich um.
Es war ihr Spiegelbild, das mit ihr sprach.
„Er wird dich töten!“
Irritiert sah sie auf das Spiegelbild und war drauf und dran es zu berühren.
Ein lautes Knacken hinter sich lies sie aufschrecken.
„Lauf!“ rief die Spiegelung laut und ängstlich.
Doch ehe sie davon laufen konnte, spürte sie wie etwas nach ihr griff.
Es raubte ihr den Atem und legte sich wie eine kalte Klaue um ihren Hals.
Sie fiel auf die Knie, rang verzweifelt nach Luft und versuchte die Klaue von sich zu reißen.
Eine zweite Klaue schoss auf sie zu und griff ihr in den Bauch. Deutlich konnte sie spüren, wie das Wesen etwas aus ihr herauszureißen versuchte. Doch es waren weder Gedärme noch andere Organe, die das Wesen begehrte.
Es wollte etwas anderes. Aber sie konnte nicht erkennen, was es war.
Sie hatte das Bewusstsein verloren.

Jupain lag noch immer leblos am Boden. Ihr Hengst unruhig wiehernd neben ihr.
Kein Atemgeräusch kam von ihr.
Nardae hatte sie getötet.

„Es ist noch nicht vorbei!“ flüsterte eine sanfte Männerstimme.

Ein einzelner Blitz durchzog den Himmel und traf auf mysteriöse Weise Jupain.

Gerade hatte Nardae seinem Herrn Dracold von seinem Sieg berichtet. Und vom Tod Jupains.
Das Grollen eines fernen Gewitters war zu hören und eine elektrische Spannung lag in der Luft.
Dracold befiel ein beklemmendes Gefühl. Es war als hätte er etwas Falsches gegessen. Sein Magen verkrampfte sich.
„Etwas ist erwacht!“ knurrte er missgelaunt und unruhig sah er sich in seinem kalten Thronsaal um.
„Mein König?“
Nardae spürte, dass etwas nicht stimmte. Doch wusste er nicht, was es war, was den König bedrückte.
„Die Magie ist im Aufruhr! Ich kann es spüren. In Vardis regt sich etwas gewaltiges!“ gab Dracold finster von sich, „Es greift nach meiner Zauberkraft!“
Nardae stand stumm vor ihm. Unwissend was nun tun oder zu sagen sei. Es war nicht seine Art über Unbekanntes nachzudenken.
„Finde es und vernichte es! Ich kann spüren, wie es mir Unheil bringt!“ befahl Dracold ihm mit drohender Stimme.
Nardae rief seine Krieger zusammen. Diesmal waren es menschliche Barbaren, die er anführen sollte. Etwa fünfzig Mann. Krieger, die sonst immer von Jupain in die Schlacht geführt wurden.
Die Grauds sollten vorerst als Schutz bei Dracold bleiben. Wenn nötig, würde er sie nachschicken.
Doch vorerst wollte Dracold wissen, was da erwacht war und ihm womöglich schaden könnte. Innerlich verfluchte er sich dafür, dass er nicht die Gabe des Wahrsagens hatte, obwohl er sonst schier unendliche Zauberkraft innehatte.

Jupains Hengst trat nervös von einem Huf auf den anderen. Noch immer wieherte er unruhig, so als würde er trauern.
Kalter Wind zog auf und lies die Flagge des Tuerilagers flattern. Ein schwarzer Vogel auf weißem Stoff. Es sah aus, als wolle er davonfliegen.
„Wach auf!“ zog eine Stimme durch den Wind.
Jupains Körper, inmitten des Windes, fing an sich zu bewegen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich. Und so, als habe sie geschlafen, wachte sie auf.
Über ihr der Himmel, schwarz und sternbehangen. Es lag so viel Ruhe in dem Nachthimmel über ihr.
Dann blickte sie in ein schwarzes Pferdegesicht. Glänzende braune Augen sahen in ihre. Und so als wolle das Pferd seine Herrin begrüßen, senkte er seinen Kopf und berührte mit seinen Lippen ihre Wange.
Der Pferdekuss weckte Jupain vollends und riss sie vom Himmel los.
Sanft schob sie das Pferdegesicht von sich weg und versuchte sich aufzusetzen.
Die Wunden schmerzten und die Rüstung erschien mit einem Male zu schwer. Ganz langsam kam sie wieder auf die Beine. Müde sah sie sich um.
Tote, überall Tote.
Der Hengst stieß sie sanft an, so als wolle er sich bemerkbar machen und sie trösten.
„Du solltest gehen!“ flüsterte Jupain leise zu ihm, „Ich bring dir nur den Tod!“
Doch der Hengst blieb stehen und sah sie treuherzig an.
Jupain begann ihre Rüstung abzulegen. Sie lag ihr zu schwer auf den dürren Schultern, zudem wollte sie nach ihren Wunden sehen.
Mit lauten Scheppern fiel die rote Rüstung zu Boden und Jupain stand nur noch in ihrem Leinenhemd und einer ledernen braunen Hose da.
Als sie nach der Stichwunde sah, die ihr Nardae mit seinem Schwert verpasst und sie somit getötet hatte, konnte sie nur einen Fleck getrockneten Blutes ausmachen.
„Aber ... wie?“ stotterte sie.
Da wo hätte eine klaffende Wunde sein müssen, war eine Narbe, so als hätte sie die Wunde vor Jahren erhalten. Auch an der Stelle, an der sie der Pfeil getroffen hatte, war anstatt einer Wunde eine Narbe.
Jupain war mehr als irritiert. Wie konnten ihre Wunden so schnell heilen?
Dann bemerkte sie den abgebrochenen Pfeil, der noch immer im Brustkorb ihres Hengstes steckte.
Sanft strich sie dem Hengst über den Hals, um ihn zu beruhigen.
„Gleich ist es besser!“ flüsterte sie ihrem Tier ins Ohr und riss ihm gleichzeitig den Pfeil heraus.
Das Pferd zuckte kurz, blieb aber ansonsten ruhig.
Mit einem Streifen von ihrem Hemd und ihrem Waffengürtel verband sie die Wunde des Hengstes.
„Ich gebe dich frei!“ meinte Jupain zu ihm und nahm ihm Sattel und Zaumzeug ab. Doch der Hengst bewegte sich nicht fort.
„Jetzt geh!“ schimpfte Jupain und versuchte ihn wegzuschieben, „Verschwinde!“
Der Hengst antwortete nur mit einem lauten Wiehern, lies sich aber nicht vertreiben.
„Dummkopf!“ meinte Jupain dann nur und strich ihm über den Hals.
Sie griff sich ihr Schwert und ging über das Schlachtfeld. Wohin sie gehen sollte, wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass sie nicht zurück nach Eathril gehen konnte, denn das wäre mit Sicherheit ihr Tod.
Ihr Vater, Dracold, würde sie sofort töten, wenn er wüsste, dass sie noch am Leben war. Sie wusste, dass Nardae im Auftrag Dracolds gehandelt haben musste. Nardae würde nie ohne Befehl handeln.

In Bors, einem kleinen Dorf nahe Ankuni, hatte sich die Nachricht über Elrics Tod längst herumgesprochen. Wut und Trauer lag nun über den Dorf wie ein Dunstschleier. Die einzige Hoffnung, die sie hatten, war ihnen genommen worden.
Gunter saß stillschweigend auf den Stufen des Gasthauses, bei dem er untergekommen war. Auch er war in großer Trauer und ebenso wie all die anderen schwanden auch seine Hoffnung und der Glaube auf den Sieg über Dracold.
Er hatte von Latis und Raya erfahren was für eine brutale Schlacht es war. Erfahren, wie Elric umgekommen war. Und von seinem Zögern.
„Du Narr!“ murmelte Gunter zu sich selbst.
„Die rote Armee ... Sie waren ganz in der Nähe!“ hörte Gunter einen Alten reden.
„Sie werden uns bald angreifen!“ antwortete ihm ein anderer, „Wir sollten uns lieber gleich ergeben oder uns ins eigene Schwert stürzen!“
„Jedenfalls besser, als von diesen Monstern gefressen zu werden! Diesen Grauds!“
„Ja!“ gab der zweite zur Antwort und schon verfielen beide Männer wieder in Schweigen.

Jupain lief müde und ziellos durch das Waldgebiet. Ihr Hengst lief ihr hinterher, treu wie eh und je.
Immer wieder gelangten beide an kleine Tümpel und Moore. Dafür war Vardis bekannt.
Ein riesiger mit Mooren durchzogener Wald. So konnte man Vardis am einfachsten beschreiben. Jemand, der nicht aus diesem Land stammte, konnte sich schnell in einem Moor wiederfinden.
Ein ideales Versteck für die Tueri.
Wieder fand sich Jupain vor einem Moor wieder. Es sah nicht sehr breit aus, aber dies könnte täuschen, dem war sie sich sicher.
Sie hatte großen Hunger und Durst, war es schon etwas länger her, dass sie etwas zu sich genommen hatte. Zudem bereiteten starke Bauchschmerzen ihr Sorge. Vielleicht waren ja nicht all ihre Wunden verheilt!
„Fangt ihn!“ rief jemand und ein Pfeil schoss an Jupain vorbei.
Sofort wurde der Hengst unruhig und versuchte Jupain dazu zubringen, aufzusitzen. Doch dazu kam sie nicht.
Mit einem Male schossen fünf in braune Gewänder gehüllte Krieger auf sie zu. Ihre Gesichter mit Tüchern verhüllte.
Sie waren sehr schnell und Jupain hatte keine Chance dazu sich zu wehren. Auch konnte sie nicht fliehen, mit dem Moor hinter sich und den Gegnern von vorn.
„Erimrod!“ meinte der blauäugige Krieger vor ihr und hielt ihr seine Hand vor das Gesicht.
Mit einem Mal wurde Jupain schwarz vor Augen und sie brach zusammen.
„Fesselt ihn und nehmt ihn mit!“ befahl der Krieger seinen Kameraden und ein besonders bulliger Krieger nahm Jupain auf die Schulter.
„Was wird mit dem Pferd?“ wollte einer wissen.
„Lasst den Hengst zurück. Er wird den Weg nach hause selbst finden oder hier sein Ende finden!“ kam als Antwort und er blauäugige Krieger gab den Befehl zum Lager zurück zu gehen.
So trug einer der Krieger Jupain und die anderen folgten. Jupains Hengst trabte hinterher, obwohl ihm die Freiheit mehrfach geschenkt worden war.

„Wer ist das?“
„Der Knabe trägt eine rote Uniform!“
Laute Stimmen weckten Jupain. Ihr Kopf schmerzte, so als habe sie ein Pferd getreten.
Noch immer müde und benommen von dem Zauber, der sie außer Gefecht gesetzt hatte, sah sie sich um. Man hatte sie in einen hölzernen Käfig gesperrt und neugierige Dörfler begafften sie.
„Das ist kein Junge!“ meinte einer plötzlich. Er hatte blaue Augen und sehr helles, fast weißes Haar. Dies und seine dunkle Haut, die so aussah, als habe er jeden Tag nur unter der Sonne verbracht, unterschied ihn von den anderen.
Auch seine Ausstrahlung verriet ihn. Elegant und stolz, schlank und dennoch kräftig.
Er war vom Elfenvolk, nur konnte Jupain nicht zuordnen aus welchem Clan er stammte. Sie hatte noch nie jemanden wie ihn gesehen.
„Woher willst du wissen, dass es kein Junge ist?“ fragte eine ältere Frau den Elfen, doch er schwieg und sah Jupain finster an.
„Wie heißt du?“ knurrte ein älteren Mann. Seiner Kleidung nach zu urteilen war er der Dorfvorsteher. In seiner Hand hielt er einen geschnitzten Knüppel, den er als Krückstock nutzte.
Jupain sah stumm in die wütenden und fragenden Gesichter, die sie durchs Gitter anstarrten.
„Nenne uns deinen Namen!“ befahl der Dorfvorsteher und klopfte mit dem Knüppel gegen das Gitter.
„Fean!“ gab Jupain als Antwort zurück.
„Was tust du hier in dem roten Gewand?“ wollte eine Frau wissen.
„Ich hab mich verirrt!“
„Lügnerin!“ kam es laut vom Elf und irritiert sahen ihn alle Dörfler an.
Selbst Jupain sah ihn fragend an.
„Du bist Dracolds Tochter!“ fauchte der Elf, „Du hast Elric getötet!“
Nun richteten sich alle Blicke wieder auf Jupain.
„Ich bin aber nicht Dracolds Tochter!“ knurrte sie zurück. Wenn es nach ihr ginge, würde sie aus der Blutlinie Dracolds austreten, der sie so einfach töten lassen wollte. Doch andererseits hatte sie noch immer Vertrauen in ihn. Was, wenn er sie nur prüfen wollte?
„Ich bin Fean! Ich bin eine einfache Bauerntochter!“ schrie Jupain den Elfen an.
„Für eine Bauerntochter bist du aber sehr stark bewaffnet gewesen!“ konterte er und hielt Jupains Schwert hoch.
Nun fiel ihr nichts mehr ein und ihr Schweigen kam einem Geständnis gleich.
„Du hast ihn getötet?“ Es war eine junge Frau, nur wenig älter als Jupain selbst.
„Du hast die Hoffnung geraubt!“ meinte sie, hob einen Stein auf und warf ihn auf Jupain.
„Mörder!“ schrie jemand bei den Dörflern und mit einem Male flogen ein paar duzend Steine auf Jupain zu. Zwar würde es ihnen Elric nicht zurückbringen, aber zumindest könnten sie sich ein wenig rächen.
Niemand wollte sich beruhigen und niemand hielt die Dörfler auf. So flogen immer mehr Steine auf Jupain, die sich verzweifelt zusammen kauerte und sich zu schützen versuchte.
„Das reicht jetzt!“ schimpfte einer. Er sah eher wie ein Krieger als wie ein Dorfbewohner aus. Braune leicht gelockte Haare und ein leicht ergrauter Bart, eine kräftige Statur und eine sonderbare in blau und grau gehaltene Gewandung. An seiner Hüfte ein Waffengurt mit einem langen Einhänder-Schwert.
Er schickte die Dorfbewohner zurück in ihre Häuser. Nur widerwillig und unter Protest lies sich die Meute vom Käfig weg treiben.
Nur der Elf blieb stehen und sah finster auf Jupain, die sich langsam wieder aufsetzte, um zu sehen, was vor sich ging.
Der Krieger stellte sich vor den Käfig und sah Jupain verwundert an.
„Du bist also Dracolds Tochter?“ meinte er brummig.
Jupain antwortete nicht.
„Was machen wir jetzt mit ihr?“ wollte der Elf wissen.
„Wir sollten sie loswerden! Wenn der König erfährt, dass wir seine Tochter haben, wird er hier auftauchen und sie zurück holen!“ antwortete der Krieger ihm.
Jupain blickte die beider vom Käfigboden aus an. Dann wischte sie sich das Blut, welches von einer Platzwunde an der Stirn lief, weg.
„Er wird nicht kommen!“ murmelte sie, „Nicht wegen mir!“
„Ach so?“ spottete der Elf herablassend.
Der Krieger ging dazwischen, denn der Elf war kurz davor Jupain anzugreifen.
„Wir sollten uns mit Latis beraten!“ meinte der Krieger und führte den Elf weg.
So blieb Jupain allen zurück. Aber nicht sehr lange.
Ihr Hengst hatte sie verfolgt und stand schnaubend vor dem Käfig. Treuherzig, so als erwarte er irgendein Befehl, blickte es Jupain an.

