AT: if dream come true (Version 2)




Unterhaltungsliteratur in ihren verschiedenen Formen, wie beispielsweise Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten, Berichte, Märchen und Sagen

Re: AT: if dream come true (Version 2)

Beitragvon Nikita LaChance » Di 9. Aug 2011, 10:31

Kapitel XI – der Sprung

In Filmen geschehen solche Dinge immer in Zeitlupe. Der Sprung, der Fall und die panischen Reaktionen derer, die Zeuge der Aktion sind.
Doch nichts im Vergleich mit der Wirklichkeit.

Cassidy war einfach gesprungen. Der Boden kam ihr immer näher. Der Wind streifte sie oder vielmehr schien er an ihr vorbei zu rasen und war kälter als zuvor.
Deutlich konnte sie noch die panischen Schreie der Männer auf dem Dach hören.
Vermutlich hatte keiner damit gerechnet, dass sie es durchziehen würde.

Sie wusste, dass es vorbei sein würde.
Kein Netz. Kein doppelter Boden.
Nur harter Stein. Und Aus!

„Konzentrier dich!“
Eine Stimme aus dem nirgendwo.


Dr. Peeker stand mit den Pflegern an der Dachkante.
Er hatte noch nach Cassidy greifen wollen. Aber er war nicht schnell genug gewesen.
„Echt schade!“ meinte der Mann neben ihm und riss sich von dem Anblick fort. Er wollte sich schon auf den Weg machen, jeden Moment die Leiche des Mädchens aus dem Innenhof zu holen.
„Ja! Echt schade!“ Dr. Peeker´s Stimme klang besorgt und gleichzeitig enttäuscht.


„Konzentrier dich!“ wiederholte die körperlose Stimme in ihrem Kopf.
Sie war sich sicher, sie schon einmal gehört zu haben.
Vielleicht gehörte sie einem der Insassen von Dr. Peeker´s Einrichtung.

Sie wusste nicht auf was sie sich konzentrieren konnte.
Alles was ihr durch den Kopf ging, war dass der Boden, dem sie entgegen sauste nicht so aussah, als würde er ihren Fall abbremsen, ohne dass sie Verletzungen davon trug.
Dummer Gedanke. Wie sollte ein Steinboden weich sein? Und wie sollte man solch einen Sturz überhaupt überleben?

„Konzentrier dich!“
Sie versuchte es.
So sehr wie sie sich nicht darauf zu konzentrieren versuchte, was für eine dumme Idee der Sprung gewesen war, so suchte sie nach einem Ausweg.
In dieser eigentlich ausweglosen Situation.

Nur ganz kurz kamen ihr die Klippenspringer in den Sinn, die sie irgendwann in den letzten Tagen im Fernsehen gesehen hatte.
Sprangen todesmutig von steilen Felsen in die See.

Und wenn statt dem Steinboden nun Wasser unter ihr wäre?


Dr. Peeker sah schon das Unvermeidliche kommen, als er bemerkte, wie sich etwas änderte.
„Das ist nicht möglich!“ meinte er.
Die Männer um ihn herum waren ebenso irritiert.
Sie konnten dabei zusehen, wie der harte Steinboden sich in tosendes Wasser verwandelte.
Und sie alle konnten sehen, dass Cassidy in dieses Wasser eintauchte.

„Wie?“ Der Mann neben Dr. Peeker hatte sich über die Dachkante gebeugt und war auch nur noch wenige Zentimeter davon entfernt, selbst hinunter zu stürzen.
„Sie ist gut!“ kam nur von Dr. Peeker mit einem Schmunzeln, „Ich hätte nur nicht gedacht, dass sie so gut ist!“

Alle auf dem Dach konnten mit ansehen, wie der Boden sich verwandelt hatte.
Sie alle konnten sehen wie Cassidy ins Wasser eintauchte.
Doch kaum hatte sie das Wasser berührt, verschwand es auch wieder. Und mit dem Wasser auch Cassidy.

„Sie ist weg?“
Verwirrung und Erstaunen auf dem Dach.
Selbst Dr. Peeker war überrascht.
„So gut?“
Er sah noch einmal nach unten, um zu überprüfen, ob sie nicht doch auf dem Steinboden gelandet war.
Dann drehte er sich um und ging wieder in Richtung seines Büros. Er hatte nicht damit gerechnet, dass so etwas passieren würde.
Allerdings war er nicht wirklich unvorbereitet.

Kaum im Büro angekommen, griff er nach seinem Telefon.
Er brauchte nicht viel zu sagen.
„Sie ist entkommen!“
Die Person am anderen Ende schien genauso überrascht wie er zuvor.
„Sie hat einfach die Realität geändert!“ meinte Dr. Peeker.
„Wo wird sie sein?“ wollte der andere wissen.
„Finde sie einfach! Und bring sie mir wieder!“ befahl Dr. Peeker nur.
Die andere Stimme bestätigte den Auftrag und wollte bereits auflegen, als Dr. Peeker noch weitere Instruktionen durch gab.

Nachdem er das Gespräch beendet hatte, lehnte er sich kurz zurück.
Er hatte schon einige Traumwanderer getroffen. Aber noch nie sehr viele die so mächtig waren.
Vermutlich wusste Cassidy noch nicht einmal was sie gerade getan hatte.
Wusste nicht, dass sie vermutlich besser war als die meisten von Dr. Peeker´s Jägern.

Und solange wie sie unwissend war, würde er sie auch wiederbekommen, hoffte Dr. Peeker.


Cassidy hatte die Augen geschlossen. Sie wollte nicht sehen, wo sie jeden Moment aufkommen würde.
Erschrocken musste sie feststellen, dass es nicht der harte Boden war, der sie empfing, sondern kaltes Nass.
Sie riss ihre Augen wieder auf. Um sie herum war es dunkel und sie spürte neben der Kälte auch einen starken Druck, der sie umgab.
Sie wollte schon schreien, doch dies war ein ungünstiger Moment den Mund auf zumachen.

Ehe sie wirklich begriff, was passiert war, war es schon beinahe zu spät.
Sie schluckte Salzwasser und allmählich ging ihr die Luft und auch die Kraft aus.
Sie musste nach oben, an die Oberfläche. Dahin wo es Luft gab.
Es war anstrengend.
Und kaum hatte sie die Wasseroberfläche erreicht, erkannte sie auch warum.
Sie war inmitten eines tosenden Meeres.
Ihr kam sofort in den Sinn, dass sie sich vielleicht hätte eher in ein ruhiges Gewässer wünschen sollen. Einen kleinen See oder vielleicht einfach nur in die Schwimmhalle.

Sie konnte kein Ufer sehen. Ringsum nur Wellen und der düstere Himmel über ihr.
Und dennoch konnte sie aus dem vielen Wasser noch etwas sehen.
Und das war etwas, was sie hatte nicht so schnell wieder sehen wollen.
Instinktiv begann sie zu schwimmen.
Doch die Wellen waren stärker als sie. Ein vorankommen unmöglich. Vor allem für einen so ungeübten Schwimmer wie sie.

Diesmal gab ihr niemand einen hilfreichen Tipp. Niemand war da um ihr zu helfen.
Niemand außer dem schwarzen Schatten, der auf sie zu schwamm.
Der Schatten glitt mühelos durch das Wasser.

Cassidy wollte weg. Sie wollte schreien. Doch wie bei der letzten Begegnung mit dem Wesen, war ihre Stimme verstummt.
Und das tonlose Aufreißen ihres Mundes brachte nur mehr salziges Wasser in sie.

Der Schatten war kurz vor ihr. Und wieder schien er mit einer Klaue nach ihr greifen zu wollen.
Ihre Fluchtversuche waren vergebens.
Deutlich konnte sie spüren, wie das Ding nach ihr griff.

Und ihr kam nur in den Sinn, dass alles nur ein dummer Traum sei. Sie sei sicher bei ihrer Familie.
Sie wünschte es sich so sehr.

Der Schatten packte sie am Arm und zog sie nach unten.
Die Luft ging ihr langsam wieder aus.

„Ich will zu meiner Familie!“ war ihr letzter Gedanke.
Sie hatte keine Kraft mehr gegen den Schatten oder das Wasser zu kämpfen.

Immer tiefer glitt sie hinab.
In die Dunkelheit.


Lennox steuerte noch immer den Wagen über den merkwürdigen Highway. Er ignorierte die Fragen seiner beiden Beifahrer.
Er konzentrierte sich auf irgendetwas, was die beiden eh nicht verstehen würden.

Mit einem Male regnete es. Und zwar so stark, dass man vermuten konnte in einen Monsun hineingeraten zu sein.
Durch den Regen konnte Lennox nichts mehr auf der Straße erkennen und er stoppte.
„Wieso hältst du?“ wollte Felice wissen, „Hier ist doch nichts!“

Bis jetzt hatten sie nichts anderes als die Straße vor sich gesehen. Leer und endlos.
Lennox sagte nichts. Noch immer hielt er nach irgendetwas Ausschau. Nur dass der Regen zu stark war, um irgendetwas vor sich zu sehen.
„Was ist los?“ Ryan spürte, dass es einen Grund haben musste, weswegen der Kerl so eigenartig reagierte.
„Hier ist irgendjemand!“ meinte Lennox nur und starrte weiter vor sich übers Lenkrad.
„Sollten wir dann nicht weiterfahren?“ Felice klang unsicher. Sie erinnerte sich daran, wie der Punker erklärt hatte, dass man sie nicht so schnell finden würde, wenn sie unterwegs waren. Und dass sie in Gefahr waren.
„Irgendwer blockiert!“ war Lennox Antwort.
Noch immer wartete er auf irgendein Zeichen.

Ein Blitz durchzog den Himmel und der Donner ließ alles ringsum erzittern.
Es war so laut und vor allem plötzlich, dass sich Felice erschrocken an Ryan klammerte.
„Was war das?“ wollte sie flüsternd wissen.
Noch einmal zog ein Blitz durch den Himmel.
Der Regen wurde schwächer. Dennoch würde er reichen, um innerhalb weniger Sekunden vollkommen durchnässt zu sein.

„Da vorn!“ Ryan zeigte auf eine Landschaft, die plötzlich zusammen mit dem Blitz vor ihnen aufgetaucht war.
Es war zu dunkel, um wirklich etwas genaues zu erkennen.
Und wie auf ein Zeichen hin, erhellte ein Blitz die Gegend und lies alle Drei einen Blick auf ihre Umgebung werfen.

„Das ist ein Friedhof!“ kam erschrocken von Felice, deren Finger sich schon regelrecht in Ryan´s Arm bohrten.
„Der Friedhof von unserer Stadt!“ korrigierte Ryan sofort.
Beide rissen ihre Augen von dem Friedhof und starrten ihren Fahrer an.
„Sie hat uns gefunden!“ meinte dieser nur und suchte die Umgebung weiter ab.
Wonach er genau suchte, wollte er nicht sagen.
Erst nach einer Weile blieb sein Blick auf dem Friedhof haften.
„Sie muss dort sein!“ murmelte er.

„Warum kommt sie dann nicht zu uns?“ wollte Felice wissen.
Lennox zuckte nur mit den Schultern, sah sich erneut um und stieg aus dem Wagen.
Ryan stieg ebenfalls aus. Kam allerdings nicht sehr weit, da Felice ihn noch immer festhielt.
„Was wenn er uns rein legt?“ flüsterte sie ihm zu, „Das hier könnte doch eine Falle sein!“
Ryan richtete einen Blick auf Lennox, der allmählich auf den Friedhof zuging.
„Vielleicht!“ meinte er nur, „Aber ich hab so ein Gefühl, dass Cassie dort ist!“

Felice wollte noch immer nicht mitgehen. Allerdings wollte sie auch nicht allein bleiben.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als Ryan zu folgen, an dessen sie Arm förmlich klebte.

Wie erwartet, waren sie innerhalb kürzester Zeit bis auf die Unterwäsche vom Regen durchnässt. Selbst der Boden unter ihren Füßen konnte nichts mit dem vielen Wasser anfangen und verwandelte sich immer mehr in einen glitschigen Schlammpfad.

„Cassidy!“ Lennox´ Stimme hallte lautstark über den dunklen Friedhof.
„Hey Mann, warum sollte sie hier sein?“ wollte Ryan von ihm wissen, sobald er den Punk eingeholt hatte.
„Was weiß ich!“ meinte der nur und strich sich die blauen Haare, die durch den Regen keinen Halt mehr hatten, aus den Augen.
Dann rief er wieder nach Cassidy.
Ryan wollte schon fragen, weswegen Lennox nach Cassidy suchte. Nicht, dass er sich das schon zuvor gefragt hatte.
Doch noch bevor er die Frage stellen konnte, bemerkte er wie weit sie gelaufen waren.
Die Grabsteine vor ihm kamen ihm bekannt vor.
Mindestens einmal im Monat war er hier entlanggegangen.
Und mit einem Male wusste er auch wo er hingehen musste.
Wusste, wo er Cassidy finden würde.

Ryan schritt an Lennox vorbei und ging dem ihm bekannten Weg weiter. Felice hatte nicht Schritt halten können und so hatte er sich von ihr losgerissen.
Nur wenige Grabreihen weiter blieb Ryan stehen.

„Cassie?“ Es war ein leises Flüstern und dennoch laut genug um Felice anzuspurnen, schnell an seine Seite zu kommen.
„Was ist passiert?“ sofort beherrschte Panik Felice´s Stimme.

Vor ihnen lag Cassidy.
Es sah aus als habe sie irgendwer in dem Matsch, der ursprünglich mal eine grüne Rasenfläche vor dem Grabstein war, abgeworfen.
Sie war von einer Pfütze regelrecht umgeben und ihre Kleidung, welche weder Ryan noch Felice zuvor an ihr hatten gesehen, war zerfetzt, voller Matsch und durchweicht.

Lennox war schneller als Ryan und prüfte Cassidy´s Lebenszeichen.
„Sie ist okay!“ meinte er, „Weitesgehend!“
Er strich ihr das wirre Haar aus dem Gesicht.
„Was soll das heißen?“ Felice ging ebenfalls in die Hocke, um selbst nach ihrer Freundin zu sehen.
Sie erschien erleichtert darüber, dass Cassidy zwar mehr tot als lebendig aussah, aber zumindest atmete.

Mit einem Male war Lennox wieder auf den Beinen. Sein Blick über die Grabsteine gerichtet.
Ryan sah ebenfalls in die Richtung, konnte aber nichts erkennen.
„Bringt sie weg hier!“ meinte Lennox nur und knifft die Augen zusammen.
Ryan stellte keine weiteren Fragen. Er griff Cassidy und nahm sie in seine Arme.
„Bring sie weg!“ knurrte Lennox noch einmal, ohne wirklich den Blick auf Ryan oder Felice zu richten.
Und dann konnten auch die beiden erkennen, was Lennox´ Aufmerksamkeit erweckt hatte.

