AT: can't find my way home




Unterhaltungsliteratur in ihren verschiedenen Formen, wie beispielsweise Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten, Berichte, Märchen und Sagen

Re: AT: can't find my way home

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 23. Mär 2012, 14:19

Kapitel XXXXI

Larson hatte noch einmal kurz mit der Hotelleitung und dem Personal gesprochen und sie eindringlich darum gebeten, dass sie ihn benachrichtigen sollten, sollte irgendjemand Brandon sehen.
Er hoffte immer noch, dass der Mann in dem Hotel oder zumindest in der Nähe war.
Larson hatte das ungute Gefühl, dass Brandon irgendetwas zustoßen würde. Zumindest solange er sich in Stevie´s Nähe aufhielt. Und auch Stevie schwebte in großer Gefahr.
Larson wusste nicht, wie viele Männer Doyle auf das Mädchen losgeschickt hatte. Der Mann hatte es ihm nicht sagen wollen. Vielleicht wusste es Doyle noch nicht einmal!
Noch mehr als die Frage, was Stevie Doyle gestohlen hatte, weswegen er sie jagen lies, interessierte Larson allerdings die Vergangenheit des Mädchens.
Es kam ihm seltsam vor, dass sie scheinbar nicht zu existieren schien. Niemand wusste wer sie war und woher sie kam. Sie war einfach da und keiner wusste warum.

Auf dem Weg zum Waschsalon, vor dem noch immer Brandon´s Motorrad stand, musterte Dallas ihn immer wieder aus dem Augenwinkel.
Selbst sie schien sehr an Stevie´s Mysterium interessiert zu sein.
„Wieso will Doyle sie haben?“ fragte sie sich und hatte unbemerkt laut vor sich hin gesprochen.
Larson sah kurz zu ihr hinüber.
„Das ist eine ziemlich gute Frage.“ meinte er nur und konzentrierte sich wieder auf die Straße vor sich.
Der Weg war eigentlich nicht weit. Doch er fuhr extra langsam, für den Fall dass Stevie und auch Brandon am Straßenrand entlang liefen. So würde er sie viel schneller entdecken und wieder einfangen können.
„Ich meine, wenn sie ihm etwas gestohlen hat, warum will er dann nicht nur sein Zeug zurück? Warum will er sie auch?“ Diesmal hatte Dallas die Frage an Larson gerichtet.
Larson aber wusste darauf keine Antwort.
Im Grunde hatte er sich die selbe Frage auch schon mehrmals gestellt.

„Sie sind nicht hier!“ meinte er dann, als er endlich den Waschsalon und das Motorrad davor, entdeckte.
Diesmal war es Dallas, die nur stumm nickte.
Larson parkte seinen Wagen und starrte angestrengt vor sich hin.
Er wusste nicht was er nun tun sollte. Er wünschte sich, irgendwer könnte ihm nun einen Tipp geben.

„Vielleicht will er mehr als nur seinen Schatz zurück!“ mutmaßte Dallas und unterbrach die Stille.
Larson ignorierte sie.
„Er hat doch genug Geld um sich noch mal so was zu kaufen oder um sich das Teil, was auch immer es ist zurück zu kaufen. Also warum will er unbedingt sie und das … was auch immer?“
Dallas wartete auf eine Antwort, die ihr Larson aber schuldig blieb.
Er war ein wenig genervt, dass alles schief gegangen war.
Allerdings hatte er auch nicht damit gerechnet, was bisher alles geschehen war. Und er war sich nicht sicher, was er noch erwarten sollte.
Dies war kein einfacher Fall, von vermisste Person auffinden und zurückbringen. Dies war ein einziges großes Rätsel. Oder viele kleine Rätsel, die eng miteinander verknüpft waren.

„Wie lange sucht er schon nach ihr?“
Diese Frage erregte Larson´s Aufmerksamkeit und er drehte sich zu Dallas.
„Wie?“
„Er muss sie und sein Schmuckstück, was auch immer das sein mag, irgendwann aus den Augen verloren haben und hat dann nach ihr und dem Teil suchen lassen!“
Larson nickte kurz.
„Doch seit wann?“ wollte Dallas wissen.
Larson hatte darüber nie so ganz nachgedacht.
Er hatte das Mädchen nur finden und ihr Diebesgut wieder dem ursprünglichen Besitzer zukommen lassen wollen.
„Wieso sollte das wichtig sein?“ kam Larson über die Lippen.
Dallas aber zuckte nur mit den Schultern.
„Vielleicht hat sie das Teil versteckt. Und wenn wir raus bekommen, seit wann sie gejagt wird und wo sie zu dem Zeitpunkt war, könnten wir es vielleicht finden.“
Larson sah sie mit großen Augen an.
„Und vielleicht finden wir auch sie!“ fügte Dallas dann noch schnell hinzu, „Vielleicht ist sie schon auf dem Weg zu dem Schatz!“

Noch immer kam kein Ton dazu über Larson´s Lippen.
Dann wand er seinen Blick wieder auf den Parkplatz vor sich und zum Motorrad.
„Sie wird aber nirgendwo hin gefahren sein!“ war er überzeugt.


Stevie war wieder eingeschlafen und im ersten Moment schien sie einen ruhigeren Schlaf gefunden zu haben.
Beide Männer saßen neben ihr auf dem Bett. Alle beide tief in Gedanken versunken.
„Wir können nicht ewig hier im Zimmer bleiben!“ bemerkte Brandon irgendwann und sah auf Stevie neben sich.
„Und was schlägst du vor?“ wollte Eric leicht genervt wissen. Ihm war selbst bewusst, dass Verstecken auf Dauer auch keine Lösung war.
„Ich hab ehrlich gesagt, keine Ahnung!“ gab Brandon zu.

Eric sah in Richtung Tür, so als erwarte er, dass jemand in den Raum kommen würde.
Dann sah er wieder neben sich.
„Wenn sie wieder aufwacht, werd ich uns was zu essen besorgen und dann werden wir weitersehen!“ meinte Eric und fuhr mit dem Daumen über Stevie´s Handrücken.
Dies schien sie ein wenig zu beruhigen. Allen Anschein nach hatte sie gerade wieder einen Albtraum gehabt. Doch ihre angespannte Mimik lockerte sich und sie drehte sich im Schlaf zu Eric hinüber.
Brandon sah ihn nur irritiert an. Eric ignorierte ihn. Es war nicht das erste Mal, dass er sie so im Schlaf beruhigen konnte. Aber dass musste Brandon nicht unbedingt wissen.

Eine Weile beobachtete Brandon die beiden neben sich. Doch irgendwann fielen auch ihm die Augen zu.
Er schlief einfach im Sitzen ein, wobei er sich an das Kopfende des Bettes anlehnte.
Und nun war er es, der schlecht träumte.

Er hörte Eric nicht, wie er Stevie, nachdem sie abermals unruhig wurde, leise ein Lied vorsummte. Er hörte auch nicht das Versprechen, dass alles wieder gut werden würde, welches Eric Stevie gab.

Eric wusste nicht, was er nun tun sollte. Er konnte nicht viel machen, außer darauf zu warten, dass Stevie aufwachte und sagte, was sie als nächstes tun wollte.
Er bedauerte es ein wenig, dass er die Situation, die ihm nun geboten war, nicht voll und ganz genießen konnte.
Er wusste, dass sie ihn spüren konnte. Es beruhigte sie. Doch er hingegen, spürte nichts. Weder ihre Wärme noch ihre Hand.


Als er im Hotel ankam, hatte er die Aufregung mitbekommen, die dort herrschte.
Die Angestellten liefen umher und suchten jemand.
Die Frau an der Rezeption, war im Grunde die einzige, die einigermaßen ruhig an ihrem Platz stand und ihn mit einem gespielt freundlichen Lächeln begrüßte.
„Ich bin auf der Suche nach einem Gast!“ erklärte er.
Und noch immer lächelte sie ihn an.
„Brandon Norman?“
Ihr Lächeln wich und sie sah ihn verwirrt an.
„Er wohnt doch hier?“ fragte er unsicher nach.
Ohne den Computer vor sich zu nutzen, nickte sie und schüttelte danach den Kopf.
„Er war hier!“ meinte sie dann, „Aber er … er ist verschwunden!“
„Wie?“ Er war irritiert.

Noch bevor er genaueres fragen konnte, trat jemand neben ihn und richtete sich mit scharfen Ton an die Empfangsdame.
Der Mann befahl, dass man ihn sofort benachrichtige sollte man, den Gesuchten sehen.
Die Frau nickte nur und nahm die Visitenkarte des Mannes an sich.
Dann ohne sich zu verabschieden oder sich noch einmal umzusehen, ging der Mann schnellen Schrittes davon. Gefolgt von einer stattlichen Brünetten.

„Brandon ist verschwunden?“ wiederholte er das Gehörte und die Empfangsdame blickte vom Ausgang auf den Mann vor sich.
Wieder nickte sie. Unsicher, was sie sagen sollte.
Für einen kurzen Moment überlegte er, was er nun tun sollte.
„Wenn Brandon verschwunden war, wo könnte dann das Mädchen sein?“ fragte er sich.
Ohne ein weiteres Wort an die verdutzte Frau am Empfang, verließ auch er das Hotel wieder. Er war sich so sicher gewesen, hier das Mädchen zu finden.

Vor der Hoteltür überlegte er kurz, ob er noch einmal Doyle anrufen sollte. Ihn fragen, ob er wüsste wohin das Mädchen verschwunden war.
Doch es war mitten in der Nacht und sein Auftraggeber vermutlich schon längst nicht mehr zu erreichen.
Davon abgesehen, mochte Doyle keine schlechten Nachrichten.
Also sollte er ihn einfach nicht mit der Sache behelligen.

Er bemerkte das Auto, welches wieder in die Stadt hinein fuhr.
Und noch einmal konnte er einen Blick auf den Mann werfen, neben dem er vor einigen Augenblicken an der Rezeption gestanden hatte. Er kannte ihn. Und mochte ihn nicht.
Vielleicht war es so auch gut, dass der andere ihn nicht bemerkt hatte.
Andernfalls hätte es mindestens einen Streit und eine Auseinandersetzung in der Hotelhalle gegeben unter den Beiden. Und vermutlich hätte einer der beiden versucht den anderen zu töten.
„Du suchst also auch nach ihr, Larson!“ knurrte er nur und machte sich auf den Weg zu seinem Wagen.
Er musste das Mädchen unbedingt vor dem FBI-Agenten finden.
Zuletzt geändert von Nikita LaChance am Fr 30. Mär 2012, 08:22, insgesamt 1-mal geändert.
Nikita LaChance
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von Anzeige » Fr 23. Mär 2012, 14:19

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Re: AT: can't find my way home

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 23. Mär 2012, 14:19

Kapitel XXXXII

Die Landschaft vor dem Fenster war wie immer schwarz und lies nichts erkennen. Weder den Ort noch die Uhrzeit.
Aber es waren Stunden vergangen und Brandon wachte noch vor Stevie auf.
Müde streckte er sich und sah zu Eric hinüber, der noch immer in der selben Position verharrte, nur dass er beide Hände nun auf seinem Schoß liegen hatte.

„Morgen!“ knurrte Brandon und wollte aufstehen, als er bemerkte, dass Stevie sich im Schlaf zu ihm gedreht hatte und nun sein Shirt festhielt.
„Ähm ...“ Brandon wusste nicht was er tun oder sagen sollte.
Ein kurzes wenn auch gequältes Schmunzeln huschte Eric übers Gesicht.
Aber er lies die Sache unkommentiert.
Sein Blick war noch immer auf Stevie gerichtet.

„Albtraum?“ wollte Brandon von ihm wissen und versuchte Stevie´s Hand von seinem Shirt zu lösen, ohne sie aufzuwecken.
„Sie hat wahrscheinlich nur nach eine Wärmequelle gesucht!“ meinte Eric leise und stand vom Bett auf und ging in Richtung Tür.
„Wo willst du hin?“ entfuhr es Brandon, wobei es so klang, als würde er in Panik geraden.
„Frühstück holen!“ meinte Eric nur und öffnete die Tür einen kleinen Spalt breit, „Du solltest die Tür offen lassen, damit ich euch finde!“
Damit verschwand Eric einfach und lies Brandon mit Stevie allein zurück.

„Der wird auch immer komischer!“ bemerkte Brandon nur.
Neben ihn wurde Stevie wieder unruhig und krallte sich fester in den Stoff seines Oberteils.
„Hey, es ist alles okay!“ flüsterte Brandon ihr zu und strich ihr über den Kopf.
Es beruhigte sie wieder und sie lies wieder locker.
Und wenige Sekunden später wachte sie auf.

Müde sah sie sich um, ehe sie zu Brandon auf sah.
„Hi!“ kam Brandon über die Lippen.
Sie sagte nichts und sah ihn nur mit großen Augen an.
Brandon war sich bewusst, dass wenn Eric zurück käme, er sofort ausrasten würde. Doch er wagte es nicht, den Blickkontakt zu unterbrechen.

Einige Sekunden lang sagte oder bewegte sich keiner der beiden.
Dann aber bemerkte sie, dass sie sein Shirt in der Hand hatte, lies es los und lief rot an.
„Eric ist was zu Essen holen!“ meinte Brandon leise, bewegte sich aber nicht vom Fleck.
„Okay!“ kam von ihr und sie drehte sich von ihm weg, bevor sie aufstand.
Brandon verfolgte sie mit seinem Blick, als sie vom Bett weg und ins Badezimmer ging, ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen.

Eine Weile saß er noch irritiert auf dem Bett und wusste nicht was er nun tun sollte.
Dann aber stand er auf und streckte sich ausgiebig.
Es dauerte nicht lange und Stevie kam aus dem Bad zurück, ohne zu ihm zu sehen. Sie ging zum Kleiderschrank und holte wortlos eine Wasserflasche hervor und trank.
Brandon wollte schon fragen, ob alles in Ordnung sei. Doch er tat es nicht.

