Sacra Tibia: Informationen




Auch ich habe einige Spiele, die ich euch nicht vorenthalten möchte.

Moderator: almafan

Re: Sacra Tibia: Informationen

Beitragvon almafan » Mo 7. Mär 2022, 00:45

Spiele- und Design-Entscheidungen (Teil 4)

Natürlich gibt es inhaltlich noch mehr zu sagen. 3 Themen möchte ich dazu heute besprechen.

Warum braucht man diesen langsamen Spieleinstieg?

Das steht ganz eng in Verbindung zu dem, was ich schon bei der Insel-Frage erklärt habe. Ich habe mich neben den historischen Recherchen auch damit beschäftigt, wie Videospiele einen bleibenden Eindruck vermitteln können. Wer kann einen emotionalen Höhepunkt in Mass Effect 3 nennen? Das Spiel versucht mit Bombast die vorhergehenden Szenen zu überbieten. Das muss es auch, denn bereits die ersten beiden Teile haben die Messlatte der Effekte reichlich nach oben geschoben. Was will man noch bieten, wenn ein riesiger, wanzenhafter Hybrid aus Raumschiff und Alien einfach durch die Verteidigungslinien bricht und die Hauptstation angreift. Also musste der Endboss in Teil 2 mindestens genauso groß sein. Und in Teil 3 bekommt man es gleich mit einer ganzen Armada riesiger Alienraumschiffwanzen zu tun. Das Ende war dann für viele Fans natürlich entsprechend nüchtern, obwohl es davor eine gewaltige Weltraumschlacht der vereinten Völker der Galaxie gegen die bösartigen Reaper gab, die eben ihre Wanzenarmada ins Feld führten. Ich habe keine Kosten und Mühen gescheut und mir extra für diesen Text die drei Finalkämpfe kostenfrei auf YouTube angeschaut. Nichts zu Danken, normaler Fan-Service. Autogramme gibt's am Ausgang.
Damit also Mass Effect Andromeda funktionieren konnte, musste es praktisch ein Reboot sein. Oder ein abweichendes Thema behandeln. Andromeda macht irgendwie beides.
Dabei ist es aber bereits besser aufgestellt, als die schlauchartigen Call of Duty's dieser Welt. Eine Explosion jagd die andere. 10 tote Gegner lösen das nächste Skriptevent aus. Und das in faktisch jedem Teil der Reihe, der in den letzten 15 Jahren rauskam. Da ist es eigentlich egal, ob man Sowjets im Kalten Krieg umnatzt oder Nazischergen ein paar Jahrzehnte früher oder Roboterdrohnen in futuristischen Settings. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich viele Spieler nicht mal mehr an die Namen der Spielfiguren und der handlungsführenden Charaktere erinnern oder welche Gegner in welchem Teil vorkamen.
Bei Final Fantasy gibt es wiederum einen Teil, der auch nach über 20 Jahren noch einprägsam durch den Äther huscht: Final Fantasy VII. Eine Genre-Referenz, von der ich auch heute noch viele Figuren kenne. Und der Hammer. Ich habe es noch nicht einmal durchgespielt. Diese Rollenspiel-Reihe ist natürlich kein Garant, dass nur gute Spiele in dieser enthalten sind. Aber die Ausarbeitung von Charakteren, dass ist es, was ich eigentlich aufzeigen möchte benötigt Zeit.
Vielen sagt Man of Steel nicht zu, ebenso Batman v Superman. Nicht knallig genug, zu langer Einstieg. Mir gefällt das gerade. Beide Filme lassen sich Zeit, ihre Protagonisten erst einmal vorzustellen. Nicht falsch verstehen, ich bin auch ein Fan des Marvel-Franchises. Also eigentlich nur die Filme. Für diese ganzen Serien fehlt mir die Zeit. Der große Bombast war aber auch da mit Thanos erst nach mehr als 20 Filmen erreicht. Langsam kann man den Einstieg auch nicht nennen und an markanten Stellen fehlt es da sicher nicht. Aber Marvel ist in der Erzählung auch eine Ausnahme, nicht die Regel.
Der Otto-Normal-Autor von Spieleskripten oder Drehbüchern versucht eben auf die schnelle Tour ins Herz der Spieler und Zuschauer zu gelangen. Eben oft mit dem Ergebnis eines mauen Endes und der geringen Tiefe der Charaktere und Orte, die bloße Abziehbilder irgendwelcher Klischees sind. Zu lang darf ein Einstieg aber auch nicht sein, denn dann wird es langweilig. Mit Ratten und Blobs darf ein Spiel ja gern beginnnen, aber es darf die ersten 10 Stunden nicht auf diesem Level stehen bleiben.
Freilich haben sowohl Spiele mit gemächlicher Erzählstruktur, als auch brachialer Speedrun ihre Abnehmer und verkaufen sich nicht selten, wie geschnitten Brot. Ich habe mich aber eben auch für die eigene Identifizierung mit dem Helden und dem Eintauchen in seine Heimat für den behäbigeren Einstieg entschieden. Der Spieler soll behutsam in diese Welt eingeführt werden. Besonders in dieser ersten Phase muss zu erkennen sein, welchen Platz der Held und seine Heimat in der Welt einnimmt. Es soll eine Welt werden, die es lohnt, gerettet zu werden. Menschen, auch solche aus Pixeln, wollen wir lieber dann retten, wenn wir sie vorher kennengelernt haben und sie vielleicht sogar in unser Herz schließen konnten. Interessant gestaltete, aber nicht überfrachtete Orte laden zum Erkunden und Stöbern ein. Alles kann von Bedeutung sein, nichts muss.
Ich will keine bloßen Pixelsterblinge oder sprechende Lootboxen, ich will Personen erschaffen. Es soll nicht gleichgültig sein, wenn doch ein Bildschirmwesen dahin rafft, obwohl man versucht hat dieses Ableben zu verhindern. Es soll nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergegangen werden. Die Welt soll nicht wirken, als sei sie allein für den Helden da, sondern als würde sie auch dann weiterleben, wenn der Spieler es ausschaltet. Selbstverständlich aber wird bei Bedarf das Tempo von Zeit zu Zeit angezogen und entsprechend wieder gedrosselt.

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Warum gibt es so viel Alltägliches?

Einen Teil davon habe ich bereits eben erklärt. Aber:
Wenn der Held durch die diplomatischen Geschicke und zahlreiche Aufträge in die reale Geschichte dieser fiktiven Welt eingebunden wird, hat er dann nicht genug zu tun, als dass er sich mit niederen, bäuerlichen und bürgerlichen Aufgaben widmen müsste?
Schon richtig, aber auch falsch. Gerade im Alltäglichen steckt ja ein Teil des Zaubers einer lebendigen Welt. Die Dorfbewohner sollen eben nicht bloße Pappaufsteller sein. Ebenso wenig die anderen Nichtspielercharaktere, wie Fürsten, Geistliche, Soldaten, Bürger, Schmiede und die anderen, sollen aufzeigen, dass es sich um wohlüberlegte Orte handelt, wo mehr passiert, als das Warten auf den Helden, um ihn mit neuer Ausrüstung und Missionen zu versorgen.
Die ersten Spielminuten weiß man einfach nicht Bescheid. Gut ist da natürlich auch, dass wir als Kind beginnen und so in unsere Rolle in der Gesellschaft mit der Spielfigur hineinwachsen. Was begegnet dem Helden dabei zwangsläufig? Der Alltag.
Das ist nachvollziehbar, soll aber nicht langweilig werden. Denn wer will schon ein Rollenspiel spielen, bei dem der Held nicht mehr macht, als auf dem Acker Getreide aussähen und zu später wieder einzusammeln. Gut, es gibt ganze Spielkonzepte, die mit Alltag echt zum Verkaufsschlager wurden. Aber ein Sims- oder Harvest-Moon-Clone soll es ja nicht werden.
Es ist aber nur logisch, dass man nicht als schwertschwingender Rambo durch die mittelalterliche Kulisse brettert, als wäre das völlig normal. Wenn die Leute uns im Spiel erzählen, wie hart ihr Leben ist, muss man das sehen können. Wenn der Held sagt, dass er das bäuerliche Leid nachvollziehen kann, dann muss er es erlebt haben. Die Rolle Milos' ändert sich im Spiel natürlich mehrfach, aber man würde das nicht mitbekommen, wenn er nicht entsprechend auch das ändert, was er seinen Alltag nennen würde. Bauern leben anders als Patrizier. Patrizier leben anders als Diebe. Diebe leben anders als Söldner. Söldner leben anders als Diplomaten. Diplomaten leben anders als Fürsten. Das muss man schon mitbekommen. Es wären sonst nur Abziehbilder mit unterschiedlichen Kostümen.
Bauern hüten nun mal das Vieh, säen und ernten auf dem Acker und im Garten. Sie halten den Hof instand und verrichten Fronarbeit. Das ist deren, das ist Milos' Tagwerk.