Wie dunkle Schatten bewegten sich mehrere Männer auf sie zu.
„Los jetzt!“ schrie Lennox Ryan an.
„Was ist mit dir?“ wollte dieser nur wissen.
„Ich halt sie auf!“ bekam Ryan nur als Antwort, dann rannte Lennox den Männern entgegen.

Felice war wieder in Richtung des Pick-Ups gelaufen.
Nicht nur, dass ihr die ganze Sache ohnehin ziemlich beängstigend vor kam, so konnte sie deutlich erkennen, dass die Männer, die plötzlich aufgetaucht waren, nichts Gutes bedeuten konnten.
Sobald sie den Wagen erreicht hatte, riss sie sofort die Fahrertür auf und lief zur Beifahrertür und stieg ein.
Sie brauchte nicht lange warten, da tauchte Ryan mit Cassidy im Arm auf. Mit Felice´s Hilfe setzte er Cassidy in die Mitte und sprang selbst hinters Steuer.

Deutlich konnten sie die Rufe und das Kampfgebrüll hören.
Einerseits wollte Ryan zurück rennen und Lennox helfen, andererseits aber wollte er auch einfach nur weg hier. Er hatte schließlich gefunden, was er gesucht hatte.
Cassidy war hier bei ihm und Felice und sie sollten einfach nur hier weg. Weg von den Männern, die auf den Wagen zu kamen.
Nikita LaChance
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Re: AT: if dream come true (Version 2)

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 19. Aug 2011, 12:53

Kapitel XII - Jäger

Die Männer in Schwarz waren so plötzlich und zahlreich aufgetaucht, als sei irgendwo ein Nest von ihnen. Wie wütende Wespen versammelten sie sich alle, mit dem Ziel zu kämpfen und ihre Beute zu jagen.
Allerdings war ihnen ihre eigentliche Beute gerade durch die Finger geglitten. Mehr oder weniger.
Nur um Sekunden hatten sie das Mädchen, was sie hatten einfangen sollen, verpasst.
Statt ihr fanden sie nun einen jungen Mann vor, der sich von ihrer Vielzahl nicht einschüchtern lies.

„Lange nicht mehr gesehen!“
Der junge Mann zuckte nur kaum merklich zusammen. Lies seinen Blick über die Massen von Anzugträgern gleiten, ehe er den Mann fand der ihn so eigenwillig begrüßt hatte.
Sein zurückgegeltes Haar und seine Augen waren so dunkel wie der Anzug, den er trug. Und dennoch unterschied er sich von den anderen Männern in Schwarz.
„Glaubst du, du könntest irgendetwas bewirken?“
Der Mann gab den anderen einen Befehl, ohne etwas zu sagen. Er wirbelte lediglich mit den Fingern in der Luft, was eher den Eindruck hatte, er wolle Fliegen verscheuchen. Und dennoch verstanden die anderen, was er wollte.
„Oh, Lennox, du hast wirklich nicht dazugelernt!“
Der Jüngere, der von seiner ganzen Aufmachung her wie ein einziger Farbklecks inmitten eines schwarzen Meeres wirkte, strich sich erneut die blauen Haare aus dem Gesicht, die dank des Regens ihren Halt verloren hatten.
Erneut gab der Mann gegenüber von Lennox einen unausgesprochenen Befehl und die Männer teilten sich auf.
„Findet das Mädchen!“
Lennox kniff kurz die Augen zusammen und spannte seinen Kiefer kurz an. Er wollte den anderen nicht verraten, dass Cassidy und ihre Freunde noch immer hier waren.
Nur mit seiner kleinen, für die meisten vielleicht auch kaum bemerkten, Mimik hatte er alles gesagt.

„Sie ist noch nicht weit weg!“ rief der Mann Lennox gegenüber den anderen zu, ehe er sich wieder dem Jüngeren zu wand.
„Du kannst nichts dagegen unternehmen!“ spottete er, „Wir bekommen sie immer wieder!“
Noch immer versuchte Lennox keine Zeichen zu geben, wie sehr er sein Gegenüber verachtete. Aber erneut verriet ihn seine Mimik.
„Du hast wirklich nichts dazugelernt!“ kam erneut von seinem Gegenüber und er trat einen Schritt zurück.
Mit einem erneuten Wink griffen die Anzugträger Lennox an.

Bewaffnet waren sie mit ihren seltsamen Stäben. Für jeden anderen hätte es gewirkt, als wollten die Anzugträger mit zu dünn und zu kurz geratenen Polizeiknüppeln um sich schlagen, deren Spitze leuchtete.
Doch Lennox kannte die Waffen. Und er kannte ihre Wirkung.
Er zog sein Messer mit einer schnellen Bewegung aus seinem Stiefel hervor und wartete auf den ersten Angriff.
Dieser lies nicht lange auf sich warten.
Sofort stürzte sich ein Anzugträger auf ihn und versuchte ihn mit seinem Stab zu berühren.
Lennox konnte ausweichen und es gelang ihm zugleich den Mann mit seiner Linken einen Schlag in den Magen zu verpassen.
Um sich auszuruhen oder sich über den kleinen Treffer zu freuen, blieb ihm bei Weitem keine Zeit.

Die anderen Männer ließen sich nicht lange bitten, dem Kampf beizuwohnen.
Wie eine ungeordnete Masse griffen sie an.
Sie schlugen einfach zu.
Einige versuchten Lennox mit den Spitzen ihres Stabes zu berühren, der ihm dann einen Stromschlag verpassen sollte.

Nach einer Weile war es Lennox, der allmählich durch die Treffer, die er hatte kassieren müssen, immer schwächer wurde, gelungen, einen Mann seine Waffe abzunehmen und er verteidigte sich nun damit und seinem Messer.
Der Anführer der Bande stand noch immer Abseits. Es war ihm anzusehen, dass er das Schauspiel einerseits genoss, aber andererseits auch selbst mitmachen wollte.
„Was ist los, Virgil?“ fragte Lennox atemlos, nachdem er einen der Anzugträger über die Schulter geworfen hatte, „Bist du dir zu fein, selbst mit zuspielen?“
Der angesprochene schien belustigt und verärgert zugleich zu sein.

„Warum sollte ich mich mit dir abgeben, Schwächling?“ war nur die gehässige Antwort des Mannes.
Ehe Lennox ihm kontern konnte, traf ihn erneut ein Schlag mit dem Stab und Strom durchfuhr seinen Körper.
Er biss seine Zähne zusammen und versuchte zugleich sich von der Waffe loszureißen.
Nur weit kam er nicht.
Hinter ihm stand bereits der nächste Mann mit der selben Waffe.
Es war zwar vielleicht nicht ganz so stark, wie von einem Taser getroffen zu werden, aber dennoch lies einen ein einziger Treffer mit dieser Waffe ziemlich kampfunfähig machen. Der Strom, der durch den Körper floss, lies die Muskel verkrampfen und wenn der Kontakt lange genug war, so konnte es dazuführen, dass der Getroffene sein Bewusstsein verlor.
Bisher war es dabei noch nie zu tödlichen Treffern gekommen. Aber so sicher war sich Lennox nicht.
Doch er war auch nicht bereit dies herauszufinden.

Ausrichten konnte er nicht viel.
Der Strom schien nicht enden zu wollen.
Dort wo die Stäbe in seinen Körper gepresst wurden, konnte er die Hitze der Waffen spüren. Er wusste, dass sie Verbrennungen hinterlassen würden.
Es war nicht das erste Mal, dass er es mit den Waffen und den Männern in Schwarz zu tun hatte. Und vermutlich, so war er sich sicher, auch nicht das letzte.

Geschwächt fiel er auf die Knie, verlor den Halt seiner Waffen und atmete schwer.
Er wusste nicht welches Körperteil er sich zu erst halten sollte.
Alles tat ihm weh.
Virgil trat zwischen die Reihen der Anzugträger, die sofort ihre Waffen senkten, ohne wirklich ihre Deckung aufzugeben.
„Ich sagte doch, du bist zu schwach!“ lachte Virgil Lennox an.
„Und ich sagte, dass du ein Feigling bist!“ knurrte Lennox zurück.
„Du hast mit deiner kleinen Aktion gar nichts erreicht!“ meinte Virgil und packte Lennox am Hals, „Deine kleine Freundin kommt hier nicht weg! Sie und ihre beiden Begleiter stecken fest!“
Lennox versuchte seine Arme zu heben, um Virgil von sich zu stoßen. Aber selbst dazu fehlte ihm die Kraft.


Ryan versuchte den Wagen zu starten. Doch der Motor sprang nicht an. Er gab kein einziges Geräusch von sich.
„Scheiße!“ fauchte er und probierte erneut.
„Ryan!“ Felice schrie erschrocken auf.

Knapp zehn schwarz gekleidete Männer kamen auf sie zu. Sie alle trugen sonderbare Stäbe in ihren Händen und wirkten alles andere als freundlich.
„Spring schon an, verdammt noch mal!“ fluchte Ryan, während er noch immer versuchte, seinen Pick-Up zu starten.
„Wir müssen weg!“ Felice Stimme schien immer höher und gleichzeitig leiser zu werden. Sie war kreidebleich und klammerte sich an ihre bewusstlose Freundin.

Ryan schlug mit aller Wucht gegen das Lenkrad, als würde das etwas an ihrem Problem ändern.
Allerdings trug das nur dazu bei, dass Felice nun ihn erschrocken ansah, ehe ihr Blick wieder zu den näher kommenden Männer zurück ging.
Ein erneuter verzweifelter Versuch, mit dem selben Ergebnis.
Der Wagen machte keinerlei Anstalten anzuspringen oder irgendwie anders seine Funktionstüchtigkeit zu beweisen.

„Cas!“ schrie Ryan und versuchte das Mädchen neben sich wach zu rütteln, „Komm schon, du musst uns hier helfen!“
„Was?“ Felice sah Ryan mit großen Augen an. Sie verstand nicht, was er nun von Cassidy wollte.
Warum konnte er nicht einfach den Wagen starten und sie in Sicherheit bringen?
„Komm schon, du musst irgendwas machen! Cas!“
Noch immer keine Regung von dem Mädchen und die Männer waren nur noch wenige Meter vom Wagen entfernt.
„Cassidy! Wach, verdammt noch mal, auf!“ Ryan´s Stimme hallte im Wageninneren wieder.


Lennox wusste, dass es zu spät war.
Er holte tief Luft und fixierte sein Gegenüber.

„Er wird sich freuen, dich wieder zu sehen!“ lachte Virgil ihm ins Gesicht.
Lennox entgegnete nichts dazu.
„Und das Mädchen und ihre Freunde!“

Ein Grinsen stahl sich in Lennox´ Gesicht und Virgil sah ihn kurz irritiert an.
„Du hast was vergessen, Virgil!“ entgegnete Lennox schwach.
„Und was soll das sein?“
Kein Wort kam Lennox über die Lippen. Dennoch grinste er so, als wäre ihm gerade etwas Entscheidendes eingefallen, womit er Virgil´s Plan noch durchkreuzen könnte.

Ein merkwürdiges Geräusch erklang. Es war, als würde irgendwo Donner grollen.
Und mit einem Mal wurden die Männer umgerissen.
Wie eine Meereswelle, die anrollte und alles mit riss. Nur war hier kein Meer und auch kein starker Wind.

Selbst Virgil hatte es von den Beinen gerissen und einige Meter von seinem Gegner weg gestoßen.
Und wie beim Meer glitt die Druckwelle immer weiter und riss alles um sich herum mit.

Einzig Lennox verharrte noch immer an seinem Fleck.
Ein müdes Lächeln im Gesicht.

Virgil versuchte sich aufzurichten, doch er konnte nicht. Immer wieder wurde er auf den Boden zurück gedrückt, so wie seine Männer.

„Du bekommst sie nicht!“ kam Lennox schwach über die Lippen.
Er riss sich langsam aus seiner Starre und mühte sich auf die Beine.


Mit Entsetzen sahen Ryan und Felice, wie die Männer immer näher kamen.
Doch dann, kurz nachdem sie ein tiefes Grollen gehört hatten, spürten sie wie sich alles um sie herum bewegte.
Sie sahen wie die Männer umgestoßen wurden oder vielmehr weg gestoßen. Fast so wie die Kegel beim Bowling.
Auch der Pick-Up wurde von der merkwürdigen Druckwelle erfasst, die den Wagen immer weiter von seinem Standort weg schob und die Scheiben eindrückte und platzen lies.

Instinktiv hatte Ryan sich über Cassidy geworfen und Felice mit in Deckung gerissen.
Erst als keine Scherben mehr auf sie herab regneten, hoben sie vorsichtig ihre Köpfe.
Noch immer war die Druckwelle zu spüren, die den Wagen weg drängte.

„Was ist hier los?“ Felice Stimme hatte noch immer nicht ihre wahre Stärke zurückgefunden.
Ryan tat unterdessen, das erste was ihm in den Sinn kam.
Er drehte erneut den Schlüssel im Zündschloss.
Und diesmal sprang der Wagen auch an.

„Endlich!“ knurrte er erleichtert und trat das Gas voll durch.
Egal was hier soeben passiert war, er wollte nicht bleiben und es herausfinden.

Er raste die ihm bekannte Straße entlang. Er achtete nicht wirklich darauf, sich dem vorgegeben Tempo anzupassen. Auch ignorierte er die Straßenschilder.
Er fuhr einfach immer weiter.

„Hat es funktioniert?“
Cassidy´s schläfrige Stimme erschreckte ihre beiden Freunde, so sehr, dass Ryan kurz die Kontrolle über den Wagen verlor.
„Du bist wach!“ schrie Felice erleichtert auf und warf sich ihrer Freundin um den Hals, „Endlich!“
„Ja, es hat funktioniert!“ meinte Ryan nur, der sich wieder auf die Straße konzentrierte. Er hatte keine Ahnung, was genau Cassidy meinte.


Liam war mitten auf der Straße stehen geblieben und hatte sich irritiert umgesehen.
„Was ist? Sind sie schon wieder hier?“ wollte Chance von ihm wissen.
Doch sein Begleiter schwieg. Immer wieder glitt sein Blick über die Umgebung, so als suche er jemanden.
Er sah mit einem Male finster drein, schluckte und schüttelte dann den Kopf.
Noch immer verriet er nicht was los war und das beunruhigte Chance.

„Es ist nichts!“
Klar konnte Chance die Lüge heraushören.
„Hör zu, es ist im Moment besser, wenn du dir darüber keine Gedanken machst!“ antwortete Liam, auf Chance ungesagte Worte.
Chance aber wollte Antworten.
„Hör zu!“ knurrte Liam mit einem Male genervt, „Wenn du die Sache hier unbeschadet überstehen willst, dann vertrau mir!“
Chance nickte nur, wenn auch ungläubig.
Ohne ein weiteres Wort setzten sie ihren Weg fort.
Nikita LaChance
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Re: AT: if dream come true (Version 2)

Beitragvon Nikita LaChance » Do 25. Aug 2011, 08:26

Kapitel XIII - Verfolgt

„Wohin fahren wir jetzt?“ wollte Felice wissen. Noch immer klammerte sie sich an Cassidy, so als befürchte sie, dass ihre Freundin jeden Moment wieder verschwinden könnte.
„Egal!“ kam nur von Ryan, „Hauptsache weg von hier!“
Cassidy sah sich kurz um. Sie versuchte zu erkennen, wo genau sie steckten.

