Fr 6. Apr 2012, 10:10
Kapitel XXXXV„Einen Globus?“ wiederholte Brandon irritiert.
Stevie nickte nur.
„Aber wieso ein Globus? Ich meine, wieso ist das Teil so besonders, dass man dich deswegen jagen lässt? Ist dass Teil diamantenbesetzt? Oder was?“ Brandon war verwirrt.
Im Grunde stellte er sich vor, dass der Globus, den sie gestohlen hatte, ziemlichen Wert haben musste. Vielleicht war er Antik? Aber er konnte sich nicht vorstellen, wie sie einen antiken Globus fortgebracht und versteckt haben sollte. Ein Globus war für ihn eine große bunte Kugel von mindestens einen halben Meter Durchmesser. Ein so großer Gegenstand würde mit Sicherheit auffallen.
Stevie sah ihn stumm an, so als müsse sie selbst nach einer Antwort suchen.
Dann meinte sie grüblerisch:
„Der Globus war klein!“
Brandon wartete auf weitere Einzelheiten.
„Und aus Glas!“ kam von ihr unsicher, „Nur etwa zehn Zentimeter im Durchmesser.“
„Aber was ist so besonders an dem Teil?“ wollte er wissen.
„Der Globus hatte einen kleinen Sockel aus einem rot-goldenen Holz.“ erklärte sie weiter, „Da war was drin.“
Als sie keine weiteren Angaben machte, fragte er, was genau in dem Globus gewesen sein sollte.
Noch immer konnte er sich nicht vorstellen, was an dem Globus so besonderes sein sollte.
Das wäre für ihn noch immer kein Grund, Stevie jagen zu lassen.
Stevie hatte sich wieder neben ihn aufs Bett gesetzt, die Hände zwischen ihre Knie geklemmt und sah auf den Boden.
Sie schien in Gedanken versunken zu sein.
„Es geht nicht nur um den Globus!“ flüsterte sie leise, ohne aufzusehen.
Brandon wollte mehr wissen.
Doch noch ehe, er sie um mehr Informationen bitten konnte, hörten beide ein Geräusch.
Beide sahen erschrocken auf und in Richtung Tür.
Sie erwarteten eigentlich noch immer, dass Eric endlich zurück käme.
Doch sie konnten deutlich hören, dass es nicht Eric war, der vor der Tür war.
Es waren zwei Stimmen vor der Tür zu hören.
„Was ist das?“ wollte Brandon irritiert wissen.
Stevie riss die Augen immer weiter auf.
„Jemand kommt in das Zimmer!“ meinte sie und sprang auf und stürmte zur Zimmertür.
„Wie? Ich denke niemand ohne Schlüssel ...“ fing Brandon an.
Doch Stevie unterbrach ihn gleich.
„Nicht das Zimmer hier! In dein Hotelzimmer! Jemand kommt in dein Hotelzimmer. Und wenn wir unsere Tür offen lassen, finden sie uns!“
Brandon brauchte einen kurzen Moment ehe er verstand, was genau sie damit meinte.
„Aber Eric...!“
Stevie stand an der Tür, unsicher ob sie sie schließen oder doch noch warten sollte.
„Eric sollte doch längst wieder zurück sein!“ meinte Brandon etwas verwundert.
Dallas sah Eric mit großen Augen an.
„Du willst mir einfach so die Spieluhr geben?“ wiederholte sie sein Angebot.
Erneut biss er krampfhaft die Zähne zusammen, so als würde es ihm helfen, so seinen Ärger runter zu schlucken.
Dann nickte er.
Sie musterte ihn nochmals.
„Lenk einfach Larson für einen Moment ab und ich …!“ begann Eric mit fester Stimme.
„Was ist für dich drin?“ wollte sie von ihm plötzlich wissen.
Und die Frage brachte Eric ein wenig aus dem Konzept.
„Was?“
„Was ist für dich drin?“ wiederholte sie, „Ich meine, du hilfst ihr zu verschwinden. Spielst abermals den großen Helden und dann?
Sie beobachtete genau seine Reaktion.
Eric sah sich um, ehe er ihr in die Augen blickte und meinte, dass er im Grunde nichts erwartete.
„Alles nur für sie? Nur weil sie es so will?“
Wieder blieben Eric die Worte im Hals stecken.
„Wieso begleitest du sie? Bist du einsam oder was?“
„Sie will mir helfen!“ quälte Eric zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Wie? Sie kennt noch nicht einmal ihre eigene Vergangenheit. Sie wird verfolgt. Und dennoch hoffst du, dass sie zwischen drin, noch dir hilft?“
Es klang ein wenig spöttisch, wie Dallas ihn so ausfragte. Doch andererseits schwang ein wenig Sorge in ihrer Stimme mit.
„Das geht dich nichts an!“ knurrte Eric verärgert.
Dallas schmunzelte nur.