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Warum ist die Geschichte nicht "Echtzeit"?

Warum also wird nicht jede Minute im Leben des Helden dargestellt, sondern nur Abschnitte von diesem?
Dafür gibt es zwei Gründe: Die abgebildete Lebensspanne des Helden beginnen im Jahre 994 und gehen bis 1024/1028. Damit sind 30 Jahre Geschichte abzubilden. Wie soll das bitte in Echtzeit ablaufen? Da der Entwicklungsaufwand deutlich größer ist, als der Aufwand für den Spieler eine bestimmte Mission zu erledigen oder einen Ort zu erkunden, würde das bedeuten, dass ich selbst als 120-jähriger mit dem Spiel nicht fertig werden würde. Selbst wenn ich unrealistischerweise jeden Tag 10 Stunden daran werkeln würde. In 30 Minuten Spielzeit fließen mehrere Stunden Skripten und Erstellen und nochmal so viel für die Recherche.
Der andere Grund: Wer sitzt schon jahrzehnte vor einem Spiel, dass keinen PvP-Content bietet und somit andere Spieler einen wesentlichen Teil am Spielerlebnis beeinflussen und durch Interaktion überhaupt erst erzeugen?
Wie sollte also das SINNVOLLE Befüllen von 30 Jahren Spielzeit aussehen?
Ja, es gibt einen Tag-Nacht-Rhytmus.
Ja, es wird auch Aufgaben geben, die in einer bestimmten Zeit erfüllt werden müssen.
Ja, es wird auch Dinge geben, die an bestimmen Ingame-Wochentagen stattfinden und die einem bestimmten Rhytmus folgen.
Aber es ist bei einem Spiel mit einer solchen Heldenreise nicht wirklich förderlich, dass alle Lebenslagen des Helden zu sehen sind. Viele Dinge finden "im Off" statt, weil ein Spannungsbogen besser aufrecht gehalten werden kann. Was macht der Spieler, wenn der Held schläft? Will man ihm wirklich 2 Wochen lang bei der Ernte helfen? Will man wirklich monatelange Belagerungen mitmachen und im Grunde nichts anders tun als warten? Was macht der Spieler, bis die Geschäfte wieder öffnen? Wie kommt er nach der Sperrstunde in oder aus einer Stadt? Wie geduldig wartet man auf ein Schwert, dass in der Schmiede für einen gefertigt wird? Wie lange schaut dem Helden dabei zu, bis er endlich einen einzelnen Baum gefällt hat?
Nein, "Echtzeit" ist in keinster Weise für das Spiel zielführend.
Nicht also nur die Dramaturgie spricht gegen eine Echtzeit, auch das Gewahrwerden, dass es sich bei aller Detailliebe immer noch "nur" um ein Spiel handelt. Und Spiele sind nun mal interAKTIV.
Kein Fotoalbum enthält aus jeder Minute eines Lebens ein Foto. Und so sollen auch in Sacra Tibia Schlüsselereignisse die Entwicklung des Helden vom kleinen Jungen zum gestandenden Helden aufzeigen.
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"If the biggest problem that you're having in the twenty-first century involves
what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
in the presence of other consenting adults, you may need to reevaluate your
priorities." - Forrest Valkai


("Wenn das größte Problem, das du im 21. Jahrhundert hast, darin besteht, wie
anderer Leute Genitalien aussehen und was diese damit in Gegenwart anderer
Erwachsener mit deren Einverständnis machen, musst du möglicherweise deine
Prioritäten neu bewerten.")

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Re: Sacra Tibia: Informationen

Beitragvon almafan » Do 2. Jun 2022, 11:30

Neues Intro

Ich habe vor langer Zeit begonnen, das Logo von Almafan zu verändern. Nicht ganz so gruselig und nicht ganz so starr.

Vorlage dafür ist diese schaukelnde Alma.
Die ersten Skizzen dazu habe ich auf meinem Kindle gekritzelt. Da war ich weder im Home-Office und in den ersten Monaten hatte ich während des Kindles nicht einmal ein Smartphone. Die ersten Skizzen sind also schon sehr alt. Locker 6 Jahre. Das Bild, dass ich hier nun zeige, ist dagegen ca. 1/2 Jahr alt. Ich habe es neulich dann eingescannt, damit es nicht verloren geht. Und da dachte ich mir, kann ich es doch als kleinen Vorgeschmack auf das neue Intro auch schon mal zeigen.

Eine Buntstiftzeichnung von Alma auf einer Schaukel.

Dieses Bild entstand aus dem Kopf heraus, aufgrund einer Vorlage, die ich Jahre zuvor irgendwo gesehen habe und dieses irgendwo habe ich wieder gefunden.


Der Künstler nennt ich "Zorlon" und hat's dereinst auf deviantArt hochgeladen. Mittlerweile ist das schon mehr als 10 Jahre her.
Doch noch bevor ich das obige Bild gezeichnet habe, war ja die Kindle-Variante dieser Zeichnung. Die habe ich auch auf meinem Rechner gefunden. Sie ist die Bearbeitungsvorlage für alle weiteren Schritte, in denen das neue Intro entstanden ist.



Ursprünglich war das Intro ja dieses hier:


Und immerhin, seit ich es damals vor 13 1/2 Jahren hochgeladen habe, gab es 289 Aufrufe. Also im Schnitt alle 17 Tage 1 mal, bzw. ca. 20 mal pro Jahr.
Es ist, dass muss ich bei aller Bescheidenheit zugeben, eines der am schlechtesten laufenden Videos meines YouTube-Kanals, obwohl es auf der Startseite verlinkt ist.

Wie wird also das neue Intro und das neue Almafan-Logo aussehen?
Eine schaukelnde Alma. Aber entgegen der albtraumhaften Variante des Spiels F.E.A.R. (und Fortsetzungen) wird es farbenfroher.
Die "Regenbogen-Sonne" wird es so nicht ganz so sein, wie auf der Kindle-Skizze. Die Übergänge werden (bzw. sind bereits) smoother.
Der Clou: Es wird ein Übergang von dunkel zu hell geben. Also erst sieht alles trist und düster aus und dann wird es freundlicher.
Und es wird neu vertont. Das meiste steht schon, aber der Abschluss will mir noch nicht gefallen. Bekomme ich aber auch noch hin.
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Re: Sacra Tibia: Informationen

Beitragvon almafan » Do 11. Aug 2022, 16:21

Spiele- und Design-Entscheidungen (Teil 5)

Warum gibt es Drachen, Orks, Dämonen und Götter?

Ich hatte diesen Punkt ja eigentlich auch zu meinem Intro zum Almafan Tutorial bemängelt. Denn all das wird ja gerne wahllos zusammengeschmissen.
Warum auch nicht, immerhin ging es bei anderen auch gut. Da kann mehr ja nicht schaden, oder?
Doch kann es.

Warum ich trotzdem Orks, Elfen und Co einbaue?
Weil es geht! Aber die Antwort ist zu plump. Und sie ist falsch.
An einem Mangel an Gigantismus leidet das Spiel wahrlich nicht. Eine Open World mit mehr als 20 verschiedenen Ländern und deren Kulturen auf einer riesigen Karte reichen bereits aus, um mich vermutlich bis an mein Lebensende mit diesem Projekt zu beschäftigen. Aber das reicht offenbar noch nicht.
Denn nicht nur menschliche Zivilisationen sollen dargestellt werden, sondern auch die Clans der Orks, elbische Dörfer, die Prozessionen der Minotauren-Druiden, die unterirdische Dämonenstadt Dis, der Onyx-Tempel des Anubis und so viele fantastische Orte mehr. Ein Drache ist überhaupt der Grund des Helden ... nennen wir ihn lieber Protagonisten ... seine Reise anzutreten. Nicht aber sofort, sondern erst nach einiger Reifezeit. Den in die Schlacht ausziehenden Jüngling gibt es also nicht. Und das ist auch gut so. Kein Mensch bei klarem Verstand folgt einer Bestie, die aussieht, als würde sie ihn verschlingen. Auch kein impulsiver Rotzlöffel von 12 Jahren oder so. Solche Entscheidungen müssen bedacht werden, das begreift sogar ein Kind.