„Wir müssen zu mir nach hause!“ meinte sie plötzlich und Ryan musterte sie eindringlich.
„Dir ist schon klar, dass sie dort vielleicht schon auf dich warten?“ bemerkte er mit scharfen Unterton.
Sie schüttelte nur den Kopf.
„Wir fahren nicht zu dir!“ Ryan´s Blick war wieder auf die Straße gerichtet, dennoch beobachtete er Cassidy aus den Augenwinkeln.
„Ich brauch aber saubere Sachen!“ kam etwas kleinlaut von ihr, „Ich will nur ganz kurz ...“
„Sie hat recht! So kann sie nicht rumfahren!“ warf Felice ein, „Cassie wird sich erkälten! Und wir brauchen auch trockne Sachen!“
Ryan rollte genervt mit den Augen. Er wusste, dass beide Mädchen recht hatten. Aber er wollte es den Männern in Schwarz nicht so einfach machen, sie erneut anzugreifen.

„Bitte!“ Das Betteln kam fast synchron von beiden.
„Schön!“ brummte er, „Aber nicht länger als fünf Minuten! Und dann fahren wir einfach ...“
Er wusste gar nicht wie er den Satz beenden sollte.
Konnte er denn überhaupt ein Ziel nennen, wo sie sicher wären?
„Brisby!“ flüsterte Cassidy, „Wir müssen zu ihr!“
Wieder riskierte Ryan einen Blick auf das Mädchen neben sich. Er hatte ihr noch gar nicht gesagt, dass Brisby sie hatte auf dem Handy erreichen wollen.

„Wer ist Brisby?“ wollte Felice wissen. Diese Frage hatte sich auch Ryan gestellt.
„Eine Freundin!“ kam von Cassidy nur. Sie schien nicht näher darauf eingehen zu wollen.
„Freundin? Du hast nie von ihr was erzählt!“ fiel Felice ein, „Wo wohnt sie?“
Cassidy sah sie kurz mit großen Augen an und schüttelte dann den Kopf.
Dann richtete sie sich an Ryan.
„Können wir endlich zu mir fahren, bitte!“

Zwar wollte Ryan noch immer die Antwort zu Felice´s Frage hören, doch er wusste, dass er sie so schnell vermutlich nicht erhalten würde.
„Wir sind gleich da!“ antwortete er nur und bog die nächste Straße ein.

Er war weiter gefahren, als er zunächst angenommen hatte.
In wenigen Minuten hätte er die Stadt bereits hinter sich gelassen. Nun aber musste er einen Teil der Strecke zurück fahren, nur um zu Cassidy´s Haus zu kommen.
Noch immer war ihm nicht wohl dabei, dass sie dorthin fuhren.


„Können wir endlich mal eine Pause einlegen?“
Seit Stunden wanderte Chance Liam hinterher, ohne wirklich zu wissen, wohin sie gingen.
„Wir sollten nicht zu lange an einem Ort bleiben!“ erklärte Liam nur kurz. Er wollte nicht zugeben, dass auch er eine Pause vertragen könnte.
„Komm schon!“ drängelte Chance, „Wir brauchen eine Pause!“
Liam schüttelte nur den Kopf, dann aber blieb er stehen.
Er sah sich kurz um, so als suche er etwas oder jemanden.
„Nicht lange!“ gab er dann zu verstehen und ging in die Seitengasse, wo er sich dann auf einem Pappkarton niederließ.
Chance folgte ihm und suchte sich ebenfalls ein einigermaßen sauberes Plätzchen.

„Wohin gehen wir eigentlich?“ unterbrach Chance die erneut aufkommende Stille.
„Ich sag´s dir, wenn ich´s weiß!“ murrte Liam nur leise.
Immer wieder sah er sich um.
Chance konnte nur erahnen, dass Liam so nach Verfolgern Ausschau hielt, indem er seinen Geist wandern lies und versuchte die Gedanken seiner Umwelt zu lesen.
Allerdings schien es nicht so, als würde Liam gutes empfangen. Immer wieder sah er finster drein oder schüttelte den Kopf. Kein einziges Mal schmunzelte er, über irgendwelche lustigen Dinge, die er in den Köpfen seiner Mitmenschen erkennen konnte.

Chance beobachtete seinen Begleiter und versuchte sich zu erinnern, wie er ihn in seinem Roman beschrieben hatte.
Das Aussehen war eigenartigerweise genauso, wie er es notiert hatte.
Er hatte dunkelblonde kurze Haare und grau-blaue Augen. So wie Chance es der Romanfigur zugedacht hatte.
Auch die Größe stimmte. Er und Liam waren gleich groß.
Selbst die kleine Narbe an der rechten Augenbraue war vorhanden.
Chance versuchte sich zu entsinnen, woher die Narbe kam.
Wenn es so war, wie er es sich ausgedacht hatte, so hatte Liam die Narbe seit seiner Kindheit. Bekommen durch einen kleinen Unfall.

Den Unfall selbst hatte Chance nur nebenbei in seinem Roman erwähnen wollen, daher hatte er sich bisher auch nie wirklich große Gedanken darüber gemacht.
Allerdings hatte er sich über einige Dinge seines Romans keine Gedanken gemacht. Wie zum Beispiel warum die Männer in Schwarz die Traumwanderer jagten. Er wusste lediglich, mehr oder weniger, dass sie es taten. Nur nicht warum.
Er hatte aber auch nicht geglaubt, selbst bald mitten in der Story zu stecken. Und selbst auf der Fahndungsliste der Jäger zu stehen.

„Wir sollten langsam weiter!“ riss Liam ihn aus den Gedanken.
Chance erhob sich ohne ein weiteres Wort und folgte Liam erneut durch die Straßen.


Ryan hatte endlich Cassidy´s Zuhause erreicht.
Noch immer war das gelbe Absperrband der Polizei vor dem Haus zu sehen.
„Willst du wirklich da rein?“ wollte er von ihr wissen, „Ich kann dir auch was von mir leihen!“
Cassidy überlegte für einen kurzen Moment.
„Ich ...“ stotterte sie ein klein wenig unbeholfen, „... ich brauch meine Sachen!“
Ryan verstand nicht ganz was sie meinte, nickte aber.
„Ich komm aber mit rein!“ bestand er und stieg aus.
Cassidy wartete nicht erst darauf, dass Felice ihr Platz machte und sie durch ließ. Sie stieg einfach auf Ryan´s Seite aus und griff nach seiner Hand, die er ihr entgegen hielt.

„Ich komm mit!“ kam sogleich von Felice. Sie wollte nicht allein im Auto sitzen bleiben. Nicht wenn, wer weiß wer da draußen auf die drei lauerte.
Sie lief ihren beiden Freunden hinterher.
Zu dritt betraten sie das Haus, wobei sie teilweise das Absperrband umgehen oder entfernen mussten.

Das Haus war dunkel und still. Zu still.
Allerdings was sollten sie erwarten. Es war niemand da, der hätte irgendein Geräusch von sich geben oder der hätte das Licht anmachen können.

Sofort machten sie das Flurlicht im unteren Stock an. Es war ihnen egal, ob vielleicht ein Polizist nicht irgendwo in der Nähe war und sie bemerken könnte.
Sie wollten nicht in der Dunkelheit herumstolpern. Vor allem, da sie nicht wussten, was vermutlich in der Dunkelheit auf sie lauern würde.

„Du kannst dir vielleicht was von Chance leihen!“ meinte Cassidy zu Ryan, der nicht so wirkte als habe er sich allzu große Gedanken über einen Kleiderwechsel gemacht.
Er sah kurz an sich herunter und dann sie fragend an.
„Wenn du dich erkälten willst, nur zu!“ Cassidy rollte genervt die Augen und ging die Treppen hinauf zu ihrem Zimmer.
Felice ging ebenfalls die Treppen hinauf. Allerdings ging sie in Chance´s Zimmer, wo sie in einem Schrankfach ein paar Kleidungsstücke von sich fand. Es war schon eine Weile her, dass sie ein paar ihrer Shirts und zwei Jeanshosen, sowie ein paar Socken und Unterwäsche, mit in seinen Schrank gepackt hatte. Das kam jedenfalls zu gute, wenn sie, natürlich von ihrer Mutter unbemerkt, bei ihm übernachtete.

Ryan stand etwas hilflos im unteren Flur und wartete auf die beiden Mädchen.
Er hatte nicht vor, ebenfalls die Klamotten zu tauschen. Er war sich nicht einmal sicher, ob er in Chance´s Sachen passen würde. Außerdem hatten sie mehr oder weniger einen unterschiedlichen Geschmack. Chance wirkte in einigen seiner Klamotten mehr wie Schwiegermutter´s Liebling, während Ryan eigentlich die meiste Zeit eher rockige Klamotten trug. Meist irgendein Band-Shirt und zerschlissene Jeans.

Cassidy hatte sich frische Kleider geschnappt, war schnell ins Badezimmer gehuscht und spülte sich in aller Eile den Matsch vom Körper. Für ein ausgiebiges Bad war keine Zeit. Sie wollte lediglich sauber sein, ehe sie sich frische Sachen anzog.
Sie war froh, den Dreck und die Krankenhauskleidung wieder los zu sein. In ihren eigenen Sachen fühlte sie sich gleich viel wohler.
Sie hatte kaum mehr als drei Minuten für ihre Aktion gebraucht und huschte wieder in ihr Zimmer.
Sie suchte noch etwas, wovon sie hoffte, dass es ihr irgendwie noch nutzen könnte.

„Beeilt euch mal!“ rief Ryan ungeduldig nach oben.
Noch immer stand er am Fuß der Treppe.
Er wollte endlich aus dem Haus.
Irgendwie war es ihm unheimlich hier zu sein. Nicht nur, dass sein bester Freund hier entführt wurde und die Polizei das Haus im Grunde abgesperrt hatte. So war es auch die Stille und die Dunkelheit, der sonst hell erleuchteten Zimmer, die ihn beunruhigte.

Felice war gerade dabei sich ein anderes Shirt über zu ziehen, als Cassidy ohne Weiteres in den Raum platzte.
Felice wollte sich schon beschweren, bemerkte aber dass Cassidy sie gar nicht beachtete. So als sei sie gar nicht im Raum.
„Was ist los?“
Doch Cassidy antwortete ihr nicht.
Zielstrebig ging Cassidy zum Schreibtisch ihres Bruders. Dort schnappte sie sich einen ziemlich dicken Ordner, aus dem einige Zeitungsschnipsel an den Seiten heraus hingen, und den Laptop.
„Cassie? Was willst du damit?“
Wieder bekam sie keine Antwort.

Ein Geräusch im Nebenzimmer lies beide Mädchen zusammen zucken.
Felice sah ihre Freundin nur mit großen Augen an.
Das Zimmer, aus dem das Geräusch gekommen war, hatte seit geraumer Zeit niemand mehr betreten.
„Wir sollten endlich hier verschwinden!“ meinte Cassidy, die einem Male noch blasser als ihre beste Freundin geworden war.

Sie huschten zur Treppe, wobei sie einen irritierten Blick auf die Tür neben Chance´s Zimmer warfen.
Das Schlafzimmer der Eltern.
Erneut war von dort etwas zu hören. Es klang als sei etwas großes zu Boden gefallen.

Auch Ryan hatte die Geräusche gehört. Er wollte bereits nach oben laufen, als er bemerkte, dass auch im unteren Stockwerk etwas oder jemand zu sein schien.
Wer oder was es auch war, es versteckte sich in den dunklen Zimmern und kam allen Anschein nach immer näher.

Kaum hatten die Mädchen das Ende der Treppe erreicht und wollten mit Ryan zur Haustür stürmen, als aus dieser Richtung zwei schwarz gekleidete Männer kamen.

„Wir hatten geahnt, dass du wieder hier her kommst!“ meinte einer von ihnen, direkt an Cassidy gerichtet.
Ryan sprang sofort vor die beiden Mädchen.
Doch ein paar Schritte hinter ihm verdeutlichten ihm, dass dies ein sinnloses Unterfangen war.
Aus den unteren und oberen Zimmern kamen auf einmal mehrere Anzugträger.
Sie umzingelten die Drei regelrecht.

„Was machen wir jetzt?“ wollte Ryan flüsternd von Cassidy wissen.
Doch darauf hatte sie keine Antwort.
Sie hatte gesehen, was die Kerle mit ihrem Bruder angestellt hatten. Sie hatte die Waffen gesehen, die die Männer trugen, und wie sie funktionierten.
Cassidy wollte nicht, dass ihre beiden Freunden dasselbe spüren mussten, wie ihr Bruder. Und vor allem wollte sie nicht, dass sie zu dem selben beängstigenden Ort gebracht würden, von dem sie zuvor erst geflohen war.
Sie sah sich um, nach einer Möglichkeit zur Flucht. Doch so wirklich gab es keinen Weg raus aus der Misere.
Und sie wusste auch nicht, wie sie dies ändern sollte.

„Wenn du freiwillig mitkommst, könnten wir noch mal Gnade walten lassen und deine Freunde gehen hier unbeschadet raus!“ meinte der Kerl, der Cassidy zuvor schon angesprochen hatte.
Ryan ballte die Fäuste. Bereit sich und die Mädchen zu verteidigen.
Und Cassidy suchte noch immer nach einem Ausweg.
„Dr. Peeker wartet!“
„Ihr lasst sie in Ruhe?“ wollte Cassidy von dem Mann vor sich bestätigt wissen. Sie klang verängstigt, auch wenn sie dies im Grunde nicht wollte.
Der Mann nickte und hielt ihr die Hand entgegen, so als wolle er sie ausführen.

„Cas! Nein!“ protestierte Ryan und versperrte den Weg zwischen ihr und den Männern vor sich.
Er hatte den kleinen Schritt bemerkt, den Cassidy gegangen war.
Cassidy wollte ihm gerade sagen, dass es so besser sei, als sie bemerkte, wie ihre Stimme versagte.

Vor ihr die Männer grinsten. Sie wussten, sie hatten erreicht, was sie wollten.
Noch immer hielt der eine Cassidy die Hand entgegen, wie eine einladende Geste.
Sie hatten Cassidy´s schwache Stelle gefunden.