Er ging an ihr vorbei und ins Badezimmer.
Nachdem er sich erleichtert hatte, stand er vor dem Badezimmerspiegel und starrte auf sein müdes Gesicht.
„Was nun, Dummkopf?“ fragte er sein Gegenüber, welches ratlos zurück starrte.

Als er das Bad wieder verließ, fand er Stevie allein auf dem Bett sitzend vor. Sie hielt das Foto von Eric in der Hand und sah darauf.
„Seine Familie!“ meinte Brandon nur und setzte sich zu ihr.
Sie nickte nur, ohne ihren Blick zu heben.
„Was meinst du, wo sie sind?“
Sie gab ihm keine Antwort.
„Ob sie wissen, was mit ihm passiert ist?“
Wieder keine Antwort.
„Stevie?“
„Wo ist Eric?“ kam leise von ihr und sie sah ihn mit großen Augen an.

Erst jetzt bemerkte Brandon, dass Eric viel zu lange weg war. Nun gut, jeder normale Mensch hätte mehrere Minuten gebraucht, um etwas zu essen zu holen. Aber Eric war kein normaler Mensch und wenn er etwas besorgen ging, war er innerhalb weniger Sekunden wieder zurück.
Aber nun waren vielleicht schon mehr als fünf bis zehn Minuten vergangen und Eric war noch immer nicht zurück.

Brandon sah zur Zimmertür. Noch immer war sie offen, wenn auch so wenig, dass man es kaum bemerkte, wenn man nicht genauer hinsah.
„Er wird gleich wieder da sein!“ versicherte Brandon Stevie, die allmählich ein wenig unruhig wurde.
Brandon wusste für einen Moment nicht, was er tun sollte.
Bis jetzt war er noch nie solange allein mit ihr gewesen. Eric war immer in ihrer Nähe, ob um sie zu bewachen oder zu beschützen, wusste Brandon nicht.

„Wie lange kennst du ihn schon?“ wollte Brandon wissen. Im Grunde hatte er die Kurzfassung des Kennenlernens zwischen den Beiden schon einmal zu hören bekommen.
Aber er hoffte, dass es Stevie vielleicht ein wenig ablenken würde. Und vielleicht bekäme er so auch noch etwas mehr über Eric in Erfahrung.
Stevie sah zu ihm und musterte ihn. Sie schien zu überlegen, ob sie die ganze Geschichte noch einmal erzählen sollte oder nicht.
„Seit vier Monaten!“ gab sie dann zu und sah wieder auf das Foto.
„Ich war im Krankenhaus!“ flüsterte sie dann leiser, „Und er war der erste, der mir keine Angst gemacht hat!“
Brandon sah sie stumm an.
Er konnte sich nur schwer vorstellen, wie es sein musste, im Krankenhaus aufzuwachen und nicht mehr zu wissen, warum man dort war und noch schlimmer, nicht zu wissen, wer man war.
„Eric ist schon lange allein unterwegs!“ meinte Stevie leise, „Er war schon so, bevor er mich traf!“
„Du meinst ein Geist?“
„Er weiß nicht genau, wie lange er schon unterwegs ist. Ohne Körper. Vielleicht ein Jahr oder so!“ erzählte sie, „Er hat Angst, dass er nirgendwo mehr hin kann!“
Brandon wusste nicht, wie er auf ihre Aussage reagieren sollte und sah sie mit großen Augen an.

„Er hat eine Familie!“ meinte sie erneut leise, „Jemand, der darauf wartet, ihn wieder zu sehen!“
Er konnte an ihrer Stimme hören, dass sie den Tränen nahe war. Doch sie hatte ihr Gesicht wieder von ihm abgewandt und sah auf das Foto in ihren Händen.

„Ich weiß nicht, ob auf mich noch jemand wartet!“
Sie hatte so leise gesprochen, dass Brandon schon glaubte, er habe sich die Worte eingebildet.
Doch dann murmelte sie leise weiter.
„Als ich vor vier Monaten im Krankenhaus aufgewacht bin, hatten sie mich gefragt, woran ich mich erinnern kann. Und als ich nichts sagen konnte, haben sie alle so verwirrt ausgesehen. Sie haben nach mir gesucht. Doch es gab keine Eintragungen zu mir. Niemand vermisst mich!“
„Außer ...“ fiel Brandon ein und er stoppte, bevor er zu viel sagte.
„Außer einem! Und der will nicht preisgeben, warum er nach mir sucht!“ beendete sie seinen Satz.

„Du hast gesagt, dass du dich erinnerst!“ kam Brandon in den Sinn und er blickte sie erwartungsvoll an.
Stevie holte tief Luft und hob ihren Blick von dem Bild in ihrer Hand und sah zu ihm.
„Ich glaube, dass ich mich wieder erinnere!“ korrigierte sie ihn und ihre am Abend zuvor gemachte Aussage.
Brandon war verwirrt.
„Glaubst du, dich zu erinnern? Oder erinnerst du dich?“ wollte er wissen.
Sie wusste für einen Moment nicht, was sie ihm antworten sollte.
„Ich glaube!“ meinte sie dann.

„Ich hab meine Mom nicht mehr gesehen, seit ich fünf war.“ begann sie zu erzählen, „Ich weiß nicht, was mit ihr passiert ist. Man hat mich … ihr weggenommen.“
Brandon wartete darauf, dass sie mehr erzählte. Doch für einen Augenblick lang schien sie wieder in Gedanken und Erinnerungen versunken zu sein.
„Die Spieluhr! Sie gehörte meiner Großmutter. Ich hab sie immer mit mir rum getragen. Und als man mich entführt hat, ist sie kaputt gegangen.“
Wieder verfiel sie in kurzes Schweigen.
„Und als ich sie dann in einer Vitrine wieder gesehen hatte, hab ich sie einfach geklaut!“ meinte sie etwas lauter und blickte etwas finsterer drein, „Sie gehört mir und niemanden sonst!“

Damit stand sie auf und ging zum Schrank, um die Spieluhr hervor zu holen.
Schweigend und darauf wartend, was sie noch so alles erzählen würde, beobachtete Brandon sie von seinem Platz aus.
„Es ist die Mondscheinsonate!“ Stevie lies die Melodie der Spieluhr erklingen und schien sich wieder in ihren Erinnerungen zu verlieren.

Brandon sah von ihr wieder zur Tür.
Noch immer war Eric nicht aufgetaucht und allmählich machte er sich Sorgen.

„Sie haben nie gesagt, warum sie mich entführt haben!“
Stevie´s Stimme erschreckte ihn kurz.
„Hab´s nie erfahren!“
Brandon hatte sich wieder ihr zugewandt, warf jedoch immer wieder einen Blick zur Tür.
Eric würde jeden Moment zurück kommen.

„Er hat mich weggebracht und versteckt!“
Wieder wusste er nicht, wovon sie sprach.
„Niemand wusste was. Nur er und die Frau, die auf mich aufpassen sollte.“
Stevie stellte die Spieluhr zurück und drehte sich wieder zu ihm um.
„Ich war immer allein mit der Frau, glaub ich!“ Wieder schien sie sich nicht sicher zu sein.
„Was dann?“ fragte Brandon flüsternd. Noch immer neugierig auf ihre Geschichte, wobei er nicht wusste, wie viel davon auch wahr war.
„Irgendwann hat er mich mit zu sich genommen. Zu sich nach hause. Und dann ...“
Gedankenverloren sah sie vor sich auf den Boden, so als würde dort die Antwort stehen.
„Und ich hab … ich hab es einfach mitgenommen!“
„Was?“
„Es stand im Zimmer von seiner Tochter. Sie hat es mir gezeigt. War ganz stolz darauf.“
Wieder unterbrach sie sich selbst. Noch immer hatte sie ihren Blick gesenkt.
„Was hast du mitgenommen?“
Irritiert sah sie auf und ihm in die Augen.
„Ein Globus?“ meinte sie und schien selbst verwundert.
Nikita LaChance
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Re: AT: can't find my way home

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 30. Mär 2012, 08:24

Kapitel XXXXIII

Eric musste aus dem Zimmer raus. Und was gab es für einen besseren Grund als etwas zu Essen zu besorgen?
Vielleicht war er ein klein wenig eifersüchtig! Vielleicht auch neidisch!
Obwohl er es nicht wollte, glitten seine Gedanken immer wieder zu Brandon und Stevie zurück, die nun allein im Raum waren.

Er war eifersüchtig. Und neidisch.
Aber vor allem hatte er Angst, auch wenn er dies niemals zugeben würde.
Er hatte Angst davor, dass nun, da Stevie sich scheinbar wieder an alles erinnerte, sie ihm nicht mehr helfen würde. Dass sie ihn allein zurück lies.
Und allein wollte er nicht sein.
Er war allein gewesen, bevor er sie gefunden hatte.
Und auch wenn es an manchen Tagen doch amüsant war herum zu geistern, im wahrsten Sinne des Wortes, so war es doch einsam, niemanden zu haben, mit dem man reden konnte.
Und nun da sie sich erinnerte, würde er wieder allein sein.

Er lies sich extra Zeit.
Normalerweise hätte er sich einfach in die nächstbeste Bäckerei oder ins nächstbeste Cafés teleportiert und hätte dort etwas zu Essen mitgehen lassen.
Doch im Moment erschien es ihm doch sinnvoller zu gehen. Wenngleich unsichtbar für alle anderen, schlenderte er die Straße entlang.
Er achtete nicht wirklich auf den Weg vor sich. Ging immer weiter.

Um ihn herum herrschte der Trubel der frühen Morgenstunden. Einige Leute waren auf den Weg zur Arbeit oder versuchten sich noch schnell vorher einen starken Kaffee zu kaufen.
Eric war tief in Gedanken versunken, als plötzlich jemand vor ihm auftauchte und er ihn die Person hinein lief.

„Kannst du nicht aufpassen?“ knurrte ihn der Passant an und lief ohne eine Antwort zu bekommen weiter.
Eric sah verwirrt auf.
„Was machst du hier?“ wollte eine Stimme hinter ihm wissen.
Und noch ohne sich umzudrehen, stellte Eric ihr die selbe Frage.
„Es funktioniert also wirklich!“ meinte die Stimme hinter ihm belustigt.
Leicht genervt drehte sich Eric um und stand plötzlich vor Dallas, die ihn mit einem siegessicheren Lächeln begrüßte.
„Was funktioniert?“ wollte er wissen.
Sie antwortete nicht, sondern hielt nur einen Talisman hoch, der an einem Lederband befestigt war.

Eric´s Augen wurden größer.
„Woher hast du das?“
Sie warf gedankenvoll einen Blick auf den Talisman, ehe sie ihn wieder unter ihr Shirt gleiten lies.
„Larson sollte besser auf seine Sachen aufpassen, wenn er mit einer Diebin unterwegs ist!“ meinte sie nur belustigt.
Eric sah sie finster an.
Dann ohne ein weiteres Wort drehte er sich wieder um und wollte schon weiter gehen, als sie ihn am Arm packte.

„Das ist ziemlich unfreundlich!“ meinte sie und zog an seinem Arm.
„Was willst du von mir?“ knurrte Eric sie an und riss sich los.
„Nur ein wenig reden!“ beteuerte sie und lächelte ihn an.
Er schüttelte nur den Kopf und war kurz davor, sich abermals weg zu drehen.

„Larson sucht nach deinen beiden Freunden!“ meinte sie etwas lauter zu ihm, „Er weiß, dass Stevie noch irgendwo in der Nähe sein muss!“
„Und warum sollte mich das interessieren?“
„Nun ja! Vielleicht, weil dir die Kleine sehr am Herzen liegt!“ gab sie zur Antwort. Sie wusste, dass sie damit recht hatte. Sie hatte es in seinen Augen gesehen.
Eric biss verärgert die Zähne zusammen.
„Was willst du?“ wiederholte er seine Frage.
Und wieder antwortete sie nur, dass sie ein klein wenig reden wollte.

„Ich könnte nach ihm rufen und er würde hier auftauchen! Vielleicht würde er dich sogar verhaften!“ erklärte Dallas, als Eric noch immer keine Anstalten machte, auf ein Gespräch einzugehen.
„Rede!“
Dallas zeigte kurz einen Schmollmund, ehe sie ihn freundlich anlächelte.
„Gehen wir doch hier rein und ich kann einen Kaffee trinken!“ meinte sie und wies auf das Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite, „Ich weiß ja nicht, wie es mit dir ist, aber für einen Kaffee könnt ich jetzt töten!“
Eric entgegnete ihr nichts dazu und nickte nur.
Sein Blick zeigte deutlich wie sauer er war.
Im Grunde wünschte er sich nun, dass er sich einfach wieder in Luft auflösen könnte. Doch dank des Talismans würde er nicht weit kommen. Jetzt wo er gezwungenermaßen so etwas wie einen Körper hatte.

Im Café setzten sie sich in die hinterste Ecke, so dass sie in aller Ruhe miteinander reden konnten, ohne dass irgendein Fremder das Gespräch belauschen könnte.
„Warum bist du wirklich bei ihr?“ wollte Dallas von ihm wissen, kurz nachdem sie ihren Kaffee vor sich stehen hatte.
„Du glaubst, dass sie dir helfen könnte? Mit deinem Problem?“ fragte sie ihn, als er ihr keine Antwort gab.
Wieder biss er nur verärgert die Zähne zusammen.
„Weißt du, sie mag niedlich aussehen, aber sie bringt nur Ärger!“ meinte Dallas und nahm einen vorsichtigen Schluck ihres Kaffees.
„Du weißt nichts von ihr!“ bluffte Eric zurück. Er fragte sich, warum er nicht einfach aufstand und ging.
„Wie lang bist du schon mit ihr zusammen? Ein paar Monate, oder?“
Sie lächelte ihn wissend an.
„Ich weiß nicht worin sie verwickelt ist oder warum Doyle sie sucht, aber ...“ fing Dallas an.
„Doyle? Wer ist Doyle?“ unterbrach Eric sie irritiert.