Andere zivilisierte Rassen stellen aber für den Ersteller immer eine Herausforderung dar.
Im Gegensatz zu irgendwelchen Fantasietieren, die ja trotzdem einfach Tiere sind, sind Zivilisationen immer ein sehr komplexes Gebilde.
Ob der Hirsch nun ein Hirsch ist oder ein Regenbogen-Hirsch. Der Wolf einem Grauwolf entspricht oder einem berittenen Warg, wie in Herr der Ringe. Es ist egal. Solange es sich um Tiere handelt, muss man sich maximal Gedanken über deren Aussehen, deren Lebensraum und deren Futter machen. Weitere Dinge werden in der Regel nicht hinterfragt. Niemand interessiert sich für die Fortpflanzung von Drachen, wenn es nicht gerade Spielinhalt ist, genau das herauszufinden oder zu verhindern oder zu ermöglichen. Also kann man es, außer in den genannten Fällen auch rauslassen. Bei Tieren muss man maximal in ein paar Kategorien entscheiden und sie mit ihrem Aussehen abgleichen. Ist es ein Fleisch-, Pflanzen oder Allesfresser und was genau ist die bevorzugte Beute? Ist das Vieh groß, also potentiell gefährlich für den Helden? Wo lebt es für gewöhnlich? Ist es selbst ein Beutetier? Das sind im Grunde schon die drängensten Fragen, wenn man sich irgendein Fabelwesen ausdenken möchte, dass sich wie ein Tier verhält. Es gibt keine Motive zu hinterfragen, keine zivilisatorische Entwicklungsstufe zu beachten, in den allermeisten Fällen keine Arbeitsteilung (außer es geht um Fantasie-Riesenameisen-Kolonien oder sowas) und was bei humanoiden Wesen noch so zu beachten gilt.
All diese sozialen und gesellschaftlichen Komponenten sind wiederum bei Wesen, die dem Menschen in etwa ähneln aber sehr wohl wichtig. Ob es Orks, Elben, Dämonen oder Götter sind.
- Welche Rolle haben diese Wesen in der Welt?
- Werden sie angebetet oder verteufelt?
- Wissen die Menschen von ihrer Existenz?
- Weiß der Held von ihrer Existenz?
- Wie unterscheiden sich ihre Kulturen von unseren?
- Gibt es Besitz, wie wir es kennen?
- Beten die anderen Rassen auch irgendwas oder irgendwen an?
- Sind sie naturverbunden oder industriell?
- Auf welcher Entwicklungsstufe stehen sie?
- Sind sie dem Menschen körperlich oder geistig überlegen?
- Gilt das für alle dieser Rasse oder nur für eine bestimmte Gruppe?
- Gibt es Hierarchien oder Splittergruppen oder Unterarten?
- Ist es ein geeintes Volk oder gibt es verschiedene politische und gesellschaftliche Lager?
- Wie stehen diese Völker, Splittergruppen, politischen Lager oder die Rasse im Allgemeinen dem Menschen gegenüber?
- Wie behandeln sie ihre Artverwandten?
- Gibt es Kriege mit anderen Rassen oder schwehlende Konflikte?
- Was ist die Geschichte dieser Völker?
- Wo kommen sie her? Wurden Sie erschaffen oder kamen sie von außerhalb in die Welt?
- Halten sie sich Tiere?
Und jede Interaktion des Protagonisten mit diesen anderen Zivilisationen darf sich nicht beißen, mit den Antworten auf all diese und weitere Fragen. Über all das muss man sich Gedanken machen. Eben Gedanken, die man sich bei Tieren nicht machen muss. Ein Drache ist definitiv immer eine recht beeindruckende Erscheinung. Aber das waren Elefanten für die Römer auch. Ein fantastisches Tier, das keinem Wesen der Realität entspricht, ist im Grunde nichts weiteres als ein exotisches Tier, dass man eben noch nie life gesehen hat oder noch gar nie gesehen hat. Ein Blauwal oder Buckelwal, der unter einem Touristenboot durchschwimmt ist für viele nicht weniger fantastisch als es ein Drache sein könnte.

Bei Wesen mit denen der Protagonist auf gesellschaftlicher, kultureller oder spiritueller Ebene interagieren kann, muss man aber eben deutlich mehr beachten.
Das ist einer der vielen Ansprüche, die ich auch dem gestiegenem Realitätsgrad des Spiels aufbürde. Und damit mir selbst. Ich will all die Fragen da oben beantworten können. Darüber hinaus will ich eine Balance schaffen und das Ganze möglichst nachvollziehbar unter einem Dach zusammenschnüren. Wie bleibt das Spiel trotz steigendem Anspruch an die Historizität mit den Viechern und Völkern vereinbar?
Ich habe sogar eine pseudowissenschaftliche Abhandlung über den Körperbau der Garuda geschrieben, eine Vogelmenschenart. Und ich weiß, da geht noch mehr.
Ich bin der Ansicht, Drachen, Orks und Co sollten nicht bloß eingefügt werden, weil es im Genre halt üblig ist und schon gar nicht als Staffage oder müdes Hintergrundrauschen. Wenn man solche zusätzlichen Völker einbaut, dann sollten sie auch Substanz und eine Geschichte mitbringen. Sie sollten eine Relevanz haben, für die Welt, die Geschichte und dann auch für den Protagonisten. Sie sollten sich in mehr Dingen unterscheiden, als einfach nur ihrem Aussehen und ihre Geschichte und Kultur sollte sich in ihrer Art, mit anderen in Kontakt zu treten oder es zu vermeiden, zeigen.
Es ist wichtig, deren Zivilisationen ebenfalls als vielschichtige Gesellschaften zu portätieren. Kein Volk ist immer gut oder immer böse. Keine Rasse ist ohne Makel. Keine Rasse besteht aus den immer gleichen Figuren, die eben nur andere Namen, aber aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit die gleiche Gesinnung, Begabung, Fertigkeiten und Ansichten haben. Ist ja logisch, was für die verschiedensten Völker auf Erden gilt, sollte auch bei Orks, Minotauren und Konsorten zutreffen. Nicht jeder Deutsche ist in sein Auto verliebt. Nicht jeder Brasilianer ist ein Fussballass. Und nicht jeder Araber ist ein cholerischer Marktschreier.

Und ganz sicher ist es auch keine gute Idee irgendwelche Prophezeiungen dieser fremden Völker auf den Protagonisten umzumünzen. Sie werden ihren Messias mit ziemlicher Sicherheit unter ihresgleichen suchen.

.


Warum gibt es Magie?

Die einfache Antwort: Weil ich sie am Anfang drin haben wollte, wird nicht gelten. Denn wenn ein Konzept sich auch nach langer Schaffensphase als unnötig, schwierig umzusetzen oder nicht mehr vereinbar herausstellt, sollte man die Eier in der Hose haben, dieses Konzept einfach fallen zu lassen.
Ich möchte aber eine Fantasy-Mittelalterwelt, in der Magie real ist. Nicht, weil es andere auch schon gemacht haben und es damit genretypisch ist (was es ja ist), sondern, weil es eine zumindest pseudo-logische Erklärung dafür geben soll, warum einige diese Fähigkeiten entwickeln und wie sie ausgelöst werden.
In vielen Events, die ich in Questskripts verarbeitet habe, hat sie sich nicht als leichte Lösung herausgestellt. Und das ist auch gut so. Warum?

Wer Magie in sein Spiel einbaut (oder Buch oder Film), der muss sich verschiedene Fragen stellen:
- Ist Magie limitiert?
- Ist Magie allmächtig?
- Sind Magier verpöhnt, werden sie verfolgt?
- Sind Magier priviligiert und/oder sehen auf die anderen herab?
- Kennen Menschen Magie?
- Können Menschen Magie?
- Welches Mengenverhältnis herrscht zwischen magisch Begabten und Unbegabten?
- Ist Magie relativ leicht zu erlernen?
- Wenn nein, warum kann der Magier es dann?
- Wenn ja, warum gibt es dann nicht mehr Magier?
- Wie reagieren Menschen, wenn sie erstmals auf einen solchen Sonderling treffen?
- Und auch wichtig: Wie reagiert der Magier selbst auf seine Fähigkeiten? Begreift er sie als Fluch oder Segen?

Magie darf keine plumpe Notlösung für scheinbar unlösbare Aufgaben sein. Im Spiel kann es eine Option sein, aber mit irgendeinem Makel verknüpft sein. Magie darf nicht vorschnell als Alleslöser herangezogen werden. Beispiele gefällig?
- Wie ist der Bösewicht direkt vor unserer Nase an das gesuchte Artefakt gekommen? Magie.
- Wie kommen wir auf die andere Seite des Meeres, unser Schiff wurde doch gerade zerstört? Magie.
- Und wieso haben wir das mitten auf dem Meer scheinbar unbeschadet überstanden? Magie.
Für all das muss es auch plausible, nichtmagische Erklärungen geben können. Vielleicht sollte man diese Alternativen auch irgendwo notieren und am Besten sogar einsetzen. Magie darf nicht die Lösung für alles sein, denn sonst geht es nur darum, den besten Magier zu haben und die Abenteuer werden beliebig.