Cassidy versuchte noch einmal Ryan zu sagen, dass er sie gehen lassen solle. Doch erneut kam kein Ton über ihre Lippen.
Sie spürte wie kalter Schauer ihr über den Rücken lief. Die ganze Umgebung erschien auf einmal kälter und noch unheimlicher als ohnehin.
Verwirrt und erschrocken zugleich sah sie sich um.
Die Männer hinter ihr trugen ein ebenfalls siegessicheres Grinsen in ihren Gesichtern.

Doch es waren nicht die Männer, die Cassidy im Moment so beängstigten.

Unbeachtet von den anderen im Hausflur, bemerkte Cassidy wie die Lichter, die noch immer in ihrem und Chance´s Zimmer gebrannt hatten, ausgingen.
Sie sah, wie die obere Etage dunkel wurde. Dunkler, als sie es ohnehin schon war.

Sie riss ihre Augen von der Dunkelheit hinter sich und drehte sich wieder ihren Freunden zu.
Die beiden hatten nicht bemerkt was vor sich ging.
Felice und Ryan starrten auf die Männer vor sich. Beide erwarteten den Angriff oder ein weiteres Wort der Männer in Schwarz.
Selbst die Männer in Schwarz hatten nichts bemerkt.

Cassidy packte den Ordner und den Laptop unter ihren linken Arm und stieß Felice an.
Irritiert über diese Aktion sah Felice sie an.
Ihr Mund formte Worte, die tonlos blieben.
Und das irritierte sie noch mehr.
Cassidy wies auf das Fenster neben sich und dann auf ihre Freundin.
Felice verstand nicht sofort und Cassidy wiederholte den Hinweis erneut.
Jemanden ohne Worte etwas zu erklären war noch schwieriger, wenn der andere nicht verstand, worum es ging, fand Cassidy. Anders hätte man das tonlose Gespräch auch nicht deuten können.

Der Mann, der zuvor noch Cassidy die Hand entgegen gestreckt hatte, hatte ihre Geste bemerkt. Er hatte verstanden, was das Mädchen vorhatte und wollte etwas dazu sagen.
Doch auch er war verstummt.
Er versuchte zu schreien. Irgendetwas zu sagen.
Doch er blieb stumm.

Ryan wusste nicht, was auf einmal los war.
Die Männer vor ihm schienen irritiert oder einfach nur verrückt geworden zu sein.
Sie schienen zu brüllen. Jedenfalls sahen sie so aus. Doch er konnte keines ihrer Worte verstehen.
Dann spürte er, wie ihn jemand zu Seite zog.
Er wollte schon nach der Hand schlagen, als er bemerkte, dass es Cassidy war.
Sie sah ihn flehend an und wies mit ihrem Blick auf das Fenster.

Er brauchte einen kurzen Moment ehe er verstand, was sie vorhatte und nickte.
Blitzschnell ging er zum Fenster hin und griff nach dem Öffner.
Allerdings hatte auch einer der Anzugträger den Schritt zum Fenster getan und versuchte ihn nun daran zu hindern.

Auch die Männer hinter den Dreien hatten sich in Bewegung gesetzt.
Geräuschlos.

Cassidy versuchte einerseits sich gegen einen der Anzugträger zu wehren und andererseits versuchte sie den Ordner und den Laptop festzuhalten.
Selbst Felice war in einen Kampf mit den Männern verwickelt. Und selbst wenn sie doch noch nie wirklich in eine Schlägerei verwickelt war, so kannte sie doch ein paar effektive Tritte und Schläge, die sie anwenden konnte.

Mit einem Male wurde einer der Männer, die Cassidy angriffen, nach hinten in den Schatten gerissen.
Es wirkte vielmehr als hätte der Schatten ihn verschluckt und wolle ihn nun nicht mehr hergeben.
Auch ein zweiter verschwand so.

Und Cassidy wusste, dass nun etwas viel schlimmeres als die Männer in Schwarz im Haus war.
Sie riss sich von ihrem Gegner los und sprang zum Fenster hinüber, welches noch immer nicht geöffnet war.
Ohne weiter darüber nachzudenken, griff sie sich die Zinnfigur, die auf einem kleinen Tischchen neben dem Fenster stand und warf sie auf das Fenster.
Geräuschlos zerbarst das Fenster.
Und da es ohne Ton war, bemerkte es niemand so recht.

Mit dem Laptop stieß Cassidy ein paar Scherben, die noch immer im Rahmen hingen, zur Seite und packte dann Felice am Arm, welche sich gerade noch einem Gegner gegenüber sah.
Für eine Sekunde hatte Felice geglaubt, einer der Kerle hätte sie gepackt und sie hatte sich loszureißen versucht. Doch dann erkannte sie, dass es ihre Freundin war, die zum nun offenen Fenster zog.
Noch einmal wies Cassidy sie wortlos an, aus dem Fenster ins Freie zu klettern.
Diesmal verstand Felice es und nickte.
Sie wollte gerade aus dem Fenster klettern, als sie erschrocken bemerkte, wie irgendetwas einen der Anzugträger zu greifen schien und ihn verschwinden lies.

Sie hatte nicht vor herauszufinden, was es war und kletterte aus dem Fenster.
Mit großen Augen sah sie sich um.
Außerhalb des Hauses sah es so aus wie zuvor.
Die Straßenlaternen leuchteten und in einigen Nachbarhäusern brannten noch Lichter.
Doch merkwürdigerweise hatte man davon im Inneren des Hauses nichts bemerkt.
So als sei das Haus von seiner eigenen Dunkelheit verschlungen.

Cassidy griff zwischen die kämpfende Masse, die aus zwei Anzugträgern und Ryan bestand.
Auch wenn die ganze Sache ohne Geräusche ablief, so taten die Treffer, die einer der Männer mit seiner Waffe auf ihrem Arm erzielte, weh.
Sie spürte den Stromschlag der sie durchfuhr und auch die Spitzen der blitzenden Waffe, die ihr ein Brandmal hinterließen.
Ryan schaffte es und riss Cassidy von dem Mann, der sie angegriffen hatte los.
Eigentlich hatte Cassidy Ryan versucht zu helfen und ihn zum Fenster zu bringen, sodass auch er in Sicherheit gelangen würden.
Doch nun war es genau umgekehrt passiert.

Ryan verpasste einem der Kerle einen Schlag in Magengegend und dem anderen einen gepfefferten Kinnhaken und nutzte die Benommenheit seiner Gegner zur Flucht.
Dabei hatte er Cassidy fest am Arm gepackt und sie mit sich gerissen.
Zusammen kletterten sie aus dem Fenster.

Einer der Anzugträger war den beiden gefolgt und wollte ebenfalls aus dem Fenster springen.
Doch er kam nicht weit.

Zu dritt sahen sie erschrocken auf das Haus vor sich und sahen wie alles in Dunkelheit versank.
Jegliches Licht im Haus war erloschen.
Und der Mann, der schon zur Hälfte aus dem Fenster geklettert war, wurde von einer schwarzen Klaue ins Innere des Hauses zurück gerissen.
Der tonlose Schrei noch in seinem Gesicht, als er im Schatten verschwand.

Ryan packte beide Mädchen am Arm und zerrte sie zu seinem Wagen.
Er schimpfte, wenn auch tonlos.
Er wollte einfach nur weg.

Mit den Mädchen, wobei Cassidy wieder den Platz in der Mitte des Pick-Ups eingenommen hatte, startete Ryan den Wagen und trat das Gaspedal durch.
Diesmal würde er sich nicht von Cassidy überreden lassen irgendwo zu halten. Nicht wenn ihm sein Gefühl verriet, dass es nicht sicher war.

Er hatte keine Ahnung, wer oder was das im Schatten gelauert und die Männer gepackt hatte.
Aber er hatte nicht vor, das zu erfahren.
Er machte ihm Angst.

Immer wieder warf er einen Blick in den Rückspiegel, um sicher zu gehen, dass ihm nichts und niemand folgte.
Alles um ihn herum, schien wie immer.
Doch man konnte sich dessen nicht sicher sein. Das hatten alle drei soeben erfahren.
Unablässig fluchte er vor sich hin. Tonlos.

Erst als sie mehrere Kilometer vom Haus entfernt waren, kehrten die Geräusche zurück.
Und alle drei zuckten zusammen bei dem nun plötzlich lauten Flüchen, die Ryan von sich gab.
„Was zur Hölle war das gerade?“ wollte er von Cassidy wissen.
Noch immer hielt sie den Ordner und den Laptop fest umklammert.
„Ich weiß nicht!“ kam leise von ihr, „Es verfolgt mich!“
Felice sah ihre Freundin mit großen Augen an. Noch immer zitterte sie vor Angst und das Adrenalin pumpte noch immer durch ihre Adern.
„War das echt? Das Ding?“ wollte sie wissen.
Diesmal schwieg Cassidy und sah auf die Sachen in ihrer Hand. Sie wusste keine Antwort auf Felice´s Frage.
Nikita LaChance
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Re: AT: if dream come true (Version 2)

Beitragvon Nikita LaChance » So 4. Sep 2011, 09:05

Kapitel XIV – Schmerz

Noch immer hielt die seltsame Druckwelle die Männer in Schwarz am Boden. So sehr sie sich auch bemühten, sich aufzurichten, sie wurden immer wieder auf den Boden zurück gedrückt.
Selbst Virgil, der sich für stärker als seine Männer hielt, musste im Moment seine Schwäche eingestehen. Und das war etwas, was er hasste.

Er konnte sehen, wie sich Lennox davon stahl. Oder vielmehr davon humpelte.
Die Treffer mit den Waffen der Signum Vigilare und auch die ganze Schlägerei an sich, hatte den jungen Mann seiner Kraft beraubt. Und weit würde er nicht kommen.

Lennox musste weg. Soweit weg wie möglich. Dorthin wo er sicher war und niemand ihn kannte und er sich in aller Ruhe auskurieren und erholen konnte.
Aber andererseits wollte er Cassidy hinterher. Er musste sie beschützen.
So recht wusste er selbst nicht weswegen, er diesen Wunsch hegte. Es war ja nicht so, als hätte es ihm irgendwer befohlen.
Sicher würde er nie sein. Irgendwann würden die schwarz gekleideten Signum Vigilare wieder finden.
Im Gegensatz zu Cassidy und ihren Freunden und auch ihrem Bruder Chance, kannte Lennox die Männer und ihre Jagdmethoden. Er wusste, wie man sich mehr oder weniger vor ihnen verbergen konnte.
Die größere Sorge allerdings bereitete Lennox das Ding, was Cassidy ebenfalls folgte. Es war gefährlicher als die Signum Vigilare, selbst, wenn er nicht genau wusste was es war.

Nach ein paar Schritten über den Friedhof, die mehr oder weniger bezwungenen Männer hinter sich ignorierend, blieb Lennox stehen.
Er musste hier weg. Er musste sich in einen Traum stehlen. Fliehen.
Normalerweise würde ihn dies nicht so viel Energie oder Konzentration kosten. Nun allerdings zerrte es ihm zusätzlich an seiner Kraft.

Die Szene vor ihm verschwamm. Die Grabsteine schienen sich in Nebel aufzulösen und er fand sich auf einer hellen Wiese wieder.
Wo genau er nun steckte wusste Lennox nicht. Er wusste weder wessen Traum er betreten hatte, noch was die Gegend darstellen sollte. Es war ihm im Grunde auch egal.
Er wollte sich einfach nur ausruhen.

Er ging noch ein paar Schritte und wollte sich gerade im hohen Gras nieder lassen, als etwas seine Aufmerksamkeit erregte.
Im ersten Moment erschrocken, stellte er schnell fest, dass der braune Fleck am Horizont, der durchs Gras immer schneller auf ihn zu kam, nur ein Pferd war.
Vermutlich war er in den Traum einer Pferdenärrin geraten, dachte er sich.

Dann aber bemerkte er, dass das Pferd welches, bei ihm Halt machte und ihn mit großen Augen ansah, nicht das einzige andere Lebewesen in dem Traum war.

„Hallo!“
Lennox wirbelte herum und ihm stockte der Atem.
Die freundliche und ruhige Stimme, die ihn oder das Pferd gegrüßte hatte, gehörte zu einer Frau mit langem blonden Haar.
Sie kam ihm bekannt vor. Nur schien ihm im Moment nicht einfallen wollen, woher er sie kannte.
„Du solltest dich ausruhen!“ meinte sie.
Diesmal war er sich sicher, dass sie nicht mit dem Pferd redete, dass langsam umher trabte und seine Kreise um die beiden zog.

„Wieso bist du hier?“ kam nur im Flüsterton über Lennox´ Lippen und er starrte noch immer die blonde Frau vor sich an.
Sie schenkte ihm nur ein Lächeln.
„Wo sollte ich sonst sein?“ stellte sie als Gegenfrage und setze sich ins Gras.
Lennox lies seinen Blick erneut über die Graslandschaft schweifen, ehe er wieder auf die Frau hinab sah.
Sie sah ihn mit ihren grauen Augen freundlich an und wartete noch immer darauf, dass er ihr Gesellschaft leistete.
„Du brauchst keine Angst haben! Hier passiert dir nichts!“ versprach sie, „Hier bist du sicher!“
Lennox wusste noch immer nicht wie er reagieren sollte. Einerseits war er noch immer auf Flucht eingestellt, andererseits wollte er aber auch bleiben.
Bei ihr.

Und schlussendlich, wohl auch wegen seines geschwächten Zustandes, lies auch er sich im Gras nieder.
„Wieso bist du hier?“ wiederholte er leise seine Frage.
„Du bist lange genug weggelaufen!“ kam ebenfalls geflüstert als Antwort von ihr und sie legte einen Arm um sie, „Du musst dich ausruhen!“
„Ich muss sie beschützen!“ ging Lennox durch den Kopf. Aber die Worte verließen nicht seine Lippen.

Kurz schloss er die Augen, genoss die Freundlichkeit der Frau neben sich. Genoss, wie sie sanft über seine Haare, die seit dem Regen ungestylt und zerzaust waren, strich.
Er verlor sich in dem Traum, so schien es.
Etwas was er lange vergessen hatte oder einfach nur hatte vergessen wollen.

„Willkommen zu hause!“ flüsterte die Frau ihm ins Ohr.
Die Stimme klang allzu süß in seinen Ohren. Und obwohl er wohl schon einige Minuten oder vielleicht auch bereits eine Stunde in ihrer Umarmung im Gras saß, schien es so, als sei dies eine lang vergessene Erinnerung.

Wind kam auf. Nicht frisch aber warm.
Lennox konnte hören, wie das Pferd immer unruhiger wurde und davon rannte.
Im ersten Moment dachte er sich nichts dabei. Solange die Frau neben ihm ruhig blieb, konnte nichts schlimmes passiert sein.
Doch der Wind wurde immer wärmer und der Geruch von brennenden Holz und Papier umgab ihn.
Als er die Augen auf riss, konnte er sehen, wie die ganze Umgebung von Feuer verschlungen wurde.