„Er ist der Kerl, der sie verfolgen lässt. Dem sie irgendwas mysteriöses geklaut hat!“ erklärte sie ihm und sah ihn prüfend an, „Er ist ein reicher Kunsthändler!“
„Was will ein Kunsthändler von ihr?“ murmelte Eric verwirrt.
„Sie hat ihm irgendetwas wertvolles gestohlen und er will es zurück, natürlich!“ war sie überzeugt.
„Aber wenn er reich ist, kann er sich doch das, was sie ihm gestohlen hat, neu besorgen!“
Dallas nickte, nahm einen weiteren Schluck von ihrem Kaffee und antwortete:
„Vielleicht ist es mehr als nur ein einfaches Kunststück. Oder selten!“

„Du wolltest nicht mit mir über das Diebesgut reden!“ Eric sah sie mit ernster Miene an. „Was willst du?“
Wieder huschte ihr kurz ein Schmunzeln über die Lippen.
„Du bist ein prima Wachhund!“ lachte sie und er warf ihr einen finsteren Blick zu.
„Wo steckt sie?“ Ihr Lächeln war auf einmal aus ihrem Gesicht und nun sah sie ihn ebenfalls ernst entgegen.
Eric schüttelte nur den Kopf.
„Sie ist mit dem anderen zusammen. Brandon!“ stellte sie dann fest.
Eric blieb stumm.
„Du weißt, dass sie dich allein lassen wird. Vielleicht zieht sie mit ihm weiter. Immerhin hat er ein paar Vorzüge, die du nicht hast!“
Als er ihr erneut einen wütenden Blick zuwarf, schmunzelte sie erneut.
Sie war gut darin, Leute zu manipulieren. Oder einfach nur dazu zu bringen, sich gegen ihre Freunde zu wenden.
Allerdings nutzte sie ihre Gabe sonst immer nur dazu aus, um an ein paar Schätze ran zukommen.

„Ich weiß, dass Larson nicht der einzige ist, der sie verfolgt!“ gab sie zu verstehen und nippte erneut am Kaffee.
Eric´s Blick ging zur Tür des Cafés, so als erwarte er, dass jeden Moment Stevie herein käme.
„Der Kerl, der sie verfolgt, hat sie schon einmal geschnappt!“
Eric´s drehte sich wieder zu ihr und starrte sie verblüfft an.
„Was?“
„Der Kerl, der sie nun verfolgt ...“ begann sie zu wiederholen.
„Was meinst du damit, dass er sie schon einmal geschnappt hat?“ wollte Eric irritiert wissen.

Betreten sah Dallas auf die Kaffeetasse in ihrer Hand.
Dann begann sie zu erzählen, wenn auch ein wenig leiser, als zuvor.
„Der Typ, er nennt sich Wells, ist schon seit einer Weile hinter ihr her. Vielleicht sogar schon, bevor Doyle den Auftrag gab.“
Eric sah sie gebannt an.
„Wells ist dafür bekannt, dass er alle möglichen Sachen beschafft. Kunstwerke, Dokumente und eben auch ...“ Sie holte kurz, tief Luft. „Und auch Menschen!“
„Menschen?“ wiederholte Eric irritiert.
„Der Kerl geht nicht immer vorsichtig um. Wenn er etwas nicht gleich beim ersten Mal in die Finger bekommt, wird er aggressiver!“
„Aber warum … Warum Stevie?“
„Soweit ich es gehört habe, hat sie ihn etwas vor der Nase weggeschnappt und ihn reingelegt.“
„Was soll sie noch geklaut haben?“ kam Eric über die Lippen. Allmählich fragte er sich, was Stevie so alles gestohlen haben musste, in ihrer unbekannten Vergangenheit.

Dallas überlegte kurz.
„Ich weiß nicht, ob es ein Kunstwerk war oder nicht!“ gab sie dann zu, „Aber auf alle Fälle hat sie Wells verärgert. Noch mehr als Doyle!“
„Was will Doyle von ihr?“
„Erst wollte er nur seinen Schatz zurück. Aber er hat seinen Auftrag geändert und will nun vor allem Stevie haben!“ berichtete sie ihm.
Eric sah Dallas prüfend an. Es war nicht das erste Mal, dass sie etwas über Stevie erzählte. Doch wie schon zuvor wusste er nicht, wie viel Wahrheit in ihrer Erzählung steckte.
„Soweit ich gehört habe, ist die ganze Sache was persönliches!“ meinte sie zu ihm.

Eric grübelte.
Er konnte nicht viel mit den Informationen anfangen. Denn im Grunde waren sie so gut wie gar nichts wert.
„Wo steckt sie?“ wiederholte Dallas ihre Frage von früher und sah ihn besorgt an.
„Wieso willst du das wissen?“
Dallas sah kurz verlegen drein, wich seinem Blick aber nicht aus.
„Auch wenn ich sie noch nicht lange kenne oder lange mit ihr zusammen war ...“ Sie atmete kurz auf, „... sie ist für mich so was wie eine kleine Schwester!“
Eric sah sie fragend an.
„Schwester?“
Dallas nickte und sah auf die Kaffeetasse vor sich.
„Ich hatte eine kleine Schwester!“ erklärte sie mit ruhiger Stimme, „Sie war fünf Jahre jünger als ich!“
Eric verstand noch immer nicht, worauf Dallas anspielte.
„Als sich unsere Eltern trennten, zog sie mit meiner Mutter weg, während ich bei meinem Vater blieb. Nur knapp ein Jahr später hab ich gehört, dass beide bei einem Autounfall umgekommen waren.“
Sie sah wieder auf und hatte Tränen in den Augen. Doch sie biss die Zähne zusammen und schluckte ihre Trauer runter.
„Als ich Stevie traf, erinnerte sie mich an meine kleine Schwester. Genauso neugierig und engstirnig wie meine Schwester war. Und genauso besorgt um andere!“
Eric zog die Augenbraue nach oben. Aber er sagte kein Wort.

„Sie ist in Gefahr!“ meinte sie dann wieder zu ihm.
„Ich kann dir nicht sagen, wo sie ist!“ entgegnete Eric und stand auf.
„Wenn sie bei Larson wäre, könnte er sie beschützen!“ war sie überzeugt.
Doch Eric schüttelte nur den Kopf.
„Ihr kommt nicht weg!“ Sie war ebenfalls aufgesprungen und sah ihn ernst entgegen, „Larson weiß, dass sie und Brandon noch irgendwo hier in der Stadt sein müssen. Er hat genug Leute, die für ihn Ausschau halten. Und er bewacht das Motorrad. Er weiß, dass Brandon nicht ohne seine Maschine weiter ziehen wird!“
Eric schnaubte vor Wut und knirschte mit den Zähnen.
„Und selbst, wenn sie die Stadt verlassen will, irgendwer wird sie dabei entdecken!“
Er wusste, dass sie recht hatte. Nur wusste er nicht, was er nun machen sollte.
Stevie könnte sich nicht ewig in dem Zimmer verstecken.

„Du musst ihn ablenken!“ meinte er plötzlich und sah Dallas bestimmend an.
„Was?“
„Du musst Larson für eine Weile ablenken! Sodass wir die Stadt verlassen können!“
„Hast du mir nicht zugehört? Da draußen ist noch jemand, der ihr ans Leder will!“ schimpfte sie zurück.
„Lenk ihn ab, sodass wir verschwinden können!“ wiederholte er.
Doch noch immer schien sie nicht auf seiner Seite.
„Lenk ihn ab und ich geb dir die Spieluhr!“
Zuletzt geändert von Nikita LaChance am Fr 6. Apr 2012, 10:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: AT: can't find my way home

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 30. Mär 2012, 08:24

Kapitel XXXXIV

Doyle hatte unruhig geschlafen und war recht früh wieder aufgestanden. Normalerweise schlief er bis nach acht oder neun. Doch diesmal trieben ihn böse Träume und ein ungutes Gefühl bereits kurz nach halb sechs aus dem Bett.
Müde stahl er sich aus dem Schlafzimmer, ging den Flur entlang und nachdem er einen kurzen prüfenden Blick ins Zimmer seiner Tochter geworfen hatte, ging er in die Küche.
Er brühte sich einen starken Kaffee auf und saß gedankenverloren am Küchentisch.

Draußen war noch nicht einmal die Sonne am Horizont zu erkennen. Und alles war still.
Und obwohl alles so friedlich erschien, konnte er das Gefühl nicht abschütteln, dass irgendetwas nicht stimmte.
Er überlegte Larson anzurufen und ihn nach dem Stand der Dinge zu fragen, aber er würde wohl noch mindestens eine Stunde warten müssen. Der FBI-Agent würde vermutlich um diese Zeit noch schlafen.

Ihm blieb nichts als zu warten.
Gedankenverloren starrte er vor sich hin.
Und er erinnerte sich.

An den seltsamen Telefonanruf vor fünfzehn Jahren.
Damals hatte er für einen Moment geglaubt, man hätte einen Scherz mit ihm treiben wollen.
„Wir haben ihre Tochter!“ waren die Worte gewesen.
Er hatte diesen Anruf und auch die folgenden einfach ignoriert.
Bis dann der Arzt wortlos zu ihm gekommen war und ihm ein Polaroid-Foto übergeben hatte.
Er kannte die Frau auf den Bild. Aber nicht das Mädchen.

Es waren Wochen, fast schon ein Monat vergangen, ehe er sich auf die Männer, die hinter den seltsamen Nachrichten standen, einließ.
Sie hatten ihm nicht viel erzählt und ihn in eine Klinik mitgenommen, die nicht unweit von seinem ersten Zuhause war.
Dort hatte man ihn dann in ein abgesperrtes Abteil der Klinik gebracht und ihn durch eine Scheibe sehen lassen.
Für den ersten Moment hatte er nicht gewusst, was er dort sah.
Der Raum war hell und spärlich eingerichtet gewesen. Fast so wie das Zimmer seiner Tochter daheim, nur dass es hier weniger medizinisches Gerät gab.
Und inmitten des hellen Raumes hatte ein verängstigtes kleines Mädchen, von vielleicht gerade mal fünf Jahren, gesessen.
„Ihre Tochter!“ hatte man ihm erklärt und eine Akte unter die Nase, die der eines Arztberichtes glich, gehalten.
Er hatte den Text in seinen Händen überflogen, während sein Blick immer wieder auf das Mädchen im Zimmer gefallen war.
Und dann hatte er den Text erneut gelesen.
Und noch einmal.

Es kostete ihn mehr als nur eine Unsumme von Geld, das Mädchen frei zu kaufen.
Es hatte ihn auch ungeheuren Mut gekostet.
Denn dieses Mädchen hätte es gar nicht geben sollen.

Das Mädchen hatte ihn mit großen ängstlichen Augen angestarrt. Nichts war mehr von dem fröhlichen Gesicht zu sehen, was er zuvor auf dem Polaroid hatte sehen können.
Für einen Moment hatte er schon Angst gehabt, dass etwas mit ihr nicht stimme. Sie hatte kein Wort gesagt und hatte auch kaum eine Bewegung gemacht.
Doch der Arzt, der ihn begleitet hatte, als er ihr zum ersten Mal gegenüber gestanden hatte, hatte ihm erzählt, dass sie ganz am Anfang sehr laut und lebhaft gewesen sei.
Doyle hatte sich nicht vorstellen können, wie es den Entführern gelungen war, das Mädchen inmitten eines Krankenhauses zu verstecken. Genauer gesagt inmitten der Abteilung für psychisch labile und misshandelte Kinder. Und dennoch hatte sie genau da hinein gepasst.

Seiner Frau hatte Doyle damals erzählt, er hätte einen wichtigen Termin mit einem Kunden. Er hatte sich für drei Tage von ihr verabschiedet und versprochen, sie jeden Tag anzurufen und auf dem Laufenden zu halten.
Die drei Tage allerdings war er mit dem Mädchen zusammen gewesen. Welches ihn noch immer nur ängstlich und stumm gemustert hatte.
Am zweiten Tag hatte er eine ältere Krankenschwester zu sich gerufen. Er kannte sie schon länger und wusste daher, dass man ihr trauen könnte.
Und er hatte ihr die Obhut über das traumatisierte Mädchen überlassen.
Nicht nur, dass er mit dem Kind nichts anfangen konnte. So wollte er seine Frau nichts von seinem Fehltritt wissen lassen.
Aber es gab noch einen weiteren Grund, weswegen er sich nicht an das Mädchen binden wollte.

Er hatte Angst, dass er auch sie verlieren würde.
Man hatte ihm erzählt, dass ihn seine Tochter Lilian früh verlassen würde. Und obwohl die Ärzte ihm hatten nicht sagen können, woran sie genau litt, so konnten sie eines mit Bestimmtheit sagen: Die Krankheit war vermutlich erblich, wenngleich sie nicht bei jedem in der Familie ausbrechen würde.

Er hatte der Krankenschwester und dem Mädchen ein kleines Haus mit Garten auf einem abgelegenen Grundstück gekauft und bezahlte gut für das Schweigen der alten Dame und für den Unterhalt des Kindes.
Er hielt anfangs noch regen Kontakt zu der Frau, die sich hingebungsvoll um das Mädchen kümmerte und ihr eingeredet hatte, sie sei ihre Großmutter.
Doch als es Lilian schlechter ging, hatte sich Doyle´s Interesse auf seine erste Tochter verlagert und die Anrufe bei dem zweiten Kind waren immer seltener geworden.
Und irgendwann erreichte er niemanden mehr. Weder die Krankenschwester noch das Mädchen.
Die Bank hatte ihm den Hinweis gegeben, dass die Inhaberin des Kontos längst verstorben sei.
Seine Nachfrage nach der Frau und dem Mädchen hatte ihm nicht viel eingebracht. Die alte Frau verstorben und das Mädchen verschwunden.