„Hilfst du mir nun oder nicht?“ wollte er dann von ihr wissen.
„Ich weiß nicht, ob ich viel tun kann!“
Eric wusste nicht, ob sie dies nur so dahin gesagt hatte. Oder ob sie sich vielleicht doch ein Herz fasste und helfen wollte.
Er ging einfach wieder in Richtung Ausgang.
„Versuch sie dazu zu bringen, sich Larson auszuliefern!“ rief Dallas ihm hinterher, „Er könnte sie beschützen!“
Eric ignorierte sie und verließ das Café.
Erst in einigen Metern Entfernung konnte er wieder leichter atmen. Zumindest fühlte es sich so an.
Sobald er aus der Reichweite des Talismans war, fühlte er sich wieder wohler. Und zu seiner freudigen Feststellung war er nun auch wieder Körperlos.
Doch seine Freude währte nicht lang.
Er wusste noch immer nicht, wie er Stevie nun aus der Stadt helfen sollte. Zudem hatten Dallas Worte sich in sein Hirn gebrannt.
Was war für ihn drin? Würde Stevie ihm immer noch helfen, sobald sie in Sicherheit wäre? Oder wenn sie all ihre Erinnerung zurück hätte?
Was wäre dann mit ihm?
Dallas hatte Eric nicht alles gesagt. Nur soviel wie er wissen sollte. Soviel, dass er davon überzeugt wäre, dass Stevie bei Larson wirklich sicherer aufgehoben wäre.
Sie hatte ihm auch nicht gesagt, woher sie ihre Informationen hatte.
Unter anderem, weil sie dies für den Moment nicht für wichtig hielt.
Es waren nicht die Informationen, die Larson versucht hatte zusammen zu tragen. Er wusste im Grunde über Stevie nicht viel. Ganz so wie es Doyle scheinbar damals hatte haben wollen. Stevie, das große unbekannte Rätsel. Das Mädchen, das scheinbar nicht existierte.
Larson mochte vielleicht den Namen Wells schon einmal gehört haben, doch nicht im Zusammenhang mit Stevie. Ansonsten wäre er vermutlich noch besorgter als ohnehin um das Mädchen und seinen Auftrag.
Wells war es damals gewesen, den Dallas gesehen hatte, kurz bevor Stevie mit der Spieluhr vor ihr geflohen war.
Auch sie hatte ein oder zwei Mal schon Wells´ Wege gekreuzt. Wenngleich auch nur um ihm irgendetwas zu verkaufen. Sie wusste wie gefährlich der Mann sein konnte.
Im Grunde hatte Dallas nicht damit gerechnet, Eric über den Weg zu laufen. Sie hatte nur einen Kaffee trinken wollen.
Larson war im Wagen kurz eingeschlafen, während sie weiter Wache gehalten hatte. Und als er nach eine halben Stunde wieder aufwachte, hatte er sie einfach ins Café um die Ecke geschickt.
Im Grunde war Larson´s Wagen von hier aus zu sehen. Und auch der Waschsalon, den Larson überwachte.
Sie trank den letzten Schluck ihres Kaffees, bestellte einen zweiten zum mitnehmen und zahlte. Auf ihrem Weg zum Wagen, hatte sie das Gefühl, dass irgendwer sie beobachtete.
Sie wusste, dass es nicht Eric sein konnte. Nicht nur weil sie sich sicher war, dass er besorgt zu Stevie zurück gehen würde, sondern auch wegen des Talismans.
Schnellen Schrittes ging Dallas zu Larson´s Wagen zurück, stieg auf der Beifahrerseite ein und gab dem Mann den Kaffee ohne ein weiteres Wort.
„Ich frag mich, wo sie stecken?“ murmelte Larson in den Kaffee. Auch er spürte die fremden Blicke.
„Was wäre, wenn sie mit einem anderen Fahrzeug aus der Stadt verschwinden?“ wollte sie von ihm wissen und musterte ihn.
„Ich glaub nicht, dass Brandon seine Maschine zurück lässt!“ war Larson überzeugt, „Ist schließlich das einzige, was er aus seiner Beziehung noch besitzt! Und so eine tolle Maschine lässt man nicht einfach zurück!“
Dallas nickte nur mit hochgezogener Augenbraue.
Sie selbst würde natürlich auch nicht das Motorrad stehen lassen. Allerdings würde sie es eher aus finanzieller Sicht nicht einfach zurück lassen.
„Möglich wäre es trotzdem!“ bemerkte sie leise und machte es sich auf ihrem Sitz bequem.
Stevie stand unschlüssig an der Zimmertür und lauschte. Die Tür war nur einen winzigen Spalt weit offen und man würde es von der anderen Seite nicht sofort bemerken.
Den Stimmen nach waren es zwei Hotelangestellte, ein Mann und eine Frau, die noch immer nach Brandon suchten.