Die blonde Frau löste sich von ihm, stand auf und sah auf ihn herab.
„Deine Träume sind höchst eigenwillig!“ meinte sie. Sie lies sich durch das heiße Feuer ringsum nicht beirren.
Sie achtete auch nicht darauf, wie die eigentliche helle Graslandschaft sich in ein brennendes Gebäude veränderte, in dem sie nun beide steckten.
„Du kannst nicht hier sein! So war das nicht!“ platzte es aus Lennox heraus und er mühte sich auf die Beine.
Obwohl er sich vor wenigen Sekunden noch ausgeruht fühlte, kehrte nun die Müdigkeit in seine Knochen zurück.
„Oh mein Junge!“ kam leicht sarkastisch von ihr, „Ich war immer hier!“
Lennox schüttelte nur den Kopf.
„Das hier ist nie passiert!“ schrie er.
„Du erinnerst dich vielleicht nicht mehr an alles,“ meinte sie nur und kam den einen Schritt, der sie beide trennte, auf ihn zu, „Aber merkwürdigerweise erinnerst du dich an ihr Gesicht!“

Lennox wollte weglaufen. Er wusste, dass er in eine Falle geraten war. Und innerlich schollt er sich für seine Dummheit.
Aber er schien gefangen von ihrem Aussehen.
Und sie war schnell.
„Du bist da, wo du sein solltest!“ Ihre Stimme klang nun weniger freundlich, „Willkommen zu hause!“
Dann spürte Lennox erneut einen brennenden Schmerz. Diesmal genau am Herzen.
Er hatte nicht mitbekommen, wie sie ihre Waffe genau an diese Stelle gehalten hatte. Wohl wissend, dass sie ihn damit am ehesten bezwingen konnte.
Noch während er zusammenbrach, fragte er sich, wie er hatte so dumm sein können. Wie konnte er ihr vertrauen? Wieso gehörte sie zu den Männer in Schwarz? Zu den Jägern?
Dann wurde es dunkel um ihn herum und er verlor das Bewusstsein.


Laramie hatte sein Glas geleert und hatte erneut zur Flasche gegriffen, als ein kratziges Geräusch zu hören war.
Ryker sah sich kurz um, konnte aber nicht wirklich die Geräuschquelle ausmachen.
Wieder war es zu hören, dann ein dumpfes Klicken und Rauschen.
„Was …?“
Laramie stellte Glas und Flasche wieder ab und ging zum Funkgerät hinüber.
Ryker beobachtete, wie der Mann an dem Gerät eine Taste betätigte und das Rauschen sich allmählich in eine dumpfe Stimme umwandelte.
So recht verstehen konnte Ryker die Stimme allerdings nicht.
Die Nachricht, wenn es denn eine war, war kurz und dauerte nur wenige Sekunden.
Danach verstummte das Funkgerät wieder.

Laramie holte tief Luft und es wirkte, als habe er gerade etwas erfahren, was ihn zutiefst beunruhigte.
Als er sich Ryker wieder zuwandt, sah er verbitterterer aus als zuvor.
Ohne ein weiteres Wort griff er zur Flasche und nahm einen großen Schluck.
Ryker wartete ungeduldig auf eine Erklärung.

„Sie haben den Jungen!“ kam nur über Laramie´s Lippen, ehe er sich einen zweiten Schluck aus der Flasche gönnte.
„Sie haben Chance?“
Ryker war aufgesprungen und wollte im Grunde sofort zur Tür hinaus und nach ihm suchen. Eigentlich war eh in der Absicht Anhaltspunkt über Chance Verbleib zu erfahren zu Laramie gekommen. Er hatte erwartet, dass der Mann ihm erklären könnte, was überhaupt vor sich ging. Warum so viele Menschen, die allen Anschein nach Traumwanderer waren, verschwanden und in manchen Fällen tot wiedergefunden wurden. Er hatte wissen wollen, wie er Cassidy vor eben diesem Schicksal behüten könnte.
Doch im Grunde hatte er auf all seine Fragen keine Antworten erhalten.
Er hatte lediglich erfahren, dass Cassidy in den Fängen der Signum Vigilare war und dass bereits seit vielen Jahren. Und dass er nichts dagegen unternehmen konnte. Und dass Cassidy noch etwas anderes hinter sich hatte, was ihr gefährlich werden konnte.

„Nein! Er ist im Moment noch sicher!“ Laramie sagte nichts dazu, dass Chance zwischen drin ebenfalls in einer Einrichtung gefangen gewesen und von dort geflohen war. Er nahm einfach an, dass Ryker dies selbst zusammen gereimt hatte.
„Was soll das heißen, im Moment? Wo steckt er denn?“ wollte Ryker wissen, „Und wen meinst du mit Jungen? Wen haben sie nun wieder gefangen?“
Abermals holte Laramie tief Luft, ehe er zur Antwort ansetzte.
„Chance ist zusammen mit Liam die Flucht gelungen. Wo genau sie im Moment gerade stecken, kann ich nicht sagen! Liam versteht es, seine Spuren zu verwischen und dank seiner Fähigkeit, weiß er meist über einen Angriff Bescheid, ehe er geschieht!“ erklärte Laramie und stellte die Flasche, deren alkoholische braune Flüssigkeit allmählich zur Neige gegangen war, wieder auf dem Tisch ab.
„Wen meintest du dann?“
„Lennox!“ Es klang wie ein bedauerndes Seufzen. So als habe Laramie gerade den Verlust seines Sohnes bekundet. Jedenfalls sah er so betroffen drein.
„Wieso?“ Ryker schien einerseits besorgt, andererseits verwirrt, „Wieso sollten sie ihn jetzt schnappen? Er hat doch keinen Zweck für sie!“
Nun war es an Laramie erstaunt auszusehen.
„Der Junge hat in den letzten Jahren nichts als Ärger gemacht. Hat einfach immer wieder versucht Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.“ schimpfte Ryker, „Er ...“
Bevor er noch weiter wettern konnte, unterbrach Laramie ihn.
„Der Junge ist nicht so schlimm, wie du glaubst!“ meinte er verteidigend, „Er war es, der Cassidy geholfen hat!“
Ryker sah ihn irritiert an.
„Mehr als einmal!“
Noch immer verstand Ryker rein gar nichts. Er kannte Lennox mehr als den Störenfried, der um Aufmerksamkeit zu erwecken ziemlichen Unsinn anstellen konnte. Von kleineren Diebstählen bis hin zu Schlägereien, war so einiges in der Polizeiakte des jungen Mannes vermerkt. Und dass er ein Traumwanderer war, was natürlich außer Ryker kein weiterer Polizist zu wissen schien, kam Lennox zugute. Zumindest war dies ein Grund, dass man ihn nie lange irgendwo halten konnte oder man ihn einfach nicht auffand.

„Wieso haben sie ihn sich jetzt geschnappt?“ wiederholte Ryker seine Frage, „Ich meine, er hat doch keinen wirklichen Nutzen für die SV!“
Laramie schüttelte nur den Kopf.
„Er ist ihnen dazwischen gekommen!“ meinte er dann und auf Ryker´s fragenden Blick hin, zeigte er nur auf das verstummte Funkgerät.
„Er hat Cassidy und ihren Freunden zur Flucht verholfen. Und nun steckt er selbst in der Patsche!“
Ryker überlegte kurz.

„Hattest du nicht gesagt, dass Cassidy nicht so einfach aus Peeker´s Fänge zu bekommen sei?“
Laramie nickte, nahm den letzten Schluck Alkohol aus der Flasche und atmete noch einmal tief durch, ehe er leise antwortete:
„Ich glaube nicht, dass Cassidy und ihre Freunde im Moment auch wirklich vor Peeker sicher sind! Oder ob ihr so richtig die Flucht gelungen ist!“
Er stellte die Flasche wieder ab und ging in Richtung Tür.
„Wir sollten sehen, ob wir sie vielleicht vor den SV finden!“ meinte er dann zu Ryker, „Oder ob wir vielleicht Chance finden!“
Ryker nickte zustimmend und folgte Laramie aus der Tür hinaus.


Liam war blass geworden. Blasser als zuvor.
Erschrocken sah er sich um.
„Was ist los?“ Chance wusste, dass er darauf keine Antwort erhalten würde. Liam hatte ihm mehrfach gesagt, er soll ihn nicht immer wieder nerven.
Doch Chance machte sich Sorgen.
Der Mann vor ihm wurde immer unruhiger.
„Vielleicht sollten wir noch mal eine Pause machen!“ schlug Chance daher vor.
Doch, obwohl Liam mit einem Male geschwächt schien, schüttelte er energisch den Kopf.
„Wir können jetzt keine Pause machen! Dann finden sie uns!“ presste er hervor.
„Ja, aber wenn du jetzt zusammenbrichst, finden sie uns auch!“ schimpfte Chance.
Er bemerkte wie Liam´s Beine nachgaben und packte den Mann am Arm, um ihn einigermaßen aufrecht zu halten.
Noch ehe Liam protestieren konnte, hatte Chance seinen Arm um den jungen Mann geworfen und drängte ihn in Richtung eines Motels, auf der anderen Straßenseite.
„Wenn wir da rein gehen, werden sie uns finden!“ keuchte Liam. Entweder er hatte bemerkt in welche Richtung Chance sie beide führte oder er hatte dessen Gedanken gelesen.
Chance war es egal.
„Hör zu! Wenn du hier draußen zusammenbrichst, ist die Gefahr noch viel größer, dass dich irgendwer findet, als wenn du da drin in einem Bett dich ausruhst!“ schimpfte Chance.
Um dem zu widersprechen war Liam zu schwach und musste zudem sich eingestehen, dass Chance recht hatte.

Chance schleifte ihn mehr oder weniger mit sich zur Rezeption. Der Blick der älteren Dame hinter dem Empfangstresen verriet, dass sie wohl öfters solch ein Pärchen sah.
„Wenn der mir das Zimmer voll kotzt, ...“ begann sie gleich, „... dann kostet das Extra!“
Dennoch reichte sie einen Zimmerschlüssel an Chance weiter.
Ihm war im Moment auch egal, welchen Eindruck er mit Liam im Schlepptau bei der Dame hinterließ. So wie sie die beiden musterte, war ihre Sorgen dass Liam ihr das Zimmer mit Erbrochenen versauen könnte geringer, als dass womöglich andere Sauereien in dem Zimmer veranstaltet werden würden.
Auch einige der Blicke, der Gäste auf dem Motelflur, verrieten ihre zweideutigen Gedanken.
Chance versuchte sie weitestgehend zu ignorieren.
Für Liam schien dies ein wenig schwieriger zu sein.
„Perverse!“ knurrte er, „Haben nur Sex im Kopf!“
Auch dies versuchte Chance zu ignorieren.

Er half Liam ins Zimmer.
Die Dame hatte ihnen doch glattweg ein Zimmer mit Doppelbett anstatt eines Zweibettzimmers gegeben. Chance schüttelte nur den Kopf.
Er setzte Liam auf dem Bett ab und ging sofort ins Badezimmer, wo er ein Becher Wasser holte.
„Hier!“ meinte er nur und reichte den Becher an Liam, der im ersten Moment nicht so recht wusste, was er damit anfangen sollte.
„Wieso stört es dich nicht, was die denken?“ fragte er dann schwach.
„Ich glaub, wir haben hier ein anderes Problem, als die dummen Fantasien der Leute da draußen!“ meinte Chance dazu und setzte sich auf den einzigen Stuhl im Raum, der dem Bett gegenüber stand.

„Du willst wissen, was los ist!“ seufzte Liam, nippte an dem Wasser und sah auf den grauen Teppichboden, so als würde dort die Antwort stehen.
Chance wartete. Und obwohl er es doch nicht aussprach, wusste er, dass Liam seine Ungeduld spüren konnte.


Als Lennox wieder zu sich kam, war weder etwas von der grünen, freundlichen Graslandschaft noch von dem brennenden Raum etwas zu sehen.
Alles was er um sich herum mitbekam, war Dunkelheit.
Man hatte ihn auf eine Metallbett geschnallt. Das Bett roch nach Rost und die Matratze unter ihm nach Urin.

„Oh, du bist endlich wach!“ drang eine Stimme an sein Ohr und Lennox verdrehte den Kopf nach der Stimme.
Es war als hätte man plötzlich das Licht eingeschaltet.
Doch das Licht war noch immer zu schwach, um den ganzen Raum auszuleuchten. Nicht dass es den Raum hätte freundlicher aussehen lassen.
Metallene, rostige Wände um ihn herum. Kein Fenster und die Tür wirkte, als habe man sie aus einem Tresor ausgebaut. Oder vielleicht steckte Lennox ja nun im Tresor?
Außer dem Bett war nichts in dem Raum, der fast schon eine runde Form hatte.

„Erinnerst du dich?“ wollte die Stimme wissen. Noch immer stand der Redner im Schatten.
Dennoch hatte Lennox ihn längst erkannt.
„Hättest renovieren können!“ entgegnete Lennox nur und tat als versuche er sich bequemer hinzulegen. Nur seine Fesseln an den Handgelenken und Fußknöchel sowie um seinen Bauch und die Brust ließen nicht viel Bewegung zu.
„Immer einen dummen Spruch auf den Lippen!“
Endlich trat der Mann aus dem Schatten und in Lennox´ Sichtfeld.
„Ich könnt ja sagen, willkommen zu hause! Aber den Spruch hast du bereits gehört!“
Lennox reagierte nicht auf den Spott in der Stimme seines Gegenübers.

Der Mann ging ein wenig auf und ab und stoppte dann.
„Es ist eigenartig, dass du so leicht darauf reingefallen bist!“ meinte er zu Lennox und grinste, „Wenn ich gewusst hätte, dass es so leichter gewesen wäre, um dich zu fangen oder aus dem Weg zu räumen ...“
Lennox sah ihn finster an.
„Du weißt, dass du hier nichts ausrichten kannst!“ antwortete der Mann auf Lennox´ Blick, „Dein kleines Zauberkunststück wirkt hier nicht!“

„Was willst du von mir, Peeker?“ presste Lennox genervt hervor. Er konnte sich die Antwort vorstellen, dennoch wollte er sie hören.
„Du weißt was ich will!“ bestätigte der Mann ihm, „Cassidy und Chance!“
„Seh ich so aus, als wüsste ich, wo die stecken?“ fragte ihn Lennox, „Ihr seit doch die großen Jäger!“
„Ich muss zugeben, dass ich beeindruckt war von deinem Versuch, Cassidy und ihre Freunde vor uns zu beschützen. Sinnlos, aber eindrucksvoll!“ lachte Doktor Peeker.
„Tja, und was soll ich nun hier?“ Lennox versuchte gelangweilt zu klingen.
„Du wirst uns helfen sie zu finden!“
„Wieso sollte ich?“
Doktor Peeker gab darauf keine Antwort.