„Liebling?“ Die Stimme seiner Frau lies ihn aufschrecken.
Er setzte sich aufrecht und drehte sich müde zu ihr.
„Wieso schläfst du hier in der Küche?“ wollte sie von ihm wissen und kam zu ihm, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben, bevor sie sich eine frische Tasse Kaffee machte.
Müde sah er ihr dabei zu.

„Ist es wegen … dem Geschäft?“ wollte sie von ihm wissen, ohne dass sie sich zu ihm umdrehte.
Doyle holte kurz Luft, ehe er ihre Frage bejahte.
Sie schwieg, obwohl ihr noch einige Fragen auf der Zunge lagen.
Und er war mehr oder weniger sogar dankbar dafür.
Schläfrig trank er seinen nun längst kalt gewordenen Kaffee aus.
„Es wird sich doch alles zum Guten wenden?“ kam leise von ihr und sie sah sich zu ihm um.
Für einen Moment wusste Doyle nicht, was er ihr antworten sollte.
„Ich hoffe!“ gab er dann zu verstehen, stand vom Stuhl auf und ging hinüber zur Spüle, wo er den restlichen Kaffee weg kippte.
Er gab seiner Frau einen kurzen Kuss auf die Lippen und verließ die Küche, mit den Worten, dass er schnell einen wichtigen Anruf tätigen müsste.

In seinem Büro angekommen, griff er gleich als erstes nach dem Telefon und wählte Larson´s Nummer.
Es dauerte einen Moment ehe ihm eine grimmige Stimme antwortete.
Doch noch ehe er fragen konnte, erzählte ihm Larson, dass Stevie verschwunden sei und es keine Spur von ihr gäbe.
Doyle wusste nicht, wie er reagieren sollte.
„Finde sie!“ bellte er wütend ins Telefon und legte wieder auf.

Er brauchte einen Moment ehe er sich wieder beruhigt hatte.
Und nun saß er wieder hinter seinem Schreibtisch und sah gedankenverloren vor sich her.
Und erinnerte sich.

Er hatte nur halbherzig nach seiner zweiten Tochter gesucht, als sie verschwunden war. Er hatte keine große Hoffnung gehabt, sie überhaupt zu finden.
Die alte Dame, in deren Obhut er das Mädchen gegeben hatte, hatte sich genau an seinen Plan gehalten.
Das Mädchen sollte zu ihrer eigenen Sicherheit im Haus bleiben. Niemand sollte von dem Kind wissen.
Und niemand wusste von ihr.
Die Frau hatte das Kind daheim unterrichtet, so hatte sie auch niemals eine Schule besucht. Und auch war sie niemals bei einem Arzt gewesen.
Niemand wusste von dem Mädchen, außer ihm und der alten Frau.
Und als die Frau verstorben war, war das Mädchen verschwunden.

Irgendwie hatte er geglaubt, dass sich das Kind bei ihm melden würde oder irgendwer würde ihn anrufen und ihm sagen, wo er seine Tochter wiederfinden würde. Doch Doyle hatte gewusst, dass dies einerseits Wunschdenken und andererseits auch ein dummer Gedanke war.
Das Mädchen kannte ihn nicht und niemand anderes kannte sie.

Und irgendwann war sie ihm über den Weg gelaufen. Oder vielmehr hatte seine Frau sie getroffen.
Doyle hatte nie herausbekommen, wie die beiden sich kennengelernt hatten.
Doch eines Tages war das Mädchen in seinem Haus.
Sie war groß geworden, die rotbraunen Haare noch länger und ihr Blick noch wachsamer.
Seine Frau hatte ihm erklärt, das Mädchen sei eine Tochter einer Freundin und würde nur für einen Tag bleiben.
Doyle hatte sie nur verwundert angesehen und war zum Teil erschrocken gewesen, als er dem Mädchen zum ersten Mal nach Jahren wieder gegenüberstand.
Aus einem Tag wurden mehrere.
Und dann eines Tages, freundete sich das Mädchen mit Lilian an.
Zu Doyle´s Überraschung verstanden sich die beiden auf Anhieb. Vielleicht aber war Lilian auch froh, endlich mal jemand anderen als nur die Ärzte und Schwestern und ihre Eltern zu sehen.

Alles schien so schön und auch irgendwie perfekt zu sein.
Jedenfalls bis Lilian wieder einen Anfall bekommen hatte und ins Krankenhaus musste, wo man den Eltern gesagt hatte, dass es jeden Moment zu Ende sein könnte. Und dann war da noch der Diebstahl. Oder war es genau anders herum? Doyle wusste es nicht mehr genau.
Auf jeden Fall war Lilian im Krankenhaus und das Mädchen wieder verschwunden und mit ihr das Geschenk, was er seiner Tochter extra hatte anfertigen lassen.
Nikita LaChance
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Re: AT: can't find my way home

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 6. Apr 2012, 10:10

Kapitel XXXXV

„Einen Globus?“ wiederholte Brandon irritiert.
Stevie nickte nur.
„Aber wieso ein Globus? Ich meine, wieso ist das Teil so besonders, dass man dich deswegen jagen lässt? Ist dass Teil diamantenbesetzt? Oder was?“ Brandon war verwirrt.
Im Grunde stellte er sich vor, dass der Globus, den sie gestohlen hatte, ziemlichen Wert haben musste. Vielleicht war er Antik? Aber er konnte sich nicht vorstellen, wie sie einen antiken Globus fortgebracht und versteckt haben sollte. Ein Globus war für ihn eine große bunte Kugel von mindestens einen halben Meter Durchmesser. Ein so großer Gegenstand würde mit Sicherheit auffallen.
Stevie sah ihn stumm an, so als müsse sie selbst nach einer Antwort suchen.
Dann meinte sie grüblerisch:
„Der Globus war klein!“
Brandon wartete auf weitere Einzelheiten.
„Und aus Glas!“ kam von ihr unsicher, „Nur etwa zehn Zentimeter im Durchmesser.“
„Aber was ist so besonders an dem Teil?“ wollte er wissen.
„Der Globus hatte einen kleinen Sockel aus einem rot-goldenen Holz.“ erklärte sie weiter, „Da war was drin.“

Als sie keine weiteren Angaben machte, fragte er, was genau in dem Globus gewesen sein sollte.
Noch immer konnte er sich nicht vorstellen, was an dem Globus so besonderes sein sollte.
Das wäre für ihn noch immer kein Grund, Stevie jagen zu lassen.

Stevie hatte sich wieder neben ihn aufs Bett gesetzt, die Hände zwischen ihre Knie geklemmt und sah auf den Boden.
Sie schien in Gedanken versunken zu sein.
„Es geht nicht nur um den Globus!“ flüsterte sie leise, ohne aufzusehen.
Brandon wollte mehr wissen.
Doch noch ehe, er sie um mehr Informationen bitten konnte, hörten beide ein Geräusch.

Beide sahen erschrocken auf und in Richtung Tür.
Sie erwarteten eigentlich noch immer, dass Eric endlich zurück käme.
Doch sie konnten deutlich hören, dass es nicht Eric war, der vor der Tür war.
Es waren zwei Stimmen vor der Tür zu hören.

„Was ist das?“ wollte Brandon irritiert wissen.
Stevie riss die Augen immer weiter auf.
„Jemand kommt in das Zimmer!“ meinte sie und sprang auf und stürmte zur Zimmertür.
„Wie? Ich denke niemand ohne Schlüssel ...“ fing Brandon an.
Doch Stevie unterbrach ihn gleich.
„Nicht das Zimmer hier! In dein Hotelzimmer! Jemand kommt in dein Hotelzimmer. Und wenn wir unsere Tür offen lassen, finden sie uns!“
Brandon brauchte einen kurzen Moment ehe er verstand, was genau sie damit meinte.
„Aber Eric...!“
Stevie stand an der Tür, unsicher ob sie sie schließen oder doch noch warten sollte.
„Eric sollte doch längst wieder zurück sein!“ meinte Brandon etwas verwundert.


Dallas sah Eric mit großen Augen an.
„Du willst mir einfach so die Spieluhr geben?“ wiederholte sie sein Angebot.
Erneut biss er krampfhaft die Zähne zusammen, so als würde es ihm helfen, so seinen Ärger runter zu schlucken.
Dann nickte er.
Sie musterte ihn nochmals.
„Lenk einfach Larson für einen Moment ab und ich …!“ begann Eric mit fester Stimme.
„Was ist für dich drin?“ wollte sie von ihm plötzlich wissen.
Und die Frage brachte Eric ein wenig aus dem Konzept.
„Was?“
„Was ist für dich drin?“ wiederholte sie, „Ich meine, du hilfst ihr zu verschwinden. Spielst abermals den großen Helden und dann?

Sie beobachtete genau seine Reaktion.
Eric sah sich um, ehe er ihr in die Augen blickte und meinte, dass er im Grunde nichts erwartete.
„Alles nur für sie? Nur weil sie es so will?“
Wieder blieben Eric die Worte im Hals stecken.
„Wieso begleitest du sie? Bist du einsam oder was?“
„Sie will mir helfen!“ quälte Eric zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Wie? Sie kennt noch nicht einmal ihre eigene Vergangenheit. Sie wird verfolgt. Und dennoch hoffst du, dass sie zwischen drin, noch dir hilft?“
Es klang ein wenig spöttisch, wie Dallas ihn so ausfragte. Doch andererseits schwang ein wenig Sorge in ihrer Stimme mit.

„Das geht dich nichts an!“ knurrte Eric verärgert.
Dallas schmunzelte nur.
„Hilfst du mir nun oder nicht?“ wollte er dann von ihr wissen.
„Ich weiß nicht, ob ich viel tun kann!“
Eric wusste nicht, ob sie dies nur so dahin gesagt hatte. Oder ob sie sich vielleicht doch ein Herz fasste und helfen wollte.
Er ging einfach wieder in Richtung Ausgang.

„Versuch sie dazu zu bringen, sich Larson auszuliefern!“ rief Dallas ihm hinterher, „Er könnte sie beschützen!“
Eric ignorierte sie und verließ das Café.

Erst in einigen Metern Entfernung konnte er wieder leichter atmen. Zumindest fühlte es sich so an.
Sobald er aus der Reichweite des Talismans war, fühlte er sich wieder wohler. Und zu seiner freudigen Feststellung war er nun auch wieder Körperlos.
Doch seine Freude währte nicht lang.
Er wusste noch immer nicht, wie er Stevie nun aus der Stadt helfen sollte. Zudem hatten Dallas Worte sich in sein Hirn gebrannt.
Was war für ihn drin? Würde Stevie ihm immer noch helfen, sobald sie in Sicherheit wäre? Oder wenn sie all ihre Erinnerung zurück hätte?
Was wäre dann mit ihm?


Dallas hatte Eric nicht alles gesagt. Nur soviel wie er wissen sollte. Soviel, dass er davon überzeugt wäre, dass Stevie bei Larson wirklich sicherer aufgehoben wäre.
Sie hatte ihm auch nicht gesagt, woher sie ihre Informationen hatte.
Unter anderem, weil sie dies für den Moment nicht für wichtig hielt.
Es waren nicht die Informationen, die Larson versucht hatte zusammen zu tragen. Er wusste im Grunde über Stevie nicht viel. Ganz so wie es Doyle scheinbar damals hatte haben wollen. Stevie, das große unbekannte Rätsel. Das Mädchen, das scheinbar nicht existierte.
Larson mochte vielleicht den Namen Wells schon einmal gehört haben, doch nicht im Zusammenhang mit Stevie. Ansonsten wäre er vermutlich noch besorgter als ohnehin um das Mädchen und seinen Auftrag.

Wells war es damals gewesen, den Dallas gesehen hatte, kurz bevor Stevie mit der Spieluhr vor ihr geflohen war.
Auch sie hatte ein oder zwei Mal schon Wells´ Wege gekreuzt. Wenngleich auch nur um ihm irgendetwas zu verkaufen. Sie wusste wie gefährlich der Mann sein konnte.

Im Grunde hatte Dallas nicht damit gerechnet, Eric über den Weg zu laufen. Sie hatte nur einen Kaffee trinken wollen.
Larson war im Wagen kurz eingeschlafen, während sie weiter Wache gehalten hatte. Und als er nach eine halben Stunde wieder aufwachte, hatte er sie einfach ins Café um die Ecke geschickt.
Im Grunde war Larson´s Wagen von hier aus zu sehen. Und auch der Waschsalon, den Larson überwachte.

Sie trank den letzten Schluck ihres Kaffees, bestellte einen zweiten zum mitnehmen und zahlte. Auf ihrem Weg zum Wagen, hatte sie das Gefühl, dass irgendwer sie beobachtete.
Sie wusste, dass es nicht Eric sein konnte. Nicht nur weil sie sich sicher war, dass er besorgt zu Stevie zurück gehen würde, sondern auch wegen des Talismans.
Schnellen Schrittes ging Dallas zu Larson´s Wagen zurück, stieg auf der Beifahrerseite ein und gab dem Mann den Kaffee ohne ein weiteres Wort.

„Ich frag mich, wo sie stecken?“ murmelte Larson in den Kaffee. Auch er spürte die fremden Blicke.
„Was wäre, wenn sie mit einem anderen Fahrzeug aus der Stadt verschwinden?“ wollte sie von ihm wissen und musterte ihn.
„Ich glaub nicht, dass Brandon seine Maschine zurück lässt!“ war Larson überzeugt, „Ist schließlich das einzige, was er aus seiner Beziehung noch besitzt! Und so eine tolle Maschine lässt man nicht einfach zurück!“
Dallas nickte nur mit hochgezogener Augenbraue.
Sie selbst würde natürlich auch nicht das Motorrad stehen lassen. Allerdings würde sie es eher aus finanzieller Sicht nicht einfach zurück lassen.
„Möglich wäre es trotzdem!“ bemerkte sie leise und machte es sich auf ihrem Sitz bequem.