„Machen Sie hier sauber! Und wenn Sie was finden, geben Sie sofort Bescheid!“ befahl die männliche Stimme.
„Der wird nicht mehr hier sein!“ gab die Frau zurück.
Dann war das Quietschen eines Wagens zu hören. Allen Anschein nach der Wagen des Zimmermädchens, voll mit Putzutensilien, Handtüchern und Pralinen.
Der Mann suchte hörbar hinter den Vorhängen und auch unter dem Bett. Seine Schritte laut und kräftig.
Und er kam immer näher zu dem geheimen Zimmer und dem Versteck von Brandon und Stevie.
Noch ehe Stevie überhaupt reagieren konnte, hatte Brandon die Tür zugestoßen.
Er stand nun hinter ihr und presste sein Ohr an die Tür.
Stevie war zu entsetzt um sofort zu reagieren.
Die beiden konnten nicht wissen, dass das Schließen der Tür zu hören war.
Irritiert hatte der Hotelangestellte sich zu dem Geräusch umgedreht und starrte nun auf die Badezimmertür.
Ein kurzer Blick zum Zimmermädchen bestätigte ihm, dass er sich den stumpfen Schlag gegen die Tür und das Klicken nicht nur eingebildet hatte.
Vorsichtig und leise ging er zu der Tür hinüber, legte sein Ohr an das Holz und lauschte.
Doch nichts war zu hören.
Und so öffnete er vorsichtig und langsam die Tür.
Das Zimmermädchen hinter ihm sah mit großen Augen zu und klammerte sich an das Kissen, welches sie soeben vom Fußboden aufgehoben hatte.
„Aber …?“ Der Angestellte war irritiert.
Die Tür schwang auf und präsentierte das Bad. Ein menschenleeres Bad.
Abermals drehte er sich zu der Frau um, die ihn genauso ungläubig ansah.
„Sie haben das doch auch gehört, oder?“ wollte er von ihr wissen und sie nickte nur erschrocken.
Wieder sah er in das Bad, ehe er hinein trat und genauer nach sah.
Doch was auch immer gegen die Tür gestoßen war und sie hatte ins Schloss fallen lassen, war nicht zu sehen. Es gab nicht einmal ein Fenster in dem Zimmer, womit man erklären könnte, warum sich die Tür geschlossen hatte. Nicht das es überhaupt auf den ersten Blick ausgesehen hatte, dass sie offen war.
Irritiert schloss er die Tür wieder, wartete einige Sekunden und öffnete sie dann.
Doch wie zuvor war nur ein leeres Badezimmer zu sehen.
Er wiederholte den Vorgang noch einmal.
Aber wieder blieb der Raum leer.
So schüttelte der Mann nur verwundert den Kopf, zog die Tür zu und drehte sich zum Zimmermädchen.
„Beeilen Sie sich!“ meinte er nur und verließ das Hotelzimmer.
Das Zimmermädchen starrte noch immer auf das Badezimmer. Dann riss sie sich zusammen und wechselte in Windeseile den Bettbezug, reinigte in Eile das Zimmer und brachte es wieder auf Vordermann. Allerdings ignorierte sie das Badezimmer. Sie traute sich nicht dort hinein. Nicht allein.
So stürmte sie nach halb getaner Arbeit mit ihrem Wagen wieder aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Auf dem Hotelflur atmete sie erst einmal tief durch.
Sie wollte gerade den Flur entlang zum nächsten Zimmer gehen, als sie in dem Spiegel neben sich einen Mann vorbeihuschen sah.
Irritiert sah sie sich um.
Doch der Mann war nirgends zu sehen. Außer ihr niemand weiter auf dem Flur.
Sie blickte erneut in den Spiegel.
Nur ganz kurz konnte sie darin den Mann sehen. Ehe dieser in dem Zimmer verschwand, aus dem sie gerade eben kam.
Wieder drehte sie sich zu dem Zimmer um.
Und wieder war niemand zu sehen.
Panik stieg in ihr auf. Schnell bekreuzigte sie sich, auch wenn sie nicht an höhere Mächte oder gar Geister glaubte.
Sie schob ihren Wagen eilig weiter. Doch sie hielt nicht beim nächsten Zimmer. Sie lief immer weiter und weiter. Und verkündete den nächstbesten Angestellten, den sie traf, dass sie sich nicht wohl fühle und nach hause müsste.
Eric bekam von der ganzen Sache mit dem Zimmermädchen, welches er unbeabsichtigt zu Tode erschreckt hatte, nichts mit. Andernfalls hätte er sich darüber kaputt gelacht.
Er betrat das Hotelzimmer, ohne die Tür zu öffnen, und schritt hinüber zum Bad.
Er ging einfach durch die Tür.
Und erschrak.
Zuletzt geändert von Nikita LaChance am Sa 21. Apr 2012, 11:20, insgesamt 1-mal geändert.