Die Tür ging auf und herein kam Virgil, der Mann gegen den Lennox auf dem Friedhof gekämpft hatte.
Virgil schob einen kleinen Rollwagen vor sich her, der aussah, wie die kleinen Tischchen im OP auf denen immer das medizinische Besteck bereit lag.
Und auch auf seinem Tischchen lagen Utensilien die wirkten, als wolle Virgil sogleich eine Operation durchführen.
Er stellte den Wagen neben Lennox´ Bett ab, nahe genug, dass er auch jedes Instrument darauf klar und deutlich erkennen konnte.
Dann entledigte er sich seines Jackett und krempelte die Ärmel seines weißen Hemdes nach oben.
„Du kannst es einfach haben, ...“ begann Doktor Peeker, der wieder im Sichtfeld von Lennox aufgetaucht war, „... oder wir lassen Virgil hier seinen Spaß haben!“
Lennox schluckte. Und schwieg.
Er sah immer wieder zwischen Virgil, der sich auf ein wenig Spaß freute, und Doktor Peeker, der Lennox´ Antwort bereits zu kennen schien, hin und her.

Da Lennox keinerlei Reaktion auf die Drohung zeigte, nickte Doktor Peeker Virgil zu und trat dann einen Schritt zur Seite, um den Mann an seine Instrumente zu lassen.
Virgil lächelte, wobei sein Mund mehr dem eines aufgerissenen Maul eines Hais kurz vor seinem Angriff glich.
„Ich hatte schon länger nicht mehr das Vergnügen, jemanden zum Sprechen zu bringen!“ erklärte er und begann seine Utensilien zu inspizieren, so als müsse er herausfinden, mit welchen er starten wolle.
„Oder um jemanden zu zeigen, wo er wirklich hingehört!“
Lennox starrte ihn mit großen Augen an. Und obwohl er es nicht zeigen wollte, konnte man ihm seine Angst, vor dem was nun passieren sollte, ansehen.

Er riss sich von Virgil und seinen Werkzeugen los und fragte Doktor Peeker mit Wut in der Stimme, wozu er das alles mache.
„Was mache?“ wollte Doktor Peeker genauer wissen, „Die Traumwanderer einfangen? Oder zusehen, wie Virgil dir Manieren beibringt?“
Lennox versuchte nicht daran zu denken, wie Virgil ihm Manieren beibringen wollte.
„Wieso Cassidy?“
„Oh!“ Doktor Peeker tat als sei er überrascht über diese Frage, „Wieso fragst du nach ihr?“
„Was ist an ihr so besonders? ...“
„Eifersüchtig?“ Doktor Peeker schien belustigt. Und auch Virgil konnte sich ein süffisantes Grinsen nicht verkneifen.
Noch immer suchte er nach dem Instrument, mit dem er starten wollte. Zudem wartete er auch noch auf das Zeichen des Doktors, dass er endlich beginnen durfte.

Doktor Peeker trat wieder näher heran und beugte sich zu Lennox hinunter.
„Es geht dich nichts an, was ich mit ihr oder den anderen Traumwanderern vorhabe!“ erklärte er, „Du solltest dir lieber Gedanken um dich machen!“
Damit richtete er sich wieder auf und trat zurück, um Virgil wieder Platz zu machen.
Er nickte Virgil zu, der erfreut zurück nickte.

Mit einem Skalpell in der Hand kam er auf Lennox zu und setzte es ohne große Worte an Lennox´ linken Unterarm an.
Lennox biss die Zähne zusammen. Er wusste, was nun passieren würde. Und er wusste, dass er nichts dagegen ausrichten konnte.
Virgil presste die Klinge tiefer und zog sie schnell durch das Fleisch. Er freute sich über das schmerzverzerrte Gesicht Lennox´ und über die knapp zehn Zentimeter lange Wunde, die er dem jungen Mann verpasst hatte.

„Du wirst deine Lektion schon wieder erlernen!“ meinte Doktor Peeker amüsiert, „Früher oder später wirst du betteln uns bei der Suche zu helfen!“
Wieder setzte Virgil an und wiederholte die Prozedur am anderen Arm.
Und wieder biss Lennox die Zähne zusammen und versuchte den Schmerz nicht zu zeigen.
Er versuchte zu ignorieren, dass er nun dank Virgil recht schnell ausbluten würde.
Er konnte nichts machen, außer da liegen und es über sich ergehen lassen.


Liam war umgekippt. Dank Chance war er nach hinten aufs Bett gefallen.
Er atmete immer schwerer und biss krampfhaft die Zähne zusammen.
Chance hatte keine Ahnung was er tun sollte.
„Verdammt, was ist los?“ wollte er wissen.
Tränen liefen Liam übers Gesicht und er schien starke Schmerzen zu haben.
„Wie soll ich dir helfen?“
Plötzlich fing Liam an zu schreien. Ein Schmerzensschrei der Chance regelrecht zusammenfahren lies.
Er konnte sich vorstellen, wie es für die anderen Motelbewohner klingen mochte.
Er ging im Raum auf und ab. In Panik. In Hilflosigkeit.

Wieder schrie Liam ohne Grund auf.
Niemand war in seiner Nähe und nichts schien seine Schmerzen zu verursachen. Jedenfalls nichts was Chance sehen konnte.
Es machte ihm Angst.

Jemand klopfte an die Zimmerwand und dummes Geschrei, dass man doch endlich Ruhe geben sollte, war zu hören.
Ansonsten zeigte niemand Interesse an Liam´s Qual. Bisher.
Chance lief ins Badezimmer. Er wusste nicht, ob er versuchen sollte Liam einfach nur einen Becher kaltes Wasser ins Gesicht zu schütten um ihn somit aus seinen offensichtlichen Alptraum zu wecken. Nur Liam schlief nicht. Oder?
Dann aber viel sein Blick auf das dicke Handtuch.
Chance riss das Handtuch vom Haken und rannte zurück zu Liam ans Bett.

Wieder schrie Liam aus vollem Hals und hielt sich die linke Hand.
Chance konnte noch immer nicht erkennen, was die Schmerzen verursachten.
Hilfe suchend sah Liam zu ihm. Die Tränen waren längst nicht mehr zu stoppen und Chance füllte sich hilfloser denn je.
„Scheiße!“ murmelte er nur und nahm das Handtuch und hielt es Liam hin.
Der verstand nicht was er damit sollte.
„Beiß drauf!“ knurrte Chance und klang verärgerter, als er vorhatte, „Wenn du so rumschreist, kommt noch jemand hier rein!“
Liam tat wie geheißen und sein nächster Schrei kam nur noch gedämpft hervor.

Was auch immer die Schmerzen verursachte, es schien sich nicht auf eine Stelle zu beschränken. Immer wieder hielt sich Liam eine andere Stelle fest.
Nach einer Weile verstummte er und lag müde da.
Chance sah ihn mit großen Augen an.
Allen Anschein nach hatte, was auch immer das gerade gewesen war, Liam bewusstlos werden lassen.
Chance prüfte sicherheitshalber, dass die plötzliche Stille nicht bedeutete, dass Liam sich gerade die Seele aus dem Leib geschrien hatte.
Beruhigt stellte er fest, dass Liam noch atmete.
„Was soll der Scheiß?“ wollte er verwirrt wissen.
Irgendwie hatte ihm, dass was er soeben hatte mit ansehen müssen, noch mehr Angst gemacht, als seine seltsame Entführung.
Noch immer verstand er nicht, was hier wirklich vor sich ging. Und vor allem, wusste er, dass obwohl er über seine Entführung noch selbst geschrieben hatte, nichts von dem, was so eben geschehen war, so in seinem Roman vorgesehen war.

Hilflos sah er sich erneut im Raum um.
Er musste irgendjemanden anrufen. Irgendwer musste doch eine Antwort wissen.
Er griff nach dem Zimmertelefon und wählte.
Nikita LaChance
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Re: AT: if dream come true (Version 2)

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 9. Sep 2011, 07:58

Kapitel XV – die Frau im Feuer

Das Erste, was Lennox bemerkte, als er wieder zu sich kam, war, dass er noch immer auf dem Bett gefesselt war. Noch immer in dem metallenen Raum.
Virgil noch immer teuflisch grinsend neben ihm. Bereit seine Folter fortzusetzen.

„Es gibt da etwas, was ich mich schon eine Weile frage!“ begann Virgil und suchte mit den Augen Lennox´ Körper ab, nach dem nächsten Punkt, wo er das kleine Messer, welches er in der Hand hielt, hinein treiben konnte.
Lennox fühlte sich ein klein wenig schlaftrunken. Oder zumindest noch vollends bei Sinnen, um ihn irgendetwas zu entgegnen.
Er brauchte auch einen Moment um zu begreifen, dass all die Wunden, die Virgil ihn noch kurz zuvor zugefügt hatte, wieder verschwunden waren. Selbst Lennox´ Kleidung war wieder heil und zeigte keinerlei Anzeichen der Folter.
„Ich frage mich, ob er es auch spürt!“ meinte Virgil und stieß sein Messer in die linke Schulter von Lennox.

Der Schmerz lies ihn vollends aufwachen und aufschreien.
Virgil grinste nur.
„Vermutlich, schreit er genauso wie du jetzt!“
Lennox hatte nicht mehr die Kraft die Schmerzen, die ihn nun erneut erwarteten, zu ignorieren.
Und Virgil begann sein Spiel von neuem.

Er ging systematisch seine ganzen Instrumente durch und schnitt, stach oder brannte damit Lennox in die Haut.
Und nach einer Weile fiel Lennox wieder in die Bewusstlosigkeit.
Und wieder erwachte er unverletzt.


Laramie wusste nicht, wo sie suchen sollten. Dennoch war er mit Ryker in dessen Wagen losgefahren.
Er wusste, dass er nichts unversucht lassen sollte, Cassidy oder Chance zu finden.
Er fragte sich schon seit einer Weile, was genau das Ziel von Doktor Peeker war. Wozu er nach den Traumwanderern überhaupt suchte.

Ryker warf Laramie gelegentlich einen Seitenblick zu, so als erwarte er, dass der Mann neben ihm endlich sagen würde, wohin sie fahren sollten.
Zum anderen war Ryker ein klein wenig überrascht, dass Laramie nachdem er die Flasche Whiskey fast im Alleingang ausgetrunken hatte, noch klaren Verstandes war. Aber vermutlich lag dies auch daran, dass sie ja nicht in der realen Welt gewesen waren. So genau konnte er es selbst nicht sagen.

„Wie viel weiß sie?“
Laramie´s plötzliche Frage, mit der er die Stille im Wagen unterbrach, ließ Ryker kurz aufschrecken.
„Cassidy, wie viel weiß sie?“ wiederholte er.
„Was genau?“ stellte Ryker als Gegenfrage. Es gab vermutlich einiges, was das Mädchen nicht wusste und einiges, was sie vermutlich nicht wissen sollte.
„Weiß sie, was damals passiert ist?“
Ryker seufzte kurz.
„Du solltest deine Frage vielleicht präzisieren!“
Laramie musterte Ryker kurz, so als verstünde er nicht, was dieser meinte.

„Zum Beispiel, was mit ihren Eltern passiert ist! Weiß sie es?“
Ryker dachte kurz nach.
„Sie weiß lediglich, wie sie gestorben sind!“ gab er dann zur Antwort. Dies war noch nicht einmal gelogen.
Er selbst hatte erst den Moore´s, die Familie, die Cassidy aufgenommen hatte, und dann Cassidy Jahre später die Geschichte erzählt. Oder zumindest einen Teil davon.
Es gab einiges, was er hatte ihnen nicht erzählen können oder besser gesagt hatte erzählen wollen.

„Sie weiß also im Grunde nichts darüber!“ kam etwas mürrisch von Laramie.
„Wozu sollte sie?“ wollte Ryker wissen und versuchte sich auf den Verkehr vor sich zu konzentrieren.
Laramie schien noch nicht einmal mitbekommen zu haben, dass sie bereits wieder in die reale Welt gewechselt hatten und nun auf dem Highway immer weiter in Richtung Norden fuhren. Wenn sie immer weiter fuhren, würden sie in Tagen auf die Grenze Kanada´s stoßen.
Warum Ryker genau diese Richtung eingeschlagen hatte, wusste er selbst nicht. Er hatte lediglich so ein Gefühl, dass er auf dem richtigen Weg sei und da Laramie bisher keine Einwände oder dergleichen geäußert hatte, fuhr er einfach immer weiter.

Laramie ließ Ryker´s Frage unbeantwortet. Der alte Mann schien mit seinen Gedanken längst wieder woanders zu sein.
„Sie stecken ganz schön in Schwierigkeiten!“ seufzte er nur vor sich hin.
„Wäre schön, wenn ich endlich mal den Grund dafür erfahren könnte!“ knurrte Ryker daraufhin nur.
„Peeker sucht nach etwas bestimmten und er hofft, dass entweder Chance oder Cassidy ihm dabei helfen könnten!“ gab Laramie zu verstehen.
Ryker schüttelte nur den Kopf über diese unklare Auskunft. So langsam zweifelte er erneut, ob ihm der andere überhaupt eine Hilfe sein könnte.

„Wenn Cassidy genau wüsste, was damals passiert ist ...“ murmelte Laramie vor sich hin, „..., dann wüsste sie vielleicht was hier passiert!“


Noch immer saß ihnen der Schrecken in den Gliedern. Sie hatten keine Ahnung wovor sie gerade eben geflohen waren.
Felice saß stumm neben Cassidy und hatte sich deren Hand gegriffen und hielt sie fest, so als wolle sie sicher gehen, dass ihre Freundin nicht noch einmal verschwand.
Ryan steuerte mit mürrischen Blick den Wagen durch die Straßen. Er versuchte noch immer zu verstehen, was überhaupt vor sich ging.
Und Cassidy? Sie saß zwischen ihren beiden Freunden und schwieg.
Sie wusste, was sie gerade angegriffen hatte. Seit Jahren hatte sie da Ding immer wieder gesehen. Allerdings schien es mit den Jahren immer mehr Macht gewonnen zu haben.
Ob es etwas mit Doktor Peeker zu tun hatte, überlegte sie sich.

Ryan´s Handy klingelte und alle drei zuckten erschrocken zusammen.
Mit einer Hand versuchte Ryan das Handy aus der Tasche zu bekommen und gleichzeitig auf den Verkehr vor sich zu achten.
Er hatte zwar längst die Orientierung verloren, dennoch wollte er nicht irgendwo anhalten. Noch immer befürchtete er, dass sie entweder das Schattenwesen oder die schwarzen Männer einholen könnten.

Er warf einen kurzen Blick aufs Display. Die Nummer darauf kannte er nicht.
Und obwohl er meist solche unbekannten Anrufe ignorierte, ging er ran.
„Ja?“
Der Teilnehmer am anderen Ende schien verwirrt zu sein und reagierte nicht sofort.
„Verdammt noch mal! Ich hab keine Zeit für so´n Scheiß!“ schimpfte Ryan ins Handy.
„Ryan? Ich bin´s!“

Ryan verstummte und warf den beiden Mädchen neben sich einen besorgten Blick zu.
„Wo steckst du?“ wollte er dann wissen, wobei er schon fast ins Handy flüsterte.
Es dauerte einen Moment, ehe eine Antwort kam.
„Ehrlich gesagt hab ich keine Ahnung!“
Ryan rollte mit den Augen.
„Was für´n Mist läuft eigentlich ab?“ wollte er von dem anderen wissen.