Was meine ich mit der Frage "Ist Magie limiert?"
Am Besten lässt sich sowas bei Teleportation erklären. Diese Fähigkeit, so sie denn verbaut ist, darf nicht allmächtig sein. Jedes Hindernis, jede Wand, jedes Gefängnis, jeder Dungeon sind bedeutungslos, wenn man einfach um alle Fallen und Gitter herumkommt, indem man sich dahinter beamt. Die Heldenreise selbst wäre obsolet, wenn man sich einfach zum Berg von Sauron teleportieren könnte und dann das blöde Ding einfach reinwirft, bevor der gierige Geist darin von einem Besitz ergreifen kann. Also gut in Sacra Tibia gibt es weder einen Sauron, noch ein Ring, aber ihr versteht hoffentlich was ich meine.
Ich muss mir - und ihr, wenn ihr sowas entwickelt auch - Gedanken darüber machen, wie ich übermächtige Fähigkeiten soweit limitiere, dass sie nicht alles schaffen und ich muss mir logische Limitierungen überlegen.
Wenn Teleportation nicht geht, muss es einen nachvollziehbaren Grund geben. Auch hier ein Beispiel:
Ich habe in meinem Spiel viele Götter geplant. Diese übernehme ich aus den verschiedenen antiken Mythologien. So gibt es griechische, nordische und ägyptische Götter zum Beispiel. Einer von ihnen ist Rhe, der Sonnengott. Er ist einer der mächtigsten, wenn nicht der mächtigste Gott auf Erden, kämpferisch sehr geschickt, besitzt aber auch enorme übernatürliche Fähigkeiten. Dass ein Gott, sowas auf dem Kasten hat, wird niemand hinterfragen, immerhin ist es ein Gott. Darum soll es aber nicht gehen. Denn Rhe führt einen mächtigen Streitkolben, der sich in einer mächtigen Attacke entladen kann. Und nein, ich habe das nicht aus den Marvelfilmen mit dem Hammer Mjölnir kopiert. Dieses Bild eines mächtigen Streitkolbenschwingers hatte ich schon vor 2009, ich weiß nur nicht mehr wann. Diese Entladung ist abhängig von der Zeit, die Rhe investiert, um den Streitkolben aufzuladen. Seine heftigsten Schläge damit verbreiten aber ähnlich landschaftsgestalterische Impressionen, wie die Zündung einer Wasserstoffbombe. Das ist der Rhe, mit dem man in der Geschichte umgehen lernen muss. Der Streitkolben ist vor der Entladung aber nicht harmlos. Wird er aufgeladen oder "aktiv" gehalten, so erzeugt er eine Art elektrisches Feld, in das man nicht hinein und auch nicht heinaus teleportieren kann. Die Größe dieses Feldes wird durch die Aufladung bzw. die Stärke des elektrischen Feldes bestimmt. Ein Feind Rhes sieht sich also zweierlei einer Gefahr ausgesetzt. Der Angriff ist besonders heftig und er hat keine Möglichkeit ihr durch Teleportation zu entkommen.
Das ist jetzt ein schon ziemlich krasser Spezialfall, der im späteren Spielverlauf auftauchen wird. Auf den ersten Blick also keine wirkliche Einschränkung dieser Fähigkeit. Aber denkt man etwas weiter, bedeutet es, dass diese Fähigkeit durch elektrische Felder und wohl auch durch andere Dinge eingeschränkt werden kann. Dieses Allheilmittel um schnell überall hinzukommen, kann also auch mal nicht funktionieren und das aus einem mehr oder weniger nachvollziehbaren Grund.

Das Gleiche muss für Feuerbälle, Wasserattacken oder magische Blitze bedacht werden.
Dem Magier muss es schwer fallen, zu entscheiden, ob das gerade die beste Lösung ist oder etwas anderes einfacher und vor allem unauffälliger zum selben Ziel führt. Noch dazu sollte man die Möglichkeit Dauerfeuer zu entfachen, indem bestimmte Zauber nur sehr wenige Manapunkte kosten, vermeiden. Die Lösung, die Magie offeriert, muss immer in einem gesunden Verhältnis zu den Kosten stehen, die es mit sich bringt, diese Magie zu wirken.
- Verringert das Verschießen von Feuerbällen neben den Mana auch die Heilrate, weil man mit jedem Feuerball seine Handfläche verbrennt?
- Können Wasserzauber nur in der Nähe von Gewässern gewirkt werden?
- Gibt es Rüstungstypen, die gegen bestimmte Magie immun macht?
- Zu welchem Grad immunisiert sie und warum?
- Ist das Anwenden von Magie mit irgendeiner anderen Einschränkung verbunden?
- Verliert man schrittweise den Verstand oder wird okkupiert durch finstere Mächte?
- Kosten starke Zauber zusätzlich auch Lebensenergie?

Ähnlich verhält es sich mit hochtechnologischen Alienrassen oder antiken Wunderwaffen. Sie sind im Grunde nur ein anderer Ausdruck für Magie, bzw. wirken auf die Wesen, die diese nicht kennen und verstehen, wie solche.
Der einzige Unterschied ist oft einfach nur, dass Magie von geschulten Leuten vollbracht wird, Hochtechnologien aber praktisch von jederman bedient werden können, solange irgendwer den Zugang dazu freigegeben hat und/oder vergessen hat die Maschine wieder auszuschalten. Aufgrund der Auswirkungen, die zum Beispiel eine Laserkanone haben kann, muss sie auf Menschen zum Beispiel aus dem Mittelalter zwangsläufig wie Magie wirken.
In der Geschichte finden sich viele Beispiele für Vergöttlichung oder Dämonisierung bei weiter weniger fortgeschrittener, aber trotzdem überlegener Technik. Ob es sich um die Reiterbogenschützen der Hunnen im 4. Jahrhundert handelt oder die hoch- und binnenschifffahrttauglichen Langboote der Wikinger, die damit Blitzangriffe bis tief ins Hinterland machten. Auch beim byzantinischen Feuer wähnte man Magie und dämonische Hilfe dahinter, obwohl es einfach nur sehr frühes Napalm war.

Was haben diese aber gemein? Sie waren zeitlich und örtlich begrenzt und definitiv nicht unbezwingbar. Und das soll auch für Magie und hoch entwickelte Technik gelten.
Was ist die einfachste Art, sie zu limitieren?
Beides benötigt Zeit, sie zu beherrschen und beides kostet viel Kraft sie anzuwenden. Bei Technik gilt zudem zu beachten, dass sie, wenn nicht von Aliens angeschleppt, nie anachronistisch sein kann. Ob verdeckt durch Spitzel oder ungewollten Wissenstransfer oder offen durch den Austausch im Sinne der Zusammenarbeit gegen z.B. einen äußeren Feind: Wissen findet immer einen Weg zur breiten Anwendung. Und so kann es auf lange Sicht auch keine hochtechnologischen Standorte geben, die Jahrhunderte lang den anderen astronomisch weit überlegen sind. Irgendwas sickert immer durch. Die ein oder andere "Spezialfähigkeit" kann es ja geben, die in einem bestimmten Bereich eine Vorherrschaft bedeutet, aber auch diese ist nicht allgültig und nur von begrenzter Dauer und Auswirkung.
"Alien"-Technik natürlich hat ein wenig ihre eigenen Gesetze. Auch wenn Menschen oder Orks diese in die Finger bekommen, müssen sie diese nicht anwenden können. Es ist sogar äußerst unwahrscheinlich. Denn dafür muss die Funktion verstanden werden. Das passiert oft durch das Erkennen von Sprache oder Symbolen. Das Alien die gleiche Sprache und/oder Symbolik verwenden, darf bezweifelt werden. Außerdem wären die Knöpfe zum Auslösen der Maschine vielleicht DNA-gesperrt oder der Zugang anderweitig eingeschränkt, eben für den Fall, dass es in falsche Hände gerät.

Was bleibt ist, dass auch die mächtigsten Wesen, die Götter, Einschränkungen haben müssen.
Sie dürfen nicht alles können und sie dürfen auch nicht alles wissen. Denn wenn dem so wäre, könnte das Böse nicht überhaupt erst eine Gefahr werden.
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Re: Sacra Tibia: Informationen

Beitragvon almafan » Mi 17. Aug 2022, 15:59

Spiele- und Design-Entscheidungen (Teil 6)

Das Klischee vom Jüngling

Wenn man sich vergangene Epochen so anschaut, muss man schon feststellen, dass Kinder die Mehrheit der Bevölkerung stellten. Die strukturellen Vorraussetzungen waren ähnlich, wie heute in der dritten Welt. Kinderreiche, aber arme Familien. Die Kindersterblichkeit war aber auch höher, als es heute in irgendeinem Land der Welt ist. Das heißt: Viele Kinder mussten geboren werden, damit wenigstens ein paar durchkommen. In manchen, ja vielen Landstrichen starben fast die Hälfte aller Kinder, bevor sie das 7. Lebensjahr erreichten. Als alt galt man bereits, wenn man die 40 Jahre erreicht hat. Nur wenige wurden 50 Jahre oder älter. Ein bisschen so, wie es heute für uns die 90-jährigen sind.
Demographisch steht einem Jüngling als Helden also nichts im Weg.