„Das ist aber ein schöner Hengst!“
Eine junge Rothaarige hatte sich angeschlichen und begutachtete den Hengst Jupains.
Dann blickte sie an dem Tier vorbei auf Jupain.
„Sie hassen dich, da du ihnen ihren Erlöser genommen hast!“ Dabei strich die Rothaarige dem Hengst über den Hals.
„Sie sind Narren!“ brummte Jupain nur.
„Oh!“ kam es von der Rothaarigen.
„Statt an den Erlöser zu glauben, sollten sie selbst kämpfen!“ war Jupains Meinung.
„Das sind alles Bauern. Das sind keine Kämpfer!“ antwortete die Rothaarige ruhig und ohne vom Hengst abzulassen.
„Sie sollten sich nicht hinter einem Bauernjungen verstecken, nur weil irgendwer mal behauptet hat, dass er sie rettet.“ fauchte Jupain wild, „Sie sollten für sich selbst kämpfen statt zu warten!“
Die Rothaarige wollte ihr gerade Konter geben, als jemand so rief.
„Tahari, verschwinde von der Verräterin!“ rief der Elf wütend, der vom Weiten dem Gespräch gelauscht hatte.
Die Rothaarige lies vom Hengst ab und ging.
„Behalte deine dunklen Reden für dich!“ fauchte der Elf und ging in ein Gasthaus, welches in der Nähe war.

Jupain wartete bis allmählich die Nacht herein brach. Sie wartete darauf, dass sie alle zu Bett gingen.
Ihr Hengst hatte treu neben ihrem Käfig gestanden und sich nicht ein einziges Mal davon bewegt.
„Wir sollten endlich aufbrechen!“ flüsterte jemand und Jupain erkannte im Dunkel der Nacht den Krieger und den Elfen, die sich bemühten so leise wie möglich zu reden.
„Sie werden bald hier sein! Wir müssen uns zurückziehen!“ meinte der Elf.
„Ja, aber wie willst du sie alle dazu bringen? Sie haben hier ihre Heimat gefunden!“
„Gunter, wenn wir nicht bald aufbrechen, werden sie nicht nur ihre Heimat verlieren!“ protestierte der Elf.
Gunter, der Krieger, nickte stumm. Er wusste, dass sein Freund recht hatte.
Dann fiel sein Blick auf Jupain und er bemerkte, dass sie ihnen zugehört hatte.
„Wir sollten drinnen weiter reden!“ meinte Gunter zu dem Elf und gemeinsam gingen sie zum Gasthaus zurück.
Noch einmal nahm sich Jupain vor, darauf zu warten, dass auch die letzten endlich schlafen gingen. Doch das Licht im Gasthaus erlosch nicht und Jupain konnte spüren, dass jemand sie beobachtete.
Vermutlich der Elf.
Nach vergeblichem Warten beschloss sie zu schlafen. Sie konnte eh nicht viel tun. Sie war gefangen.

Wieder lief die rothaarige Frau im nebelverhangenen Wald herum. Sie war noch immer auf die Flucht und wussten nicht wohin.
„Lauf!“ rief eine Stimme und Kälte kam auf sie zu.
Wieder legte sich eine kalte Klaue um ihren Hals und schnürte ihr die Luft ab. Und wieder spürte sie eine zweite Klaue, die sich in ihrem Bauch vergrub.
Kurz bevor sie das Bewusstsein verlor, konnte sie helles Licht sehen.
In dem Licht ein blonder Knabe, ein Bauernsohn. Er hatte ein freundliches Gesicht.
Er kam auf sie zu, lächelnd. Er packte nach den Klauen, die sich dabei in Nebel auflösten.
„Du brauchst vor mir keine Angst haben!“ flüsterte er und strich ihr sanft über die Wange.
In seinen blauen Augen konnte sie sich sehen. Doch ihr Haar war nicht lang und rot. Es war kurz und schwarz. Und auch das Gesicht war ein anderes.
Der Blonde legte seine Hand auf ihre Augen und so konnte sie nicht sehen, was er tat.
Nur spürte sie ihre Schmerzen, da wo sich die Klaue zuvor in ihrem Bauch vergraben hatte.

Erschrocken wachte Jupain auf. Sie verspürte starke Schmerzen im Bauch, fast so als habe man sie geschlagen.
Irritiert sah sie sich um.
Sie hätte schwören können, eben noch in einem nebligen Wald zu sein, mit einer unbekannten Bedrohung im Nacken. Doch sie war nicht im Wald. Sie saß noch immer im Käfig. Gefangen.
„Das war Elric?“ murmelte sie. Sie hatte ihn im Traum gesehen, ganz deutlich.
Sie musste über sich selbst lachen. Allen Anschein nach hatte ihre Angst vor ihrem Vater ihr seltsame Träume gesponnen. Vielleicht aber war dies Elrics Rache für seinen frühen Tod!
Dann bemerkte sie die rege Betriebsamkeit, die im Dorf ausgebrochen war. Panik hatte alle befallen und eilig wuselten sie umher.
Sie packten ihre Sachen, verstauten sie auf Karren oder trugen sie auf ihre Schultern.
„Was wird mit ihr?“ wollte der Krieger Gunter vom Elf wissen. Dieser blickte Jupain finster an.
„Wir können sie nicht mitnehmen!“ brummte der Elf, „Und wenn wir sie zurücklassen, wird sie Dracold zu uns führen!“
Gunter sah Jupain in die Augen. Für einen kurzen Moment sah es so aus, als bemitleide er sie.
Hinter den Männern kippte plötzlich ein Karren um und all seine Ladung verteilte sich auf den Boden. Und während beide sich umsahen, stand ein kleines Mädchen vor Jupains Käfig.
„Lauf weg!“ flüsterte sie und öffnete blitzschnell die Käfigtür, so als sei sie nicht verschlossen gewesen.
Jupain lies sich das nicht zweimal sagen und stürzte aus dem Käfig heraus. Sie lief einfach los, ohne auf die anderen oder ihr Pferd zu achten.
„Verdammt!“ schimpfte der Elf und wollte ihr hinterher stürmen um sie einzufangen. Doch Gunter hielt ihn am Arm fest.
„Dafür ist keine Zeit. Wir sollten schleunigst weg von hier!“ meinte er.
Sofort begannen beide die Dorfbewohner noch mehr anzutreiben.
Niemanden kümmerte es, dass der schwarze Hengst seiner Reiterin hinterher lief.

Jupain war weit gelaufen. Nur wusste sie nicht mehr, wo sie sich befand.
Ihr Hengst hatte sie eingeholt und stand neben ihr.
Es war eine kleine Wiese inmitten des Waldes und Jupain hatte sich an einen Baum gesetzt, um zu verschnaufen. Ihr Hengst nutzte die Pause um zu grasen. So friedlich, wie es war, könnte man die Gefahr fast vergessen.
„Was machst du hier?“ Das kleine Mädchen, das Jupain befreit hatte, stand neugierig vor ihr.
Irritiert sah sich Jupain um. Sie wusste nicht, woher das Kind auf einmal kam und es ihr so schnell folgen konnte.
Das Mädchen setzte sich neben sie.
„Du heißt Fean?“ fragte die Kleine, um die Stille, die zwischen ihnen lag zu durchbrechen. Aber Jupain blieb ihr eine Antwort schuldig.
Sie starrte auf die Bäume vor sich. Sie hatte keine Lust sich zu unterhalten, schon gar nicht mit einem naseweisen Kind.
Etwas zwischen den Bäumen erregte Jupains Interesse. Dunkle Schatten bewegten sich und leises Klirren von Waffen trug der Wind zu ihr.
Schlagartig stellten sich Jupains Nackenhaare auf.
Sie sprang auf und griff an ihre Hüfte, dort wo sie normalerweise ihr Schwert trug. Nur sie war waffenlos.
Das Mädchen sah sie irritiert an.
„Was ist das?“ wollte sie wissen und starrte angestrengt auf die Schatten, die immer näher kamen.
Jupain riss das Mädchen hoch und setzte sie auf ihren Hengst.
„Halt dich fest!“ meinte Jupain zu dem völlig überrumpelten Kind, „Du musst deine Familie warnen! Dracolds Armee ist ganz in ihrer Nähe!“
Dann wandte sich Jupain an ihr Pferd. Sie packte sein Gesicht und presste es sanft an ihres.
„Fer, bring sie zurück!“ flüsterte sie dem Tier ins Ohr und lies es los.
Der Hengst wieherte kurz und galoppierte davon, in die Richtung aus der sie gekommen waren.

Kaum war der Hengst fort, erreichten die Schatten Jupain.
Es waren einst ihre Krieger gewesen. Ihre Soldaten.
Fünf hünenhafte, muskelbepackte Männer, mit Schwertern bewaffnet, blieben vor ihr stehen.
„Ein Geist?“ murmelte einer.
„Kein Geist!“ lachte ein anderer, „Ein kleines Hühnchen! Zeit es zu rupfen!“
Die Barbaren verfielen in spöttisches Lachen.
„Was wirst du nun tun, Jupain?“ fragte der Riese, der sich direkt vor ihr aufgebaut hatte. Er kam mit seinem Gesicht ganz nah an ihres und sie konnte seinen üblen Atem riechen.
„Ich bin nicht Jupain! Mein Name ist Fean!“ fauchte sie ihn finster an.
„So?“ schmunzelte er, „Was wirst du tun?“
„Dich töten!“ gab sie als Antwort und riss ihm blitzschnell das Schwert aus der Scheide.
Sie kannte die Stärken und die Schwächen der Barbarenkrieger. So viel Kraft sie auch hatten, Schnelligkeit und Verstand gehörte nicht zu ihren Stärken.
„Tötet sie!“ schrie der Riese und sofort griffen seine Kameraden Jupain an.
Die Waffen klirrten. Hart schlugen die Schwerter ihrer Gegner gegen ihres und es kostete sie große Kraft, die Schwertstreiche abzuwehren. Sie wirbelte leichtfüßig über den Boden. Als würde sie mit dem Schwert tanzen. Es reichte gerade Mal um die Gegner abzuwehren, aber nicht um sie zu besiegen.
Wütend über ihre Schwäche, holte sie mit dem Schwert aus. Sie traf einen Krieger und schlug ihm den Arm ab, doch um ihn kampfunfähig zu machen reichte es nicht.
Eine merkwürdige Energie baute sich in Jupains Körper auf, die aus dem Bauch aufstieg und sich im ganzen Körper verteilte.
„Elered!“ rief Jupain laut und eine gewaltige Druckwelle, die von ihr ausging, riss die Barbaren um. Doch tot waren sie nicht, der Zauber war zu schwach gewesen.
Blitzschnell stieß Jupain dem ersten die Klinge in die Brust und dann dem zweiten und dritten.
„Deine Zauberkraft reicht nicht weit, ebenso wie deine Waffenstärke!“ spottete der vierte Barbar, dem sie zu Kampfbeginn entrissen hatte. Er war wieder auf den Beinen und ebenso wie der fünfte wieder bereit zum Kampf.
Sie umzingelten Jupain, die vom Zauber geschwächt war. Beide hoben ihre Schwerter waagerecht in die Höhe, sodass sie Jupain aufspießen könnten. Dann stürmten sie zeitgleich los.
Ihre Klingen bohrten sich tief ins Fleisch. Nur dass es nicht Jupain war, die sie trafen. Sie hatten sich gegenseitig das Schwert in die Brust gerammt.
Jupain hatte sich geduckt.
Einer der beiden Barbaren fiel tot um. Die Klinge des anderen hatte sein Herz getroffen.
Der letzte wankte stark blutend. Von Aufgabe keine Spur.
„Er wird dich töten!“ meinte er zu Jupain, „Nardae ist mit Soldaten auf den Weg hierher und Dracold wird die Grauds losgeschickt haben. Du kannst uns nicht aufhalten!“
Jupain sah ihn finster an. Dann holte sie aus und mit einem Schlag trennte sie seinen Kopf von den Schultern, noch ehe er sein Schwert wieder erhoben hatte.
Der Kampf hatte sie viel Kraft gekostet, wie auch der Zauber.
„Ich muss sie warnen!“ ging ihr durch den Kopf und sie rannte wieder zum Dorf zurück. Folgte den Spuren ihres Hengstes Fer.
Doch würde sie noch rechtzeitig bei ihnen sein? Waren sie denn noch in Bors oder waren sie schon weiter gezogen?
Sie wusste den Grund für ihren Sinneswandel nicht. Sie wusste nur, dass sie nicht mehr zu Dracold gehören wollte. Sie wollte mit ihm und seinen Männern nichts mehr zu tun haben.
Sie wollte alles hinter sich lassen und neu beginnen, wenn dies möglich war!
Das Dorf war leer, als sie ankam. Verzweifelt wollte sie aufgeben.
Warum sollte sie die Tueri warnen? Einen Grund hatte sie nicht.
„Lauf!“ hallte eine Stimme in ihren Kopf. Elrics Stimme.
Und ehe sie es sich richtig bewusst war, folgte sie den vielen Spuren der Flüchtlinge.
Nikita LaChance
Ritter
Ritter
 