Cassidy und Felice sahen Ryan neugierig an.
„Wer ist das?“ konnte Cassidy Felice fragen hören.
Cassidy hatte so eine Ahnung, sagte aber nichts dazu.

„Ich versteh nicht, was hier los ist!“ begann Ryan und wurde wieder lauter beim Sprechen. Hätte er nicht gerade das Mobiltelefon in der einen und das Lenkrad in der anderen Hand, hätte er vermutlich gerade mit beiden Händen wild in der Luft herum gewedelt.
„Erst verschwindest du spurlos und die Cops suchen einfach nicht nach dir ...“
Felice holte tief Luft, so als sei dies etwas, was sie bisher nicht gewusst hatte. Aber Ryan ignorierte sie und schimpfte weiter.
„Dann verschwindet plötzlich Cassidy ...“
„Was?“ Ein lauter Aufschrei am anderen Ende, „Was heißt das, sie ist verschwunden? Wo ist sie?“
Am anderen Ende wurde laut geflucht.
„Scheiße! Halt endlich mal die Klappe! Sie ist hier! Bei mir! Und Felice!“ schrie Ryan ins Handy.
„Wo war sie? Was ist überhaupt los?“
„Ich hab keine Ahnung, wo sie war!“ brummte Ryan, „Ich hatte gehofft, dass du mir vielleicht erklären kannst, was los ist!“

Cassidy sah auf den Ordner, den sie noch immer auf ihrem Schoß liegen hatte.
Zwar wusste sie nicht, was genau passiert war oder warum. Aber sie hoffte, die Antworten darauf in den Aufzeichnungen ihres Bruders zu finden.

„Ich versteh selbst nicht was los ist!“ gab die Stimme am anderen Ende zu, „Hör zu, ihr müsst vorsichtig sein!“
„Das brauchst du mir nicht zweimal sagen!“ murrte Ryan wieder etwas ruhiger, „Wir wurden bereits zwei Mal angegriffen!“
„Was?“
„Irgendwelche Typen in Schwarz. Sie wollten, glaube ich, irgendwas von Cassidy. Und dann war da noch irgendein komisches schwarzes Ding, das uns bei euch zu hause angegriffen hat!“ erklärte Ryan.
„Mist!“
Ryan wartete noch immer darauf, dass er endlich erfuhr, wo der andere steckte.
Dann war eine andere Stimme im Hintergrund zu hören und das Telefonat brach ab.

„Verdammte Scheiße!“ schrie Ryan erneut laut auf.
Er warf sein Handy aufs Armaturenbrett und griff mit beiden Händen das Lenkrad so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

„War das Chance?“ kam geflüstert von Felice, die Ryan noch immer mit großen Augen ansah.
„Ja!“ knurrte Ryan nur, ohne zu ihr zu sehen.
„Er steckt in Schwierigkeiten, oder?“ Es klang weniger nach einer Frage von Cassidy als vielmehr nach einer Feststellung.
Ryan brauchte ihr darauf keine Antwort geben. Genauso wenig brauchte er den beiden Mädchen erklären, dass sie selbst in großen Schwierigkeiten steckten.

„Wohin jetzt?“ wollte er statt dessen wissen.
„Wir müssen zu Brisby!“ kam leise von Cassidy.
„Und wo steckt er oder sie?“ Ryan wusste noch immer nicht genau, was er von Brisby halten sollte.
Cassidy antwortete nicht darauf.
Ryan warf ihr kurz einen irritierten Blick zu und bemerkte, wie sie sich auf irgendetwas konzentrierte.

Felice riss die Augen weit auf und starrte gerade aus.
„Wie …?“
„Einfach weiter gerade aus!“ gab endlich Cassidy zu verstehen und zeigte nach vorn auf die Straße.
Nur das anstatt der Straße nun vielmehr ein Waldweg vor ihnen war.
„Wo sind wir jetzt gelandet?“ wollte Ryan verwundert wissen und mühte sich ab, den Wagen auf dem unebenen Weg ruhig zu halten.
„Hier werden wir sie finden!“


Es gab Dinge, an die er sich niemals erinnern wollte und Dinge, an die er sich nicht mehr erinnern konnte. Zu verborgen in seinem Hirn.
Doch manchmal träumte er davon.
Von den Dingen, die er niemals wieder sehen wollte.

Lennox wusste nicht, ob dies nicht sogar ein Teil der Folter Virgil´s war oder ob sein Geist ihm nur lediglich einen Streich spielen wollte.
Vielleicht aber erinnerte er sich gerade jetzt an das was vor vielen Jahren passiert war, weil er die blonde Frau getroffen hatte. Die, die ihn in die Falle gelockt hatte.

Sie hatte ihr so ähnlich gesehen.
So wie seine Mutter ausgesehen hatte.
Blondes Haar und dunkle Augen.

Seine letzte Erinnerung an seine Mutter war zeitgleich auch der Beginn des Albtraums, in dem er sich nun wieder fand.
Seine Mutter hatte ihn und seinen Bruder mit in die Stadt genommen. Sie hatte ihnen einen schönen Ausflug versprochen.
Ihr erster Halt sollte die Bibliothek sein, wo sich die beiden Jungen jeder ein Buch suchen sollten, während sie selbst nach einem Buch für sich suchte. Danach wollten sie in den großen Park, Eis essen und vielleicht auch noch zu dem großen Spielplatz.
In den letzten Tagen hatten sie wenig Zeit für Ausflüge gehabt und ihre Mutter schien immer in großer Sorge um die beiden Jungen zu sein.

Diesen einen Tag hatte sie keine schlechten Vorahnungen gehabt. Oder schlechte Träume.
An diesem Morgen war sie aufgewacht und war zum ersten Mal seit langem ruhig und freute sich auf den Tag mit ihren Kindern.

Sie lies die beiden Jungen, kaum dass sie die Bibliothek betreten hatten, los stürmen, um sich ihr Buch zu suchen.

Lennox war als erster los gerannt und hatte sehr schnell seinen Bruder abgehängt.
Er erreichte die Kinderabteilung und begann bereits die Buchtitel zu studieren, als sein Bruder endlich ankam und es ihm gleich tat.
Und wenig später saßen sie in der Ecke, jeder mit einem Buch in den Händen und diskutierten, welches Buch das bessere sei.

Was danach genau passierte, hatte Lennox nie verstanden.
Er und sein Bruder hatten gerade eben noch über ihre Bücher gestritten, als sie das Feuer bemerkten.
Und noch ehe sie es sich versahen, steckten sie mitten drin, so als habe man einen Kreis aus Feuer um sie herum gezogen.
Lennox war für einen Moment starr vor Angst, während sein Bruder lauthals nach der Mutter schrie.

Doch die Rufe schienen in dem knisternden Feuer und den panischen Schreien der anderen Bibliotheksbesucher unterzugehen.
„Ich will zu meiner Mom!“ winselte sein Bruder, während Lennox allmählich aus seiner Starre erwachte und nach einem Weg durchs Feuer suchte.
Aber es gab keinen Weg nach draußen.

Dann tauchten zwei schwarz gekleidete Männer auf und schritten ohne weiteres durch das Feuer auf die beiden Jungen zu.
„Nein!“ schrie Lennox´ Bruder auf und zerrte ihn mit sich von den Männern weg.
Lennox verstand nicht, warum sein Bruder soviel Angst vor den Männern hatte. Allerdings machten die beiden auch nicht den freundlichsten Eindruck auf ihn.

„Lasst sie in Ruhe!“
Beide Jungen fuhren zusammen und wirbelten herum. Und auch die beiden Männer schienen überrascht, dass noch jemand Interesse an den beiden Kindern zeigte.
Eine Frau, die jünger als ihre Mutter war, durchschritt ebenfalls das Feuer und kam auf die Jungen zu.
Im Gegensatz zu den Männern erschien sie nicht gruselig, obwohl auch ihr das Feuer nichts anhaben konnte.

„Du solltest dich hier nicht einmischen, Vance!“ schimpfte einer der Männer die Frau an.
Die Frau aber lies sich von den beiden nicht abschrecken.
Sie legte ihre Hand auf die Schulter der beiden Jungen und noch ehe die beiden Männer nach ihnen greifen konnten, verschwanden sie.

Lennox und sein Bruder waren erschrocken und verwirrt zugleich.
Sie konnten mit ansehen, wie sich die brennende Bibliothek vor ihnen auflöste und sie sich wenig später in einer fremden Wohnung wiederfanden.
„Ich will nach hause!“ jammerte Lennox´ Bruder mit Tränen in den Augen.
„Später!“ antwortete die fremde Frau nur und lies die beiden Jungs wieder los.
„Aber was ist mit Mom?“ wollte Lennox wissen und tat einen Schritt auf die Frau zu. Nur kam er nicht sehr weit, da ihn sein Bruder fest hielt.
„Ich werd sie zu euch bringen!“ bekam er zur Antwort.
Die fremde Frau lächelte freundlich.

Doch wieder änderte sich alles um sie herum.
Es geschah zu schnell und selbst die Frau schien überrascht.
„Du musst es einen auch immer schwer machen!“ hörten die drei eine dunkle Männerstimme sprechen und sie fanden sich plötzlich in einem weißen Raum wieder.
„Ardem, was soll das hier?“ wollte die Frau wissen und sah sich nach der Stimme um.
Wie aus dem Nichts erschien ein dunkel gekleideter Mann mit zurückgegeltem Haar und wenig später noch ein zweiter.
Der erste sah finster zwischen der Frau und den beiden Jungen hin und her, während der andere ein klein wenig belustigt aussah.

„Du solltest wissen, auf welcher Seite du stehst, Vance!“ meinte der zweite Mann und trat näher auf die Jungen zu.
„Lass sie in Ruhe!“ schrie die Frau auf und wollte die beiden Jungen packen. Doch der Mann mit dem zurückgegelten Haar war schneller und hatte die beiden Kinder zuerst gegriffen.

Lennox und sein Bruder wurden weggebracht, wenn man es so nennen konnte. Denn eigentlich änderte sich nur die Umgebung, während sie und der Mann mit dem zurückgegelten Haar an Ort und Stelle stehen blieben.
„Ihr seid jetzt hier zu hause!“ erklärte der Mann und wies um sich.
Der Raum, in dem sie nun steckten, schien eine Art Tresor zu sein.
Rund und mit Wänden aus Metall.

„Wir wollen nach hause!“ schimpfte Lennox laut und versuchte den Mann vor sich zu treten. „Zu unserer Mom!“
„Du solltest sie schnellstmöglich vergessen! Denn du wirst sie nie wieder sehen!“ lachte der Mann nur und verschwand wieder.

Es verging einige Zeit ehe der Mann in Begleitung von zwei weiteren wiederkam.
„Es wird Zeit für den Unterricht!“ meinte er nur und lies Lennox´ Bruder wegbringen.
Lennox versuchte seinem Bruder zu helfen, konnte aber rein gar nichts ausrichten.

„Mein Name ist Virgil!“ stellte sich der Mann vor, kaum dass er mit Lennox allein war.
Lennox schwieg.
„Du und dein Bruder, ihr seit etwas besonderes!“
„Wo ist er?“ wollte Lennox nur wissen. Er versuchte dem Mann nicht zu zeigen, dass er Angst hatte.
„Ich glaube, er ist leichter zu brechen als du, oder?“ Virgil musterte den Jungen vor sich und grinste.
„Was?“ Lennox wusste nicht, was der Mann damit meinte, aber es hörte sich nicht sehr gut an.
„Ihr werdet uns beide noch von Nutzen sein!“ meinte Virgil und wollte Lennox eine Hand auf die Schulter legen.
Doch der wich aus und die Hand ging ins Leere.

Virgil lächelte erneut. Doch diesmal noch finsterer. Und ehe es Lennox mitbekam, hatte der Mann ihn mit irgendeiner merkwürdigen Waffe getroffen.
Vor Schmerzen wand sich der Junge am Boden und schrie.
Doch es waren nicht nur seine Schreie, die er hörte. Ganz in der Nähe schrie noch jemand.
„Hörst du das?“ wollte Virgil wissen, „Dein Bruder spürt die Schmerzen ebenfalls!“
Lennox hatte es nie wirklich verstanden, wenn seine Mutter davon gesprochen hatte, dass er und sein Bruder besonders miteinander verbunden seien.
„Zwillinge!“ flüsterte Virgil, „Sind schon was besonderes!“


Als Lennox erneut aufwachte, wobei er längst nicht mehr wusste, zum wievielten Male es war, erinnerte er sich ganz deutlich an das erste Treffen mit Virgil. An die erste Folter von vielen.
Und er erinnerte sich nun auch wieder an seine Mutter, die er seit über vierundzwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte.
An die blonde Frau, die immer Angst um ihre beiden besonderen Jungen hatte.
Und er erinnerte sich an das Feuer in der Bibliothek und an die Frau, die ihn und seinen Bruder hatte beschützen wollen.

„Und bist du nun bereit uns endlich zu helfen?“ wollte Virgil wissen und trat wieder näher heran.
Lennox sah ihn müde an, gab aber keine Antwort.
„Du weißt, dass du es nicht nur für dich unerträglich machst!“ meinte Virgil.
Lennox wusste es. Konnte daran aber nichts ändern.
„Zu schade, dass dein Bruder nicht hier ist und mit ansehen kann, was ich mit dir anstelle!“ lachte Virgil und trieb sein Messer wieder irgendwo in den Körper vor sich, „Aber ich glaube, er spürt es!“

Und nach einer Weile driftete Lennox erneut in die Dunkelheit seiner Alpträume.
Träumte wieder von seiner Mutter und dem Feuer.
Und er wusste, wenn er wieder aufwachte, würde es wieder von neuem beginnen.
Solange, bis er endlich aufgab und tat, was man von ihm verlangte.
Wieder!
Nikita LaChance
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Re: AT: if dream come true (Version 2)

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 23. Sep 2011, 08:15

Kapitel XVI – Brisby

Ryan murrte vor sich hin. Nicht nur, dass er einige Schwierigkeiten hatte, den Wagen auf dem holprigen Waldweg ruhig zu halten, so überforderte der ständige Ortswechsel ihn.
Auch Felice konnte sich nicht damit anfreunden, dass sie so auf unnatürliche Weise herumreisten.
Irgendwie schien einzig Cassidy nichts ungewöhnliches an dem ganzen Geschehnissen zu finden.