Aber:
Warum muss es denn immer ein junger, gutaussehender Dorflümmel sein, der auf große Monsterhatz geht und die Welt vom Bösen befreit?
Warum kann es nicht zur Abwechslung mal ein alter Mann, mit grauem, schütternem Haar sein?
Warum nicht eine Frau ... ganz ohne diese Lara Croft Attitüde und Riesenmöpsen? Obwohl ... Riesenmöpse ... Wo war ich?
Ja, warum eigentlich nicht eine Frau?

Schauen wir uns doch mal die Frauen in Videospielen und Filmen an. Was haben wir da? Zumeist Männer mit Brüsten oder Mimosen auf High-Heels. Es gibt praktisch keine Zwischenstufen. Im Grunde ist das schwache Geschlecht, so es sich denn um eine kämpferische Variante handelt, allzu oft nur das Abziehbild ihrer männlichen Kollegen. Sie rennt mit Knarren oder Schwert durch Katakomben und Straßenschluchten, spricht gern mal einen Einzeiler und prügelt sich notfalls mit ihren Martial-Arts-Fertigkeiten. Wenn das die Standardattribute für männliche Actionshelden sind, worin unterscheiden sich dann noch Frauen, außer im Äußeren. Eine Frau als Protagonist müsste also anders sein, als dieses Klischee-Abziehbilder. Das Problem, ich bin keine Frau. Und ich kann mich zu schlecht in eine hineinversetzen, um eine ganze Story an ihr aufzuhängen.
Andere Charaktere, die weiblich sind funktionieren dagegen schon. Sie sind nicht die handlungstragenden Figuren. Denn es geht ja primär um Milos, den männlichen Protagonisten und seine Rolle in der Welt. Die Damen, auf die er dabei trifft, sind natürlich ebenfalls handlungsentscheidend, ob als Freundin, Frau, Questgeber, Händler oder sonstwie. Versteht mich nicht falsch. Frauen werden nicht abgeschoben und in die zweite Liga verbannt. Es fällt mir als Mann nur leichter, mich in einen Mann hinein zu versetzen und ihn die Handlung tragen zu lassen.
Frauen können natürlich grundsätzlich auch alles, was Männer können. Aber einen gewissen Unterschied in der Physis kann man nicht abstreiten. Auch das macht die Abenteurerei für Frauen ungleich gefährlicher als für Männer. Es gibt einen Grund, warum man insbesondere Frauen abrät, sich abends allein auf der Straße herumzutreiben. Und wir sprechen hier vom 21. Jahrhundert. Man darf davon ausgehen, dass es im Mittelalter nicht wirklich sicherer war. Die Perspektive, dass eine Frau doch auch mal Prinzen retten kann und auch mal einen Drachen erschlagen kann, ist eben genau das, was es ist:

Die Sicht des vermeintlich aufgeklärten 21. Jahrhunderts, ist nicht die Sicht des 11. Jahrhunderts. Und da ist die Geschichte nun einmal angesiedelt.
Neben meinem mangelnden Einfühlungsvermögen und der geringeren Physis spielt natürlich auch die damalige Gesellschaft ordentlich bei der Rollenverteilung mit.
Ein Mann, der im 11. Jahrhundert auszieht und anderswo Karriere macht - es muss ja nicht gleich die Weltrettung sein - ist glaubwürdiger und realistischer als es dasselbe bei einer Frau wäre. Frauen waren im Mittelalter hauptsächlich für 2 Sachen zuständig: Kochen und Kinder kriegen. Das soll jetzt gar nicht meine Macho-Sicht auf die Welt sein und bestimmt trigger ich etwaige Feministen, falls sie diesen Text hier finden. Aber man sollte sich immer gewahr sein, dass es sich nicht um eine moderne Welt handelt, sondern um das "finstere" Mitteralter.
Wenn ein Mann sich betrinkt, staunt man weder darüber, noch ist es verpönt. Ein Mann der pöpelt, laut wird, flucht oder sich prügelt, wird nicht schief angeschaut. Manchmal wird er gerade deshalb erst in bestimmte Kreise und Bünde aufgenommen. Ein Mann kann in bestimmten Situationen ohne Erklärungsaufsatz einfach machen. Eine Frau müsste sich auch dem 20. Questgeber erklären, warum SIE für die Rettungsmission genau DIE Richtige ist. Eben auch wegen der genannten Physis. Männer sind im Schnitt kräftiger, schneller und ausdauernder. Auch das soll kein Machogehabe sein. Es ist allein der Physis geschuldet und die ist nunmal unterschiedlich. Sicherlich gibt es da draußen zahlreiche Frauen, die mir in sportlichen Aspekten deutlich überlegen sind, aber das liegt zum nicht geringen Teil auch daran, dass ich faul und unsportlich bin. Und die Muskelfrauen, die zum Beispiel an Bodybuilder-Wettbewerben teilnehmen oder die Hochleistungssportlerinnen, die Stabhochsprung, Marathon oder wie vor kurzem wieder Fussball betreiben, sind mit Lob bitte mal zu überhäufen. Aber die stellen genauso wenig den repräsentativen Anteil der Durchschnittsfrau, wie Usain Bolt als Referenz für die Antrittsgeschwindigkeit des Durchschnittsmannes steht. Das sind herausragende Ausnahmen aus dem grauen Brei, der da Gesellschaft heißt.

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Männer sind also nicht besser oder schlechter, weil sie einen Penis haben, sondern weil es Unterschiede gibt. Sowohl körperlich als auch in der Sicht der Gesellschaft auf sie. Für die draufgängerischen Aktionen müssen Frauen sich vor rückständigem Publikum deutlich häufiger erklären, als Männer. Und auch wenn das Mittelalter nicht so rückständig war, wie man immer sinniert, ist es in diesem Bereich durchaus festgeschriebener. Natürlich gab es auch damals Geschäftsfrauen. Besonders wenn der Mann verstorben, im Krieg oder auf Reisen war, musste die Frau ihren Mann stehen. Aber das waren, wenn auch wohl geordnet und von den Oberen abgesegnet, nicht die regulären Betätigungsfelder eines Weibes vor 1000 Jahren.

Wenn schon keine Frau, warum dann ein Junge und kein reifer Recke?
Das hat mit der Spielzeit zu tun. Wenn ich das Spiel mit einem reifen Mann starte und die im Spiel ablaufende Handlung einen Bogen von über 30 Jahren umfasst, ist es so als ob Methusalem gegen den Endboss antritt. Natürlich hätte es seinen Reiz, einen erprobten Charakter zu haben, der auf vergangene Abenteuer zurückblicken kann und mit einer gewissen Erfahrung und Weitsicht in die Schlacht zieht. Solche Leute wird es geben. Aber der Protagonist, der aus Begegnungen mit ihnen lernt, wird es nicht sein. Dennoch, bei der angestrebten Spielzeit erhält man am Ende ja dann doch den reifen Recken.
Hier also bleibe ich dem Klischee treu. Nur kann ich auch begründen, warum.

Es wird viel Wert darauf gelegt, ihn nicht mit Klischees zu überladen. Typischerweise sind die Eltern des Auserwählten für gewöhnlich Tod oder vom Oberzorg entführt oder korrumpiert. Dieser Umstand wird, außer im Intro oder dem Aufeinandertreffen mit dem vermeintlich Verblichenen, nicht weiter thematisiert oder irgendwie aufgegriffen. Der Verlust hat keine Bedeutung oder liegt vor dem Intro und daher für den Spieler außerhalb seiner spielbaren Erfahrung. Die Familie und deren Dynamik ist aber ein Kernpunkt der ersten Spielstunden. Milos ist nicht losgelöst von familiären Verpflichtungen. Er ist nicht losgelöst von Emotionen gegenüber liebgewonnenen Verwandten. Er ist eingebettet in eine kleine Gemeinschaft, in der jeder seine Aufgaben hat und seine Geborgenheit findet. Vater, Mutter und Geschwister sind essentielle und sogar veränderliche Personen. Einige sterben, andere werden geboren. Die umgebenen Ereignisse haben Einfluss auf die Familie und heben sie aus dem Einheitsbrei, der Deine-Eltern-sind-tot-Helden, die offenbar in keinem Gefüge zu Hause sind und daher sinnfrei in der Welt herummetzeln können. Diese scheinbar emotionslosen Helden haben zumindest den Vorteil, dass ihnen selbst ihre Liebsten offenbar am Allerwertesten vorbeigehen und sie so ungedämpft auf den Oberschurken losgehen können. Was auch immer dann deren Motivation ist. Und wie beschrieben, soll Milos impaktvolle Erlebnisse haben, die seine Entscheidungen tragen.