Beiträge: 143
Registriert: So 27. Mär 2011, 09:30

Re: Cottmos - Elric, der Erlöser

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 9. Sep 2011, 07:56

Kapitel V

Der schwarze Hengst Fer lief wie der Wind, auf seinem Rücken ein Kind. Ohne Schwierigkeiten hatte er die Rebellen eingeholt.
„Tahari?“
Der Elf wirkte verwundert über den Hengst und seine kleine Reiterin.
Das Mädchen sprang vom Pferderücken und noch ehe sie mit den Füßen den Boden berührte war aus ihr eine junge Frau geworden.
„Wo warst du?“ fauchte der Elf sie an. Er schien besorgt.
„Sie braucht Hilfe! Sie kann die Soldaten nicht alleine besiegen!“ flehte die Frau. Sofort wusste er, wer gemeint war.
„Sie ist Dracolds Tochter!“ funkelte der Elf finster und wollte gehen, als ihn die Frau am Arm festhielt.
Gunter, der eben noch einigen Flüchtlingen mit ihrem Gepäck geholfen hatte, kam hinzu. Auch er wirkte etwas irritiert über das Auftauchen des schwarzen Hengstes.
„Tahari?“
Die Frau sah ihn besorgt an.
„Wir müssen ihr helfen!“ bat sie. Noch immer hielt sie den Elfen am Arm.
„Sie würde uns nur Schaden!“ protestierte der Elf und riss sich los.
„Eavit!“ brummte Gunter leicht genervt.
„Du weißt es, Gunter. Sie könnte uns helfen!“ flehte Tahari.
„Sie ist ein viel zu großes Risiko!“ meinte der Elf Eavit noch immer.
„Sie hat mich gerettet! Bitte, Gunter!“ Tahari blieb energisch. Eine ihrer großen Eigenschaften.
Eavit blickte Gunter fragend an. Zwar gab Gunter der Frau keine Antwort, aber sein Blick sprach für sich. Gern würde er Jupain, der Tochter seines Feindes, helfen. Doch für Eavit und jeden anderen war der Grund unklar. Immerhin hatte Jupain Elric, ihre größte Hoffnung getötet.
„Ich habe dich gewarnt!“ zischte Eavit Gunter böse an und stolzierte gereizt davon.
„Helfen wir ihr?“ wollte Tahari noch einmal wissen.
Doch Gunter sah ihr nicht ins Gesicht als er ihr antwortete.
„Wir können ihr nicht helfen! Sie ist der Feind!“
Sein Blick wanderte über die Flüchtlinge.
Noch immer hatten sie das Lager der Tueri nicht erreicht. Es war keine Zeit für eine weitere Rettungsaktionen. Erst mussten die Dorfbewohner in Sicherheit gebracht werden und dann musste jeder weitere Schritt geplant werden.
Tahari blieb stumm vor Gunter stehen. Sie war wütend. Doch an Gunters Entscheidung konnte sie nichts ändern.

So schnell sie konnte und es der Weg zulies, rannte Jupain den Weg zurück, den sie gekommen war. Als sie das Dorf leer und verlassen vorfand, folgte sie den Spuren der Flüchtlinge.
Um jeden Preis wollte sie sie warnen. Warnen vor Dracolds Kriegern.
Wo sie war und wo sich die Rebellen und die Flüchtlinge versteckten, wusste sie nicht. Vielmehr irrte sie orientierungslos durch das riesige Moorwaldgebiet, das Vardis nun mal war.
„Halt!“ rief eine Stimme aus den Bäumen und ein Pfeil flog knapp an Jupain vorbei.
So sehr Jupain sich auch nach dem Schützen umsah, sie konnte ihn nicht entdecken. Viel zu geschickt saß er getarnt in der hohen Baumkrone. Und er war nicht allein, dass konnte Jupain deutlich spüren.
„Was willst du hier? Sprich!“ befahl die Stimme von oben.
„Ich muss zum Anführer der Tueri. Ich muss ihn warnen!“ antwortete Jupain mit dem Blick nach oben. Sie versucht noch immer den Gesprächspartner in den Bäumen auszumachen.
„Du gehörst zu Dracolds Kriegern. Wir lassen dich nicht vorbei!“ kam eine zweite Stimme aus einer anderen Baumkrone.
„Bitte! Ich muss sie warnen!“ flehte Jupain. Verzweiflung lag in ihrer Stimme.
„Verschwinde oder wir töten dich!“ sprach eine dritte Stimme und wieder flog ein Pfeil auf Jupain zu und landete zu ihren Füßen.
Die einst so stolze Kriegerin fiel auf die Knie. Viel machte sie nicht mehr her. Mit roten Lumpen, zerzausten Haar und dem Blut ihrer letzten Gegner.
„Bitte! Ich muss die Tueri warnen! Es werden Unmengen von Dracolds Kriegern kommen!“ sprach Jupain.
„Warum sollten wir dir vertrauen?“ kam von oben.
„Bringt mich zu Gunter!“ bat Jupain verzweifelt, „Lasst mich mit ihm reden!“
Jupain konnte hören, wie ein Bogen gespannt wurde.
„Ihr könnt mich fesseln und die Augen verbinden. So kann ich niemanden sagen, was ich sehe. Ich werde mich nicht wehren, nur lasst mich mit ihm sprechen!“ kam es von Jupain.
„Gut! Dann machen wir es so!“ Die Stimme kam nicht aus den Bäumen.
Gunter stand einige Meter entfernt von ihr. Wie lange er da schon stand, konnte sie nicht sagen. Aber mit seinem braunen Umhang passte er sich perfekt der Umgebung an.
„Ich nehme dich gefangen und dann kannst du dem Anführer der Tueri dein Anliegen selbst vortragen!“ meinte er.
Verwirrt starrte Jupain den Mann an. Dann nickte sie stumm.
Gunter winkte kurz und zwei Männer sprangen hinter den Bäumen hervor auf Jupain zu. Ebenso wie Gunter trugen sie braune Gewänder.
„Wenn du dich wehrst, töten wir dich!“ knurrte einer der Männer und verbannt ihr die Hände auf dem Rücken. Dabei zog er das Seil recht straff und obwohl es schmerzte, blieb Jupain stumm.
Sie lies sich wortlos gefangen nehmen, die Arme auf den Rücken binden und sich eine Augenbinde anlegen.
„Hoch!“ brummte der zweite und zog sie unsanft auf die Beine. Zu zweit zerrten sie Jupain hinter sich her. Blind stolperte sie umher und versuchte Schritt zu halten.
„Haltet weiter Wache! Vermutlich wird der Feind bereits in der Nähe sein!“ befahl Gunter den Männern in den Bäumen. Dann folgte er den anderen beiden und Jupain.
„Er sollte aufpassen, was er tut! Sich mit jemanden aus Dracolds Armee einzulassen, ist nicht gerade von Vorteil!“ brummte einer im Baum.
„Er wird schon wissen, was er tut!“ gab ein anderer zurück.
„In diesen Zeiten sollte man seinen Feinden nicht so viel Freiheiten und Freundlichkeiten schenken!“ protestierte ein dritter.
„Seid still! Soll uns der Feind finden?“ rief ein vierter dazwischen und sofort herrschte wieder Ruhe.

Sie marschierten lange. Über Baumwurzeln, durch Gras und über Steine.
Und als sie endlich ankamen, konnte Jupain den kühlen Wind spüren. Sie mussten auf einer Lichtung angelangt sein, dachte sie sich, denn sehen konnte sie nichts.
„Was macht sie hier?“ Die Stimme des Elfen, wie immer wütend.
„Sie will Latis sprechen!“ antwortete Gunter nur und lies Jupain in eine Hütte bringen.
„Du bist wohl von Sinnen. Sie wird den Feind her führen!“ fauchte Eavit.
„Hol Latis!“ brummte Gunter ihn an und ging in die Hütte, in die man Jupain gebracht hatte.
Ein Lager aus Fell war in einer Ecke eingerichtet worden. Mehr war nicht in der Hütte, außer einer großen Holzsäule in der Mitte des Raumes, die wohl einen Teil des Daches tragen sollte. An eben diese Säule banden die Männer Jupain fest.
„Ich werde sie bewachen! Wartet draußen!“ befahl Gunter den Männern und sie gingen.

Tahari, die den schwarzen Hengst Jupains ins Lager geführt hatte, stand bei dem Tier und versorgte es. Hungrig lies sich der Hengst von ihr füttern.
„Wem gehört er?“
Latis und Raya schritten über den Platz und blieben vor dem Hengst stehen.
Sanft strich Latis über den Hals des Tieres und begutachtete ihn äußerst interessiert.
„Er stammt nicht von hier!“ stellte er fest, „Kräftig! Groß gewachsen!“
„Er gehört Dracolds Tochter!“ fuhr Eavit dazwischen, der endlich Latis gefunden hatte.
„Und was tut dieses Tier dann bei uns?“ wollte Raya irritiert wissen. Auch sie war fasziniert von dem dunklen Hengst, wenngleich ihr die Tatsache, dass er aus dem Stall Dracolds war, missfiel.
„Ich habe ihn hergeführt!“ mischte sich Tahari ein und die drei sahen sie verwundert an, „Er hat mich vor Dracolds Armee gerettet!“
Tahari klang wie ein trotziges Kind, das um jeden Preis den Hengst behalten wollte.
Latis riss sich von dem Tier los und ignorierte Taharis schmollenden Gesichtsausdruck.
„Eavit, was wolltest du von mir? Ich hörte, dass du mich suchst!“ Trotz seiner großen Gestalt und der kriegerischen Aufmachung war Latis ruhig und besonnen.
„Gunter will Euch sprechen! Er hat Dracolds Tochter gefangen genommen!“ antwortete Eavit mit finsterem Blick.
Auch Raya blickte mit einem Male finster und zornig. Nur Latis zeigte keinerlei Besorgnis über die Nachricht.
„So!“ meinte Latis beiläufig und lies sich von Eavit zu Gunter und Jupain bringen. Zum Teil neugierig, zum Teil um sich zu rächen oder anderweitig ihre Wut auszudrücken, ging Raya mit.

Noch immer saß Jupain gefesselt und mit verbunden Augen auf dem Sandboden der Hütte. Gunter hatte nichts gesagt und auch sonst nichts getan. Er hatte sich nur vor sie gesetzt und wartete nun.
Eavit trat als erster in die Hütte und sofort fiel sein Blick auf Jupain. Hinter ihm Latis und Raya, die wie der Elf wütend über die Anwesenheit Dracolds Tochter war.
„Du wolltest etwas mit mir besprechen?“ wandte sich Latis an Gunter.
„Das hier ist Dracolds Tochter!“ Gunter wies auf seine Geisel, „Sie wollte dich sprechen!“
Latis zog verwundert eine Augenbraue nach oben und sah dann Jupain von oben herab an.
„Was sollte mir die Tochter meines Feindes zu sagen haben?“ meinte er mit sarkastischem Unterton.
„Ich bin hier, um euch zu warnen!“ bekam er als Antwort.
„Du bist hier, weil man dich gefangen genommen hat!“ fauchte Raya hitzig dazwischen.
„Dracold hat eine Armee losgeschickt. Sie töten jeden!“ erklärte Jupain und richtete instinktiv ihr Gesicht in die Richtung, wo sie Latis vermutete.
„Das ist nichts neues!“ meinte Eavit grimmig.
„Er hat nicht nur eine menschliche Armee losgeschickt. Er hat auch Grauds losgeschickt!“ Jupain versuchte es so gut es ging begreiflich zu machen, welche Gefahr bestand.
„Warum sollten wir dir glauben?“ wollte Raya wissen und packte Jupain am Kragen. Sie war drauf und dran Jupain zu ohrfeigen. Doch Gunter konnte sie davon abhalten und von Jupain losreißen.
„Die Grauds sind noch viel gefährlicher als Dracolds gewöhnliche Krieger. Sie sind stärker, schneller und kennen keine Schmerzen!“ erzählte Jupain ruhig, so als habe sie Rayas Wutausbruch nicht wahrgenommen.
„Du hast uns den Erlöser genommen!“ entfuhr es Raya wütend, „Weshalb sollten wir dir nun trauen?“
„Ihr solltet euch selbst mehr vertrauen!“ schrie Jupain auf einmal laut, „Ständig redet ihr vom Erlöser. Anstatt auf jemanden zu bauen, der jung und unerfahren ist, solltet ihr selbst zur Waffen greifen und für euch kämpfen!“
Raya riss sich von Gunter los und auf Jupain zu. Wütend verpasste sie dem gefesselten Mädchen eine schallende Ohrfeige. Verdutzt sahen die Männer sie an.
„Wage es nicht so zu reden! Du hast keine Ahnung, wie schwer das Leben hier ist!“ fauchte Raya Jupain an.
„Ihr habt immer nur gewartet, dass euch jemand rettet!“ kam es von Jupain zurück, „Und von wegen, ich wüsste nichts vom schweren Leben!“
Nun war es Latis, der Raya davon abhielt auf Jupain los zugehen und ihr womöglich die Augen auszukratzen.
„Wir haben nicht nur gewartet!“ meinte Gunter ruhig, „Wir haben tagtäglich ums Überleben gekämpft. Gegen die Soldaten und den Hunger!“
Jupain schwieg. Es lag ihr nicht, zu vergleichen wer bis jetzt ein schwereres Leben geführt hatte.
„Aber du solltest uns nicht leichtfertig verurteilen!“ meinte Latis plötzlich und hielt noch immer Raya im Zaum, „An einen Erlöser zu glauben und darauf zu vertrauen, dass er uns zum Sieg führt, lies uns nicht aufgeben. Doch mit der Ermordung Elrics hast allen die Hoffnung genommen!“
„Aber wenn ihr jetzt nicht kämpft oder flieht, werdet ihr sterben!“ entfuhr es Jupain. Es klang wie eine Frage, die man ihr nicht beantwortete.
„Erwarte nicht, dass wir dir trauen, nachdem was du allen angetan hast!“ meinte Latis. Für ihn war das Gespräch nun beendet und gemeinsam mit Raya, die er noch immer festhielt, verließ er die Hütte wieder.
Draußen sah er sich um.