Stevie stand unschlüssig an der Zimmertür und lauschte. Die Tür war nur einen winzigen Spalt weit offen und man würde es von der anderen Seite nicht sofort bemerken.
Den Stimmen nach waren es zwei Hotelangestellte, ein Mann und eine Frau, die noch immer nach Brandon suchten.
„Machen Sie hier sauber! Und wenn Sie was finden, geben Sie sofort Bescheid!“ befahl die männliche Stimme.
„Der wird nicht mehr hier sein!“ gab die Frau zurück.
Dann war das Quietschen eines Wagens zu hören. Allen Anschein nach der Wagen des Zimmermädchens, voll mit Putzutensilien, Handtüchern und Pralinen.

Der Mann suchte hörbar hinter den Vorhängen und auch unter dem Bett. Seine Schritte laut und kräftig.
Und er kam immer näher zu dem geheimen Zimmer und dem Versteck von Brandon und Stevie.

Noch ehe Stevie überhaupt reagieren konnte, hatte Brandon die Tür zugestoßen.
Er stand nun hinter ihr und presste sein Ohr an die Tür.
Stevie war zu entsetzt um sofort zu reagieren.

Die beiden konnten nicht wissen, dass das Schließen der Tür zu hören war.
Irritiert hatte der Hotelangestellte sich zu dem Geräusch umgedreht und starrte nun auf die Badezimmertür.
Ein kurzer Blick zum Zimmermädchen bestätigte ihm, dass er sich den stumpfen Schlag gegen die Tür und das Klicken nicht nur eingebildet hatte.
Vorsichtig und leise ging er zu der Tür hinüber, legte sein Ohr an das Holz und lauschte.
Doch nichts war zu hören.
Und so öffnete er vorsichtig und langsam die Tür.
Das Zimmermädchen hinter ihm sah mit großen Augen zu und klammerte sich an das Kissen, welches sie soeben vom Fußboden aufgehoben hatte.

„Aber …?“ Der Angestellte war irritiert.
Die Tür schwang auf und präsentierte das Bad. Ein menschenleeres Bad.
Abermals drehte er sich zu der Frau um, die ihn genauso ungläubig ansah.
„Sie haben das doch auch gehört, oder?“ wollte er von ihr wissen und sie nickte nur erschrocken.
Wieder sah er in das Bad, ehe er hinein trat und genauer nach sah.
Doch was auch immer gegen die Tür gestoßen war und sie hatte ins Schloss fallen lassen, war nicht zu sehen. Es gab nicht einmal ein Fenster in dem Zimmer, womit man erklären könnte, warum sich die Tür geschlossen hatte. Nicht das es überhaupt auf den ersten Blick ausgesehen hatte, dass sie offen war.
Irritiert schloss er die Tür wieder, wartete einige Sekunden und öffnete sie dann.
Doch wie zuvor war nur ein leeres Badezimmer zu sehen.
Er wiederholte den Vorgang noch einmal.
Aber wieder blieb der Raum leer.
So schüttelte der Mann nur verwundert den Kopf, zog die Tür zu und drehte sich zum Zimmermädchen.
„Beeilen Sie sich!“ meinte er nur und verließ das Hotelzimmer.
Das Zimmermädchen starrte noch immer auf das Badezimmer. Dann riss sie sich zusammen und wechselte in Windeseile den Bettbezug, reinigte in Eile das Zimmer und brachte es wieder auf Vordermann. Allerdings ignorierte sie das Badezimmer. Sie traute sich nicht dort hinein. Nicht allein.
So stürmte sie nach halb getaner Arbeit mit ihrem Wagen wieder aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Auf dem Hotelflur atmete sie erst einmal tief durch.

Sie wollte gerade den Flur entlang zum nächsten Zimmer gehen, als sie in dem Spiegel neben sich einen Mann vorbeihuschen sah.
Irritiert sah sie sich um.
Doch der Mann war nirgends zu sehen. Außer ihr niemand weiter auf dem Flur.
Sie blickte erneut in den Spiegel.
Nur ganz kurz konnte sie darin den Mann sehen. Ehe dieser in dem Zimmer verschwand, aus dem sie gerade eben kam.
Wieder drehte sie sich zu dem Zimmer um.
Und wieder war niemand zu sehen.
Panik stieg in ihr auf. Schnell bekreuzigte sie sich, auch wenn sie nicht an höhere Mächte oder gar Geister glaubte.
Sie schob ihren Wagen eilig weiter. Doch sie hielt nicht beim nächsten Zimmer. Sie lief immer weiter und weiter. Und verkündete den nächstbesten Angestellten, den sie traf, dass sie sich nicht wohl fühle und nach hause müsste.


Eric bekam von der ganzen Sache mit dem Zimmermädchen, welches er unbeabsichtigt zu Tode erschreckt hatte, nichts mit. Andernfalls hätte er sich darüber kaputt gelacht.
Er betrat das Hotelzimmer, ohne die Tür zu öffnen, und schritt hinüber zum Bad.
Er ging einfach durch die Tür.
Und erschrak.
Zuletzt geändert von Nikita LaChance am Sa 21. Apr 2012, 11:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: AT: can't find my way home

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 6. Apr 2012, 10:11

Kapitel XXXXVI

Eric stand im Badezimmer.
Kurz irritiert, ging er zurück und trat erneut durch die Tür. Doch nichts änderte sich an der Situation.
„Scheiße!“ schrie er laut. So laut, dass es in dem Zimmer wieder hallte.
Er wusste, was passiert war. Jemand hatte die Tür des magischen Raums geschlossen und er war somit, nun da er den Schlüssel im Raum gelassen hatte, ausgesperrt.
„Scheiße! Scheiße! Scheiße!“
Er hatte keine Ahnung, wie er in den Raum wieder reinkommen sollte. Er musste nun warten, bis jemand die Tür wieder öffnete.
Nur eines wusste er mit Sicherheit. Er war stinksauer.


„Was hast du gemacht?“ protestierte Stevie und stieß Brandon von der Tür weg.
Für einen Moment sah er sie vollkommen perplex an.
„Ich hab … sie zugemacht!“ erklärte er, „Ich wollt nicht, dass uns jemand findet!“
Sie sah ihn kurz finster an.
„Jetzt wird Eric uns aber auch nicht finden!“ murrte sie.
Sie überlegte, ob sie die Tür wieder aufreißen sollte.
Doch dann war sie sich unsicher, weil sie nicht wusste, ob die beiden Leute noch im Hotelzimmer waren. Würde sie die Tür nun öffnen, wäre ihr Versteck nicht mehr sicher.
„Mist!“ fluchte sie leise und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

„Wir sollten ein paar Minuten warten und dann nachsehen!“ schlug Brandon vorsichtig vor und beobachtete sie.
Widerwillig nickte sie.
„Und wenn wir die anderen noch hören können,machen wir die Tür wieder zu, ehe sie uns finden!“
Wieder nickte sie nur, ohne zu ihm zu sehen.

Für einen Augenblick überkam Stevie ein merkwürdiges Gefühl.
„Hey?“
Brandon war sofort an ihrer Seite und sah sie besorgt an.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“ wollte er wissen.
Sie sah ihn fragend an. Doch für einen Moment schien sie ihn gar nicht zu sehen.
So schloss sie die Augen, holte tief Luft und öffnete die Augen wieder.
„Du bist ganz blass!“ meinte er und packte sie sanft am Arm und zog sie in Richtung Bett.
Noch immer sagte sie nichts. Sie lies sich von ihm aufs Bett setzten und sah ihn noch immer verwirrt an.
„Sag was!“ befahl Brandon und klang ein klein wenig verzweifelt.
„Das mit der Tür tut mir leid! Okay?“ fing er an sich zu entschuldigen, „Wir müssen nur ein paar Minuten warten und dann könne wir nachsehen!“
Sie wollte nicken. Ihm antworten. Aber es war so als hätte sich ihr Geist gerade von ihrem Körper getrennt und so sah sie ihn sprachlos an.

Seine Besorgnis wuchs.
„Komm schon!“ schimpfte er nun etwas lauter, „Sag was, Stevie!“
Brandon bemerkte, wie ihre Augen noch immer nicht wirklich sahen, was vor ihr war. Und sie war zu blass.
Gerade als er seine Hand auf ihre Stirn legen wollte, um nach Fieber zu sehen, zuckte sie zusammen und wich seiner Hand aus.
Sie blinzelte ein paar Mal und lief dann rot an.
Dennoch fühlte er ihre Stirn.
Und musste feststellen, dass das Fieber zurück war.

„Was war los?“ wollte er von ihr wissen.
Er hockte vor ihr und sah sie noch immer besorgt an.
Verlegen sah sie zu Boden.
„Ist es wegen der Tür? Wegen Eric?“
Sie wusste nicht, wie sie ihm antworten sollte.
Und nach ein paar Sekunden nickte sie ohne zu ihm zu sehen.

Brandon fuhr mit seiner Hand über sein Gesicht und atmete tief durch.
„Er kommt schon wieder!“ meinte er, „Er ist doch bisher immer zurück gekommen!“
Stevie nickte.
„Wir warten nur ein paar Minuten und dann machen wir die Tür wieder auf!“ erklärte Brandon und kam aus der Hocke hoch.
Er sah kurz zur Tür hinüber und dann zu Stevie, ehe er sich zu ihr setzte und seinen Arm um sie legte.
„Er wird hier reinkommen und stinksauer auf mich sein. So wie immer.“ meinte Brandon und zog sie näher zu sich.
Ein kurzes Schmunzeln huschte über ihr Gesicht, was er, obwohl sie noch immer nicht den Kopf gehoben hatte, sah.

„Ich hab mich erinnert.“ flüsterte sie leise nach einer Weile.
„Mmh?“
„Der dunkle Raum. Stickig, feucht und kalt.“
Brandon musterte sie und bemerkte, dass sie wieder blass geworden war.
„Ich kann mich nicht erinnern wann das war oder wo!“ gab sie leise zu, „Aber man hat mich eingesperrt und ...“
„Und was?“ fragte er ebenso leise. Besorgt, dass, sollte er zu laut sprechen, sie noch mehr Angst bekommen, als sie ohnehin gerade im Moment zu spüren schien.
„Man hat mich geschlagen!“ antwortete sie, „Immer und immer wieder. Solange, bis ich bewusstlos war. Vielleicht auch länger.“
Brandon sah sie entsetzt an.
Er wusste weder wie er sie nun trösten oder beruhigen sollte, noch was er von dieser Erinnerung halten sollte.

„Warum jetzt?“ fragte er sich und sprach die Frage unbewusst aus.
Sie sah zu ihm auf. Mit dem Blick eines ängstlichen Kindes.
„Was?“
„Ich … Ich meine, warum erinnerst du dich jetzt an die ganzen Sachen?“ wollte er wissen.
Irritiert sah sie ihn für einen Moment an und zuckte dann mit den Schultern.
„Ich weiß nicht.“ gab sie zu.
Brandon drückte sie fest an sich, sodass sie ihren Kopf gegen seine Schulter legen konnte und presste sein Gesicht in ihre Haare.
Brandon erinnerte sich für eine Sekunde an einen so ähnlichen Augenblick, den er damals mit Josie erlebt hatte. Damals hatte er sie auch trösten müssen. Allerdings hatte sie lediglich ihren Job verloren und war darüber traurig gewesen.
Stevie hingegen war anders. Sie brauchte weniger Trost der Trauer wegen. Sie brauchte eine Schulter zum Anlehnen. Jemanden der ihr über ihre Angst und ihre noch beängstigerenden Erinnerungen hinweg half.

Eine Weile saßen sie so da.
Bis Stevie leise verkündete, dass alles wieder okay sei.
Und obwohl Brandon sich sicher war, dass dies nicht stimmte, ließ er sie wieder los.
„Wir sollten die Tür testen!“ meinte er und stand auf.
Stevie blieb an ihrem Platz und sah zu ihm hinüber.

Vorsichtig öffnete Brandon die Tür. Er hatte gerade die Klinke nach unten gedrückt und die Tür glitt aus dem Schloss, als Eric schon im Raum auftauchte.
Er war stinksauer und blickte zwischen Brandon und Stevie hin und her, so als wäre er sich nicht sicher, wenn er zuerst zusammen stauchen sollte.
Stevie sah ihn mit großen Augen an und wollte sich schon entschuldigen.
Doch Brandon kam ihr zuvor und erklärte die Situation.

Eric musterte ihn mit einem finsteren Blick. Dann schloss er die Augen, holte tief Luft und nickte.
Seine Wut schien wieder runter geschluckt, jedenfalls bis Brandon ihn fragte:
„Wolltest du nicht Frühstück holen?“
Sofort warf Eric ihm erneut einen bösen Blick zu.
„Ich wurde aufgehalten!“ knurrte er dann nur und sah zu Stevie.

Sofort änderte sich seine Mimik und er sah besorgt drein.
„Was ist passiert?“ wollte er sofort wissen.
„Sie hat sich an einiges erinnert.“ kam von Brandon als Antwort, „Und einiges davon war weniger schön.“
Brandon blieb bei der Tür stehen.

Eric hockte sich vor Stevie, so wie es Brandon zuvor getan hatte.
Er wollte sie fragen, an was sie sich erinnerte. Doch er traute sich nicht. Er konnte sehen, wie schmerzhaft oder beängstigend die Erinnerungen sein mussten.
So legte er lediglich seine Hand auf ihre und drückte sie kurz.