Warum wird es so viele Helden und Nebenhelden geben?

Spoiler vorweg: Es sind deutlich weniger als ursprünglich geplant, bzw. in Version 0.2 (vormals Demo 2) erstellt.
Wie gerade angesprochen, umfasst die Helden einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren. In dieser Zeit wird der Protagonist natürlich reichlich Leute kennenlernen. Freund und Feind. Einige von diesen werden seine Reise natürlich auch ein Stück weit begleiten. Manche nur bis zum nächsten Ort, andere über lange Zeiträume. Das er durch gemeinsame Abenteuer dabei auch Freunde für's Leben findet, ist nichts, worüber man sich wundern müsste. Und diese Freunde sind natürlich auch an vielen Stationen in seinem Leben dabei. Es wäre unsinnig sie lediglich zuschauen zu lassen, wie der Held gerade die Welt rettet.
Aber nicht nur als Waffenträger und Questgeber sollen sie gedacht sein. Sie sollen mit dem Protagonisten interagieren, Emotionen entlocken, ihn erfreuen, sich mit ihm unterhalten. Er soll bittere Rache schwören, wenn einer vom Schurken umgenietet wird und es soll sich auch so anfühlen, als ob er es ernst meint. Das geht am Besten, wenn der Protagonist auch reichlich Zeit mit seinen Freunden verbringt. Und da er sich nunmal auf seiner Heldenreise befindet und diese einen großen Teil seiner Zeit einnimmt, ist es nur logisch, dass seine Freunde ihn dabei begleiten.
Eine Geschichte lässt sich, meines Erachtens, besser erzählen, wenn man nicht nur die Quest erledigt und dann zum Questgeber für die Belohnung zurückkehrt, sondern wenn Dungeons und Burgen durch eine Truppe erkundet werden, die sich umeinander sorgen und verschiedene Charakteristiken mitbringen. Einer ist vorsichtig, der andere prescht voran. Einer ist schüchtern, der andere impulsiv. Einer rennt in jede Falle, der andere ist auf jeden Schritt bedacht. Aus der Dynamik der unterschiedlichen Recken lassen sich so manche geradlinigen Abenteuer sowohl strecken als auch aus ihrer Geradlinigkeit herausholen. Zum Beispiel ist die Quest vielleicht erledigt, aber wir müssen uns beim Rückzug aus dem Dungeon darauf konzentrieren, dass ein verwundeter oder vergifteter Kamerad nicht auf der Strecke bleibt. Oder jemand löst eine Falle aus, die es Helden erschwert, die Mission zu vollenden. Unterschiedliche Charaktere bringen unterschiedliche Sichtweisen. Vielleicht berät sich die Truppe vor ihrem Angriff auf die Banditen in einem Lager. Vielleicht ist auch eine taktische Lösung denkbar. Man splittet die Gruppe, stellt einen Bogenschützen da hin und die anderen sollen den Fliehenden den Weg abschneiden. Allein darüber nachzudenken, wie viele Optionen eine Gruppe bietet, kann sehr erfrischend sein.

Die Party wird also im Spielverlauf mal voller und mal leerer sein.
Mal ist jemand dabei, den Milos schon seit den ersten Tagen kennt, mal jemand, den er in der letzten Stadt kennengelernt hat. Vordergründig sammelt Milos aber keine Kampfgenossen für irgendeinen Bossfight, sondern Kameraden und Freunde. Einmal in der Party sollen die Mitglieder nicht auf ihre bloßen Kampfwerte heruntergebrochen werden, sondern nach wie vor mit dem Helden interagieren. Sie haben Einwände, sie diskutieren, sie finden Dinge gut oder schlecht.

Eine Party macht das Spiel lebendiger und auch glaubwürdiger. Niemand geht allein auf Reisen, wenn hinter jedem Baum Wegelagerer lauern könnten.
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what other people's genitals look like, and what they're doing with those genitals
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Re: Sacra Tibia: Informationen

Beitragvon almafan » Do 18. Aug 2022, 17:19

Format Factory Test

Format Factory ist eigentlich ein Programm mit dem man Videos, Audiofiles und Bilder umwandeln kann. Aber es hat noch mehr drauf. Und ich weiß nicht mal seit wann.
Zu den frei nutzbaren Funktionen gehört neben dem Converter auch ein simples Schnitttool, bei dem man vorn und hinten bei Videos und Audios Überflüssiges wegschneiden kann. Man kann auch mehrere Videos zusammenfügen. Alle Funktionen des Tools kenne ich noch nicht. Was ich bisher am häufigsten gebraucht habe, ist Videos umwandeln und Audios aus Videos rippen.
Aber ich habe da eine weitere Funktion entdeckt, so ca. vor 2 Monaten. Und gestern dachte ich mir: Das kann man doch bestimmt auch dafür nutzen.

SacraTibia Format Factory Test


https://www.youtube.com/watch?v=CpdQBE4dGRs

Man kann sowohl eine Fensteraufnahme machen, also einen bestimmtes Programm abfilmen, als auch den kompletten Bildschirm. Die Einstellungsmöglichkeiten sind deutlich geringer als in OBS Studio, aber daher auch viel simpler zu erlernen. Aber auch eine Aufnahme per eingebauter oder angeschlossener Kamera und/oder Mikrofon sind möglich. Es gibt keine Option, das irgendwie abzumischen und so muss man die Einstellungen schon vorher treffen. Dass heißt, möchte man sein Video kommentieren, dann muss man sich vorher um die richtige Lautstärke von Bildschirmaufnahme und Mikrofon kümmern.
Bild-im-Bild geht auch. Also, wie es bei den berühmten großen Streamern vielleicht bekannt ist. Die zocken irgendwas und in irgendeiner Ecke kann man ihre Reaktion darauf live sehen. Ich kenne mich in der Szene nicht so gut aus, aber gesehen habe ich diese Herangehensweise zum Beispiel bei der US-amerikanischen Streamerin Valkyrae (kurz Rae) oder ihrem Buddy Sykkuno. Das habe ich jetzt aktuell nicht vor. Mein Antlitz tut bei der Aufnahme nichts zur Sache. (Aber so als Info, mit Rae kann ich nicht mithalten.)

Das obere Video zeigt übrigens eine Fensteraufnahme. Das fällt nur nicht auf, weil ich den Fensterrahmen, den Format Factory mitfilmt (inklusive der Fenstertitelzeile mit Namen der Anwendung und den Minimieren-, Vollbild-, Schließen-Button), weggeschnitten habe. Auch das geht mit Format Factory. Die untere Aufnahme dagegegn ist in Vollbild gefilmt. Auch wenn die Auflösung das nicht so hergibt. Künftige Videos werden wohl im Fenstermodus gedreht. Da komme ich schneller an die Aufnahme-Knöpfe der Bildschirmaufnahme.

Noch ein Sacra Tibia Format Factory Test


https://www.youtube.com/watch?v=mraBI86frEw

Beide Videos habe ich erst gestern aufgenommen. Achtung sind noch druckfrisch.
Format Factory ist sicherlich kein Equipment für Profis, aber es reicht für meinen Hausgebrauch.

Wenn ihr euch über meine Sprachqualität wundert. Ich verwende das Headset von der Arbeit, ein Jabra Link 230. Ich habe einfach mal getestet, ob das auch für Aufnahmen geht. Qualität ist jetzt nicht superdolle. Aber für mich reicht's und ist allemal besser als die aktuell verfügbaren Alternativen (Kamera-Mikro oder Laptop-Mikro). Die hört ihr noch bei den OBS Studio Testvideos.

Es kann also sein, dass ich sporadisch mal wieder Aufnahmen vom Spiel mache und hochlade.
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Re: Sacra Tibia: Informationen

Beitragvon almafan » Do 25. Aug 2022, 16:57

Spiele- und Design-Entscheidungen (Teil 7)

Warum gibt es nur eine Sprache?