Kleine Holz- und Steinhütten, provisorische Zeltlager, kleine Gärten und Wege. Hier war es fast friedlich, mal von den vielen Flüchtlingen aus Bors abgesehen.
Es war ein kleines Dorf mit vielen Familien.
Ein Dorf indem die Tuerikrieger untergekommen waren. Wo sie Kraft schöpften und Pläne schmiedeten, mitunter welche, die nichts mit dem Krieg zu tun hatten.
Es war der letzte Posten. Das letzten Rebellenlager.
„Wir sollten uns heute Abend mit den Männern beraten!“ meinte Latis zu Raya, „Geh und sah ihnen Bescheid!“
Mit Männer meinte Latis alle Krieger. Alle, die bereit waren ihr Leben zu geben für das Wohl und die Freiheit aller. Alle, die zwar die Hoffnung zu siegen beinahe verloren hatten, es aber denoch versuchen wollten.
Sofort eilte Raya los.
Latis aber schritt langsam über den Platz. Gedankenversunken.
Er wusste nicht, was für die Familien wohl nun das Beste wäre und er wusste nicht, was er nun mit Jupain machen sollte.
Wenn er sie behielte, würde sie womöglich Dracolds Männer anlocken und wenn er sie töten würde, würde sie sicher rächen, wobei wohl noch mehr zu schaden kämen, als ohnehin. Und freilassen konnte er sie auch nicht, denn dann würde sie Dracolds Armee direkt zu ihnen führen und alles wäre verloren.
Er wusste nicht, was zu tun sei.

„Warum seid ihr so stur?“ meinte Jupain und richtete ihr Gesicht in die Richtung Gunters. Hätte sie nicht die Augenbinde auf, würde sie ihm direkt ins Gesicht blicken.
„Was ich nicht verstehe, ist deine Rolle hier!“ entfuhr es Eavit und er ging um sie herum.
Jupain senkte den Kopf. Eine Antwort wusste sie selbst nicht.
„Du kannst leicht Reden schwingen, denn es ist nicht dein Leben, das Dracold beenden will! Es ist nicht deine Familie, die er auslöscht!“
Eavit wurde immer lauter und wütender. „Du musst nicht miterleben, wie all deine Freunde um dich herum getötet werden. Du weißt nicht, wie es ist, der Letzte aus seinem Clan zu sein!“
Jupain schwieg, den Kopf noch immer gesenkt. Sie wusste keine Antwort, die hätte passen können. Sie fühlte sich unwohl, zum Teil da sie sich nun allmählich bewusst wurde, was sie bisher getan hatte. Getötet, geplündert und vernichtet. Alles im Namen ihres Vaters.
Und nun? Als Dank für ihre Loyalität und Treue, wollte er sie töten lassen.
„Eavit, es reicht!“ meinte Gunter ruhig und ging auf Jupain zu.
Vor ihr hockte er sich nieder und nahm ihr die Augenbinde ab.
Jupain, anfangs leicht geblendet, war irritiert von Gunters Blick.
Sanftmut und Trauer lag in seinen braunen Augen.
„Ich werde dir etwas zeigen!“ meinte er, löste ihre Fesseln und packte Jupain am Arm.
„Was...?“
Eavit wollte sich Gunter in den Weg stellen, aber Gunter schob ihn beiseite und ging mit Jupain aus der Hütte.

Jupains Augen mussten sich an die Helligkeit gewöhnen, dann erst sah sie die wahre Pracht Ankunis.
Ankuni war größer als ein gewöhnliches Dorf und umgeben von einem hölzernen Wall. Überall roch es nach Blumen und Gewürzen. Bunte Farben überall. Selbst auf den Kleidern der Bewohner. Kleine Hütten aus Holz und Stein, teilweise sogar mit einem Dach aus Stroh.
Gunter führte Jupain durch das Dorf und erntete fragende Blicke.
Inmitten des Dorfes war ein toter Baum, indessen Rinde man viele Namen hinein geritzt hatte. Es waren so viele, dass man sie kaum lesen konnte, da sie fast miteinander verschmolzen.
„Ein Mahnmal der Toten!“ meinte Gunter, „Es sind Bewohner aus Ankuni gewesen, die für die Freiheit gekämpft hatten. Allein in diesem Jahr starben mehr als hundertzwanzig Männer, Frauen und Kinder bei der Verteidigung dieses Stützpunktes.“
Jupain sah betrübt auf die Rinde des Baumes. Sie folgte den Namen bis hoch in die tote Baumkrone.
„Nicht alle Namen wurden hier verewigt!“ meinte Gunter plötzlich, „So viele starben!“
Eavit war Gunter und Jupain gefolgt und stand etwas entfernt. Dennoch konnte er hören, was Gunter sagte. Es missfiel ihm, dass Gunter dem eigentlichen Feind soviel Aufmerksamkeit schenkte.
„Sie alle glaubten daran, endlich eine friedliche Welt zu erschaffen!“
Gunter sah ihr ins Gesicht, so als erwarte er irgendein bestimmtes Zeichen von ihr.
„Woran glaubst du?“
Jupains Blick fiel auf ihn. Ihre fragenden Augen sagten deutlich, dass sie darauf keine Antwort wusste.
Bisher hatte sie immer nur Dracolds Befehle ausgeführt. Niemand hatte sie bisher so etwas gefragt.

Gunter hatte Jupain, die noch immer keine Antwort wusste, zurück in die Hütte gebracht und sie wieder an die Säule gefesselt.
Danach war er gegangen, um der von Latis einberufenen Sitzung beizuwohnen. Zwei Männer bewachten die Hütte. Zum einem als Schutz für Jupain vor den zum Teil aufgebrachten Bewohnern des Dorfes, die alles darum geben würden ihr weh zu tun, und zum anderen als Schutz der Bewohner vor Jupain. Sollte sie davon kommen, könnte sie einige Leute töten oder mit ihren Krieger zurückkehren und allen den Garaus machen.
Während Jupain noch immer nach einer passenden Antwort auf Gunters Frage suchte und darüber einschlief, berieten sich die Krieger.
Alles musste sorgsam geplant und abgewogen werden. Doch es war nicht einfach auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
„Wir sollten als erstes dieses Weibsstück loswerden!“ meinte einer und sprach das an, was alle dachten. Jupains Anwesenheit hielten sie für ein schlechtes Zeichen, denn ihr würden Dracolds Armeen folgen.
„Eine Flucht ist ausweglos!“ durchbrach jemand die inzwischen hitzige Diskussion, in der es hauptsächlich um Jupain ging. Alle Augen richteten sich auf ihn.
„Vor uns die Moore und hinter uns Dracold!“ meinte er. Der Man wirkte recht müde und seine zahlreichen Narben bewiesen, dass er schon sehr lange als Krieger lebte. Und jeder in Ankuni kannte ihn. Obwohl seine gesamte Familie von Dracold gerichtete worden oder im offenen Kampf gefallen waren, hatte er nicht aufgegeben, das Dorf zu beschützen. Aber nun schien auch seine Hoffnung auf einen Sie über Dracold verschwunden zu sein.
„Wir müssen aber etwas tun!“ meinte Gunter etwas lautstark und erntete grimmige Blicke.
Einzig Latis sah ihn etwas verwundert an.
„Seit wann kümmert es dich, was mit uns passiert? Warst du es nicht, der Dracolds Tochter hergebracht hat?“ meinte einer brummig.
Gunter wollte etwas erwidern, aber egal, was er sagen würde, der Krieger hatte recht. Er hatte womöglich die Gefahr ins Dorf gebracht.
„Wir werden solange es geht Ankuni und seine Bewohner schützen!“ meinte Latis, wie immer in ruhigen Ton, „Aber wir werden Nachrichten nach Tair und Abadhin entsenden!“
„Wer soll uns von dort zu Hilfe kommen? Etwa die Zwerge oder die Elfen?“ kam als Antwort, „Sie wollen mit uns Menschen nichts zu tun haben. Die Zwerge verstecken sich in ihren Bergen und den Elfen kann alles egal sein, denn sie leben ewig!“
Eavit, der mit in der Gesprächsrunde saß, warf dem Mann einen wütenden Blick zu. Hätte Gunter ihn nicht kopfschüttelnd am Arm gehalten, wäre er aufgesprungen. So aber blieb Eavit ruhig und behielt seine Worte für sich.
„Allein können wir Dracold und seine Armee nicht besiegen! Nicht ...“
Latis verstummte.
„Nicht seit Elrics Tod!“ murmelte Raya und sah ihn betrübt an.

Tief in der Nacht beendeten sie ihre Unterredung. Einig waren sie sich nicht geworden. Denn sowie Zwerge und Elfen nichts mit ihnen, den Menschen zu tun haben wollten, so wollten auch die Menschen nichts von Zwergen und Elfen wissen. Dennoch wollte Latis seine Botschaften entsenden und um Hilfe bitten. Bis dahin wollte er versuchen, seine Heimat und die der vielen anderen Rebellen zu bewahren.

Jupain hatte wieder von der rothaarigen Frau geträumt, die wie immer durch das Moor lief, verfolgt vom unbekannten Bösen. Und kurz bevor die Frau das Bewusstsein verlor, tauchte Elric auf. Er hatte sie freundlich und liebevoll angesehen und ihr die Klauen vertrieben.
Merkwürdigerweise hatte Elric die selbe Frage wie Gunter gestellt:
„Woran glaubst du?“
Und so wie Jupain hatte die Rothaarigen keine Antwort gewusst.
Elric hatte dann gelächelt und ihr ins Ohr geflüstert:
„Glaube an dich selbst!“
Kurz danach war Jupain aufgewacht, was auch daran lag, dass Gunter die Hütte betreten hatte und sich müde ins Felllager fallen lies.
Als er dann auch noch zu schnarchen anfing, fand Jupain keinen Schlaf mehr. Irritiert dachte sie nach.

Jupain wurde aus ihren Gedanken geweckt, als Gunter von einem Alptraum heimgesucht wurde.
Immer wieder murmelte er im Schlaf einen Namen und wälzte sich unruhig hin und her.
„Oge ireif ut sunretea erama!“ flüsterte Gunter leise und Tränen liefen ihm übers Gesicht.
Jupain, die mit dem Rücken zum Schlaflager aus Fell saß, konnte nichts davon sehen. Sie bemerkte nur wie liebevoll Gunter den Namen sprach und wie sehr ihn der Spruch bekümmerte. Und mit einem Male fühlte sie die Trauer.
Gunter war allmählich aufgewacht und saß nachdenklich auf seinem Lager.
„Was würdest du tun?“ murmelte er zu sich.
Dann bemerkte er, dass Jupain ebenfalls wach war und wohl insgeheim hoffte, dass er mit ihr sprach.
Gunter stand auf, ging zur Säule und löste Jupains Fesseln. Irritiert sah sie sich nach ihm um.
„Es ist gleich, ob wir darauf warten, dass sie uns finden oder ob du uns tötest!“ fand er. Er wirkte, als habe er zu viel getrunken und zu wenig geschlafen.
„Wieso gibst du kampflos auf?“ wollte Jupain verwundert wissen.
„Wir können nicht siegen! Nicht ohne ihn!“ antwortete Gunter und setzte sich wieder auf das Lager.
Jupain setzte sich ihm gegenüber auf den Boden und sah ihn mit großen Augen an. So wie er jetzt war, wäre es für sie ein leichtes ihn zu töten.
Doch sie tat es nicht.
„Warum habt ihr in einen einfachen Bauernsohn mehr Vertrauen als in euch selbst?“ kam es von ihr und Gunter sah sie müde an.
„Ihr seid Krieger, dann handelt auch wie solche!“ Jupains Stimme wurde lauter, „Ihr solltet kämpfen!“
„Wie denn? Du hast ihnen doch alles genommen!“ brummte Gunter in der selben Lautstärke wie Jupain.
Sie sprang auf und schrie fast: „Ihr seid Krieger! Also kämpft auch so!“
„Du redest fast schon wie sie!“ meinte Gunter leise und blickte traurig.
Jupain war neugierig, wen er denn meinte und so erzählte Gunter ihr eine Geschichte.
Nikita LaChance
Ritter
Ritter
 
Beiträge: 143
Registriert: So 27. Mär 2011, 09:30

Re: Cottmos - Elric, der Erlöser

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 9. Sep 2011, 07:56

Kapitel VI

„Vor mehr als sechzehn Jahren hatten sich einige Elfen mit den Tueris zusammengeschlossen. Es war das erste Bündnis seit dem Magierkrieg.
Unter den Elfen war auch ein Prinzessin und ihre Getreuen. Sarai ...“
Jupain blickte ihn verwundert an, denn diesen Namen hatte er im Schlaf immer wieder gerufen.
„Sarai war eine Elfenkriegerin. Wild und kämpferisch. Und eine Schönheit. Ihre roten langen Haare wehten im Wind, als ich sie das erst mal sah. Sie sah mich auch. Ihre grünen Augen, fast wie die einer Wildkatze.“ schwärmte Gunter und seufzte kurz.
„Verliebt war ich! Und sie, sie liebte mich ebenso. Wir waren die meiste Zeit zusammen. Wir kämpften sogar zusammen. Wir waren bereit, uns zu vermählen. Ein noch größeres Bündnis zwischen Elfen und Menschen könnte es nicht geben. Doch dann kam er!“
Jupain hatte sich wieder auf den Boden gesetzt und sah ihn neugierig an.
Gunters Miene hatte sich verfinstert.
„Dracold!“ Gunter knurrte fast seinen Namen und in eben diesen finsteren Ton erzählte er weiter, „Er hatte sich wohl selbst auf die Suche nach Elric gemacht. Doch gefunden hatte er nur ein kleines Rebellenlager in Tair. Das Lager, indem auch Sarai lebte. Er wollte sie, denn auch er fand Gefallen an ihr. Als sie sich ihm verwährte, ...“
Gunter holte tief Luft und sah zu Boden, „... nahm er sie sich!“
Unwissend blickte Jupain ihn an.
„Er hatte sie geschändet und plötzlich sah nicht mehr so reizvoll für sie aus. Also tötete er jeden im Lager und machte sich wieder auf die Suche.
Als ich Sarai fand, war sie halbtot. Sie erzählte mir nicht, was passiert war. Aber jemand hatte alles beobachtet. Und dieser jemand half mir Sarai zu heilen.
Und es gelang. Sarai wurde wieder gesund. Doch in ihr wuchs nun Dracolds Saat.“
Gunter blickte Jupain in die Augen.
„Sarai wollte das Kind aufziehen, selbst wenn das Böse selbst der Vater war. Sie sagte immer, dass das Kind nichts für den Vater könne und ein Recht auf Leben hätte. Zudem könnte es auch mein Kind sein, das sie unter dem Herzen trug. Und so hoffte ich, mein Kind möge es sein!“
Mit großen Augen blickte Jupain nun Gunter an. Sie wusste nicht, was er mit seiner Erzählung bezweckte.
„Auch Dracold erfuhr von dem Kind. Wütend wollte er es an sich reißen. So stattete er Sarai einen zweiten Besuch ab. Knapp drei Monate vor der Geburt.
Dracold hatte Sarais elfische Beschützer getötet und so versuchte sie ihr Heil in der Flucht. Aber sie verlief sich in einem Moorwald und wusste bald nicht mehr wohin.
Der dunkle König war ihr gefolgt und hatte sie schnell eingeholt. Er nahm ihr den Atem und das Leben und entriss ihr zugleich das ungeborene Kind. Und während Sarai immer schwächer wurde, versiegelte Dracold das Kind in einem magisch erschaffenen Drachenei. Dort sollte es die letzten drei Monate wachsen, bevor es geboren werden sollte.
Er wollte das Kind unbedingt haben, denn womöglich besaß es seine Stärke und auch sonst wäre es ihm mehr als von Nutzem.“
„Was ist mit dem Kind passiert?“ fragte Jupain, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.
„Du bist dieses Kind!“ antwortete Gunter ernst.
Ungläubig schüttelte sie den Kopf.
„Nein! Ich bin kein Halbelfenkind!“ meinte sie energisch, „Ich bin nur eines von Dracolds Experimenten!“
Gunter sah sie verwirrt an.
„Er sagte, ich sei ein fehlgeschlagenes Experiment!“
„Sarai hatte bereits einen Namen für dich!“ meinte Gunter sanft, „Fean!“
Nun sah sie ihn wieder verwirrt an. Sie glaubte ihm die ganze Geschichte nicht.
„Fean bedeutet in der alten Elfensprache soviel wie, dem Glanz der Sterne folgend!“
Jupain schüttelte erneut den Kopf.
„Wenn du mit nicht glaubst, frag Eavit!“ Gunter zeigte auf die Tür, in der der Elf lehnte. Er hatte wohl einige Minuten dort gestanden und gelauscht.
„Das Märchen von Sarai ist wahr!“ gab Eavit nur knapp zu und bedachte Jupain mit dem üblichen verachtenden Blick. Selbst wenn sie zum Teil von seinem Blute war, so mochte er sie nicht. Denn obgleich Elfenblut in ihr war, so war sie doch auch Dracolds Tochter. Finster und böse.
Jupain sah bedrückt zu Boden. Sie wusste weder was sie nun noch glauben oder geschweige denn, tun sollte. Hatte sie wirklich von ihrer Mutter geträumt?