Ohne seinen Blick von ihr zu nehmen, erzählte er, was Dallas ihm gesagt hatte. Zumindest einen Teil davon.
Stevie hatte bei dem Namen Wells aufgesehen.
„Kennst du ihn?“ wollte Brandon sofort wissen.
Sie überlegte kurz.
„Ich glaub ja!“ sagte sie mit zittriger Stimme.
Eric kannte den Typen nicht. Doch dass was ihm Dallas erzählt hatte, hatte nicht gut geklungen. Wells schien kein freundlicher Geselle zu sein und im Grunde hatte Eric nicht wirklich vor dessen Weg zu kreuzen.

Dann bemerkte er etwas.
„Der Typ, der nach dir suchen lässt ...“ fing er an.
„Doyle!“
Eric begann erneut.
„Doyle hat ein paar Leute beauftragt nach dem Teil zu suchen, was du geklaut hast ...“
Wieder unterbrach ihn Stevie und nannte, was sie Doyle entwendet hatte.
Für einen Augenblick kam sich Eric hintergangen vor. Brandon hatte über Stevie mehr erfahren als er und das passte ihm nicht wirklich.
„Okay, Doyle lässt nach dem Glas-Globus seiner Tochter suchen, den du geklaut hast!“ erklärte Eric, diesmal mit gereizter Stimmung, „Er will erst nur das Teil wieder haben und schickt einen Haufen Typen los, die nicht mal wissen wonach sie suchen sollen!“
Stevie und Brandon nickten stumm.
„Und dann nachdem man Stevie mehrmals bedroht und verletzt hat, ändert er seinen Befehl und will nun dass sie sicher zu ihm gebracht wird!“ Eric sah von Stevie zu Brandon und wieder zurück, „Warum ändert er plötzlich den Befehl?“
Beide verstanden nicht, was er damit meinte.

„Erst schickt Doyle seine Leute einfach los, Stevie und das Teil zu finden, ohne genaueres zu sagen. Ihm war es egal, was mit Stevie passiert, solange er seinen kleinen Schatz zurück bekommt. Und dann plötzlich macht er sich Sorgen?“
Brandon nickte plötzlich.
„Schon eigenartig!“ meinte er dann.
„Und dieser Wells war schon vor Doyle´s Auftrag hinter Stevie her!“ stellte Eric noch fest.
Wieder sah Stevie ihn mit großen Augen an.
„Ich wüsste nur warum!“ murmelte Eric vor sich hin.
Im Grunde fragte sich Stevie das auch. Zwar hatte sie einen Teil ihrer Erinnerung wiedererlangt, aber eben noch nicht alles.
So vieles über ihre Vergangenheit lag noch im Dunkeln.
Und, so dachte sie sich, es wäre vielleicht auch besser, wenn einiges im Dunkeln bleiben würde, da es ihr Angst machte.
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Re: AT: can't find my way home

Beitragvon Nikita LaChance » Sa 21. Apr 2012, 11:22

Kapitel XXXXVII

Der Psychologe, Doktor Harris, war drei Tage nachdem sie im Krankenhaus wieder aufgewacht worden war, zu ihrem Fall hinzugezogen worden.
Für einen Moment hatte er ihre Patientenakte studiert und dann zu ihr gesehen.
Man hatte ihm bereits die Situation erklärt. Dennoch war es von Nöten, dass er sich selbst von der jungen Patientin einen Eindruck machte.

Es irritierte ihn ein wenig, dass niemand etwas über das Mädchen wusste und dass nichts über sie zu herauszufinden war.
Doktor Harris ordnete einen Test an, um zu sehen, an wie viel sich das Mädchen erinnern konnte.
Niemand hatte in Erfahrung bringen können, was ihr zugestoßen war. Man mutmaßte, dass sie einen Autounfall erlebt hatte. Aber es wurde auch davon geredet, dass man sie womöglich auch misshandelt und gefoltert hätte.
Das Mädchen selbst hatte keine Antworten geben können.

Der Test begann simpel. Angefangen von einfachen Dingen, wie dem eigenen Namen, bis hin zu einigen Fragen des Allgemeinwissens.
Sonderbarerweise konnte sich das Mädchen zwar an Dinge, wie den amtierenden Präsidenten oder das Jahr erinnern, aber nicht an ihren Namen. Sie besaß einen klaren Verstand und ihr IQ lag im durchschnittlichen Bereich, wenn auch weit oben.
Einzig an ihr eigenes Leben hatte sie keine Erinnerung.
Sie konnte weder sagen, wie alt sie gerade war, noch wo sie zuletzt gewesen sei. Oder was mit ihr passiert war.

Doktor Harris sprach etwas von Amnesie.
„...Retrograde Amnesie. Das heißt das Ereignisse, die vor dem Unfall liegen, können nicht mehr ins Bewusstsein gerufen werden. ...“
Sie hörte ihm nicht wirklich zu. Zu sehr beschäftigt mit der Frage, wie man sein eigenes Leben vergessen könnte, wenn man sich dafür an alles andere erinnerte.
„Meist betrifft es Dinge, die kurz vor dem schädigenden Ereignis passiert sind. ...“ erklärte er weiter, „Es besteht die Möglichkeit, dass Sie Ihre Erinnerungen wiedererlangen werden.“

Er konnte ihr nicht sagen, wann dies sein würde. Und er konnte ihr auch nicht sagen, an was alles sie sich erinnern würde. Gute wie schlechte Dinge?
Er war wieder gegangen und hatte sie allein in ihrem Krankenzimmer zurückgelassen.

Doktor Harris wusste nicht, was er mit seiner Patientin anfangen sollte. Sie war jung und im Grunde hilflos.
Er beriet sich mit einigen anderen Ärzten und man kam zu dem Schluss, dass man das Mädchen unter Beobachtung stellen sollte.
Man würde sie in einem Wohnheim unterbringen, welches für Trauma-Patienten eingerichtet war.

Der Psychologe wusste weder, dass seine Patientin noch den Abend, an dem er diesen Beschluss traf, sich in den Kopf gesetzt hatte zu fliehen, noch dass bereits jemand in dem Krankenhaus war, der nach ihr suchte.

Und am nächsten Tag, nachdem man sie bereits einmal außerhalb ihres Bettes erwischt hatte, war sie verschwunden.
Nicht nur die behandelnden Ärzte waren erschrocken darüber.
Doktor Harris war besorgt. Es musste einen Grund geben. Für die Verletzungen, die das Mädchen hatte, und die Amnesie, unter der sie litt.
Nur wenige Tage später allerdings, lag seine Sorge bei dem nächsten Patienten und das sonderbare Mädchen war vergessen.


Das Dumme an ihren Erinnerungen, so fand Stevie, war, dass sie nicht immer einen Sinn ergaben. Nicht immer war zu erkennen, ob es wirklich Erinnerungen waren, die wie ein alter bunter Film vor ihrem geistigen Auge flimmerten.
Einiges schien schon fast zu unwirklich.

Während sie am Anfang ihrer nun viermonatigen Reise versucht hatte sich krampfhaft an irgendetwas zu erinnern und dies dann in ihrem kleinen Notizbuch aufzuschreiben, schien sie nun schon beinahe überfordert an der Flut ihrer wiederkehrenden Erinnerungen.

Obwohl Brandon darauf bestand, dass sie sich noch einmal hinlege und ausruhe, hatte sie ihr Notizbuch aus dem Rucksack geholt und begonnen stichpunktartig ihre wirren Erinnungsfetzen zu notieren.
Für einen Moment hatte Eric ihr dabei über die Schulter gesehen, ehe er frustriert und auch ein klein wenig wütend darüber, dass er nichts tun konnte, sich noch einmal auf die Suche nach etwas zu essen machte.

Diesmal blieb er auch nicht lange fern.
Innerhalb weniger Sekunden hatte er ein paar frische Brötchen und warme Getränke geholt. Wie er zugab, hatte er das Büfett aus der Hotelküche geplündert.

Nach einer Weile und einigen Bissen und auch den vielen Betteleien von Eric, begann Stevie von ihren Erinnerungen zu erzählen.
Auch wenn sie nicht viel sagen konnte und einige ihrer Erlebnisse nun nicht chronologisch aufgezählt waren, hörten ihr die beiden Männer gebannt zu.
Keiner der beiden sprach dazwischen, obwohl beiden deutlich anzusehen war, dass ihnen wohl tausend Fragen auf der Zunge lagen.

Sie berichtete von dem hellen Musikzimmer und der klavierspielenden Mutter, der Entführung und ihrem Aufwachen in dem weißen Raum und den Arzt. Auch davon, wie sie verängstigt durch einen Wald lief und sich dabei verletzte.
Sie konnte nur schätzen wie alt sie jeweils gewesen war oder sein musste. Noch immer war so vieles unklar.
Das Letzte, an was sie sich erinnern konnte, was noch vor ihrem Erwachen im Krankenhaus von Stevenson lag, war wie sie ein weiteres Mal entführt wurde. Wie man sie packte und in einen dunklen und stinkenden Raum sperrte und sie verprügelte.

Beide Männer sahen sie geschockt an. Nicht nur, dass sie Stevie teilweise nur schwer verstehen konnten, da sie so leise gesprochen hatte, so war doch einiges ihrer Erzählung unfassbar.
Für einen Moment sprach keiner von beiden und Stevie wischte sich die Tränen, die ihr irgendwann während sie erzählte über die Wangen liefen, weg.

„War es Doyle?“ kam unsicher und leise von Eric.
Stevie sah von ihrem angebissenen Brötchen auf und sah ihn irritiert an.
„Der Mann, der dich entführt hat. War das Doyle?“ wiederholte er.
Stevie überlegte kurz und obwohl sie sich nicht wirklich erinnerte, ob sie Doyle überhaupt schon einmal über den Weg gelaufen war, schüttelte sie den Kopf.
„Meinst du, er hat sie beide Male entführt?“ wollte Brandon wissen und sah zu Eric hinüber.
„Möglich wäre es. Auch wenn ich nicht verstehe, warum er sie als Kind entführen sollte. Da hatte sie doch nichts mit ihm zu tun!“ war Eric´s Meinung und Brandon nickte.
„Ich war bei ihm!“ flüsterte Stevie, wobei sie ihren Blick wieder gesenkt hatte.
Brandon´s und Eric´s Blicke richteten sich sofort wieder auf sie.
„Ich war bei ihm zu hause und … ich hab seine Tochter kennengelernt!“
Sie sah kurz auf, zwischen beiden hin und her, ehe sie wieder nachdenklich nach unten sah.
„Ich war bei ihm zu hause!“ wiederholte sie.

Eric griff sich das Notizbuch von Stevie und begann wortlos darin zu blättern. Er begann von hinten zu lesen und fand so natürlich zuerst ihren letzten Eintrag. In Stichpunkten konnte er lesen, was sie soeben erzählt hatte.
Und während die letzten Seiten ein wenig über ihr vergessenes Leben erzählten, zeigten die viel älteren Einträge nichts davon. Lediglich die Orte, durch die die beiden gereist waren, hatte Stevie notiert und einige kleine Erlebnisse von ihrer Reise oder Sprüche, die Eric gelassen hatte.

Nach einer Weile sah er auf.
„Was machen wir jetzt?“ wollte er wissen.
Stevie blickte nicht auf. Sie schien erneut in Gedanken versunken.
„Wir können nicht hier bleiben!“ war Brandon´s Meinung und Eric nickte, wenngleich er noch immer auf eine Antwort von Stevie wartete.
„Doyle...“
„Was?“ Brandon, der noch immer neben Stevie saß, hatte sie kaum verstanden.
„Er sucht nach mir.“
Eric sah sie irritiert an.
„Ich … muss zu ihm!“

„Bist du verrückt? Der Typ lässt dich jagen, wie irgend so ein Tier, und du willst dich ihm ausliefern!“ schimpfte Eric sofort.
Brandon hingegen blieb ruhig und sah das Mädchen neben sich musternd an.
Sie hatte ihre Zähne zusammengebissen und blieb für einen Moment starr sitzen. Brandon war sich nicht sicher, ob sie sauer war, dass Eric sie für verrückt hielt oder ob sie vor Schmerzen so starr dasaß.
Dann aber hob sie ihr Gesicht und funkelte Eric finster an, sodass der Blonde erschrocken zurückblickte.
„Ich werde zu ihm gehen!“ meinte sie mit ernster Stimme.
„Aber ...“
„Er soll mir mein Leben zurück geben!“ knurrte sie.
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Re: AT: can't find my way home

Beitragvon Nikita LaChance » Sa 21. Apr 2012, 11:22

Kapitel XXXXVIII

Larson hatte Dallas beobachtet. Nicht dass er es unbedingt wollte. Im Grunde hatte er auch eigentlich nur weiter Ausschau nach Stevie und Brandon gehalten.
Doch dann war ihm Dallas ins Auge gefallen, wie sie in Richtung Café ging.
Er hatte ihr aufgetragen was zu trinken zu besorgen und sie war ohne Murren gegangen.

Er wusste nicht, weswegen sie sich ihm wirklich angeschlossen hatte. Ob sie wirklich nur aus Sorge um Stevie bei ihm war.
Larson wollte wieder wegsehen, als er einen blonden Mann bemerkte, der plötzlich aus dem Nichts auftauchte und in einen Passanten hinein lief. Der Blonde selbst schien ein wenig irritiert darüber.
Für einen Moment dachte sich Larson nichts dabei, bis er sich erinnerte, wo er den Blonden schon einmal gesehen hatte.