Ich möchte diesen Text heute mit einer kleinen Forschung beginnen
Italien war gesellschaftlich stark zersplittert und obendrein gehörten alle Teile über ein Jahrtausend zu vielen verschieden Herrschaftshäusern und Königreichen. Nizza zum Beispiel, heute eine französische Stadt ganz weit im Südosten, an der Grenze zu Italien, war mal römisch. So wie alles am Mittelmeer (woher übrigens auch der Name kommt, denn das Meer war in der Mitte des römischen Reiches). Davor war sie griechisch. Nach den Römern kamen die Goten, dann die Franken. Die Stadt war im 9. Jahrhundert den Sarazenern ausgeliefert, später den Muslimen. Im 12. Jahrhundert gehörte sie zum spanischen Königreich von Aragon, im Jahrhundert darauf zum französischen Haus Anjou. Kurz war es unter Genuesischer Herrschaft, dann unter der des Hauses Savoyen, dann ein paar Jahre unter dem türkischen Piratenkönig Khair ad-Din Barbarossa. Erst 1642 flogen die Spanier aus der Stadt und die Stadt in der durch Eroberungen Ludwig XIV. französisch. Wieder ein Erbfolgekrieg später gab es Clinch um die Region zwischen Savoyen, den Habsburgern und den Franzosen. 1744 eroberten wieder die Spanier die Gegend, 1748 wieder Savoyen zugesprochen, bekamen 1793 die Franzosen das Ländle wieder in den Besitz. Von hier aus hat Napoleon seinen Italienfeldzug begonnen. 1800 war es kurzzeitig österreichisch, dann wieder französisch. Im ersten Pariser Frieden wurde es 1814 wieder Piemont (mittlerweile das Königreich Sardinien) und damit einer italienischen Grafschaft unterstellt. 1859/1860 wurde des unter Napoleon III. wieder Frankreich angegliedert. Mittlerweile war die Stadt als Sommerfrische der Briten so sehr etabliert, dass Alexandre Dumas 1851 erklärte, Nizza sei im Grunde eine englische Stadt, in der man hin und wieder auch einen Einheimischen treffen könne.
Allein dieses Beispiel soll die wechselhafte Geschichte italienischer Städte kurz verdeutlichen. Die gesellschaftliche und politische Zersplitterung Italiens wirkte sich auch auf die Sprache aus. Manche Sprachen und Dialekte waren sehr lokal. Neben der lateinischen Kirchenliturgie ist auch klassische Literatur erhalten geblieben und in Abschriften wurde Latein übertragen und vervielfältigt. Lokale Sprachgruppen haben sich durch das Kirchenlatein überhaupt erst verständigt, daher war der Einfluss der Kleriker dort besonders groß. Die lokalen Mundarten waren nocheinmal untergliedert und es gab einen großen Bruch zwischen Ober- und Unteritalien. So schrieb ein unbekannter Mönch: "denn Paduaner reden anders als die Pisaner und warum ziemlich nahe beieinander wohnende Leute sprachlich voneinander abweichen, wie Mailänder und Veronesen, Römer und Florentiner, sogar Leute derselben Stammesart wie die von Neapel und Gaeta, von Ravenna und Faenza, ja was noch verwunderlicher ist, Angehörige derselben Gemeinde, wie in Bologna, die vom Vorort San Felice und die von der Hauptstraße."
Litteratus ist der Lesende, Clericus der Schreiber. Caicus ist der Laie.
Bereits Angelsachsen und Franken versuchten in volkssprachlicher Literatur die Sprachsprücken zu überwinden, da der Versuch aber allzu geistlich war, wurde es wieder Latein. Eine flüchtige Kursivschrift für die Alltagsgeschäfte auf rasch vergilbenden Papier war auf der Straße anzufinden. Aber in Latein konnte man sich über Jahrhunderte hinweg in allen Ländern bis in den nahen Osten hinein unterhalten. Denn Geistliche als Dolmetscher gab es überall. Doch die Sprache ist nicht gleich ein Volk und ein Volk ist nicht gleich der geografische Raum für eine Sprache. In manchen Völkern gibt es mehrere Sprachen und manche Sprachen werden von mehreren Völkern gesprochen. Eroberer zwangen den Eroberten oder den Knechten nicht ihre Sprache auf. Es wurde in der regionalen Sprache regiert. Wer überregional von Bedeutung sein wollte, und das am Besten auch noch über seine Zeit hinaus, der musste es in Latein verfassen (lassen).

Allein dieser kleine Auszug aus der Geschichte der Sprachen und den Alltagsmundarten zeigt ganz offensichtlich, warum ich mich in diesem Spiel dem gleichen billigen Trick bediene, wie es all die anderen in Film, Fernsehen oder Spielebranche tun.
Der Protagonist wird bei seinen Reisen in allerlei Länder gehen und dabei allerlei Völker kennenlernen. Ein intellektuelles Feuerwerk der vielen Sprachen wird dennoch ausbleiben. Warum?
Der wichtigste Grund ist, dass ich selbst für eine flüssige Kommunikation nur eine Sprache zur Verfügung habe: Deutsch.
Ja, ich kann Englisch. Aber für einen lockerflockigen Smalltalk wird es nur mit viel Stottern reichen. Ich verstehe es, aber ich spreche es nicht. Ich könnte es auch nicht in lokaler Mundart ausdrücken, keinen Slang. Bei anderen Sprachen sind es noch schlechter aus. Ein ganz klein wenig Französisch geht ja noch, aber nur, um zu sagen, dass ich kein Französisch kann. Ich habe fast 30 Jahre an der polnischen Grenze gewohnt und kann praktisch kein einziges Wort. Ich beherrsche tatsächlich nur die deutsche Sprache hinlänglich genug, um in einem flüssigen, umgangssprachlichen Stil die jeweiligen Charaktere sprechen zu lassen.
Ein anderer Grund ist nicht gerade zu vernachlässigen: Jede Sprache stellt einen gewaltigen Mehraufwand dar. Ob es nun um die manuelle Lokalisierung geht (also jede Textbox und jedes Item z.B. für den englischen Markt noch einmal geschrieben werden muss) oder um die Umsetzung mehrerer aktiv im Spiel gesprochener Sprachen. Ich müsste ziemlich viele Sprachen Europas, Afrikas und Asiens analysieren und lernen. Denn das ist der Raum, den das Spiel einnimmt. Dialekte waren damals stärker ausgeprägt, teilweise sogar als eigene Sprachen geführt. Wir erkennen es noch heute, wenn wir Menschen direkt von der bayrischen Alm nach dem Weg fragen und er in seinem lokalen Dialekt antwortet. Oder das andere Extrem an der Küste, wenn wir uns unbeholfen in Plattdeutsch versuchen. Und das sind, auch wenn ihr es nicht glaubt, nur abgeschwächte Varianten dessen, was allein im frühen Deutschland als eigene Sprachgruppen geführt wurde.
Ein letzter Grund, der ebenso wichtig ist: Es gibt keine Zweckmäßigkeit für so einen Aufwand. Es verkompliziert das Spiel unnötig, wenn man in jedem Land ersteinmal irgendwelche Dolmetscher aufsuchen muss, um zu erfahren, was der lokale Fürst da eigentlich gerade für Aufträge verteilt hat. Es gibt dem Spieler keinen Mehrwert, eine solche Sprachvielfalt "genießen" zu dürfen. In welcher Sprache er dem Bauern oder Bürger bei seinem Problem hilft, ist irrelevant. Zum eigenen Verständnis trägt eine einheitliche Sprache ebenso bei. Und ehrlich: Wozu zwölftrilliarden Sprachen einbauen, wenn der Spieler diese nicht beherrscht? Es ist immer noch nur ein Spiel und Spieler sollen es spielen, nicht Sprachwissenschaftler. Außer der Spieler ist rein zufällig Sprachwissenschaftler.

Durch eingestreute Worte und bestimmte Ausdrücke soll aber das Gefühl von Lokalität suggeriert werden, ohne dabei den gesamten Kontext hinterfragen zu müssen, vielleicht auch mit gelegentlichen Rückfragen der Heldentruppe, was das Gegenüber gerade gesagt hat oder was diese Worte bedeuten. Oft handelt es sich dabei um Gefühlswörter, für die es oft auch im echten Leben keine Übersetzung gibt, nur annähernde Entsprechungen. Bei anderen Rassen, wie zum Beispiel den Orks wird der Satzbau umgestellt. Es werden dennoch keine Yoda-Sätze aufbloppen. Manche Figuren, die sich nicht in der Spielsprache äußern können, werden dies mit Lauten, mit Gestik und mit Mimik versuchen, soweit es die Technik des RPG-Maker hergibt.
In wie weit sich die Wesen im Spiel selbst über ihre globalen Sprachfertigkeiten bewusst sind oder ob dieses Thema überhaupt für diese relevant sind, ist noch offen.

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Warum gibt es Schilder für Hotels und Geschäfte?