Von draußen her war ein merkwürdiges Geräusch zu hören. Dumpfe Schläge.
Ein Windhauch kam durch die Tür und lies den Staub aufwirbeln.
Sofort blickten alle drei zur Tür.
„Er ist wieder da!“ meinte Eavit, öffnete die Tür und sah hinaus.
Vor der Tür war ein riesiges Tier mit blau-silbernen Schuppen.
Eavit ging hinaus zu ihm, gefolgt von Gunter.
Neugier überkam Jupain und so ging sie hinter den beiden Männern ins Freie hinaus.
„Sie war es also!“
Jupain sah erschrocken auf das riesige blau-silberne Wesen. Noch nie hatte sie so etwas gesehen.
Ein Drache. Groß, mit mächtigen Schwingen und leuchtend gold-grünen Augen.
Der Drache bedachte Jupain mit einem äußerst hasserfüllten Blick und fletschte die Zähne.
„Du hast ihn getötet!“ knurrte er und riss brüllend sein Maul auf.
Ängstlich blickte Jupain auf die spitzen langen Zähne vor sich. Unfähig sich zu bewegen, überkam sie nun der Gedanke, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn der Drache sie nun mit dem Maul schnappen würde.
„Beruhige dich!“ befahl Gunter, doch der Drache ignorierte ihn.
Eavit hingegen schien belustigt, dass ein Drache die so stolze Kriegerin verängstigte.
„Du hast mir Elric genommen!“ brüllte der Drache wütend.
Jupain schaffte es, sich von den Zähnen loszureißen. Finster sah sie das Wesen vor sich an.
„Dann töte mich!“ fauchte sie plötzlich. Sie hatte allen Mut zusammengenommen, zu sagen was sie dachte, „Ich habe es satt, dass jeder nur über den Tod des Jungen jammert!“
Noch einmal brüllte der Drache sie an und warmer Atem kam Jupain entgegen. Sie spürte, wie der Drache seinen Zorn gezügelt hatte. Ansonsten hätte er ihr sein Feuer entgegen gespien.
„Syra!“ Es war Latis, der mit schnellen Schritten zu dem Drachen ging. Er war gekleidet in einem orangefarbenen Gewand, über dem er einen braunen Lederharnisch trug. Ein prunkvoller Säbel hing an seiner Hüfte, griffbereit.
Der Drache wand sich zu ihm um.
„Berichte!“ befahl Latis mit fester Stimme.
„Dracolds Armee steht schon fast vor den Toren. Es sind mehr als hundert Männer und Monster!“ erzählte der Drache. Er hatte sich etwas beruhigt und zeigte Respekt gegenüber dem Tueriführer.
„Wann werden sie hier sein?“ wollte er wissen.
„Sie laufen schnell! Sie werden in nur knapp einem Tag hier vor die Tore treten!“ knurrte der Drache.
Latis war beunruhigt und überlegte, was zu tun sei.
Raya hatte das Auftauchen des Drachen ebenfalls bemerkt und kam auch angelaufen. Auch sie war gerüstet und bewaffnet.
Sie wartete neugierig auf eine Nachricht.
Latis blickte sie erst an.
„Wir müssen fliehen!“ meinte er zu Raya, „Gegen diese Armee kommen wir nicht an!“
Zum ersten Mal klang er verzweifelt.
Raya blickte ihn irritiert an, so kannte sie ihn nicht.
„Warum kämpft ihr nicht?“
Sofort richteten sich alle Blicke auf Jupain.
„Wir sind nicht stark genug!“ antwortete Gunter ihr.
Jupain sah ihn fragend an. Dann fiel ihr etwas ein.
„Dann zieht mit den wenigen gegen den Feind und ermöglicht den anderen einen Vorsprung.“ erklärte sie, „Ihr müsst sie nur lange wie möglich ablenken und eure Kinder und Frauen können sich in Sicherheit bringen!“
Nun sahen sie die anderen, einschließlich Syra, verwundert an.
Jupain glaubte schon, dass sich wieder jemand beschweren würde, dass man ihr, dem Feind, keinen Glauben schenkte. Doch Latis nickte zustimmend.
„Du hast das selbe Talent wie dein Vater!“ meinte Raya, mit leicht spöttischen Unterton.
Jupain verstand nicht was sie damit meinte.
„Du kannst mit Worten andere von deinen Vorstellungen überzeugen.“
Es klang weniger nach einem Kompliment, als vielmehr nach einer Anklage.
Zerknirscht wand Jupain ihren Blick von der Gruppe weg und sah einer alten Frau nach, die langsam über den Platz humpelte.
„Raya, such dir drei oder vier Männer! Mit ihnen wirst du die Frauen und Kinder hier weg führen. Sie sollen nicht unnötig Ballast mitnehmen!“ befahl Latis, „Gunter und ich werden alle Männer zum Kampf einberufen, die eine Waffe halten können!“
„Wohin sollen wir fliehen? Es gibt doch keinen Ort mehr, wo wir sicher wären!“ protestierte Raya etwas gereizt.
„Candrael!“ fiel Eavit ein.
Latis nickte. „Bring sie nach Candrael. Die Königin wird Asyl gewähren!“
Jupain fühlte sich ungebraucht und unbeachtet. Man redete nicht mit ihr und wenn doch, dann zeigte man ihr deutlich, dass sie unerwünscht war. Dennoch wollte sie bleiben. Vielleicht, weil sie hoffte, somit das Böse, was sie bisher getan hatte, mit dieser Tat auszugleichen.

„Die Alten und Verletzten lasst auf Pferdekarren sitzen, ebenso die Kinder!“ meinte Latis in ruhigem und dennoch befehlend straffen Ton, „Syra wird euch begleiten und vom Himmel aus Deckung geben!“
Raya wusste, dass sie nichts gegen den Befehl unternehmen konnte und auch, dass er richtig war. Sie ging, um ihn schnellstens in die Tat umzusetzen.
„Gunter, wir werden unsere Armee bewaffnen!“ kam von Latis und gerade wollte auch er sich an die Umsetzung seines Planes machen.
„Was ist mit mir?“ wollte Jupain wissen, „Ich kann euch helfen!“
„Deine Hilfe hat niemand erbeten!“ fauchte Eavit.
„Lasst mich helfen!“ bat Jupain und richtete sich direkt an Latis.
„Du solltest lieber gehen!“ meinte dieser, „Niemand wird dich an seiner Seite kämpfend wünschen!“
„Aber ...!“
„Lieber würde ich dich töten, als mit dir gemeinsam arbeiten! Du würdest mir womöglich ein Messer in den Rücken stoßen!“ fauchte Eavit sie zornig an und auch Gunter machte den Eindruck, dass er sie nicht an seiner Seite haben wollte.
Jupain schluckte ihre Worte runter, sah die Männer zornig an und ging zurück in die Hütte, wo sie sich auf die Felle setzte.
Draußen machten sich Latis, Gunter und Eavit auf die Suche nach kampftüchtigen Männern.

„Sie haben Angst, dass du sie verrätst. So wie es Dracold getan hat!“
Das rothaarige Mädchen Tahari hatte sich leise in die Hütte geschlichen.
Jupain sah sie mit großen Augen an, den sie hatte sie nicht bemerkt.
„Dracold hatte damals als Freund zu ihnen gesprochen und wollte ihnen helfen. Doch dann hat er sie hintergangen. Alle!“ erzählte Tahari ruhig.
„Wann?“
„Im großen Krieg der Magier. Dracold hatte sich mit den Elfen, Zwergen, Drachen und den Menschen verbunden und ihnen von Frieden und Freiheit erzählt. Doch schon während sie alle in den Kampf zogen, wartete er im Dunkel, da wo er in Sicherheit war. Er raubte all den anderen Magiern ihre Kraft und mit bösen Worten löste er das Bündnis. Jedes Volk ging seinen eigenen Weg und als die Drachen sich seiner Herrschaft verweigerten, lies er alle töten!“
Jupain sagte kein Wort, obwohl ihr so vieles durch den Kopf ging.
„Da du seine Tochter bist, glauben alle, dass du ebenso wie er handelst!“ erklärte Tahari, „Aber ich glaube, du meinst es ehrlich!“

Plötzlich kam Raya in den Raum geschnellt und baute sich wütend vor Tahari auf.
„Wo steckst du schon wieder?“ schimpfte Raya und stemmte ihre Hände in die Hüften, „Du kommst jetzt mit!“
Tahari machte aber keinerlei Anstalten der stellvertretenden Anführerin zu folgen. Trotzig blickte sie Raya an.
Jupain wurde ignoriert, während sich die Frau und das Mädchen wild anfunkelten.
„Jetzt komm endlich!“ protestierte Raya, der das langsam zu lästig wurde und packte Tahari am Arm und zerrte sie hinter sich her, raus aus der Hütte.
Dann steckte Raya noch einmal finster blickend ihren Kopf zur Tür hinein.
„Ich sage dir nur eins, kommst du mir in die Quere, spürst du mein Schwert!“
Mit der Warnung verließ Raya die Hütte vollends und begann lautstark die Flüchtlingsmeute anzutreiben.
Wieder einmal fühlte sich Jupain unerwünscht. Niemand wollte sie an seiner Seite wissen und niemand ihre tatkräftige Hilfe in Anspruch nehmen.
Die Minuten vergingen, doch niemand warf auch nur einen weiteren Blick in die Hütte und vom langen vor sich hin starren und grübeln, wurde Jupain allmählich müde.
Doch jetzt einzuschlafen könnte tödlich sein.

„Sie brauchen dich!“ flüsterte jemand leise.
Jupain sah sich um. Sie war nicht mehr in der Hütte. Sie stand plötzlich inmitten eines Moores. Nebel zog über den Boden und verschleierte alles. Es war das selbe unwirkliche Moor, von dem sie schon so oft geträumt hatte. Nur das sie diesmal selbst darin herum irrte.
„Sie brauchen dich!“ kam es erneut und wieder versuchte sie die Herkunft der Stimme zu finden.
Ein Wassertropfen fiel vom Himmel und landete genau vor Jupains Füßen und leitete damit einen heftigen Regenschauer ein.
Der Regen war seltsamerweise warm, zumindest wärmer als gewöhnlich.
Doch dann bemerkte Jupain es. Es war kein Wasser, das vom Himmel fiel. Es war Blut, das da regnete.
Jupain hob irritiert den Kopf gen Himmel. Eine blutrote Wolke schwebte über ihr.
„Hilf ihnen!“ Die Stimme war ganz nah und erschrocken richtete Jupain ihren Blick auf das nahe Gegenüber.
Elric stand im Blutregen unbefleckt vor ihr. Ein trauriges und dennoch freundliches Lächeln im Gesicht.
„Sie brauchen deine Hilfe!“ meinte er leise zu ihr.
„Aber sie ...“
„Sie wissen nicht, was sie sagen und fürchten sich. Selbst Syra!“ antwortete Elric.
Jupain sah ihn mit großen Augen an. Woher kannte er den Drachen, wenn er ihn niemals getroffen hatte?
„Weil du ihn kennst!“ kam als Antwort auf ihre ungestellte Frage, „Syra ist mein Drache! Mit ihm sollte ich in die Schlacht ziehen!“
Jupain sagte nichts, doch blickte erschrocken, als hinter Elric der Drache Syra erschien. Vor Wut schnaubend und zornig blickend.
„Mit ihm sollte ich gegen Dracold antreten!“
Nikita LaChance
Ritter
Ritter
 
Beiträge: 143
Registriert: So 27. Mär 2011, 09:30

Re: Cottmos - Elric, der Erlöser

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 23. Sep 2011, 08:12

Kapitel VII

Aufbruchstimmung lag in dem Dorf, das versteckt im Moor lag und zahlreichen Menschen Heimat und Asyl bot.
Ankuni, das Versteck der Rebellen und erbitterte Widersacher Dracold.
Raya bemühte sich die Frauen und Kinder aufbruchbereit zu machen. Fast alle Männer, gerade mal zweiundvierzig , sollten sich dem Gegner in den Weg stellen und ihren Familien somit die Möglichkeit zur Flucht geben.
Mütter weinten, denn unter den Verteidigern waren ihre zum Teil knapp fünfzehnjährigen Jungen. Frauen und Kinder nahmen Abschied von ihren Männern und Vätern. Alle hofften, sich lebend wiederzusehen.
Gerüstet in braunen Lederharnischen und bewaffnet mit Schwertern oder Pfeil und Bogen standen die Männer da. Bereit zum Kampf, wenn sie sich auch noch nicht im Geiste darauf vorbereitet waren.