„Das ist doch ...“ fing er an und sah sich nach allen Seiten um.
Irritiert, niemanden sonst zu sehen, den er erwartet hatte, fiel sein Blick wieder zurück zu dem Blonden, der nun völlig verdutzt vor Dallas stand.
Er konnte nicht hören, was sie zu dem Mann sagte, doch dieser schien nicht ganz begeistert zu sein, auf Dallas zu treffen.
Für einen Moment war der Drang groß, nun aus seinem Wagen zu springen und hinüber zu dem Blonden zu rennen und ihn nach dem Aufenthalt seiner beiden Freunde zu fragen.
Dann bemerkte er, dass Dallas mit dem Blonden ins Café ging und somit eigentlich sich aus seinem Blickfeld bewegte.
Wieder warf er seinen Blick die Straße entlang.
„Wieso ist der Kerl hier?“ murmelte er gedankenverloren vor sich hin und starrte nun auf das Café.
Deutlich konnte er Dallas und den Blonden in der Nähe des Fensters sitzen sehen. Aber er war zu weit weg, um zu sehen, was genau sie taten.

„Scheiße!“ knurrte Larson.
Er sollte wirklich ins Café stürmen und den Blonden ausquetschen.
Doch was wäre, wenn dies ein Trick wäre. Der Moment, in dem er dem Blonden folgte, könnten sich Stevie und Brandon mit dem Motorrad aus dem Staub machen.
Das konnte er nicht riskieren und so blieb er zähneknirschend in seinem Wagen sitzen.

Als Dallas nach einer Weile wieder zum Wagen zurück kam und ihm seinen Kaffee reichte, tat Larson so, als sei nichts gewesen.
Im Grunde hoffte er, dass sie von sich aus erzählen würde, was passiert war.
Doch sie tat es nicht.
Sie stellte ihm lediglich die Frage, ob Brandon und Stevie nicht auch mit einem anderen Fahrzeug fliehen könnten.

Larson trank in Ruhe seinen Kaffee aus, immer noch darauf wartend, dass Dallas ihm von dem Blonden erzählte.
„Wie war sein Name?“ fragte er, als sie noch immer schweigend auf das Motorrad vor sich sah.
Dallas blickte ihn verwirrt an.
„Der Blonde! Stevie´s Freund!“ erklärte Larson kurz und packte den leeren Kaffeebecher in die Seitentür.
Dallas sah sich kurz um, so als erwarte sie nochmals Eric zu sehen.
„Was wollte er? Sollte er uns ablenken, während Stevie mit dem anderen abhaut?“
Sie sah ein wenig schuldbewusst drein.
„Er wollte, dass ich dich ablenke!“ meinte sie dann, „Ich soll dich ablenken, damit Stevie und Brandon mit der Maschine verschwinden können.“


„Wie kommen wir hier weg?“ war Eric´s Frage, nachdem er sich von Stevie´s ernster Aussage erholt hatte.
Seit nun vier Monaten war er mit ihr zusammen. Einige davon war er mit ihr auf der Flucht vor einem unbekannten Verfolger und eine Zeit lang sogar mit der Ungewissheit, dass es überhaupt jemand auf Stevie abgesehen hatte. Nun wollte sie freiwillig zu dem Mann gehen, der ihr den ganzen Schlamassel eingebrockt hatte.
Brandon zuckte nur mit den Schultern.
Und Stevie saß nachdenklich neben Brandon, noch immer das angebissene Brötchen in der Hand.

„Wir müssen aus dem Hotel erst mal raus kommen!“ war Brandon´s Meinung.
„Wird bewacht!“
„Oh!“
„Dein Bike übrigens auch!“ erklärte Eric.
Brandon sah ihn entsetzt an.
„Wir müssen einen anderen Weg finden, hier weg zu kommen!“ meinte Eric.

„Brandon bleibt!“
Sofort waren die Augen beider Männer auf Stevie gerichtet.
„Was?“ kam fast zeitgleich über ihre Lippen.
„Er kann nicht mit!“ Wieder sprach sie mit vollem Ernst in ihrer Stimme. Ihr Blick aber zeigte deutlich, dass sie ihn nicht wirklich gehen lassen wollte.
„Ich geh aber nicht weg!“ protestierte Brandon sofort und selbst Eric hatte Einwände.

„Es ist gefährlich ...“ fing Stevie an.
Doch Brandon fiel ihr dazwischen und meinte, dass es schon eine Weile gefährlich sei und er keine Angst davor hätte.
„Und mich wirst du auch nicht so einfach los!“ versicherte ihr Eric sofort mit einem verschmitzten Lächeln.
„Aber ...“ Sie verstummte wieder, so als seien ihr die Argumente ausgegangen.

Ein paar Minuten herrschte wieder nachdenkliches Schweigen.
„Jetzt da wir wissen, dass Stevie uns beide am Hals hat, sollten wir herausfinden, wie wir hier weg kommen!“ kam von Eric. Er hatte sich auf den Schreibtisch gesetzt und sah zu Stevie und Brandon hinüber.
„Irgendein Plan?“ wollte er von den beiden wissen.
„Wir müssten mein Motorrad unter Larson´s Nase weg kriegen!“ grübelte Brandon, „Und natürlich hier raus!“
„Kannst du nicht das Motorrad holen?“ wollte Stevie von Eric wissen und er sah sie mit großen Augen an.
„Das Teil ist schwer!“ protestierte Eric, „Und wo sollte ich es verstecken?“
„Oh!“ kam von Stevie darauf hin und wieder begann sie nachzudenken.

„Vielleicht solltest du überlegen, was wichtiger ist!“ kam von Eric und sofort richtete sich Stevie´s Blick wieder auf ihn.
Doch es war im Grunde nicht sie, die Eric ansprach. Sein Blick ruhte auf Brandon.
„Sie oder dein Bike?“
Stevie sah zwischen beiden Männern hin und her.
„Dein Bike steht genau vor Larson´s Nase. Unbemerkt kann ich´s nicht holen.“ erklärte Eric.
Brandon nickte nachdenklich.
„Das kannst du nicht machen!“ schimpfte Stevie und sah Brandon entsetzt an.

Brandon senkte kurz seinen Blick, überlegte und sah dann zu Stevie.
„Nein!“ protestierte sie erneut und sprang auf, „Das kannst du nicht machen!“
„Es ist meine Entscheidung!“ erklärte er nur und packte ihre Hand und zog sie zurück aufs Bett.
„Aber …!“

„Wie kommen wir weg?“ Brandon hatte sich wieder an Eric gerichtet, ohne jedoch Stevie loszulassen.
Eric sah kurz auf Brandon´s Hand und ihm dann ins Gesicht.
„Du hast dir das wirklich gut überlegt?“ wollte er wissen und Brandon nickte nur.
„Es gibt nicht viele Möglichkeiten, raus aus dem überwachten Hotel!“ meinte Eric nachdenklich, „Ich könnt natürlich versuchen die Leute ein wenig abzulenken oder euch durchs Hotel ins Freie lotsen. Aber dann wäre noch das Problem mit dem fahrbaren Untersatz.“
Wieder nickte Brandon nur.

„Was wenn du mich und Stevie wegbringst?“
Eric sah Brandon irritiert an.
„Ich meine, so wie du sie vom Krankenhaus zu mir gebracht hast!“
Stevie schwieg. Sie schien noch immer nicht darüber hinweg zu sein, dass Brandon wegen ihr sein geliebtes Motorrad zurück lassen wollte.
„Du meinst mit dem Schlüssel?“ Eric sah ihn mit großen Augen an.
„Es hat doch schon einmal funktioniert!“ meinte Brandon nur.
„Ja, und wir haben gesehen, was dann passiert ist!“ kommentierte Eric nur leicht wütend.
„Aber wir haben keine andere Möglichkeit!“

Eric sah ihn finster an. Er wollte den Trick mit dem Schlüssel nicht noch einmal probieren. Diesmal könnte wirklich jemand verschwinden.
„Ich meine, ich könnt mich mit Stevie im Schrank verstecken und du bringst uns mit dem Schlüssel aus der Stadt.“
„Und dein Motorrad?“ warf Stevie kurz ein.
Brandon sah zu ihr und schmunzelte, wenn auch ein klein wenig wehmütig.
„Wir können es nicht mitnehmen.“ erklärte er ihr.
Sofort warf Stevie ihren Blick wieder Eric zu.
„Du kannst es doch holen?“ wollte sie von ihm wissen und klang dabei wie ein ungeduldiges Kind, „Du kannst es doch später holen, wenn wir in Sicherheit sind?“
Eric wusste nicht was er sagen sollte und so schwieg er.

„Du bringst uns mithilfe des Schlüssels weg und ...“ fing Brandon erneut an und erhaschte wieder Eric´s Aufmerksamkeit.
„Ihr beide wollt euch im Schrank verstecken?“ wollte dieser wissen.
Brandon nickte nur.
„Das ist aber verdammt eng!“ bemerkte Eric.
„Aber es hat beim letzten Mal geklappt.“ meinte Brandon sofort.
„Ich pass auch auf, dass sie im Schrank bleibt und nicht wieder weg läuft!“ fügte er sofort hinzu, als er bemerkte, dass Eric noch immer Einwände hatte.
„Ist trotzdem eng!“ murrte dieser nur.

Stevie fühlte sich ein klein wenig hintergangen.
Keiner der beiden schien sich im Klaren zu sein, was noch auf sie zukommen würde. Bei weitem würde der weitere Weg kein Zuckerschlecken sein.
Nicht mit einem FBI-Agenten und einem Jäger auf den Versen. Nicht wenn sie im Begriff waren, genau in die Höhle des Löwen zu laufen.
Sie wollte Brandon sicher wissen. Und im Grunde auch Eric.
Aber keiner der beiden wollte sie allein lassen. Sie wusste nicht, ob sie sich darüber erfreut oder besorgt sein sollte.

„Kannst du uns an einer bestimmten Adresse absetzen oder …?“
Stevie fiel Brandon ins Wort, bevor dieser seine Frage an Eric zu ende stellen konnte.
„Bring uns zu seiner Mom!“ war ihre Bitte.
„Was?“ Damit hatte Brandon nicht gerechnet.
Beide Männer sahen sie wieder mit fragenden Blick an.
„Dort sind wir sicher.“ war ihre Erklärung.
„Sicherer!“ verbesserte sie nochmal.
„Meine Mom?“ Brandon war sich nicht sicher, ob er begeistert darüber sein sollte, dass Stevie wollte, dass Eric sie bei seiner Mutter absetzte.
Stevie nickte nur.
Selbst Eric war ein wenig sprachlos.

„Das ist doch total verrückt!“ knurrte er dann.
„Bring uns zu Brandon´s Mom und dann holst du sein Motorrad! Und wir können von da aus weiterfahren!“ war Stevie´s Plan.
Nikita LaChance
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Re: AT: can't find my way home

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 27. Apr 2012, 08:45

Kapitel XXXXIX

„Ist es wegen … dem Geschäft?“ wollte sie von ihm wissen, ohne dass sie sich zu ihm umdrehte.
Ihr Mann holte kurz Luft, ehe er die Frage bejahte.
Er trank seinen kalten Kaffee aus und ging wieder in sein Büro, um einen wichtigen Anruf zu tätigen.
In den letzten Tagen schien er immer unruhiger zu werden.
Tabitha wusste, dass es nicht irgendein Geschäft war, was ihren Mann den Schlaf und vermutlich auch die Nerven kostete.
Im Grunde benahm er sich schon länger seltsam.

Seit über einem halben Jahr war ihr Mann entweder gereizt oder gestresst. Oder manchmal auch trübsinnig.
Für jeden anderen wäre dies wohl kaum erkennbar. Doch Tabitha erkannte, jede einzelne Gemütsregung ihres Mannes, auch wenn er sich selbst nicht darüber im Klaren war.
Jeder andere hätte geglaubt, er sei besorgt um seine Tochter oder der Job als Kunsthändler würde ihm so sehr zusetzen.
Jeder andere.

Tabitha war nicht dumm.
Sie hatte immer schnell erkannt, wann jemand in ihrem Umkreis Trost brauchte oder log.
Vor zwanzig Jahren hatte sie es wohl zum ersten Mal bei ihrem Mann erkannt.
Die winzig kleine Lüge oder vielmehr, dass er ein Geheimnis hütete.
Und obwohl sie wohl immer darauf gehofft hatte, dass er ihr davon erzählte, tat er es nie. Und sie selbst sprach es nie an.

Vor fünfzehn Jahren erwischte sie ihn erneut dabei, dass er sich auffallend seltsam verhielt. Zumindest erschien es in ihren Augen seltsam.
Er war für einige Tage zu einem wichtigen Treffen mit einem Kunden aufgebrochen. Auch da hatte er ihr nie erzählt, worum es wirklich ging.
Nach den drei Tagen, die er verschwunden war, kam er ein wenig erleichtert zurück.
Und alles schien wieder wie zuvor.

Ihre Tochter Lilian erlebte gute wie auch schlechte Tage in ihrer Kindheit. Und obwohl es für sie und auch für ihre Eltern schwer war, standen sie die Zeit gemeinsam durch.
Und irgendwann bemerkte Tabitha, dass sie nicht die einzige war, die ahnte, dass der Vater ein Geheimnis hatte.

Immer wieder zog sich der Familienvater in seinem Büro zurück um zu telefonieren.
Vor knapp fünf Jahren schien etwas geschehen zu sein, was den Mann beunruhigte. Wieder hatte er über den wahren Grund geschwiegen und behauptet, dass ein wichtiges Geschäft schief gelaufen sei.
Wieder war er unruhig. Im Grunde schien er nach irgendetwas zu suchen. Und schien dabei nicht zu wissen, wonach oder wo er suchen sollte.

Eines Tages traf Tabitha dann auf ein junges Mädchen. Nur wenige Jahre jünger als ihre eigene Tochter.
Und nach einiger Zeit freundete sie sich mit dem Mädchen an und lud sie zu sich nach hause ein.
Ihrem Mann sagte sie nicht, wo sie das Mädchen kennengelernt hatte. Sie erzählte ihm lediglich, das Mädchen sei eine Tochter einer Freundin.
Und auch wenn es ihrem Mann gar nicht passte, so lies Tabitha es zu, dass sich das Mädchen und ihre Tochter miteinander anfreundeten.
Immer öfter besuchte das Mädchen Lilian und diese schien die Gesellschaft zu genießen.