„Wie ist das überhaupt möglich?“ wollte Felice wissen und versuchte irgendetwas genaueres aus dem Grün, welches rechts und links an dem Wagen vorbeizog, zu erkennen.
„Stell es dir einfach wie einen Traum vor!“ seufzte Cassidy nur und rieb sich die Schläfe. Allmählich bekam sie Kopfschmerzen. Sie wusste nur nicht, ob es von dem Stress kam, dem sie und ihre beiden Freunde eindeutig ausgesetzt waren, oder durch Müdigkeit. Allerdings, konnte man in einem Traum auch müde werden?

„Das hier ist eher ein endloser Albtraum!“ gab Ryan von sich und warf nur einen kurzen Blick neben sich zu den beiden Mädchen.
Er hätte nie daran geglaubt, in welch kurioses Abenteuer er geraten würde. Und dass kurz nach Weihnachten, wo er eigentlich mit seiner Familie und seinen Freunden feiern wollte.
Nur, dass nun einer seiner besten Freunde verschwunden war und er mit seinen anderen zwei Freunden auf der Suche nach ihm war.

„Was ist das da vorn?“ Felice starrte angestrengt gerade aus.
„Nur ein Hirsch!“ kam von Ryan.
Cassidy sagte nichts dazu.
Vor dem Wagen trottete ein weißer Hirsch über den Weg, blieb kurz stehen und sah in die Richtung des Wagen.
„Ich hab noch nie einen Hirsch gesehen!“ gab Felice erstaunt zu.
„Und ich noch nie einen weißen Hirsch mit einem leuchtenden Geweih!“ meinte Ryan nur.
Der Hirsch ging noch einige Schritte weiter, so als wolle er den Weg für das Auto frei machen und blieb dann am Wegrand erneut stehen. Dabei lies er den Wagen nicht aus den Augen.

„Eigenartig!“ flüsterte Felice, als sie an dem Hirsch vorbeizogen.
„Ist nichts besonderes hier!“ kam kaum hörbar von Cassidy.
Obwohl sie damit recht hatte, da im Traum so gut wie alles vorkommen konnte oder möglich war, hatte auch sie noch nie einen Hirsch mit einem leuchtenden Geweih gesehen. Und vor allem keinen, der einen so musternd ansah.
Kaum war der Wagen an dem ungewöhnlichen Tier vorbei gezogen, löste es sich in Luft auf.
Felice, die dies bemerkt hatte, warf sofort einen irritierten Blick auf ihre Freundin.
„Ich war´s nicht!“ meinte Cassidy nur.

„Wie weit noch?“ wollte Ryan wissen, der das Auftauchen und Verschwinden des Hirsches zu ignorieren versuchte.
Doch ehe Cassidy ihm antworten konnte, tauchte vor dem Wagen eine kleine Waldhütte auf.
Sie war vollkommen mit Moos bedeckt und wirkte, als sei sie vor Jahrzehnten schon aufgegeben worden.
„Wir sind da!“ meinte Cassidy nur und wirkte mit einem Male erleichtert.


Vor ihrem Wagen bildete sich ein Stau und Ryker fluchte innerlich.
Er wusste nicht, warum er eigentlich wieder in die reale Welt gewechselt war, wenn es doch viel unkomplizierte war, in der Traumwelt zu reisen.
Laramie schien seine Unruhe zu spüren, denn er meinte sogleich, dass sie zumindest in dieser Welt sicherer wären.
„Wieso?“
„Weil Peeker nicht nur nach Cassidy und ihrem Bruder sucht! Jetzt da er weiß, dass wir uns einmischen ...“ versuchte Laramie zu erklären, doch Ryker fiel ihm sofort ins Wort.
„Woher weiß er, dass wir uns einmischen?“
Laramie starrte den Mann neben sich an, so als verstünde er die Frage nicht.
„Was glaubst du?“ wollte er wissen, „Denkst du er weiß nicht, was hier vor sich geht?“
Ryker wusste nicht, was Laramie meinte.
„Peeker hat die Kontrolle schon seit einer Weile über diese Welt übernommen. Er hat nicht nur seine … Agenten da draußen, die für ihn nach Traumwanderern suchen!“ Laramie war wenig begeistert, seinem Freund alles erklären zu müssen.
„Peeker hat dich seit Jahren auf seiner Liste. Er weiß auch, dass du mit Chance und Cassidy befreundet bist!“
Ryker sah Laramie mit großen Augen an. Er war bis jetzt noch nicht einmal auf den Gedanken gekommen, dass selbst er unter Beobachtung der Signum Vigilare stehen könnte.
„Und nun, ...“ erklärte Laramie etwas ruhiger, „weiß er auch, dass ich mitmische!“

Schweigen brach erneut zwischen den beiden Männern aus.
Ringsum sie herum auf der Straße war von Ruhe nichts zu spüren. Im Gegenteil, ein Hupkonzert schien stattzufinden. All die anderen Autofahren, gefangen im Stau, verloren allmählich ihre Geduld.

„Wieso sollte es Peeker interessieren, wenn du dich einmischt?“ platzte es aus Ryker heraus.
„Weil ich selbst, einmal für ihn gearbeitet habe!“
Ryker kannte Laramie schon seit langem. Nur in den vielen Jahren hatte Laramie nie zugegeben in Peeker´s Diensten gewesen zu sein.
„Ich war selbst einer dieser SV!“ Laramie rollte mit den Augen, so als würde ihn schon die Erwähnung der Männer in Schwarz nerven. „Und Peeker war da schon der Chef!“
„Wieso hast du aufgehört?“ interessierte Ryker.
„Weil damals so einiges passiert ist, was hätte nicht sein sollen!“ murrte Laramie nur und blickte finster auf die überfüllte Straße vor sich.
„Das was mit Cassidy und ihren Eltern passiert war, war noch längst nicht alles! Peeker hat schon weitaus schlimmeres angeordnet!“

Ryker überlegte kurz.
Er wusste was mit Cassidy´s Eltern passiert war. Wie sie gestorben waren.
Und er wusste noch so einige andere Dinge, die davor und danach geschehen waren. Nur konnte er sich nicht vorstellen, was genau Laramie meinte.

„Wieso sind Cassidy´s Eltern gestorben?“ Die Frage brannte ihm schon länger auf der Seele.
„Weil sie sich eingemischt hatten!“
Laramie schien nicht weiter darauf eingehen zu wollen und Ryker war hin und her gerissen, noch mehr zu erfahren oder es vorerst bei dieser Antwort zu belassen.
Nur der Stau vor ihm und die Tatsache, dass er im Moment weder in die andere Welt wechseln konnte noch wollte, boten ihm keine Abwechslung und so wollte er mehr wissen.

„Die Zwillinge Liam und Lennox! Du weißt wie sie verschwunden waren?“ fragte Laramie, „Wie sie in Peeker´s Hände geraten waren?“
„Nicht genau!“ gab Ryker zu.
„Das Feuer in der Bibliothek vor vierzehn Jahren, war kein gewöhnliches Feuer! Peeker hatte es gelegt!“ Bei dem letzten Wort zeichnete er Anführungszeichnen in die Luft und Ryker verstand, was Laramie damit meinte.
„Damals hatte Peeker sich noch die Mühe gemacht, dass es Unfälle oder dergleichen gab, wenn er seine Leute losschickte Traumwanderer einzufangen. So würde es aussehen, als seien sie in dem Unglück umgekommen und nicht einfach so spurlos verschwunden. Aber allen Anschein nach ist er sich der Vertuschung überdrüssig geworden!“
Ryker konnte nichts anderes tun, als zu nicken. Da Ryker wusste aus welcher Bibliothek damals Liam und Lennox verschwunden waren, was ihn allerdings Jahre von Nachforschung gekostet hatte, fragte er nicht weiter danach.
„Nur war es nicht Peeker, der die beiden Jungen dort weggebracht hatte!“
Laramie sah sich erneut um. Doch nichts hatte sich an dem Umfeld geändert und vermutlich würde es noch mindestens eine Stunde so der Fall sein.
„Emily Vance hat sich eingemischt!“
„Cassidy´s Mutter?“
„Sie gehörte damals ebenfalls zu den Wächtern. Zumindest solange sie noch als Wächter tätig waren!“ erklärte Laramie mit traurigem Blick, „Sie hatte versucht, die beiden Jungen in Sicherheit zu bringen. Allerdings ist es ihr nicht gelungen!“
„Peeker hat die Jungs doch noch in die Finger bekommen und Emily konnte nichts dagegen tun.“
Ryker nickte nur und wartete auf weitere Informationen.
„Emily und ihr Mann hatten lange Zeit versucht die beiden Jungen wieder zu finden, doch es war, als hätten sie nie existiert.“

„Einzig die Mutter der beiden hat sich an die Zwillinge erinnert. Sie war selbst eine Traumwandererin, was sie nicht wusste. Sie konnte Dinge vorher sehen. Leider nicht die Entführung ihrer Kinder und leider, auch nicht das, was sie nach dem Verschwinden ihrer Kinder erwartete.“
Ryker wusste nicht, was mit der Mutter geschehen war. Er hatte sich auch nicht wirklich die Mühe gemacht, nach ihr zu suchen. Sein Interesse hatte damals lediglich den beiden Zwillingen und wenig später auch Cassidy gegolten.
„Die Mutter der Zwilling kam in eine Nervenheilanstalt und verschwand dort vor zwanzig Jahren. Keine Ahnung, ob sie noch lebt und wo sie stecken könnte!“ gab Laramie zu, „Kurz danach war Cassidy geboren worden und vier Jahre später ...“
Ryker nickte. Vier Jahre nach dem Verschwinden der Mutter von Liam und Lennox waren Cassidy´s Eltern bei einem Brand umgekommen.
Dass Cassidy, die selbst inmitten des Feuers gefangen war, überlebte und im Grunde nicht spurlos verschwand, war sein Verdienst gewesen. Er war den schwarzen Männern zuvor gekommen und hatte sie aus den Flammen und vor einem qualvollem Erstickungstod gerettet.
„Wieso sind Cassidy´s Eltern nicht geflohen?“ dachte er laut.
„Weil sie es nicht mehr konnten!“ antwortete Laramie nur und richtete seinen Blick wieder nach vorn auf die Straße, wo sich der Stau auflöste und die Karawane an Autos langsam vorwärts bewegte.


„Und du bist dir sicher, dass wir hier richtig sind?“ wollte Felice wissen.
Die Hütte und alles ringsum machten nicht den Eindruck, als sei irgendein Mensch vor kurzem noch hier gewesen.
Cassidy grinste nur und bat Ryan anzuhalten.
Kaum stoppte der Wagen drängte sich Cassidy an ihrer Freundin vorbei ins Freie.
Die frische und klare Waldluft schienen ihre Lebensgeister wieder zu wecken. Cassidy wirkte, als sei sie aus einem langem Albtraum erwacht.
Ryan stieg ebenfalls aus und sah sich verwundert um. Er war noch nie in einem so dichten und grünen Wald gewesen. Er konnte noch nicht einmal den Himmel durch die hohen Baumwipfel erkennen und dennoch schien das warme Sonnenlicht bis auf den moosbewachsenen Boden.
„Das hier ist Brisby´s Traum!“ erklärte Cassidy nur schmunzelnd.
Felice war auch ausgestiegen und ihre Reaktion war die selbe wie Ryan´s. Pure Verwunderung über so viel unberührte Natur.

Cassidy ging mit den Unterlagen im Arm zu der Hütte und klopfte an die Tür, die ein wenig schief in ihren Angel hing.
Ryan und Felice standen irritiert hinter ihr. Nicht nur dass die Hütte von Nahem noch immer den Eindruck machte, seit langem verlassen zu sein, so war auch kein Geräusch im Inneren zu hören.
Doch schwang die Tür nach innen auf, wobei sie, obwohl sie kaum mehr intakt schien, plötzlich wieder wie neu aussah.

In der Tür mit einem breiten Grinsen stand eine Frau um die Dreißig.
„Endlich bist du da!“ meinte die Frau und nahm Cassidy sofort in den Arm.
„Das ist Brisby?“ flüsterte Felice Ryan zu und er zuckte nur mit den Schultern.
Im Grunde wusste er nicht, was er erwartet hatte.
Als die Frau Cassidy wieder losließ, musterte sie die beiden anderen und streckte ihnen die Hand entgegen.
„Hi! Ich bin … Brisby!“ lachte sie.
Felice sah an der Frau vor sich auf und ab. Sie konnte sich vorstellen, wie sich ihre Mutter über diese merkwürdige Frau lustig machen würde. Und obwohl selbst Felice das schwarze Samtkleid der Frau eigenartig fand, da es wirkte als versuche die Dame hier eine Gothikhexe oder dergleichen zu spielen, so musste sich Felice eingestehen, dass es Brisby stand.
Ryan war ebenfalls verwundert, schüttelte aber wortlos die Hand der Frau und warf dann Cassidy einen fragenden Blick zu.
Diese aber ging ohne auf eine Einladung zu warten in die Hütte.
„Kommt schon rein!“ bat Brisby die beiden anderen und stumm folgten sie ihr und ihrer Freundin ins Innere.

„Wow!“ war Ryan´s verblüffte Reaktion als er den Raum sah.
„Wie ist das möglich?“ wollte Felice wissen und wusste gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte.
Nicht nur dass die Hütte von Innen viel größer war, als sie von außen den Anschein machte, so wies sie keines der äußeren Schäden auf.

Von innen wirkte die Behausung wie eine Blockhütte mit mittelalterlichem Touch.
An einer Wand hing ein gelber Schild mit roten Eichelblättern darauf und unter dem Schild zwei gekreuzte Schwerter. Davor eine mit Schaffell bedeckte Sitzbank und ein Tisch. Ein großes Gemälde einer undefinierbaren Landschaft zierte eine andere Wand, darunter ein niedriges Regal voller Bücher.
Eine Art hölzerner Altar und reichlich obskures Material war an die dritte Wand gestellt.
Obwohl der Raum nur ein kleines Fenster hatte, war es erstaunlich hell und warm.
„Die Magie der Träume!“ schmunzelte Brisby, als sie die erstaunten Blicke ihrer Besucher mitbekam.
„Sie sind … neu!“ gab Cassidy zu und musste selbst darüber ein wenig lächeln.

Obwohl die Stimmung für einen Moment aufgelockert und freundlich schien, besann sich Cassidy recht schnell darauf, warum sie hergekommen war.
Sie legte die Unterlagen auf den Tisch und sah ihre alte Freundin ernst an.
„Was hast du herausbekommen?“ wollte sie von Brisby wissen.
Brisby sah kurz zu den beiden, die mit Cassidy gekommen waren und die sie selbst nicht kannte.
„Dass du in ziemlich großem Schlamassel steckst!“ meinte Brisby, „Eigentlich ihr alle drei und auch Chance!“
Cassidy nickte mit ernstem Gesichtsausdruck. Dies war nicht unbedingt eine Neuigkeit für sie.
„Was noch?“
Nikita LaChance
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Registriert: So 27. Mär 2011, 09:30

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