Latis sah, wie Raya die Bewohner Ankunis, die zu schwach oder auch zu jung waren zum Kämpfen wegführte, geleitet von drei bewaffneten Männern und dem Drachen Syra, der über ihnen schwebte.
Dann blickte er auch die wenigen verbliebenen. Ängstlich, vom Kämpfen müde und niedergeschlagen standen sie vor ihm und warteten auf Befehle.
Gunter stand etwas abseits. Er wusste, dass sie keine Chance haben würden. Doch sie mussten es zumindest versuchen.

Nul, ein unterer Untergebener von Dracold, bestieg einen Baumstumpf, um sich einen besseren Überblick der Umgebung zu verschaffen.
Nardae hatte ihn vorausgeschickt und er sollte mit einigen Barbaren und Grauds Ausschau nach Rebellenlagern halten und es vernichten.
Vor wenigen Tagen schon hatten sie mehrere Rebellen im Wald gefunden. Vermutlich Vorposten des Lagers.
Unter den Kriegern, die wie immer recht wild und zerlumpt aussahen, kam es wie immer zu Reibereien. Oft reichte es schon, wenn einer den anderen zu lange ansah.
„Haltet eure Mäuler!“ schrie Nul sie an und baute sich drohend vor den Barbaren auf. Er hielt viel von seinem gehobenen Posten, obwohl er sich weder im Aussehen, der Kleidung oder dem Benehmen von den Barbaren unterschied.
„Ihr werdet euren Kampf gleich haben!“ lachte er und führte seine Männer vorsichtig, aber dennoch in raschen Schritten durchs Moor.
Laut grölend zogen sie los. Hungrig auf die Schlacht.

Von Weitem schon konnten sie das Gegröle ihrer Gegner hören.
Die Jungen zuckten erschrocken zusammen und klammerten sich verzweifelt an ihre Waffen.
Auch Gunter und Eavit hatten sich kampfbereit zu Latis Kriegern gesellte und warteten.
Jupain unterdessen wachte gerade auf, geweckt vom Lärm, der nichts Gutes bedeutete. Neugierig verließ sie die Hütte und erblickte die kampfbereiten Männer.

Als die Barbaren Ankunki erstürmten, waren sie etwas enttäuscht, dass ihnen niemand entgegen sprang. Ebenso wie die Grauds, denen man somit den Spaß gehörig verdorben hatte.
Doch dann kamen sie zum großen Hauptplatz Ankunis. Laut grölend begrüßten sie die Tueri.
„Da sind die Feiglinge!“ schrie ein Barbar und die anderen lachten.
Die Grauds grunzten vor Freude.
„Tötet sie!“ befahl Nul lautstark und stürmte mit seinem Schwert voran.

„Bogenschützen!“ rief Latis mit fester Stimme, „Feuer!“
Pfeile flogen durch die Luft. Aber nur wenige trafen ihr Ziel.
Die Krieger waren zum Teil zu unerfahren und zum Teil zu alt.
Angst überkam sie. Dennoch versuchten sie standhaft den Posten zu halten.

Schwerter trafen auf Schwerter und Äxte. Die Bogenschützen feuerten wie wild auf den Feind.
Ein gerade mal fünfzehnjähriger Knabe wurde von einem Graud mit nur einem Handschlag zu Boden gefegt. Gefährlich näherte sich das Monster dem Jungen. Mordlust spiegelte sich in den Augen der Bestie.
Der Knabe hielt krampfhaft sein Schwert und versuchte sich den Gegner vom Leib zu halfen. Doch dieser war zu übermächtig.
Mit einem weiteren Schlag hatte er dem Jungen das Schwert aus der Hand geschlagen und ihm dabei den Arm gebrochen.
Gierig, seine ängstlich und völlig hilflose Beute, zu fressen, geiferte der Graud den Knaben an. Dieser blickte nur völlig erstarrt in das weit aufgerissene Maul mit spitzen und zum Teil fauligen Zähnen.

Jupain hatte sich dem Schlachtfeld genähert. Sie wollte mitkämpfen, doch ohne Waffe konnte sie nichts ausrichten.
Dann bemerkte sie, wie ein Graud einen verängstigten Jungen das Schwert aus der Hand schlug.
Das war ihre Chance.
Sie lief zu der nun herrenlosen Waffe und nahm sie an sich.
Kurz überlegte sie, ob sie dem Knaben, der jeden Moment zur Mahlzeit des Grauds werden würde, retten sollte.
Blitzschnell holte sie mit dem Schwert aus.

Verwirrt sah der Knabe, wie der breit grinsende Graud anfing zu röcheln. So als bekäme er keine Luft mehr. Dann fiel dem Monster der Kopf nach vorn und dann der restliche Körper.
Wäre der Junge nicht zu Seite gekrochen, so hätte ihn der tote Graud unter sich begraben.
„Versteck dich lieber!“ meinte jemand zu ihm und der Knabe richtete seine Augen vom toten Monster auf seinen Retter.
Erschrocken riss er die Augen auf. Die rote Kriegerin, Dracolds Tochter, stand bewaffnet vor ihm. Doch sie griff ihn nicht an.
Verzweifelt schrie sie ihn an, er möge sich in Sicherheit bringen.
Kurz nickte er, sprang auf und lief vom Schlachtplatz. Dabei unternahm er einen reinen Hindernislauf, um den ganzen Waffen zu entgehen. Er versteckte sich in Gunters Hütte, denn diese lag noch am nächsten. Vorsichtig schaute er nach draußen, um nichts von der Schlacht zu verpassen.

Jupain stellte sich dem nächsten Graud entgegen. Wild versuchte er sie zu packen, doch immer wieder traf ihn das Schwert und als er die Arme hoch riss, nutzte Jupain ihre Chance und stieß das Schwert tief in die Brust des Wesens.
Am Anfang bemerkte kein Tueri Jupains Anwesenheit in der Schlacht. Zu beschäftigt waren sie damit, den Feind aufzuhalten und sich zu wehren.
Nicht viele waren kampferprobt. Denen fiel es besonders schwer gegen den Gegner anzugehen. Und einige verloren dabei ihr Leben.
„Wir müssen uns zurückziehen!“ meinte Latis kämpfend und hoffte, dass ihn irgendjemand gehört hatte. Doch eine Antwort erhielt er nicht.
Jupain kämpfte hart, ebenso wie alle anderen. Und genauso wie bei ihnen schwand allmählich ihre Kraft.
Es waren einfach zu viele Gegner.
Eavit kämpfte mit zwei Barbaren gleichzeitig. Er war recht schnell mit seinem gebogenen Schwert. Und obwohl er bereits einige Gegner getötet hatte, glänzte die Klinge.

Allmählich gelang es Nul und seinen Barbarenkriegern sowie den Grauds die Rebellen einzukesseln.
„Tötet sie!“ lachte er abermals und wieder schlugen die Barbaren auf ihre Gegner ein.
Latis stellte sich Nul entgegen. Und zwischen den beiden Anführern entbrannte ein Kampf, bei dem nur so die Funken flogen.
Beide waren sich an Kraft und Körpergröße ebenbürtig. Nur dass Nul bei weitem noch nicht so erschöpft war, was unter anderem daran lag, dass er nicht die ganze Zeit gekämpft hatte.
Grinsend sah er den schwächelnden Tueri an.
„So schwach!“ meinte Nul spöttisch.
„Aber bei weitem nicht so schwach wie du!“ kam von Latis als Antwort.
Mit einem gezielten Fußtritt gegen das Knie, ging Nul zu Boden. Nur dass er da nicht lange blieb. Er rappelte sich wieder auf und wollte mit dem Schwert ausholen.
Doch er kam nicht mehr dazu.
Ungläubig starrte er Latis an und dann fiel er regelrecht auseinander.
Der Tueriführer hatte ihn mit einem letzten verzweifelten Schwerthieb den Oberkörper durchtrennt.
„Ich sagte doch schwach!“ meinte Latis und erschrak, da der halbierte Barbar dennoch kampffähig war.
Wohl mehr instinktiv als bei Verstand schlug Nul mit dem Schwert nach Latis.
„Jetzt stirb endlich!“ fauchte dieser und stieß seine Klinge in die Barbarenbrust.
Nul wurde mit einem Male schwächer und konnte seine Waffe nicht mehr halten. Dann entwich jeder Reste Leben aus ihm und mit einem fragenden Gesichtsausdruck starb der Barbarenführer.

Der Kampf dauerte noch immer an. Die Tuerikrieger, dem Feind in Anzahl und Kraft weit unterlegen, war kurzerhand davor zu verlieren. Denn sie waren erschöpft.
Nur kurz hatte Eavit Jupain einen etwas zornigen Blick zugeworfen. Er fand es gar nicht gut, dass sie nun kämpfte. Egal auf welcher Seite sie nun war. Denn so wie sie Dracold in den Rücken gefallen war, konnte sie es den Tueris gleichtun.
Gekonnt kämpfte sie. Fast tänzerisch. Doch auch ihr ging allmählich die Kraft aus.
Jupain riss ihr Schwert aus einem toten Barbaren und schlug sogleich auf den nächsten ein. Sie hatte keine Zeit über einen Plan nachzudenken, sie handelte instinktiv.

Wieder fiel ein Tueri und ein zweiter entkam nur knapp einem Axthieb eines Barbaren. Aber schon wenig später traf ihn die riesige Faust eines Grauds und riss ihn von den Beinen.
Immer mehr drängten die finsteren Krieger die Tueris zurück. Bald würden sie nicht einmal mehr fliehen können.
Latis warf hastig einen Blick über seine Männer. Auch er hatte Jupain bemerkt und hoffte, das sie nicht blitzschnell die Fronten wieder wechseln würde. Er wusste, wie gefährlich sie war, denn er hatte sie bereits mehrere Male kämpfen sehen. Und er hatte gesehen, wie sie Elric getötet hatte.
Er war zu keinen großen Planungen fähig. Wie sollte er jetzt seine wenigen Kameraden retten? Er konnte sich nur gegen die Armee Dracolds wehren.

Noch einmal holte Jupain aus und tötete einen Barbaren. Doch es schien nicht viel auszurichten. Es war fast so als käme für einen toten Feind gleich zwei weitere Gegner. So als würden sie nachwachsen.
Es waren einfach zu viele.
Ein Graud stellte sich Jupain zähnefletschend entgegen und wollte sie packen. Aber Jupain wehrte seine Klaue mit dem Schwert ab. In dem Moment traf eine Barbarenklinge sie am Arm und hinterlies eine tiefe blutende Wunde.
Gleich drei Barbaren und der Graud umkesselten Jupain.
Angst überkam sie. Denn gegen vier Gegner gleichzeitig konnte sie nicht viel ausrichten.
Und so wie die Angst ihren ganzen Körper befiel und ihn fast lähmte, so verteilte sich auch ein viel wärmeres Gefühl in ihrer Brust und wuchs immer mehr an.
Jupain richtete ihren hasserfüllten Blick auf den Graud vor sich.
„Elered ...“ schrie sie ihm finster entgegen, „... suem suirasrevad!“
Noch einmal riss der Graud weit sein Maul auf und auch die Barbaren holten mit ihren Waffen aus.

Eine gewaltige Druckwelle stieß die vier Angreifer gleichzeitig um. Doch nicht nur sie wurden von der Welle, deren Ausgangspunkt Jupain war, erfasst.
Auch die Barbaren, die gegen Latis und seine Männer kämpfen, fielen zu Boden. Ebenso die Grauds.
Der blaue Dunst der Druckwelle schwebte über die Körper der Angreifer. Regungslos lagen sie da.
Erstaunt und verwirrt zugleich sahen sich die Tueri um. Sie wussten nicht, was eben geschehen war.
Sie hatten einen Druck gespürt, so als hätten sie im Meer gestanden und eine Woge wäre an ihre Beine gedrückt worden. Doch für sie war die Welle nicht so fatal, dass sie zu Boden gefallen waren.

Gunter trat vorsichtig gegen das Bein des regungslosen Grauds vor ihm.
Doch nichts passierte und so stach der Mann mit dem Schwert nach dem Monster. Aber dieses zeigte keinerlei Reaktion.
Also kniete sich Gunter hin und etwas widerwillig fasste er dem Biest an die Kehle um einen Puls zu fühlen.
Irritiert blickte er zu Latis hinüber.
„Er ist tot!“ meinte er zum Anführer, „Sein Genick ist gebrochen!“
Nun beugte sich auch Latis zu seinem Gegner und auch er konnte nur den Tod feststellen.
„Seine Knochen sind ebenfalls gebrochen!“ antwortete Latis.
Und nach wenigen Minuten stellten die restlichen Tueris ebenfalls den Tod des Gegners fest.
Eavit überblickte ebenso ratlos wie seine Kameraden das Schlachtfeld.
Dann bemerkte er Jupain, die kreidebleich inmitten vier toter Feinde stand.

Jupain fühlte sich recht schwach auf den Beinen. Alle Kraft hatte sie nun verlassen und allein das Schwert zu halten fiel ihr schwer.
Langsam glitt es ihr aus der Hand und fiel zu Boden.
Sie sah die fragenden Blicke der Männer, die gebeugt über den toten Feind, zu ihr herüber sahen.
Sie wollte fragen, ob sie gesiegt hätten. Aber selbst zum Sprechen war sie zu schwach.
Müde bemerkte sie Eavit, der sich ihr langsam und mit fragendem Blick näherte. Dann brach sie zusammen und landete hart zwischen ihren Gegnern.

Aufgeregt lief Gunter zu Jupain und kniete sich nieder.
„Was ist mit ihr?“ wollte Eavit wissen, der sich ebenfalls niedergekniet hatte.
„Sie ...“ Gunter wusste keine Antwort.
Der Fünfzehnjährige, den Jupain gerettet hatte, kroch aus seinem Versteck, stolperte langsam über die zahlreichen Toten und blieb vor Gunter und Eavit stehen. Auch er verstand nicht was geschehen war.
„Wieso kann sie zaubern?“ fragte der Junge stotternd. Es klang wie eine Anklage.
Eavit sah den Jungen irritiert an. Dann blickte er Gunter an, der Jupains Puls fühlte.
„Sie ist geschwächt!“ meinte er zum Elfen.
„Wenn sie nun auch noch zaubert, wird sie noch gefährlicher!“ antwortete Eavit leicht gereizt. Ginge es nach ihm, würden sie jetzt die Chance nutzten und Jupain töten, noch ehe sie die Tueri verraten könnte.
„Sie hat uns das Leben gerettet!“ knurrte Gunter, so als könne er die Gedanken des Elfen lesen.
Eavit antwortete nicht darauf.