Nur eines Tages geschah irgendetwas.
Tabitha wusste nicht was genau passiert war.
Während ihre Tochter wegen eines schweren Anfalls ins Krankenhaus eingeliefert worden war, wurden bei ihnen daheim einige Dinge gestohlen.
Ihr Mann verdächtigte sofort das andere Mädchen, welches plötzlich spurlos verschwunden war.

Tabitha wusste nicht, was vorgefallen war. Doch wieder konnte sie die Verzweiflung und auch die Wut in den Augen ihres Mannes sehen.
Sie konnte ihn hören, wenn er darüber schimpfte, was das Mädchen der Familie angetan hatte. Deutlich konnte Tabitha heraushören, dass es dabei nicht nur um den Diebstahl ging. Und auch wenn ihr Mann niemals wirklich gesagt hatte, was er damit meinte, so ahnte sie es längst.

Sie wusste, wenn ihr Mann davon redete, dass ein Geschäft schlecht lief, zumindest, wenn es es in den letzten Monaten erwähnte, war nicht von dem Kunsthandel die Rede.
Sie hörte, wie er jemanden beauftragte. Man sollte nach dem Diebesgut sowie auch dem Mädchen suchen.
Vor knapp vier Monaten bemerkte sie erneut, dass ihr Mann seinem Ziel näher gekommen zu sein schien. Nur hielt dieser Moment nicht lange an.
Was auch immer man ihm mitgeteilt hatte, hatte ihn nur noch wütender gemacht. Selbst wenn er dies nicht gegenüber ihr oder ihrer Tochter zeigte, so war es doch deutlich zu spüren.


Tabitha war ihrem Mann hinterher gegangen und hatte ihr Ohr an seine Bürotür gelegt. Deutlich konnte sie hören, wie er irgendwem den Befehl gab, sie zu finden.
Tabitha wusste, wer damit gemeint war.
Einerseits hoffte sie, dass man das Mädchen finden würde und ihr Mann somit wieder ruhiger werden würde. Andererseits hoffte sie, dass das fremde Mädchen nicht mehr zurückkommen würde.
Sie hatte zu viel Chaos in die Familie gebracht.

Tabitha ging zu ihrer Tochter, die sich langsam in ihrem Bett aufgesetzt hatte.
Eigentlich war es noch viel zu früh und die junge Frau konnte Schlaf gut gebrauchen, doch selbst sie schien nicht mehr schlafen zu können.
Mit einem fragenden Blick sah Lilian zu ihrer Mutter.
„Ist es wieder wegen ihr?“
Tabitha nickte nur. Sie brauchte Lilian weder anlügen, noch würde sie ihr irgendetwas verheimlichen können.
„Ich möchte, dass sie wieder heim kommt!“ meinte Lilian und sah zu ihrem Nachttisch.
Für einen kurzen Moment war Tabitha sprachlos. Dann aber nickte sie und setzte sich zu ihrer Tochter aufs Bett.
„Warum hat er sie weggehen lassen?“ wollte Lilian wissen.
Darauf hatte Tabitha keine Antwort und so musterte sie ihre Tochter besorgt.
Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass Lilian sich so schnell mit dem Mädchen hatte anfreunden können. Dass die beiden im Grunde sogar beste Freunde werden würden in so kurzer Zeit.
Doch Lilian hatte außer ihren Eltern und den Ärzten niemals jemand anderen kennen lernen können. So erschien diese Freundschaft auch nicht weiter verwunderlich.

„Dad ist nur böse auf sie, weil sie uns bestohlen hat.“ meinte Tabitha dann und hielt die Hand ihrer Tochter fest.
Lilian sah sie mit großen Augen an. Deutlich war ihr anzusehen, dass sie etwas dazu sagen wollte.
Doch die junge Frau nickte nach einigen Sekunden und sah auf ihre Bettdecke.
Zuletzt geändert von Nikita LaChance am Mi 23. Mai 2012, 09:36, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: AT: can't find my way home

Beitragvon Nikita LaChance » Fr 27. Apr 2012, 08:45

Kapitel L

„Bring uns zu Brandon´s Mom!“ war Stevie´s Aufforderung gewesen.
Daraufhin hatten beide Männer sie fragend angesehen.
Doch sie lies sich von ihrem Plan nicht abbringen.

Und auch wenn Eric im Grunde noch immer dagegen war, stimmte er dem Plan nach einigen Minuten zu.
Brandon und Stevie räumten im Schrank ein klein wenig um.
Zumindest versuchten sie sich noch ein klein wenig mehr Platz zu verschaffen. Sie stopften die Flaschen und auch einige der Konserven in die Fächer und schafften es sogar einen der beiden Rucksäcke in eines der offenen Schrankfächer zu quetschen.

„Es ist eng!“ brummte Eric erneut.
Er hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass durch das Umräumen irgendwie mehr Platz entstehen würde.
Er war noch immer ein klein wenig verärgert darüber, dass nun Brandon und Stevie sich in den Schrank quetschen würden.
Selbst wenn dies nur Sekunden sein würden, so war er doch ein klein wenig sauer darüber. Vielleicht sogar eifersüchtig.

„Wie genau stellen wir das jetzt an?“ murmelte Brandon, als er den Platz im Schrank sah.
Stevie sah immer wieder zu Eric, so als müsse sie sicher gehen, dass er noch da sei. Oder als müsse sie überhaupt sicher gehen, dass er nicht einen Tobsuchtsanfall bekam.
„Ist nur ganz kurz.“ flüsterte sie Eric zu und sein Gesicht lief rot an. Vermutlich hatte er noch nicht einmal mitbekommen, wie finster er Brandon anstarrte.
„Okay, ich zuerst!“ verkündete Brandon und kroch in den Schrank.
Er setzte sich auf den Boden und rückte mit seinem Rücken ganz an die Seitenwand des Schrankes.
Dann winkte er Stevie einfach zu sich, die ihn kurz mit großen Augen ansah.

Eric holte tief Luft, biss die Zähne zusammen und zählte innerlich bis hundert. Es half nicht wirklich.
Er musste wohl oder übel mit ansehen, wie Stevie sich zu Brandon setzte. Was Eric dabei am Meisten verärgerte war, wie die beiden ganz nah beisammen saßen. Im Grunde saß sie halb in Brandon´s Schoß. Ihr Rücken an seiner Brust und seine Beine rechts und links neben ihr.
„Fertig?“ knurrte Eric etwas wütender als er es beabsichtigt hatte und begann, ohne auf eine Antwort der Beiden zu warten, die Türen des Schrankes zu schließen.
Bevor die Türen ganz geschlossen waren, gab er ihnen den Befehl, auch ja wirklich im Schrank zu bleiben und da drin zu warten, bis er sie wieder raus lies.

Die Schranktüren schlossen sich und Brandon und Stevie konnten hören wie nur kurz danach auch die Zimmertür wieder zufiel.
Sofort änderte sich die Luft im Raum und auch das Licht, was durch die kleinen Ritze der Schranktüren fiel.
„Was passiert jetzt?“ wollte Brandon von Stevie wissen, wobei er unbeabsichtigt ihr ins Haar sprach.
Sie traute sich nicht zu antworten und versuchte die ganze Situation zu ignorieren.

Es war ihr eigener Plan gewesen und dennoch überkam sie nun ein mulmiges Gefühl.
Nur wusste sie nicht, ob es daran lag, dass sie Angst davor hatte, dass man sie im Schrank finden würde oder dass sie Brandon nun so nahe war.
Brandon versuchte ebenfalls ruhig zu bleiben.
Er wusste nicht wie lange er hier nun ausharren müsste und er traute sich nicht wirklich, sich überhaupt zu bewegen. Einerseits, wegen Eric, der ihn wieder einmal so angesehen hatte, dass er ihm jeden Moment den Kopf abreißen wolle und andererseits wegen Stevie.

„Müsste er nicht schon wieder da sein?“ wollte Brandon nach einigen Minuten wissen, die die beiden im Dunkeln und in der Stille des Schranks saßen.
Sie zuckte kurz mit den Schultern und blieb stumm.
„Was wenn er …?“ fing Brandon an und wollte nach der Tür greifen.
„Nicht!“ schimpfte sie etwas lauter und hielt seinen Arm fest.
Brandon sah zu ihr. Zumindest richtete er seinen Blick auf sie, wenngleich er in dem Dunkeln nicht wirklich viel sehen konnte.

„Wie lange hat es beim letzten Mal gedauert?“
„Weiß nicht genau. Einige Minuten hier. Sekunden bei Eric.“ antwortete sie unsicher.
„Und das da draußen?“
„Ist das andere Zimmer!“
Stevie versuchte nach irgendwelchen Geräuschen zu lauschen. Doch im Moment schien ihr eigener Herzschlag sowie der von Brandon und der Atem der Beiden die einzigen Geräusche überhaupt zu sein.

„Wir könnten kurz nachsehen!“
Diesmal war es nicht ihre Idee. Dies würde sie sofort Eric beichten, sollte er mitbekommen, was nun geschah.
Brandon griff erneut nach der Tür und drückte sie von innen auf. Erst nur einen kleinen Spalt breit und dann immer weiter, als er mitbekam, dass von außerhalb des Schrankes keine Gefahr drohte.
Stevie bemerkte, dass sich der Raum seit ihrem letzten Besuch nicht verändert hatte.
„Das ist der selbe Raum.“ stellte Brandon verblüfft fest, „Aber er sieht anders aus.“
Wieder nickte sie nur und sah sich um.

Auf dem Bett lag, wie beim letzten Mal, eine Überdecke. Und der Schreibtisch war voll belegt. Und auch die Pinnwand darüber war voller Fotos und Zettel.
„Das Fenster!“ bemerkte Brandon und staunte.
Bisher hatte er das Fenster nur schwarz gesehen. Ohne jegliche Möglichkeit vor den Scheiben auch nur irgendetwas zu erkennen.
Diesmal aber konnte er den Himmel sehen.

Brandon wollte von seinem Fleck aufstehen, doch dies ging nicht ganz so einfach und so stieß er Stevie seicht von sich.
„Wir sollen hier warten!“ murrte sie nur, rückte dennoch ein wenig von ihm ab.
„Ich will nur ganz kurz …“ meinte er und mühte sich aus dem Schrank.
Für ein paar Sekunden sah Stevie zu ihm auf und beobachtete ihn dabei, wie er zum Fenster ging.
„Die Gegend kommt mir bekannt vor.“ bemerkte Brandon und grübelte.
Stevie kam nun ebenfalls aus ihrem Versteck und schlich sich zu ihm hinüber.
Immer wieder lauschte sie, ob sie jemanden im Haus hören konnte.
Doch sie und Brandon schienen allein zu sein.

„Ich glaub, ich weiß, wo wir sind.“ kam von Brandon.
Er riss sich vom Fenster los und ging zum Schreibtisch hinüber, wo er den Stapel an Briefen durch ging.
Er las die Adressen durch und verkündete, dass er es gewusst hätte.
„Ich weiß jetzt wo wir stecken!“
Stevie sah ihn noch immer fragend an.
„Wenn Eric das sieht, kann er wieder nach hause!“ meinte Brandon stolz und steckte sich einen der Briefe ein.
Stevie sagte nichts dazu.
Mit einem Male schien ihre Abenteuerlust verschwunden und sie sah zum Schrank hinüber.

„Wir sollten wieder ...“ fing sie an und Brandon nickte. Er wusste was sie meinte, noch ehe sie zu ende gesprochen hatte.
Brandon kroch wieder zuerst in den Schrank und lies Stevie wieder vor sich Platz nehmen.
Es war etwas schwierig, doch sie schafften es die Schranktüren zu schließen.

Wieder saßen sie im Dunkeln und warteten.
„Schade, dass er es nicht gesehen hat!“ flüsterte Brandon und klang dabei bedrückt.
Stevie nickte nur.
„Ich frag mich, was mit ihm passiert ist.“
Sie versuchte nicht darüber nachzudenken. Zu oft hatte sie sich diese Frage gestellt. Und vermutlich ging selbst Eric diese Frage immer wieder durch den Kopf.
„Er hat eine Familie. Und Freunde.“ sprach sie leise.
Brandon bemerkte ihren Stimmungsumschwung und legte seine Arme um sie.
„Du hast auch Freunde.“ gab er zu verstehen und drückte sie gegen sich.

Nach einem kurzen Moment änderte sich die Luft um sie herum wieder und die Schranktüren gingen auf.
Eric sagte nichts. Doch allein sein Blick sprach Bände.
Stevie sah besorgt zu ihm auf.
Eric aber lies sich davon diesmal nicht beirren.
Sein Blick war auf Brandon gerichtet und dieser ließ Stevie sofort wieder los.
Sie rührte sich nicht vom Fleck und sah ihren Freund noch immer mit großen Augen an.

Nach einem kurzen wortlosen Blickduell mit Brandon, wendete sich Eric ab und spazierte zum Schreibtisch hinüber, wo er sich niederließ.
Stevie kam aus dem Schrank heraus und blieb davor stehen. Unsicher was sie nun tun oder sagen sollte.
Brandon kroch ebenfalls hervor und streckte sich.
Für einen Augenblick war er sich nicht mehr so sicher, ob er Eric davon erzählen sollte, dass er herausgefunden hatte, wo das Zimmer in Wirklichkeit sei. Oder wo Eric gewohnt hatte.
So blieb er hinter Stevie und sah zu dem anderen Mann hinüber.

„Was habt ihr gefunden?“ wollte dieser dann mit brummigen Unterton wissen und sah ziemlich finster drein.
Zuletzt geändert von Nikita LaChance am Mi 23. Mai 2012, 09:37, insgesamt 1-mal geändert.
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