Das hat zwei Gründe.
Der erste sollte jetzt eher so mittel schocken: Die Leute im Mittelalter konnten zumeist nicht lesen. Auch in heutigen "mittelalterlichen" Altstädten sieht man noch Brillen, Brezel, Hammer und andere Symbole an vergoldeten Tafeln oder Aushängen über der Ladentür. Dort war mal ein Optiker, Bäcker oder Schmied. Aus der Luft gegriffen ist diese Art der Markierung also nicht. Und jeder konnte diese Bildsprache deuten. Niemand ging zum Brezel und wollte ein Schwert geschmiedet haben. Symbole und Bildsprache sind einer der Gründe, warum Innenräume von Kirchen hübsch verziert waren. So konnte die nichtlesende Bevölkerung die biblischen Geschichten für sich leichter lebendig werden lassen. Den Predigten des Pfarrers konnte man so besser folgen.
Sie dienen in Sacra Tibia natürlich in erster Linie der Orientierung des Spielers. Der kann auch in neuen Orten dann schnell erkennen, wo er neue Ausrüstung herbekommt und wo er übernachten kann.
Da Handwerker und Händler in Sacra Tibia aber nicht reine Itemgeber sind, die sonst an keinerlei Äußerem zu erkennen sind und mit jedem anderen Beruf austauschbar erscheinen, werden sie im Spiel auch ihrer jeweiligen Arbeit nachgehen. Will heißen, der Schmied steht nicht lediglich an der Ladentheke, wie der Apotheker, der Schneider, der obligatorische Heiltrankverkäufer. Nein, er schmiedet mit dafür vorgesehenem Werkzeugen an dafür vorgesehenen Werkbänken, wie dem Amboss. Jener rührt Essenzen und Elixiere an. Der andere sitzt mit Zwirn an einem Stoff. Letzteren gibt es nicht getrennt von einem Beruf. In den Werkstätten also ist der Beruf klar erkennbar. Da stehen und liegen Stoffbahnen, Hämmer, Eisen, Zangen, Meißel, Stößel, Wasserfässer, Wannen, Räder, Rüstungen, Schwerter, Lanzen, Pfeile, Fleischstücke, Bierfässer und dergleichen mehr. Auch aus dem äußeren Schein des Hauses soll man auf die Funktion und den Beruf des Inhabers schließen können. Eine offene Ladentheke wo Schweinehälften hängen, schließt erstmal den Apotheker aus. Wo ein Blasebalk ein Feuer in Gang hält, ist der Schneider nicht zu suchen. Durch entsprechende Geräuschkulissen soll das ganze auch akustisch unterstützt werden.
Wenn man Spiel etwas diesbezüglich vorwerfen kann, dann dass die stete Ausrichtung dieser Schilder immer zum Spieler hin passieren. Aber in einem Retro-2D/3D-Spiel ist das nicht anders zu realisieren.

Warum gibt es ein Questlog?

Wie erläutert, war Lesen eher wenig verbreitet. Wofür dann also ein Bereich im Spiel, wo Schriftlichkeit das A und O darstellt?
Ich meine, auch Milos wird lange nicht lesen können. Aber das muss ja nicht heißen, dass der das nie lernt. Was Klein-Milos nicht kann, muss sich im Alter ja nicht fortsetzen. Bücher und Schriftrollen können also auch für die Spielfigur lehrreich sein. Manche Bücher enthalten spielinterne Historie und Sachinformationen, wie Rezepte zum Kochen oder für die Alchemie. Manche Schriften enthalten alte Mythen und Legenden. Wieder andere Aufzeichnungen beschäftigen sich mit dem Alltagsleben, wie Preis- und Einkaufslisten, Inventaraufzählungen, schriftlich niedergelegte Verträge, Urkunden, Testamente (die ja doch die Seltenheit waren) und ähnliches.
Das Questlog selbst aber ist ein Stück weit Bruch der vierten Wand. Denn das dient rein der Erinnerung und Übersicht des Spielers. Diese Texte bekommt der Held nie zu "sehen".
Ich haderte lange, ob ich diesen Bruch tatsächlich begehen soll. Insbesondere, da ja bereits ein sehr umfangreiches Handbuch existiert. Doch ich habe mich letztlich dafür entschieden, da dass Questlog nicht die Gefahr des Spoilerns beherbergt. Im Handbuch wäre ja jederzeit aller Inhalt einzusehen.
So erleichtert das Questlog in erster Linie den Wiedereinstieg des Spielers nach einer längeren Spielpause. Auch ein Spieler, der viele Aufgaben angenommen hat, wird davon profitieren.

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Warum laufen die Helden immer in den gleichen Klamotten rum?

Grundsätzlich muss man sagen, ist es ja erstmal technisch möglich, jede Änderung der Ausrüstung auch irgendwie sichtbar darzustellen. Auch im RPG-Maker kann man sich ein entsprechendes Skript erstellen. Mit einem Common-Event könnte man dies sogar zentral ablegen und so von jeder MAP des Spiels aus darauf zurückgegreifen.
Für den Haupthelden Milos wäre es vermutlich sogar recht einfach umsetzbar, aber sobald die Party aus mehreren Helden besteht, die obendrein auch noch verschiedene Rüstungen tragen, wird es kompliziert. Nehmen wir an, Milos und Guy geraten in eine Konfrontation. Dies würde auf dem Bildschirm natürlich entsprechend dargestellt werden. Guy geht also "aus der Party", um für den Spieler sichtbar zu sein, wenn er mit Milos diskutiert. Wie gesagt, die Umsetzung für Milos als Haupthelden ist einfach. Es wird lediglich beim Verlassen des Spielmenüs ein Event gestartet, dass schaut, was er anhat und die Grafik entsprechend anpasst. Damit Guy als Gesprächspartner ebenfalls ein Kettenhemd trägt, wenn er die Party "verlässt" muss es auf der MAP auf der dies geschiet - im Grunde auf allen MAPs in denen irgendein Held separat sichtbar ist - ein Event in einer versteckten Ecke geben, dass nicht nur Guy darstellt und das Skript ablaufen lässt, sondern ein Guy für jede der über 20 Rüstungstypen. Ein Guy in Umhang, einer in Bauernklamotten, einer in Mönchskutte, einer in Panzerrüstung, einer in Kettenhemd, einer in ... Ihr versteht was ich meine.
Ich stimme zu, dass wäre grafisch und immersiv echt was feines. Aber auch das stellt einen recht großen Aufwand dar. Während ich aber gerade so darüber schreibe, habe ich tatsächlich eine Idee für eine technische Umsetzung, also seht diese Zeilen hier nicht "als in Stein gemeißelt" an.
Aktueller Plan ist es aber, die Figuren entsprechend des Fortschrittes des Spiels umzukleiden. Der Plot entscheidet also, was die Helden tragen. Besonders an Milos wird dies erkennbar sein, ist er doch immerhin die Person, der man im Spiel am Meisten folgt. Sein Aufstieg vom Stallburschen zum Söldner oder Knappen wird man durch ranghöhere Kleidung auch optisch erkennen.
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Re: Sacra Tibia: Informationen

Beitragvon almafan » Fr 21. Okt 2022, 15:32

Making of Takaliyah - Sacra Tibia Charakter erstellen

Vor zwei Tagen habe ich auf YouTube ein neues Video hochgeladen.
In diesem erkläre ich, wie ich den Engel Takaliyah entworfen habe. Ausgedacht ist sie bereits seit locker zehn Jahren, aber ihre Grafik gibt es erst seit September. Und nun habe ich ein Making of zu ihrer Figur veröffentlicht. Die im Video angesprochene Biografie findet ihr im folgenden Link.

Sacra Tibia: Biografien - Takaliyah:
https://almafan.iphpbb3.com/forum/38899908nx49134/almafans-spiele-f14/sacra-tibia-biografien-t96.html#p1486

Vermutlich wird der Name noch geändert, wie im Video erklärt.
Es ist tatsächlich 22 Minuten lang geworden. Da bin ich selber ein bisschen überrascht.


https://www.youtube.com/watch?v=mEaSUrI9MSI

Erst habe ich die Eingangs erwähnte Maske für Charsets verwendet. Auf diese setzte ich die drei passensten Charsets, die ich dann mixte, auch wenn ich von der zweiten praktisch nichts verwendet habe. Den Körper von der ersten und die Haare von der dritten Figur, habe ich dann die Haare angepasst. Die Hautfarbe habe ich dann von einem zurechtgeschnittenen Bild von Aaliyah genommen. Dann habe die Kleidung schwarz gefärbt und bauchfrei gestaltet. Sie bekam goldene Armreifen und 2 Stufen. Engel können sich verwandeln und so mehr Kraft freisetzen. Von einer weiteren Figur habe ich dann die Flügel genommen und an die dritte Figur angehangen.

Bild

Hier ist noch einmal die im VIdeo verlinkte GIF-Animation. Ich habe den Charset bereits angepasst. Hier im GIF sind noch zwei Fehler in den Flügeln enthalten. Bei der nach unten schauenden Takaliyah verschwindet die obere Kante der Flügel und bei den beiden seitlich gezeigten tauchen noch Teile des Kleides auf von der Figur, von der diese Flügel genommen wurden. Beide Fehler sind mittlerweile entfernt.
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