„Wir sollten nicht so lange hier verharren! Der Feind wird schon bald mit Verstärkung hier sein!“ meinte Latis und gab seinen müden Kriegern den Befehl, die Waffen der gefallenen Kameraden einzusammeln.
Während nun einer übers Schlachtfeld lief, trugen die anderen bis auf Eavit und Gunter, die toten Tueri zu einem Leichenberg zusammen.
Nur etwa die Hälfte hatten den Kampf überlebt. Unter den Toten waren auch acht Jünglinge, allesamt unerfahren in der Schlacht.

Langsam kam Jupain wieder zu sich. Erschrocken blickte sie in Gunters und Eavits Gesicht. Und während Gunter sie freundlich ansah, hatte Eavit wie immer nur finstere Blicke für sie übrig.
Vorsichtig und matt setzte sich Jupain auf und sah den Leichenberg der Tueris.
Ungläubig starrte sie zu den Toten. Trauer und Wut überkam sie und Tränen füllten ihre Augen.
„Es ist meine Schuld!“ murmelte sie weinend und ohne ihre Augen abzuwenden.
Eavit sah sie irritiert an. War ihre Anteilnahme echt oder geheuchelt?

Latis wartete, bis alle gefallenen Tueris zusammengetragen waren. Dann stellten sich die Lebenden zu ihm und blickten auf die toten Kameraden.
Sie verfielen in ein stummes Gebet und neigten ehrfürchtig ihre Häupter. Latis winkte einmal langsam in der Luft und flüsterte:
„Singi!“
Sofort preschten Flammen nach oben und verschlangen die toten Tuerikrieger.
„Ruht in Frieden!“ flüsterte Latis leise und neigte ebenfalls seinen Kopf.
Nikita LaChance
Ritter
Ritter
 
Beiträge: 143
Registriert: So 27. Mär 2011, 09:30

Re: Cottmos - Elric, der Erlöser

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 30. Sep 2011, 07:43

Kapitel VIII

Jupain stand auf, wischte sich die Tränen aus den Augen und starrte zum Feuer. Dabei füllten sich ihre Augen erneut mit Tränen.
Gunter wollte ihr tröstende Worte sagen, doch es fielen ihm keine ein, die passend wären.
Eavit starrte Jupain an. Er war irritiert von deren Gefühlsregung.
Sie wirkte hilflos und zerbrechlich. Eben wie ein normales schwaches Mädchen und nicht wie eine Kriegerin.
Jupain hielt es nicht mehr aus. Sie lief hastig zu ihrem Pferd, welches nahe der Toten stand und unruhig schnaubte.
Sanft strich sie dem Tier einmal über die Mähne und schwang sich danach ohne etwas zu sagen auf den Rücken des Pferdes. Das jemand den Sattel und das Geschirr abgemacht hatte, störte sie wenig.

Die Tueri blickten sie erschrocken an. Doch keiner sagte auch nur ein Wort zu ihr.
„Es tut mir leid!“ flüsterte Jupain recht leise, sodass niemand es hören konnte. Dann gab sie Fer die Sporen und er galoppierte davon.
Gunter suchte sich ebenfalls ein Pferd und schwang sich darauf.
„Wo willst du nun hin?“ wollte Eavit wissen.
„Ich werde sie zurückholen!“ antwortete Gunter nur und dann galoppierte er mit seinem Schecken davon, Jupain hinterher.
Latis blickte Gunter irritiert nach. Dann sah er zu Eavit hinüber.
„Wir sollten nach Candrael!“ meinte Latis laut und ohne den Blick auf seine Männer zu richten.
Sofort suchten sich die Tueris ein paar Pferde zusammen, die man für sie zurückgelassen hatte.
„Unsere Familien erwarten bestimmt unser Kommen!“ rief Latis laut und die Gruppe ritt den Weg entlang, den zuvor die Frauen und Kinder mit Raya genommen hatten. Da es weniger Pferde als Reiter waren, mussten sich auf einige Pferde zwei Mann setzten. Natürlich würden sie so nicht sehr schnell vorankommen, aber mit Sicherheit ihre Familien einholen können.

Es war ein recht mühsamer Weg, den sie gingen. Auf teilweise recht schmalen Pfaden gingen sie durch den dunklen Moorwald.
Über ihnen hatte sich der Himmel zugezogen und lies keinen einzigen Lichtstrahl hindurch.
„Ein schlechtes Zeichen!“ meinte eine Alte, die zusammen mit ein paar Kindern auf einem Ochsenkarren saß.
„Es wird regnen!“ antwortete Raya ihr, als sie an dem Karren vorbei ritt. Sie bedachte die Frau mit einem mahnenden Blick. Raya wollte eine unnötige Panik unter den Flüchtigen vermeiden.
Pelio, ein recht stämmiger Tuerikrieger, der Raya zum Schutz der Familien zugeteilt war, ritt ganz nah an die Anführerin heran.
„Sind wir denn auf dem richtigen Weg?“ wollte er wissen. Er klang recht unsicher.
„Wir müssen nach Süden bis hin zum Fleymoor!“ antwortete Raya bestimmt.
„Aber woher wissen wir, dass wir uns nicht verirren?“ wollte Pelio wissen.
Raya wies auf die Landschaft, weit vor ihnen.
„Siehst du die Bergkette? Das ist das Carmongebirge, wo Candrael liegt!“
Pelio war einen fragenden Blick auf die noch so fernen Berge.
„Wie lang werden wir wohl bis dahin brauchen?“ sinnierte er.
„Wenn wir nicht aufgehalten werden, müssten wir in fast acht bis zehn Tagen am Ziel sein!“
„Wir können nicht so lange reiten!“ protestierte Pelio und die Alte und die Kinder auf dem Karren sahen ihn irritiert an.
Also flüsterte Pelio: „Wir haben nicht soviel Proviant mitgenommen und hier im Moor gibt es auch nichts zu essen!“
Raya nickt stumm. Wie gern würde sie Pelios Worte ignorieren. Doch sie wusste, wie recht er hatte.
„Das ist eine viel zu lange Strecke!“ kam es erneut von Pelio.
„Es gibt aber keine anderen Weg!“ seufzte Raya und bemühte sich Pelios mürrischen Blick und sein fast schon trotziges Verhalten zu übergehen.

Ein lautes Donnergrollen hallte durch die finstere Burg Eathril.
Dracold saß, den Kopf müde auf die linke Hand gestützt, auf seinem Thron. Er schien in Gedanken.
Doch ein erneutes Donnern lies ihn zusammenzucken und wieder konnte er das flaue Gefühl im Magen überdeutlich spüren.
Eine winzige Gestalt, vollkommen mit Schlamm und Haaren bedeckt, wusselte aufgeregt durch den Thronsaal.
„Hol mir meinen Boten!“ fauchte Dracold die Gestalt an, die erschrocken quickte und davon rannte.
Wenig später führte die Gestalt, bei der man das Gesicht nicht erkennen konnte, einen schlanken Mann, einst wohl ein stolzer Elf, herein. Die Augen des Mannes vermochten nichts mehr zu sehen, da Dracold ihn vor langer Zeit hat blenden lassen. Aber das Gehör war umso geschulter.
Auf der Hand des Mannes saß ein schwarzer Rabe. Doch kein gewöhnlicher Rabe. Dieser hier war größer und sein Krallen lang und scharf.
Dracold schmunzelte, denn der Vogel begrüßte ihn freudig und bohrte seine Krallen tief in die Hand seines Trägers, der aber keinen Ton von sich hören lies.
„Bring dies zu Nardae!“ befahl Dracold dem Raben und band ein kleines Stück Stoff an das Bein des Vogels. Sofort entfaltete der Rabe seine Flügel, stieß sich ab und flog los. Er zog mehrere Kreise im Thronsaal, so als suche er den Ausgang, ehe er zum Fenster hinaus flog.

Jupain ritt im vollen Galopp durch das Moor. Längst hatte sie die Orientierung verloren und vertraute nun voll und ganz ihrem Hengst und seinem Gespür für festen Boden.
Müde war sie und ihr Arm, wo sie das Barbarenschwert verletzt hatte, schmerzte unerträglich.
Dass Gunter ihr folgte, hatte sie nicht bemerkt. Es war vielmehr so als wäre sie auf der Flucht, nur dass sie nicht wusste vor was oder wem und vor allem wohin sie nun sollte.

Am Himmel grollte der Donner und Regen fiel. Eiskalt.
Das Vorankommen wurde immer schwieriger. Doch weiter ziehen mussten sie.
„Wir müssen ein Lager aufschlagen!“ knurrte Pelio, dem der Regen zu viel wurde.
„Wir werden dadurch nur unnötig aufgehalten!“ antwortete Raya ihm wild.
„Wir müssen rasten!“ kam es von oben. Der Drache Syra, hatte bis jetzt seinen Weg am Himmel gebahnt und von oben her den Weg bewacht.
Doch nun war es auch für ihn zu riskant am Himmel zu fliegen und so landete er auf dem matschigen Boden. Da zu landen war schwierig, denn der Boden gab nach und ließ den Drachen ausrutschen.
So wirkte die sonst elegante Landung, viel eher den ersten Gehversuchen eines Neugeborenen.
Nun, da selbst der Drache auf das Ende des Unwetters warten wollte, blieb Raya nichts anders übrig als einer Rast zuzustimmen.
Mit Decken als Dach, versuchten die Flüchtigen aus ihren Karren Schlaflager zu machen. Zusammengedrängt auf diesen wenigen und vor allem viel zu kleinen Karren versuchten sie Schlaf zu finden, während Raya und ihre Männer sowie einige wenige Freiwilligen im Regen Wache hielten.
Zwar hatte Syra angeboten, ein wärmendes Feuer zu entfachen, doch der Regen hatte diesen Plan zunichte gemacht und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als in der Kälte zu verharren.

Nardae, der gefährlichste und stärkste von Dracolds Männern, führte die dunklen Krieger voran. Ohne Furcht und mit viel Hass im Herzen.
„Tötet die Rebellen!“ schrie der General und hob sein Schwert hoch.
Die Blitze am Himmel ließen das Schwert aufleuchten und lies die finsteren Gestalten noch unheimlicher aussehen, als sie es ohnehin schon waren.
Doch diesmal griffen sie kein Rebellenlager an. Das Dorf, das sie nun zerstörten und dessen Bewohner sie töteten hatten nichts mit den Rebellen gemein. Aber dies war Nardae und seinen Gesellen egal. Der Blutrausch und die Mordlust hatten sie übermannt und so spielten sie mit ihren wehrlosen und viel zu schwachen Opfern.
Den Grauds lief das Wasser im Mund zusammen, betrachteten sie doch einige Dorfbewohner als Festmahl. Wie wilde Tiere rissen sie ihre Beute, zerfleischten sie und ließen fast nur Knochen übrig.
Ein riesiger schwarzer Rabe zog am vom Gewitter erfüllten Himmel seine Kreise. Er schrie laut und es klang als würde er einen Namen rufen.
Nardae erkannte das Tier, hob seinen Arm und lies den Vogel darauf landen. Während der Rabe hungrig auf die Toten starrte, versuchte Nardae das Stoffstück vom Bein des Tieres zu knoten. Doch für seine Vorsicht war der Barbar nicht bekannt. So musste der Vogel Federn lassen, jedoch nicht ohne lauten Protestschrei und wildem Flügelschlagen.
Als Nardae das Stück Stoff in seiner Hand hielt, erhob sich der Vogel und flog auf einen Toten zu. Neugierig pickte er an dem toten Leib, so als suche er eine besonders schmackhafte Stelle. Dies waren eindeutig die Augen.
Während das Tier sich seinem Festmahl widmete, besah sich der Barbarenführer das Stoffstück näher. Eigentlich war es nichts weiter ein als Stück grobes Leinen. Nur auf einer Seite waren kleine Zeichen geschrieben.
Nardae starrte gebannt auf die Zeichen. Dann verstand er. Es war ein Befehl Dracolds, den er in den Händen hielt.
Ein teuflisches Grinsen befiel Nardae. Er zerknüllte das Stoffstück und lies es fallen. Dann richtete er sich an seine Krieger:
„Wir werden uns aufteilen! Eine Gruppe geht unter Wists Führung nach Nordosten. Togh führt seine Gruppe nach Candrael und ein paar Männer kommen mit mir!“
Die Barbaren schrien laut auf. Sie freuten sich ebenso wie die Grauds auf einen Kampf.
„In einigen Tagen ziehen wir dann gemeinsam gegen Candrael!“ schrie Nardae und wieder jubelten ihm die Männer zu.

Jupain hing schwach auf ihrem Hengst Fer, der nur noch langsam umher trabte.
„Lauf weiter!“ flüsterte sie ihm matt zu.
Auch Gunter und sein Pferd waren müde und trabten langsam hinter ihr her.
Der Regen hatte die schmalen Wege glitschig gemacht und so war es für die Pferde schwierig, sich voran zu bewegen.
Fer mühte sich ab und geriet ins Straucheln. Sein Huf hatte sich in einer Baumwurzel verfangen und beim Versuch sich zu befreien, rutschte der Hengst aus und stürzte. Alles ging so schnell, dass Jupain sich nicht abfangen konnte und halb unter ihrem Tier begraben wurde.
Sofort mühte sich Fer wieder auf, doch seine Reiterin blieb regungslos auf dem matschigen Boden liegen. Fer stieß Jupain sanft mit der Pferdeschnauze an. Aber sie reagierte nicht.
Gunter hatte sie endlich eingeholt und sprang sofort von seinem Pferd. Er lief zu Jupain und wischte ihr die Erde aus dem Gesicht.
„Lass das!“ murmelte sie ganz leise und machte langsam ihre Augen auf.
„Du solltest dich ausruhen!“ meinte Gunter und half ihr sich aufzusetzen.
„Mir geht es gut!“ protestierte das Mädchen, obwohl man es ihr ansah, dass dem nicht so war.
„Dann gönne deinem Pferd eine Pause!“ konterte Gunter, „Wo wolltest du überhaupt hin?“
Jupain sah ihn mit großen Augen an und antwortete dann mit einem Schulterzucken.
„Bei dem Regen kommst du jedenfalls nicht weit!“ meinte Gunter, „Und wenn du dich nicht langsam um deine Verletzung kümmerst, ...“
Er wies auf die Wunde an ihrem Arm.
Jupain hatte in all den Jahren, die sie für ihren Vater gekämpft hatte, öfters schwere Verletzungen gehabt und mit der Zeit gelernt, den Schmerz zu ignorieren.
Uninteressiert besah sie sich ihre Wunde. Aber sie erschien ihr nicht so wichtig.
Gunter schüttelte ungläubig den Kopf.
„Du solltest mehr auf dich Acht geben!“ mahnte er und riss sich von seinem ohnehin zerfetzten Hemd einen Streifen ab. Damit versorgte er ihre Wunde.
Jupain wollte gerade etwas sagen, als jemand anderes auftauchte.
„Was haben wir denn hier?“
Gunter und Jupain sahen sich erschrocken um und erblickten eine kleine hässlich graue Gestalt, die aussah als würde sie bereits verfaulen.
„Ein mutloser Krieger und eine kriegerische Tochter!“ lachte die Gestalt.
„Du...?“ Jupain erkannte das Wesen wieder.
„Ja, ich!“ lachte die Gestalt.
Jupain kannte dieses faulige Wesen aus der Burg ihres Vaters. Er hatte es mehrmals zu sich gerufen.
„Kommt mit! Hier ist es doch viel zu feucht und kalt!“ meinte das Wesen und winkte die beiden zu sich.
Gunter sah die Gestalt mit Ekel an. Doch so finster sie auch aussah, so freundlich blickten die blaugrauen Augen.
Jupain stand langsam auf und stellte sich dem Wesen gegenüber.
„Wer bist du?“ wollte sie wissen und sah die Gestalt etwas misstrauisch von oben herab an.
„Die Frage ist wohl eher, wer du bist! Oder was du sein willst!“ antwortete das Wesen verschmitzt. Doch das Lächeln dazu war versteckt unter der alten, fauligen Haut und blieb deshalb ungesehen.
Mürrisch richtete sich Jupain an Gunter:
„Wir sollten ihr folgen!“
Ehe Gunter etwas entgegnen konnte, hatte das faulige Wesen Jupain am Arm gepackt und zog sie mit sanfter Gewalt hinter sich her.
Fer, treu wie immer, folgte langsam. Im Gegensatz zu Gunters Tier, das einfach nur dastand.
„Ich hatte gehört, dass hier einst eine Hexe gelebt hatte!“ entfuhr es Gunter. Er führte sein Pferd am Zügel, dem Wesen und Jupain folgend.
„Ja!“ kam nur als Antwort, „Aber Dracold hat sie verhext!“
„Wie?“ wollte Jupain wissen.
„Die Hexe Asani war lediglich eine Kräuterhexe. Kannte allerlei Heiltränke. Aber Magie...“ Das Wesen holte tief Luft, „Magie besaß sie keine!“
Jupain sah kurz verwirrt auf die Gestalt neben sich.
„Das einzige, was Dracold von ihr wollte, war die Wahrsagerei!“ meinte die Gestalt und versuchte ein wenig gelangweilt zu klingen.
„Wieso Wahrsagerei? Er ist doch Magier!“ stellte Gunter verwirrt fest.
„Wahrsagerei ist nicht gleich Magie!“ mahnte die Gestalt, „Das Deuten von Karten oder Sternen ist das einzige, dass der große König nicht beherrscht!“
Jupain dachte kurz an ihren Vater. Soweit sie ihn kannte, war er ein großer Magier, mit der Zauberkraft aller Völker Cottmos. Ein tyrannischer Herrscher, der sich seine eigenen kriegerischen Monster erschuf, um sie für sich kämpfen zu lassen. Wie sollte gerade Wahrsagen das Einzige sein, was er nicht beherrschte?
„Er fürchtet sich!“ meinte das Wesen leise, „Dracold fürchtet sich!“
„Wovor?“ fragte Jupain leise und neugierig.
„Davor seine Macht zu verlieren!“ kam als Antwort.
Kurz trat Schweigen ein, welches aber Gunter durchbrach:
„Wohin führst du uns?“
„Wir sind schon da!“ Das Wesen zeigte auf eine alte dicke Weide, deren Blätter teilweise im Moor hingen.
Irritiert blickte Jupain den Baum an. Dann konnte sie inmitten des Baumstammes eine Tür erkennen. Und dann kleine Fenster.
Die Gestalt führte beide zur Weide, klopfte gegen die Tür und trat dann ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Gunter und Jupain taten es ihr nach, die beiden Pferde blieben aber vor dem Baum stehen und suchten Schutz in ihren Ästen und Blättern.

„Was meinst du, hat er sie gefunden?“ wollte Tahari von Raya wissen.
Raya, mürrisch blickend, wusste, wenn Tahari meinte. Doch ihr gingen noch andere Dinge durch den Kopf. Sie hatte Familien mit Alten und Kindern ins sichere Asyl zu führen.
„Ich fände es schöner, wenn er sie zurückbringt!“ meinte Tahari mit seufzerischem Unterton.
„Sie würde uns nur unnötige Probleme bereiten!“ schimpfte Raya und versuchte sich auf eine weitere Reiseroute zu konzentrieren.
„Hast du denn nicht gesehen, wie sie die Armee von Dracold besiegt hat?“ protestierte Tahari.
„Selbst wenn sie nun auf unserer Seite stünde, war dies noch längst nicht Dracolds gesamte Armee!“ seufzte Raya müde.
Tahari wollte bereits erneut fragen, als Raya sie von sich stieß.
„Sie wird niemals eine von uns sein! Sie ist die Tochter des Königs und womöglich spioniert sie für ihn!“ brummte Raya, „Und nun geh endlich schlafen! Wir haben noch einen weiten Weg vor uns!“
Tahari schmollte, ging dann aber doch wieder fort und suchte sich einen trockenen Fleck zum Übernachten. Sie wusste, dass Raya nicht sehr lange mit sich reden lies. Anders als Latis hatte Raya einen sturen Blick fürs Geschehen. Sie sah nur das, was sie sehen wollte und lies sich nicht so leicht vom Gegenteil überzeugen.

Im Inneren der Weide war es weit aus geräumiger, als es von außen aussah. Ein kleines Lager aus Fellen und mottenzerfressenen Decken lud zum Verweilen ein. Ein schiefer Stuhl aus geflochtenen Ästen stand vor einem offenen Kamin, indem ein wärmendes Feuer loderte. Ein einen halben Meter hoher Baumstumpf diente als Tisch. Gegenüber der Tür war ein Vorhang aus Holzperlen, Eicheln und Kastanien. Er diente wohl als Sichtschutz, denn dahinter verbarg sich ein weiterer Raum, gefüllt mit Lumpen, Decken und einer Vielzahl von Pergamenten und Kräutern, deren Duft man bereits im Eingang wahrnehmen konnte.
„Setzt euch!“ meinte die Gestalt und wies auf das Lager aus Fell.
Müde, wie beide waren, nahmen sie die Gelegenheit sich auszuruhen wahr.
Die faulige Gestalt legte noch etwas Holz ins Feuer und sofort breitete sich eine wohlige Wärme aus.
Jupain verfolgte wachsam die Bewegungen des sonderbaren Gastgebers, welcher unbeeindruckt ihrer Blicke daran machte einen Kessel Wasser aufzusetzen.
Gunter warf neugierige Blicke durch den seltsamen Wohnraum.
„Wer bist du?“ fragte Jupain müde und die Gestalt drehte sich mit einem freundlichen Lächeln zu ihr um.
„Leg dich schlafen! Ruh dich aus! Zum Reden ist später auch noch Zeit.“ antwortete es.
Ein eigenartiger Geruch kam auf, als die Gestalt ein paar trockene Blätter ins Feuer warf.
„Verräter!“ schrie Jupain mit einem Male laut und sprang auf. Gunter starrte erst sie und dann die Gestalt erschrocken an. Er wusste nicht, weswegen Jupain so gereizt reagierte.
„Schlaft nun!“ murmelte die Gestalt und widmete sich wieder ihrem Wasserkessel.
Gunter bemerkte erst jetzt, weswegen Jupain aufgebracht war. Doch ebenso wie sie, spürte er wie irgendetwas ihn lähmte und eindämmern lies. Das letzte was er sah, war wie Jupain vor ihm zusammenbrach. Dann schlief er ein, wobei er nach hinten aufs Lager fiel und nur knapp mit seinem Kopf die Wand verfehlte.

Dracold ging gemächlich durch seine Burgverliese. Es schien, als hätte er nichts zu befürchten. So als habe er alle Zeit der Welt und keinerlei Feinde.
Barbarenkrieger und zahlreiche Grauds kreuzten seinen Weg. Angsterfüllt und ehrfürchtig wichen sie vor ihm zurück und bedachten ihn mit einem sonderbaren Blick aus Hass und Furcht zugleich.
In den Verliesen hauste noch viele andere Gestalten. Einige harmlos und unscheinbar, andere hässlich und groß.
Fackeln erhellten die dunklen Verliese und machten die zum Teil mit Matsch gefüllten Räume noch furcheinflössender.
Kochen eines Drachens lagen in einer Zelle. Die schwere Eisenkette noch immer um den Hals gewürgt. Nur eines von Dracolds Opfern.
„Wie steht es um mein Experiment?“ wollte der König von einem knapp zwei Meter großen kahlköpfigen Barbaren wissen, der vor einem tiefen Felsloch stand und neugierig hinein starrte.
Grüner schleimiger Boden war im Felsloch zu erkennen. Eine Fackel, wohl vom Barbaren hineingeworfen, flackerte wild.
Der Barbar erschrak, als er Dracold bemerkte.
„Verzeiht, mein König!“ stotterte er.
Dracold zog eine Augenbraue nach oben. Dann warf er ebenfalls einen Blick in die Tiefe.
„Beweis mir deine Treue!“ knurrte Dracold und stieß die eigentlich viel stärkeren Barbaren ins Loch.
Dieser landete mit einem lauten Klatsch auf dem Schleimboden und versank zur Hälfte darin.
Mürrisch beobachtete Dracold, wie der Barbar sich wieder aufmühte. Er glaubte schon an einen Fehlschlag, als plötzlich eine riesige Klaue den Barbaren am Hals packte und in den Schleim zog.
Sofort erhellte sich Dracolds Stimmung und belustigt sah er zu, wie der Barbar hilflos um sich schlug und mit seinem Messer auf die Klaue einstach.
„Ein voller Erfolg!“ lachte der König und rieb sich die Hände.
Erst als der Barbar leblos in der Klaue hin, versank der monströse Arm mit ihm in der Tiefe des weichen Bodens.
Dracold lachte.
Mit einem lauten Knurren erhob sich eine sonderbare Gestalt aus dem Schleim. Grüne kahle Haut kam zum Vorschein. Das Gesicht, eine ekelhafte Fratze, entstellt bis ins Unkenntliche. Statt einer Nase nur Nasenlöcher und große gelbe Augen, die hervorlugten. Ein riesiges Maul voller spitzer Zähne.
„Steig auf!“ rief Dracold laut und das Wesen erklomm allmählich das Loch. Seine Klauen an Händen und Füßen wusste es gekonnt zum Klettern einzusetzen.
Als das riesige Wesen, welches fast doppelt so hoch und so breit wie ein Graud war, oben angekommen war, besah sich Dracold sein Werk genauer.
Eines seiner Experimente. Sein bestes, wie er feststellte. Die Kreuzung aus Barbaren, Grauds und Drachen war ihm also gelungen. Seine neue und noch viel gefährlichere Kriegerrasse sollten sie sein.
Und auch einen Namen hatte er bereits für sie:
„Udis!“

Jupain träumte. Wieder einmal sah sie die rothaarige Elfenfrau, die ängstlich im Moor umher irrte. Es war so, als würde sie selbst der Elfin folgen. So als sei sei die Gefahr, vor der sie sich fürchtete.
Als der Fluchtweg der Elfin durch ein Moor versperrt wurde, drehte sie sich um und sah Jupain direkt in die Augen.
„Fean!“ flüsterte sie leise, „Meine Tochter!“
Jupain bemerkte erst jetzt, dass die Elfin schwanger war und beschützend ihre Hände auf ihrem Bauch gelegt hatte.
Noch einmal rief die Elfin den Namen, doch diesmal erschien es so real.

„Fean!“
Jemand rüttelte Jupain vorsichtig wach. Als sie ihre Augen aufschlug, erschrak sie kurz, denn die faulige Gestalt stand über ihr gebeugt. Ein besorgter Ausdruck in ihren Augen.
Irritiert sah Jupain sich um. Sie lag eingehüllt in Felle auf dem Lager und ihre Verletzung war versorgt worden.
Gunter saß vor dem Feuer und hielt einen Becher mit bitterem Tee in der Hand. Der Tee schmeckte ihm nicht, aber die Gestalt meinte, er sei gut gegen die Kälte.
Jupain setzte sich auf. Sie war noch immer nicht ganz wach.
„Hier, das wird dir gut tun!“ meinte die Gestalt und drückte auch ihr einen Becher Tee in die Hand.
Misstrauisch blickte Jupain in den Becher. Dann beobachtete sie das Wesen, wie es ein paar trockene Kräuter zu Sträußen zusammenband.
„Asani!“ flüsterte Jupain und bemerkte irritiert, wie sich das Wesen vor ihren Augen verwandelte.
Die plumpe und faulige Gestalt verwandelte sich in eine alte aber dennoch schöne Frau. Graues Haar hing leicht zerzaust über ihren Schultern und die Fratze wich einem freundlichen Gesicht. Blaugraue Augen, müde und gütig, blickten in Jupains Richtung.
„Wie...?“
Jupain verstand nicht, was geschah.
„Du besitzt die Gabe der Sicht!“ antwortete die Frau und blickte traurig auf ihre Kräutersträuße.
Gunter sah irritiert zwischen beiden hin und her. Er konnte nicht sehen, was Jupain sah. Statt der ehrwürdigen Frau sah er noch immer die faulige Gestalt.
„Du kannst sehen, was ich wirklich bin!“ seufzte die Kräuterhexe, „Doch meine wahre Gestalt vermagst du mir nicht zurück zugeben!“
Nikita LaChance
Ritter
Ritter
 
Beiträge: 143
Registriert: So 27. Mär 2011, 09:30


TAGS

Zurück zu Belletristik


Wer ist online?

0 Mitglieder

cron